Hildegard von Bingen

Die Ewigkeit gleicht einem Rad, das weder Anfang noch Ende hat
(Hildegard von Bingen)

Hildegard von Bingen

Wer war diese Frau?
Nach der Historie ist belegt, dass Hildegard als erste Vertreterin der deutschen Mystik des Mittelalters war.
Ihre Werke beschäftigen sich unter anderem mit Religion, Medizin, Musik, 
Ethik und Kosmologie.

Die vielen Schriften von Hildegard waren für den Klerus schon eine harte Kost, denn so schrieb sie zum Thema Begierde und Sexualität, dass diese ein göttlicher Willens sei. Denn ungeachtet der traditionellen Verurteilung der Sexualität an anderen Stellen ihrer Schriften wird die sexuelle Lust als göttliche Kraft interpretiert. Denn ausdrücklich erkennt sie im „Streben der Begierde und der Zeugungskraft des Mannes“ ein Zeichen der „Liebeskraft Gottes“.
Mit solchen und anderen Texten zählt Hildegard definitiv zu den ersten emanzipierten Frauen jener Zeit. Auch war sie Beraterin für viele Adligen und Bischöfe.
Ein umfangreicher Briefwechsel und auch Ermahnungen zwischen Hildegard und jenen hochgestellten Persönlichkeiten haben die Jahrhunderte überdauert. Hildegard hat sich sprichwörtlich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen.

Eine Frau, die 833 Jahre nach ihrem Tod offiziell heilig gesprochen wurde, gibt in ihrer Biographie immer so sehr viele Rätsel auf.
Wenn man den Historiker glaubt, wurde Hildegard als Tochter der Edelfreien Hildebert und Mechtild geboren. Weder der genaue Geburtstag noch der Geburtsort werden von Hildegard oder zeitgenössischen Biografen genannt. Ihr wahrscheinliches Geburtsdatum lässt sich anhand ihrer Schrift „Scivias“ recht nah eingrenzen. So musste Hildegard als 10. Kinder einer Adelsfamilie zwischen dem 1. Mai 1098 und dem 17. September 1098 geboren sein.
Nach neueren wissenschaftlichen Forschungsergebnissen aus dem Ende des letzten Jahrtausends stammt Hildegard von dem in einer Urkunde von 1112 genannten Hildebert (Hildebrecht) von Hosenbach (dem heutigen Niederhosenbach in der Verbandsgemeinde Herrstein) ab. Hildebert wird im Jahr des Eintritts vom  Hildegard als Inkluse am Kloster Disibodenberg in einer Urkunde benannt.
Hildegards Mutter war Mechthild von Merxheim. Es ist demnach davon auszugehen, dass Hildegard am Stammsitz ihrer Familie die ersten acht Jahre ihres Lebens verbracht hat.

Nun noch ein paar Informationen zu dem Kloster Disibodenberg bei Odernheim am Glan.

Das Kloster Disibodenberg war eine große Baustelle, als zu Allerheiligen 1112 drei junge Frauen als Inklusinnen aufgenommen wurden: die 20-jährige Jutta von Sponheim, die 14-jährige Hildegard sowie eine weitere 14-jährige Jutta.

Fast 40 Jahre gab es nun auf dem Disibodenberg ein benediktinisches Doppelkloster. Die Frauen lebten zurückgezogen in einer Klause, am Rand der großen Klosteranlage. Zunächst war Jutta die Magistra der Frauenklause. Ihre Gemeinschaft wuchs in 24 Jahren auf zehn Schwestern an.

Nach Juttas Tod 1136 wählten die Schwestern Hildegard zur Leiterin der Frauenklause. Hildegard reformierte einige strenge Vorgaben Juttas und kürzte unter anderem die langen Gebetszeiten. Im Jahr 1141 empfing Hildegard große Visionen, von denen sie in ihrem Buch „Scivias“ berichtete. Ein zeitgenössisches Bild zeigt sie bei der Niederschrift ihrer Visionen auf Wachstafeln. Sie thront selbstbewusst unter einem romanischen Bogen, fünf Feuerzungen des Heiligen Geistes kommen auf sie herab. Ihr zur Seite – durch eine Mauer getrennt – sitzt der gelehrte Mönch Volmar auf einem Bänkchen, hält weißes Pergament in seinen Händen und steckt seinen Kopf durch ein Fenster. Ein Hinweis, dass er bei der Übertragung ihrer Texte in einen Kodex half, aber auch ein Hinweis auf die räumliche Trennung der Nonnen und Monche.

Das Signal zum Umzug auf den Rupertsberg war 1148 die Anerkennung Hildegards als Seherin durch Papst Eugen Ill. Hildegard war nun berühmt, wollte die Abgeschiedenheit auf dem Disibodenberg hinter sich lassen und im Zentrum des damaligen Reiches ihr eigenes Kloster gründen. Doch bis mit Hilfe reicher Unterstützer auf dem Rupertsberg bei Bingen erste Behausungen gebaut und die verfallene Rupertskapelle wieder hergestellt waren, sind ein paar Jahre vergangen. Spätestens zur Weihe der renovierten Kapelle am 1. Mai 1152 wird sie mit ihren 20 Schwestern am Rhein eingetroffen sein.

Leider wurden alle Wirkungsstätten von Hildegard in den Turbulenzen des Dreißigjährigen schwedischen Truppen zerstört.

Die Burg Landeck bei Klingenmünster

Die Burg Landeck im geschichtlichen Überblick

Die erste Erwähnung der Burg Landeck liegt nach urkundlicher Erwähnung im Jahr 1237. Die Burg hat damals aber schon bestanden, denn es handelt sich um einen Teilungsvertrag der Leininger Güter zwischen den Grafen Friedrich lll. und Emich IV. von Leiningen und nicht um eine Gründungsurkunde. Emich erhielt Landeck mit allen ihren Gütern. Die Burg war ein Reichslehen. Lehnsherren waren die Grafen von Zweibrücken und die Grafen von Leiningen. 1290 verlieh König Rudolf von Habsburg nach dem Tod Emichs V. von Leiningen-Landeck die zurückgefallene Hälfte der Reichsburg an seinen Neffen, den elsässischen Landvogt Otto IV. von Ochsenstein. Seit Beginn des 14. Jahrhunderts versuchte die Abtei Klingenmünster, Landeck und die umliegenden Güter als ihr Eigentum auszuweisen. Das betraf vor allem die Anteile der Ochsensteiner. Auch die Pfalzgrafen bei Rhein strebten danach, sich der Burg zu bemächtigen. So geschah es, dass 1405 Friedrich von Ochsenstein ein Viertel seines Anteils an den Bischof Raban von Speyer verkaufte und es sodann drei Besitzerparteien auf der Burg gab, die Grafen von Zweibrücken-Bitsch, die Herren von Ochsenstein und das Bistum Speyer. 1525 gelang es den Bauern des elsässischen Kolbenhaufens die Burg zu erobern und niederzubrennen.Es scheint aber, dass die Schäden bald wieder behoben waren. Nach dem Aussterben der Herren von Ochsenstein 1485 und der Grafen von Zweibrücken-Bitsch-Lichtenberg 1570 erhöhten die pfälzischen Kurfürsten ihren Besitzanteil an der Burg zunächst auf drei Viertel und vervollständigten ihn schließlich 1709 durch Tausch mit dem Bistum Speyer. Mittlerweile war die Burg jedoch durch französische Truppen zerstört worden. Doch Kurpfalz blieb alleiniger Besitzer bis zur Französischen Revolution. Die eindrucksvolle Burgruine gehört heute zu den von ,Burgen, Schlösser, Altertümer Rheinland-Pfalz“ verwalteten denkmalgeschützten Objekten.


Der Bergfried

Der Bergfried

Das architektonische Schmuckstück der Burg ist der noch bis zu einer Höhe von 23 Metern aufragende, mit 9 x 8,50 m fast quadratische Bergfried. Er gehört zu den schönsten und besterhaltenen Wehrtürmen der Pfalz, gilt gleichsam als Musterbeispiel eines Bergfrieds überhaupt. Seine Wände sind durchgehend mit vorzüglich gearbeiteten Buckelquadern verkleidet. Mit Ausnahme der Zugangstür und einigen Lüftungsschlitzen verfügt der Turm über keine weiteren ursprünglichen Öffnungen. Die regelmäßig über die Turmwände verteilten quadratischen Löcher sind sogenannte Rüst- oder Gerüstlöcher. In ihnen steckten einst die Streben des freitragenden Baugerüsts. Typisch für einen mittelalterlichen Bergfried ist der hochgelegene Eingang in den Turm mit dem davor angebrachten Podest, an das ein hölzerner Treppenaufgang gelehnt war. Bei Gefahr konnte sich die Burgbe satzung darüber für eine gewisse Zeit gefahrlos in den Turm zurückziehen und die Treppe zumindest teilweise einreißen In späterer Zeit ist in Höhe des Wehrgangs ein Zugang auf die Mantelmauer gebrochen worden. Zu ihm gelangt man heute über eine Außentreppe. Der ursprüngliche Turmeingang kann nicht mehr genutzt werden. Das Burgmuseum im Turminnern ist erweitert und neu eingerichtet worden.

Die Zisterne

Die Zisterne

Zisternen waren auf den Burgen die üblichen Vorrichtungen, mit denen Regenwasser zur Verwendung als Brauchwasser aufgefangen wurde. Auch Burg Landeck verfügte über eine Zisterne. die sich im Burghof befindet.Es handelt sich um eine restaurierte Filterzisterne. Im Gegensatz zu einer Tank- zisterne, die lediglich Regenwasser auffing, wird bei einer Filterzisterne das eingelaufene Wasser von Schmutz und Beimengungen gereinigt. Eine Filterzisterne verfügt über eine Sickergrube und einen Entnahmeschacht. Das Zisternenbecken ist mehrere Meter tief in den Felsboden eingegraben worden. Meistens wurden die Wände zusätzlich mit Tonschichten abgedichtet. Auf Landeck misst das Becken acht Meter im Quadrat. In der Mitte steht der wie eine Brunnenröhre aussehende Entnahmeschacht. Seine untere Steinreihe ist mit Öffnungen versehen. Um den Schacht herum ist das gesamte Zisternenbecken mit Geröll, Sand und zerschlagenem Felsgestein verpackt und verdichtet. Die meisten Zisternen waren mit einem Steinpflaster belegt, so auch auf Landeck. Es entstand somit ein zur Nutzung verfügbar gemachter Fußboden. Das von den Dächern gewonnene Regenwasser floss in Rinnen geleitet über den Burghof hin zur Zisterne und drang durch eine oder mehrere Einlaufoffnungen im Fußboden in die Gesteinsschichten ein, wo es zum Zisternenboden hin einsickerte. Verunreinigungen blieben an den Steinen hängen. Man vermutet, dass das Wasser auch mit Mineralien versetzt worden ist, sodass es in gewissen Grenzen trinkbar war. Durch die Öffnungen im Entnahmeschacht sickerte das Wasser in die Schachtröhre ein und konnte mit einem Eimer über eine Haspel nach oben transportiert werden.


Quelle: Landeckverein e.V.
Text: Peter Pohlit, Annweiler

Die Marksburg

Immer wieder bemüht sich die Burgenforschung um eine klare typologische Erfassung der Burgen durch Zuweisung in bestimmte Kategorien. Dabei orientiert man sich an der topografischen Lage, der Funktion und der Bauform. Doch alle bisherigen Versuche, Burgen in eine logische und verständliche Typologie zu zwängen, blieben unbefriedigend, da Burgen eben keine schematischen sondern individuell geprägte Bauwerke sind.

Nimmt man z.B. die Topografie als Kriterium, so unterscheidet man generell zwischen der Höhenburg und der Niederungsburg, die im flachen Gelände steht und zumeist als Wasserburg ausgeprägt ist. Nun gibt es aber Wasserburgen mit Wassergräben und Burgen, die auf Inseln in Seen, Teichen oder Flüssen (Pfalzgrafenstein), sogar auf Meeresinseln ruhen. Ausnahmsweise können auch Höhenburgen Wassergräben aufweisen (Stahleck über Bacharach).

Bei den Hohenburgen lassen sich solche in Gipfel lage (Marksburg) und solche in Spornlage unter- scheiden. Spornburgen, die bewusst den natürlichen Schutz von nach drei Seiten abfallenden Bergspornen und Vorgebirgen suchten, sind seit dem 12. Jahrhundert ein besonders häufiger, auch im Mittelrheintal bevorzugter Lagetyp (Sterrenberg, Stahleck, Gutenfels), dabei manchmal auch in Hanglage (Ehrenfels). Um dem mit der Spornlage verbundenen Nachteil einer Überhöhung durch die angrenzenden Berghänge zu begegnen, stellte man der Bergseite gerne den Bergfried (Gutenfels) oder eine verdickte Mauer, eine Schildmauer, entgegen (Sterrenberg, Stahleck, Ehrenfels, Schönburg)
Unterscheidet man Burgen gemäß ihrer Funktionen, so scheitert man sofort, da die meisten Burgen im Mittelalter mehrere wichtige Aufgaben zugleich erfüllten: Schutzbauten, Wohnsitze, Zentren des höfischen Lebens, der Gerichtsbarkeit, der Verwaltung der Wirtschaft sowie Symbole der Herrschaft, Macht und der Landesbefriedung (Landesburg). Am Rhein kommt noch die Erhebung von Zöllen hinzu. Begriffe wie ,,Zollburg“, ,,Stadtburg“ oder ,,Hafenburg“ vermengen freilich Funktion und Topografie.

Leider fällt auch die Untergliederung von Burgen nach ihren Architekturelementen schwer. Eine ,,Schildmauerburg“ z.B. ist ebenso ein architekto nischer Bautyp wie ein topografischer, da Schildmauerburgen sich nur auf Vorgebirgen finden. Auch gab es Burganlagen, sogenannte Mantelmauerburgen, die zur Betonung ihrer Gipfellage die Ringmauer extrem hoch ausführten, so dass sie aus der Ferne wie gewaltige Türme wirkten. Ähnlich problematisch ist der Terminus ,,Felsenburg“. Diesen in den Fels hinein gearbeiteten Burgen fehlen zwar zumeist solche Bauten wie Bergfried, Palas, Zwinger etc., doch lassen sie sich baulich aber auch nicht eindeutig definieren. Topografisch gehören sie zur Kategorie der Höhenburgen (z. B. Fleckenstein/Elsass)

Alle Typologien werden freilich durch den Umstand eliminiert, dass bei vielen Burgen Funktion und Architektur einem steten, mitunter sogar gravierenden Wandel unterlagen. Aus Wohnsitzen von Adeligen konnten Landesburgen werden, auf denen fortan Verwalter saßen. Dabei konnten sie von schlichten Schildmauerburgen zu mächtigen Festungen mutieren.

Die Marksburg ist in topografischer Hinsicht leicht zu klassifizieren. Sie gehört generell zur Gattung der ,,Höhenburgen“ und innerhalb dieser zur Gattung der ,,Gipfelburgen“. Funktionell wird die Kategorisierung schon schwerer, denn die Marksburg durchlief mehrere unterschiedliche Funktionen, wuchs vom Sitz Eppsteinischer Vasallen (Gefolgsleute) zum landesherrschaftlichen Burgschloss diente im 18. Jahrhundert sogar als kleiner Garnisonsstandort mit Festungscharakter, aber auch als Staatsgefängnis und Invalidenheim. In gewissem Sinne war die Marksburg zeitweilig auch eine echte Schutzburg, denn die mächtigen Grafen von Katzenelnbogen benötigten sie im 14. Jahrhundert zur Sicherung ihres in unmittelbarer Burgnähe betriebenen Silberbergbaus.

Das indonesische Militär feuerte am 2. April 2024 Schüsse ab

Foto von Naftall T.

Das indonesische Militär feuerte am 2. April 2024 Schüsse ab, als es Demonstranten in Waena, Jayapura, West-Papua, gewaltsam auseinandertrieb.

Die Demonstranten forderten die indonesische Regierung und die Vereinten Nationen auf, den Fall der Folterung von Warinus Murib durch das indonesische Militär in der Regentschaft Puncak bis zum Tod des Opfers im März 2024 unverzüglich aufzuklären. Die Demonstranten kamen aus dem West Papua National Committee, Studenten und anderen zivilen Organisationen und das papuanische Volk wurde vom indonesischen Militär in Waena gewaltsam aufgelöst.

An verschiedenen Sammelpunkten wurden um 08:10 Uhr mehr als 60 humanitäre Aktivisten vom indonesischen Militär in Sentani festgenommen.

Die friedliche Demonstration wurde vom indonesischen Militär in West-Papua gewaltsam aufgelöst. Deshalb wurde es an die internationale Menschenrechtsgemeinschaft weitergeleitet und forderte die indonesische Regierung auf, dem papuanischen Volk den größtmöglichen demokratischen Raum zu eröffnen, damit es seine Meinung öffentlich äußern kann.

Als humanitäre Aktivisten in West-Papua fordern wir die Vereinten Nationen und internationale Menschenrechtsinstitutionen dringend auf, West-Papua unverzüglich auf eine Reihe außergerichtlicher Tötungen und Verhaftungen von Zivilisten und Aktivisten während des bewaffneten Konflikts zwischen dem indonesischen Militär und Freiheitskämpfern in West-Papua zu überprüfen.

Der Wahnsinn von einem Krieg

Gaza am 5. April 2024

Ich wollte mich eigentlich zu dem Krieg zwischen Israel und Palästina nicht mehr äußern.
Ich bekomme täglich Fotos, Videos und Berichte von Menschen aus Palästina geschickt, bei denen mir das Herz blutet.

Ich stelle mich auf keine Seite der Kriegsparteien! Nur kann ich langsam  nicht mehr mit ansehen, wie unschuldige Menschen getötet und Infrastrukturen vom israelischen Militär zerstört werden.
Es reicht!

Wenn man sich in der westlichen Welt und Deutschland besonders gegen diesen Irrsinn an Krieg stellt, kommt sofort die Antisemitismuskeule von Israel. Aha!
Meine Generation und die Generation davor haben mit dem Holocaust NICHTS zu schaffen, denn wir waren noch nicht einmal geboren oder selbst noch Kinder. Deutschland hat in vergangenen Jahrzehnten mehr als Genügend Geld dafür bezahlt. Also versteckt euch nicht hinter etwas, was wir nie getan und schon gar nicht gewollt haben.

Gaza am 5. April 2024

Was tut Israel aktuell der Bevölkerung von Palästina an? Wenn man mit Maschinengewehre auf Schafe und Bauern schießt, kann man wohl kaum von einer Vernichtung gegen die Hamas sprechen. Wenn man mit brachial Gewalt Infrastrukturen zerstört, kann man kaum gegen eine Vernichtung der Hamas sprechen.
Wenn man Kinder mit Waffen bedroht, kann man kaum von einer Vernichtung der Hamas sprechen.
Israel betreibt Völkermord. Man muss es endlich klar und deutlich sagen.

Auch kann man von keinem Präzisionseinsatz vom Mossad oder dem Militärgeheimdienst Aman sprechen, wenn täglich zig Zivilisten und Kinder Opfer von einem äußerst brutal geführten Krieg gegen Palästina getötet werden. Was Israel abzieht, ist ein Genozid an einem Volk!

Gaza am 5. April 2024

Israel verstößt gegen die Genfer Konventionen, sowie gegen die internationale Genozid-Konvention.
Der Sicherheitsrat der UN muss endlich den Internationalen Strafgerichtshof beauftragen, damit dieser Wahnsinn ein Ende findet.
Denn Israel begehrt nachweislich Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Diese systematische Übergriffe auf die Zivilbevölkerung sind mittlerweile belegt.
Im Völkerrecht stellen die Kampfhandlungen von Israel zudem den Tatbestand  des Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen den Frieden, und auch Völkermord dar.

Gestern, den 5. April, wurde sich immerhin geeinigt, dass man die Grenzübergänge Rafah, Kerem Schalom, Karmi und Erez wieder öffnet, um humanitären Hilfe, sowie die Ausbreitung von Krankheiten und den Tod von Kindern durch Unterernährung und Dehydrierung zu verhindern. Gleichzeitig wurde aber auch angekündigt, dass der Beschuss weiter – und sogar noch intensiver geführten würde.
Wie können Menschen nur solche Gedanken öffentlich äußern?

Brot, Wasser und Reis für die notleidende Bevölkerung und gleichzeitig noch ein paar Dutzend Bomben abwerfen und Raketen abschießen. Hilfe für Menschen, denem man eigentlich gar nicht helfen möchte.
Dieser gegenseitige Hass und Verachtung wird durch Bomben, Tod und Zerstörung immer mehr. Wann begreifen dies endlich ALLE Kriegsparteien.

Die Fotos von Gaza wurden am 5. April 2024 aufgenommen und mir privat zugeschickt.
Ich poste bewusst keine Fotos oder Videos von schwerst traumatisierte und verletzten Kinder und Menschen, denn diese Bilder sind nichts für schwache Nerven.

Naike Juchem, 5. April 2024

Der unsichtbare Terror in Indonesien

Sem Bayage und Beny Elopere, als sie von der indonesischen Armee gefangen genommen und gefoltert wurden.

Mir wurde eben eine Nachricht von einem Bekannten aus Indonesien geschickt, mit der Bitte diesen Text zuveröffentlichen.

Sem Bayage und Beny Elopere, beide noch Teenager, wurden am 22. Februar 2024 in Dekai, Yahukimo, von der indonesischen Armee verhaftet und gefoltert und vom indonesischen Militär beschuldigt, die beiden Täter seien Mitglieder der Nationalen Befreiungsarmee von West-Papua (TPNPB) als Freiheitskämpfer in West-Papua. Allerdings konnten die indonesischen Militärbehörden bis Montag, 25. März 2024, die Schuld der beiden Opfer nicht beweisen.

Werianus Murib wird von der indonesischen Armee in einer Trommel auf einem Militärposten gefoltert.

Das Gleiche geschah auch mit Werianus Pupil, einem 17-jährigen Mann, der von der indonesischen Armee im Bezirk Puncak, Papua, festgenommen wurde. Er wurde von der indonesischen Armee gefangen genommen und gefoltert, bis das Opfer starb.

Das Opfer wurde zusammen mit seinen beiden Freunden, die gerade ein Haus bauten, festgenommen, als plötzlich die indonesische Armee ungefragt auf sie zukam, sie geschlagen und dann von ihnen zum Militärposten gebracht und gefoltert wurden. Wie in dem Video, das am 22. März 2024 in Online-Medien weit verbreitet wurde. Bislang haben sich die indonesischen Militärbehörden nicht bei den Familien der Opfer entschuldigt, die ohne jegliches Fehlverhalten festgenommen wurden.


Daher fordern wir die globale Menschenrechtsgemeinschaft auf, die indonesische Regierung zu drängen, ein unabhängiges Ermittlungsteam einzurichten, und die globale Menschenrechtsgemeinschaft zu einem Besuch in West-Papua aufzufordern. Denn seit mehr als 60 Jahren kam es zu außergerichtlichen Tötungen, bei denen mehr als 500.000 Zivilisten ihr Leben verloren und mehr als 60.000 Zivilisten in West-Papua aufgrund des anhaltenden bewaffneten Konflikts zwischen der indonesischen Armee und Pro aus ihren Herkunftsorten vertrieben wurden -Unabhängigkeit West-Papua. in Intan Jaya, Nduga, Puncak Papua, Maybrat, Serui, Oksibil und einer Reihe anderer Orte in Papua.

Naftall Tipagau, ehemaliger politischer Gefangener und humanitärer Aktivist aus Papua.

KZ Dachau

Heute Abend stehe ich unweit von dem KZ Dachau.
Leider kam ich etwas zu spät, um nochmal vernünftige Fotos zu machen. Irgendwie hatte ich doch noch einen Zugang gefunden und konnte zumindest noch einige Fotos machen.


Ich war schon mehrmals in dieser Gedenkstätte, und jedesmal habe ich einen Klos im Hals, wenn ich mir bewusst werde, dass auf diesem Gelände – und zahlreichen Außenlagern ab 1933 über 200.000 Menschen aus ganz Europa interniert waren.
Über 43.000 Menschen verloren in diesem Konzentrationslager ihr Leben, bis am 29. April 1945 US-Amerikanische Truppen dieses Lager eingenommen hatten.

Das Konzentrationslager wurde bereits im März 1933 für politische Gefangene errichtet. Es diente als Modell für alle späteren Konzentrationslager und stand unter der Herrschaft der SS. Politische Gefangene waren alles Menchen, die sich nicht einem nationalistischen Denken hingaben, die ihre Meinung frei äußerten – oder den Nazis ein Dorn im Auge waren. Man kann es auch politische Willkür von einem Wahn beschreiben.

Bald ist die Befreiung dieses KZ’s 79 Jahre her, und es gibt seit Jahren immer mehr Menschen, die den Holocaust leugnen oder diesen gerne wieder aufleben lassen möchten.
NIE wieder darf ein solches Verbrechen an Menschen auf europäischen Boden passieren!NIE wieder!

Wenn eine rechtspopulistische Partei wie die AfD den rechten Arm strecken, Gedenkstätten als „Denkmal der Schande“ bezeichnen, haben all diese Menschen nichts von der Geschichte gelernt. Sie sind eine Schande für Deutschland, für unsere Demokratie und Gesellschaft.
„Demokratie muss Rechtspopulismus aushalten.“ NEIN! Denn der Rechtspopulismus zerstört unsere Werte der Gesellschaft und Zivilisation. Diesen Punkt gibt es auch nicht zu verhandeln.

Naike Juchem, 13. März 2024

Anbei noch Fotos von meinen früheren Besuchen in der Gedenkstätte Dachau

Der Rechtspopulismus in Europa

Seit Jahren nimmt der Rechtspopulismus in Europa zu und man fragt sich: Warum

Autorin Naike Juchem

Niederlande, Italien, Deutschland,  Ungarn, Österreich, Finnland und Polen sind nur einige der Länder in Europa, wo man einen immer weiter steigenden Rechtspopulismus sehen kann.

Über 10.000 Menschen demonstrierten im Februar in Trier gegen Rechtspopulismus

Warum ist dies so? Bei vielen Rechten Parteien stehen Frauen an der Spitze.  Dieser Trend kommt von Marine Le Pen. Sie vermittelte mit ihren rechtspopulistischen Aussagen eine Art  mütterlichen Schutz. Mit Le Pen hat sich auch die Sprache der Schlagwörter geändert. So hieß es unter ihrem Vater, Jean-Marie Le Pen, noch Rasse. Nun sagt man Kultur. Oft werden Wörter wie: Souveränität und Identität benutzt.
In Deutschland benutzt die AfD gerne das Wort: Leitkultur.

Frauen wie Alice Weidel, Giorgia Meloni oder auch Marine Le Pen haben dem nationalistischen Denken eine weichere Form gegeben, als man es von ihren männlichen Kollegen mit ihrem Macho-Gehabe kennt. So ist es nicht verwunderlich, dass das „schwache Geschlecht“ Schlagwörter benutzt wie zum Beispiel : Sicherheit, Sexuelle Belästigung  oder Vergewaltigung. Als ob ausnahmslos Migranten oder Asylsuchende diese Verbrechen begehen.
Die männliche Wählerschaft schlagen natürlich in die gleiche Kerbe, denn sie sehen die Frauen in Gefahr und stellen sich dann wie die großen Beschützer hin.

Die Wählerschaft wird bewusst manipuliert, und sie merkt es nicht. Einzelfälle von Straftaten welche Migranten begangen haben, werden von einigen Fernsehsender und Boulevardzeitungen aufgeputscht, wodurch eine Verzerrungen der Realität entsteht. Wer nicht oder objektiv über solche Fälle berichtet, wird als Lügenpresse und Staatsmedien betitelt.
Man glaubt nur noch was die anderen sagen. 
All jene Menschen brüllen ständig von Fake-News und Manipulation. Wie sehr sie manipuliert werden, sehen sie alle nicht, denn ihr Feindbild steht fest: Migranten und Asylsuchende.

Das Jahr 2024 ist und wird ein wichtiges Wahljahr in und für Europa. Denn am 9. Juni stehen die Wahlen zum EU-Parlament an. Im Herbst stehen Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen an.
Gerade in diesen drei Bundesländer gewinnt die AfD an Zulauf, was für eine vernünftige Regierungsbildung äußerst schwierig werden könnte.

Wenn eine Partei wie die AfD von Remigration sprich, sollte man sich in Deutschland schon seine Gedanken machen, denn eine Völkervertreibung gab es schon einmal. Wohin dies geführt hat, kann jeder in den Geschichtsbücher nachlesen.

Naike Juchem, 13. März 2024

Weltfrauentag

Der 8. März steht als Weltfrauentag, doch viele wissen nicht, für was dieser Tag überhaupt steht. Daher nun mal eine kleine Einordnung wie immer noch im Jahr 2024 Frauen diskriminiert und unterdrückt werden.

Vor 113 Jahren wurde der erste Weltfrauentag gefeiert. Nun, ich mag mir gerade vorstellen welch ausgelassene Stimmung auf den Straßen war, als Horden von Frauen für ihre Gleichberechtigung, Rechte und Anerkennung mit bunten Transparenten und Konfetti durch die Straßen zogen. Weg vom Herd – rein in die Gesellschaft. Gleiche Rechte wie Männer, gleiche Bezahlung wie Männer und gleiches Mitspracherecht in der Gestaltung von Demokratie.

Nun, es war offensichtlich nicht so, denn sonst würde weltweit nicht immer wieder auf eben jene Punkte hingewiesen werden.
Natürlich darf man in den letzten 113 Jahren die Erfolge für Frauen nicht vergessen, aber die negativen Tatsachen auf der anderen Seite der Waagschale sind um ein vielfaches höher.
Frauen erleiden weltweit heute noch Folter.
Gängelungen, Gewalt und Vergewaltigung. Dies sind nur drei von unzähligen Formen der Folter in China, Nordkorea, Syrien, Türkei, Iran, Afghanistan, Kongo, Ruanda, Sudan, Nigeria, Venezuela, Belarus….
Gewalt an Frauen passiert aber auch in Deutschland, Frankreich, Belgien, Niederlande, USA…. Natürlich ist dies eine andere Form der Gewalt – aber, Gewalt bleibt es so oder so!
Der Mann nimmt sich das Recht heraus, eine Frau als sein Besitz oder Lustobjekt anzusehen. Die Macht über das „schwache“ Geschlecht auszuüben bringt Genugtuung, Befriedigung und Orgasmus. Dieses Denken der Macht geht bis weit in die Antike zurück.

Ein Bildnis aus der Marienkirche in Danzig


Doch zurück ins 21. Jahrhundert.
Frauen sind immer noch schlechter Bezahlt als Männer. Frauen gibt man öfter keine Vollwertigen Jobs. Frauen kämpfen für ihre Karriere um ein vielfaches mehr als Männer. Eine deutsche Partei hatte vor nicht all zu langer Zeit den Rückkehr zum Herd auf ihren Wahlplakten gefordert. Das jene Partei sich im eine längst abgeschlossene Epoche zurücksehnt ist allgemein bekannt. Das jene Partei ein nicht gerade positives Bild von Frauen hat, zeigt doch schon deren Gedanken zurück zum Herd und Familie.

Frauen leisten in alle Kulturen und Religionen unglaubliches und es wird kaum wahrgenommen: Kinder bekommen und erziehen, Haushalt managen und noch den Beruf unterbringen. Frauen kämpfen immer noch für ihre Gleichberechtigung im Job. Frauen engagieren sich in der Gesellschaft, Kirche, Kultur und Politik. Frauen gestalten.

Frauen in der Religion

Frauen erfahren unsägliches Leid in und durch den „Glauben“ von Religionen. Natürlich wird sofort auf den Islam gezeigt. In der katholischen Kirche sind Frauen heute noch weit von einer Gleichberechtigung entfernt.
Unter Berufung auf die kirchliche Tradition lehnen die römisch-katholische Kirche – die im Übrigen darauf verweist, dass der Priester bei der Heiligen Messe in persona Christi handele und daher männlich sein müsse und dass Frauen daher auch nicht die Homilie der Heiligen Messe halten könnten – die orthodoxe Kirche und die selbständig evangelisch-lutherische Kirche sowie die meisten evangelikalen Gemeinden die Frauenordination ab. Als wesentlicher Grund für die Ablehnung wird der fehlende Auftrag Jesu Christi genannt. Die katholische Kirche sehe sich daher und weder aus der Praxis Jesu noch aus der kirchlichen Tradition heraus ermächtigt, Frauen zum Priesteramt zuzulassen. Sie weist auch darauf hin, dass ihr der Grund, weshalb Jesus keine der Frauen, die ihm nachfolgten und dienten, zu Apostelinnen machte.

Frauen im Isalm

Vor Gott gleichberechtigt, doch der Mann erbt mehr
Männer und Frauen sind vor Gott beide gleich und deshalb auch gleichberechtigt, sagt der Koran. Darin sind sich Islamwissenschaftler einig.

Doch weil Mann und Frau sich körperlich unterscheiden und deshalb verschiedene Stärken und Schwächen haben, hat Gott ihnen laut Koran unterschiedliche Aufgaben zugeteilt. Die Rechte des einen ergeben daher nach der Lehre des Korans auch die Pflichten des anderen und umgekehrt.

Der Mann etwa ist im Islam verpflichtet, allein für den Unterhalt seiner Familie zu sorgen. Er muss sich vor Gott dafür verantworten, dass es seiner Familie gut geht. Wenn eine Frau dagegen durch ihre Arbeit eigenes Geld verdient, braucht sie davon nichts an die Familie abzugeben.

Deshalb werden Männer und Frauen bei der Erbfolge auch unterschiedlich berücksichtigt: Frauen erben nur die Hälfte des Vermögens, das einem Mann zustehen würde, weil er davon auch seine Angehörigen mitversorgen muss.

Die Frau dagegen trägt die Hauptverantwortung für das Wohl der Kinder. Gerade in den ersten Jahren ist sie die wichtigste Person im Leben ihrer Kinder.

Dass eine Mutter ihr Baby stillen soll, wenn sie dazu in der Lage ist, steht ausdrücklich im Koran – und auch, dass sie dafür bei einer Scheidung sogar eine finanzielle Entschädigung von ihrem Exmann einfordern darf (Sure 65:6).

Ein Mann darf laut Koran mehrere Frauen heiraten, muss sie dann aber sowohl finanziell als auch emotional gerecht und gleich behandeln. Frauen dürfen nicht mehrere Männer gleichzeitig haben, aber sie dürfen selbst entscheiden, wann und wen sie heiraten. Und sie haben das Recht, ihren Mann per Ehevertrag davon abzuhalten, weitere Frauen zu heiraten.

Das steht in den Überlieferungen des Propheten Mohammed. Auch eine Scheidung ist erlaubt und darf laut Sure 2:227 von beiden Seiten ausgehen.

Doch im Koran gibt es auch einige Passagen, die manchmal als Beweis der Überlegenheit von Männern gegenüber Frauen ausgelegt werden. Sure 4 spricht zum Beispiel davon, dass die Männer „über den Frauen stehen“, was viele Gelehrte so verstehen, dass die Männer über die Frauen bestimmen dürfen. Und in der gleichen Sure wird den Männern auch erlaubt, „widerspenstige Frauen“ zu ermahnen, sie im Ehebett zu meiden und auch zu schlagen.

Der Alltag von muslimischen Gläubigen wird – wie der von Christen auch – nicht nur von religiösen Texten, sondern auch von jahrhundertealten Traditionen geprägt. Deshalb unterscheiden sich Theorie und Praxis in vielen Lebensbereichen, und viele Frauen werden durch kulturelle Traditionen viel stärker in ihrem Alltagsleben eingeschränkt, als es der Koran vorsieht.

Frauenproteste im Iran

Frauen im Hinduismus

Indien ist ein Land voller Widersprüche. Indien ist Wirtschafts- und Atommacht und unterhält ein ambitioniertes Weltraumprogramm. Frauen sind im modernen Indien als Managerinnen, Ärztinnen, Ministerinnen, Diplomatinnen, Richterinnen oder Journalistinnen aktiv. Schon vier Jahrzehnte bevor in Deutschland mit Angela Merkel erstmals eine Frau als Bundeskanzlerin antrat, wurde Indira Gandhi Regierungschefin Indiens. Dies ist die eine Realität auf dem Subkontinent; doch eine andere lässt Millionen Frauen in Unterdrückung und Sklaverei verharren.
Hindu-Traditionalisten verehren Frauen zwar als dienende Gattinnen und respektieren sie in ihrer Mutterrolle, verweigern ihnen aber die Anerkennung als eigenständige Individuen. Dabei berufen sie sich auf eine Basisschrift der Hindu-Religionen, das Gesetzbuch Manus. Das Werk fußt auf mündlichen Überlieferungen, die von mehreren Autoren zwischen 200 vor und 200 nach Christus zusammengetragen wurden. Die Gebote Manus, die als Wegweiser im Dickicht religiöser, ethischer und sozialer Fragestellungen dienen, haben sich tief in die Psyche der Hindu-Gesellschaft eingebrannt.

Nach Manu ist die Frau schwach, es ist ihre „Natur, dass sie die Männer verdirbt“. Frauen sollen nicht selbständig handeln, nicht einmal in den eigenen vier Wänden. Es gilt das Vormundschaftsprinzip: Das Mädchen wird vom Vater kontrolliert, die Frau vom Gatten, die Witwe von den Söhnen. Einem Ehemann wird göttlicher Status zugesprochen: Die Frau hat den Dienst an ihm als persönlichen Gottesdienst zu verstehen – „auch dann, wenn er keine guten Eigenschaften besitzt“. Nach seinem Tod soll sie fortwährend Trauer tragen.

Religiös mündig kann eine Frau ebenfalls nicht sein, Mädchen werden deshalb von der Upanayana, einer Art Jugendweihe, ausgeschlossen. In der Kastenhierarchie wird die Frau auf der Ebene der Knechte (Sudras) eingruppiert.Die der Frau zugewiesene Rolle der Dienerin wird auch in einer anderen für die Hindu-Religiosität bedeutsamen Schrift, der Bhagavad Gita, hervorgehoben. Die Gita zeigt Wege zur Erlösung auf.

Eine Frau in Kambodscha

Frauen im Buddhismus

Im Buddhismus sind Frauen und Männer im Alltag oft gleich gestellt. Aber es werden ihnen sehr unterschiedliche Eigenschaften zugesprochen.
Buddhisten sind sich nicht ganz einig, wie sie zu den Rollen von Männern und Frauen stehen. Manche sind der Meinung, Männer stünden auf einem höheren Rang als Frauen. Andere halten davon nichts. Allerdings weisen viele Buddhisten Männern und Frauen unterschiedliche Eigenschaften und Fähigkeiten zu.
Frauen sind danach: weich und fürsorglich. Sie kümmern sich darum, dass alle satt werden und können sich gut auf andere Menschen einstellen und mit ihnen leiden.

Männer sind nach dem buddhistischen Glauben stark und packen gerne mit an. Sie sind hart im Verhandeln,
gleichgültig gegenüber anderen und haben weniger Selbstdisziplin.

Das religiöse Weltbild von Mann und Frau zieht sich so durch alle Weltreligionen.

Ein Mädchen in einer Schule in Afghanistan

Frauen und Bildung

Ein großer Unterschied zeigt sich bei der Schulbildung gerade in den islamisch geprägten Ländern.
Laut Koran hat Gott Männern und Frauen gleichermaßen befohlen, sich weiterzubilden. „Das Streben nach Wissen ist eine Pflicht für jeden Muslim, Mann oder Frau“, sagte auch der Prophet Mohammed im 7. Jahrhundert.
Aber tatsächlich bleibt vielen muslimischen Mädchen bis heute eine umfassende Schulausbildung verwehrt. Schließlich bedeutet ein längerer Schulbesuch gerade in ländlichen Gegenden oft, dass die Mädchen in eine andere Stadt ziehen müssten und damit nicht mehr in der Obhut der Familie stünden. Oft schreibt auch die Tradition vor, dass Mädchen nur von Frauen unterrichtet werden dürfen. Deshalb gehen die Mädchen in Ländern wie Afghanistan
oder Pakistan meist nur einige Jahre zur örtlichen Schule. Danach bleiben sie wieder zu Hause, um der Mutter zu helfen und alles zu lernen, was sie für Haushaltsführung und Kindererziehung wissen müssen, bis sie mit 16 bis 20 Jahren verheiratet werden.
In Afghanistan gibt es zwar ein Gesetz, dass Mädchen erst ab 16 Jahren verheiratet weden dürfen, aber aus der Armut vieler Familien heraus, werden Mädchen bereits mit der Vollendung des 10. Lebensjahr verheiratet. Viele der Stammesältesten berufen sich bei dieser „Eheschließung“ auf Aischa bint Abi Bakr, die als dritte und jüngste der zehn Frauen des islamischen Propheten Mohammed bei jener Eheschließung 10 Jahre alt gewesen sein sollte. Diese „Eheschließung“ war um das Jahr 624 n. Chr.
Fast 1400 Jahre später gibt es nach Schätzungen der UN weltweit 650 Millionen Kinder- Zwangsehen. Auch wenn es mittlerweile einigen AktivistInnen in Malawi, Sudan, Nigeria, Mali, Afghanistan und Pakistan gibt, die erfolgreich Kinderehen annullieren und unter Strafe stellen, sind es leider nur Wassertropfen in einem Meer.

Bildung für Mädchen muss auf der Agenda für eine besser Zukunft ganz oben stehen und dafür müssen Frauen an die Macht um endlich von dem Frauenverachtenden Weltbild aller Religionen Abstand zu bekommen.
In einer Gesellschaft, die Frauen als Dienerinnen des Mannes betrachtet, Söhne verhätschelt und Töchter vernachlässigt, ist es kaum verwunderlich, dass Frauen, die es wagen, den häuslichen Schutzraum zu verlassen, als Freiwild betrachtet werden. Sexuelle Belästigung, Bedrohung und (Gruppen-)Vergewaltigung sind Mittel, um Frauen zu disziplinieren und sie aus dem öffentlichen Raum herauszuhalten. Männliche Machtpositionen sollen so gesichert werden.

Vergewaltigung als Kavaliersdelikt

Spektakuläre Fälle wie die Vergewaltigung und Ermordung einer Studentin in Indien im Jahr 2012 oder Übergriffe auf Touristinnen haben weltweit für Aufsehen gesorgt und in Indien Massenproteste ausgelöst. Vor Gericht gaben die Täter Einblicke in ein – aus westlicher Sicht – abstruses Wertesystem, das Frauen die Schuld an einer Vergewaltigung zuweist.

In Afghanistan ist es durchaus üblich, dass „Ehefrauen“ die keine guten (sexuellen) Qualitäten aufbringen, von ihren Männern getötet werden und die Männer straffrei bleiben.

In vielen Ländern südlich der Sahara werden täglich Mädchen verschleppt um von Rebellen oder Milizen als „Stimmungsmacher“ der Männerhorden zigfach vergewaltigt und anschließend ermordet zu weden.

In Deutschland gibt es Gerichtsurteile, die nach einer Vergewaltigung der Frau freizüglichkeit vorwerfen.

Der Weltfrauentag steht am 8.März im Zeichen für all diese Gewalt gegen Frauen und es wäre zu wünschen, wenn wir den nächsten Weltfrauentag in Frieden, Gleichberechtigung und Wertschätzung feiern können.

Autorin: Naike Juchem

Quellen:

  • Dissertation von Manfred Hauke: Die Problematik um das Frauenpriestertum vor dem Hintergrund der Schöpfungs- und Erlösungsordnung .
  • Volker Eklkofer: Frauen im Hinduismus
  • Religionen-entdecken.de

Muss ich sterben um zu leben

Der Tod von Alexej Nawalny ging um die Welt und viele Menschen sind bestürzt. Lebend wäre Nawalny sowieso nicht mehr aus der Haft gekommen.

Die Todesursache ist in diesem Fall zweitrangig, denn die Wahrheit wird sowieso niemals ans Licht kommen.
Es gibt in dem größten Land der Welt ein Mann, der seit Jahren seine Macht und Größenwahn der ganzen Welt zeigt. Er überfällt Länder und annektiert Gebiete für sich. Menschenrechte werden seit Jahren nicht geachtet und wer politisch jenem Größenwahnsinigen in die Quere kommt, stirbt kurze Zeit später auf mysteriöse Art.

Alexej Nawalny war Jurist, Antikorruptions-Aktivist und Oppositionspolitiker. Dies reichte jenem Despot aus, um in Nawalny einen Staatsfeind zu sehen. Selbst vor einem Giftanschlag in einem anderen souveränen Land machte der Geheimdienst Russlands nicht halt. Der amtierende Präsident Russlands war selbst Offizier beim KGB und kennt sich im Nachrichtenwesen sehr gut aus. In den vergangenen 25 Jahren wurden Nachrichtendienste aufgelöst und neustrukturiert. Ein Netz aus vielen Nachrichtendiensten entstand. Die Fäden aller Dienste hat bis heute der amtierende Präsident in der Hand.

Wer sich zu diesem Despot stellte und stellt, wurde und wird in kurzer Zeit sehr reich. Wer sich diesem Despoten in den Weg stellt, wird verhaftet oder liquidiert.

Nun gibt es gerade in Deutschland sehr viele Putin Befürworter. Stimmen wie zum Beispiel: „Die NATO sei eine Bedrohung für Russland.“ „Russland würde sich nur verteidigen“ und so weiter.
In einem Land, in dem die Rechte von Menschen keinen Pfifferling wert sind und Justitia nicht blind, sondern korrupt ist, sollte man sich schon mal überlegen, von wo aus eine Bedrohung kommt. Zur Erinnerung: Wer hat einen Krieg gegen einen souveränen Staat angefangen? Mysteriös sind auch ungefähr 40 Todesfälle von Oligarchen, seit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Man sollte schon das ganze Puzzle sehen, und nicht nur ein Teil, wenn man von oder über Russland spricht.

Am 1. März wurde Alexej Nawalny in Moskau im kleinen Kreis beigesetzt und Tausende Menschen nahmen Abschied von dem bekannten Kremelkritiker.
Der Staatsapparat von Russland zeigte auch eine unverhältnismäßige Präsenz und Schikane. Medienberichte zufolge soll es auch zu Festnahme von Nawalny Anhänger gekommen sein – was zu erwarten war.
Nun bleibt die Frage: Wie geht es weiter?

Die Bevölkerung erlebt seit Jahren eine geiselung und massive Einschränkungen in die Grundrechte. Wie lange sich dies die Bevölkerung noch gefallen lässt, ist nur eine Frage der Zeit. Vom 15. bis 17. März wird in Russland gewählt. Der neue – oder alte Präsident wird dann dieses Amt bis 2030 inne haben. Da es keine freie Opposition gibt, kann man sich denken, wer sich selbst (wieder) beglückwünschen kann.
Es wird definitiv zu Gewalt und Ausschreitungen in dem Land kommen, denn wer für Freiheit, Menschenrechte und Korruption kämpft, wird vom amtierenden Präsidenten als Feind angesehen.

Naike Juchem, 1. März 2024

Fotos: dpa

Internationaler Tag der sozialen Gerechtigkeit

2009 wurde von den Vereinten Nationen der 20. Februar als Internationaler Tag der sozialen Gerechtigkeit ausgerufen. Der Tag soll jährlich auf die soziale Ungerechtigkeit weltweit aufmerksam machen und zu ihrer Überwindung aufrufen.

Was national schon nicht möglich ist umzusetzen, funktioniert international schon gar nicht, denn Gerechtigkeit heißt: Die Menschenrechte- und Würde zu achten. Bemerkenswert ist, dass es keine verbindliche und einheitliche Definition für jene soziale Gerechtigkeit gibt. Was als gerecht oder ungerech empfunden wird, wird in Politik und Gesellschaft kontrovers diskutiert. Dazu zählen unter anderem die Löhne, Renten oder auch Mieten.

Der Wohlstand in Deutschland ist in den vergangenen Jahren nachweislich gewachsen. Wohlstand ist aber nicht mit Vermögen gleichzusetzen, denn das Vermögen in der Gesellschaft ist extrem ungleich verteilt. Hier wird diese Ungleichheit in den nächsten Jahren noch viel gravierender sein. Viele Menschen in Deutschland werden durch Leiharbeit, gering bezahlte Arbeit oder als Bürgergeldempfäher:innen in eine Altersarmut kommen.

Soziale Gerechtigkeit muss und sollte für alle Menschen gleichermaßen gelten. Männer und Frauen, sowie Menschen verschiedener Herkunft und Hautfarbe sollen und müssen die gleichen Rechte haben. Dies gilt für die Arbeits- und Berufswahl, genauso wie auf das Recht auf Bildung und Entlohnung.

Der Internationale Tag der sozialen Gerechtigkeit soll daran erinnern, dass noch viel zu tun ist, damit es gerechter auf der Welt zugeht. Viele Millionen Menschen weltweit leben in Armut, haben keine Chance auf Bildung, oder bekommen keine Arbeit wegen ihrer Herkunft, Hautfarbe oder Religion.

Die Charta der Vereinten Nationen

Im Präambel der UN vom 24. Oktober 1945, steht wie folgt: Wir, die Völker der Vereinten Nationen – sind fest entschlossen, 
– künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren, die zweimal zu unseren Lebzeiten unsagbares Leid über die Menschheit gebracht hat,

– unseren Glauben an die Grundrechte des Menschen, an Würde und Wert der menschlichen Persönlichkeit, an die Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie von allen Nationen, ob groß oder klein, erneut zu bekräftigen,

– Bedingungen zu schaffen, unter denen Gerechtigkeit und die Achtung vor den Verpflichtungen aus Verträgen und anderen Quellen des Völkerrechts gewahrt werden können,

– den sozialen Fortschritt und einen besseren Lebensstandard in größerer Freiheit zu fördern

Nun, alleine bei diesen vier Punkte sehe ich mit Blick auf 74 Disputen, 73 gewaltlose Konflikte, 174 gewaltsame Konflikte, 21 begrenzte Kriege, und 21 Kriege – im Jahr 2022, den Wunschvorstellungen der UN sehr skeptisch gegenüber.

Internationale Probleme

In vielen Ländern der Welt ist Kinderarbeit selbstverständlich. Dies kann und darf nicht sein. Wenn Kinder arbeiten, haben sie nicht die Möglichkeit in Schulen zu gehen.
So entsteht Analphabetismus, von dem ungefähr 770 Millionen Menschen betroffen sind. Dies bedeutet eine Abhängigkeit von anderen Menschen – meist Unternehmer:innen. Diese Menschen sind meist unterbezahl und oder arbeiten unter unwürdigen Bedingungen.
Auf der einen Seite gibt es die Kinderarbeit, auf der anderen Seite gibt es genügend Länder auf der Welt, wo Frauen keiner erwerbstätiger Arbeit nachgehen dürfen.

Fazit

Wenn wir einen Tag der sozialen Gerechtigkeit haben, sollte es in aller Interesse sein, diesen Tag als Grundlage für ein friedliches und soziales Zusammenleben nutzen.
Vielleicht klapp es im nächsten Jahr, oder übernächsten…

Naike Juchem, 20. Februar 2024

Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung
Foto: privat

Cathédrale de Strasbourg

Das Hauptpotal von einem der höchsten Gebäude der Welt

Die Cathédrale de Strasbourg, oder auch Strasbourger Münster genannt, beschrieb Viktor Hugo einst als das „Wunder, unermesslich und zierlich zugleich“.
Wie recht er hatte.

Die Kathedrale wurde 1176 bis 1439 aus rosa Vogesensandstein gebaut und von 1647 bis 1874 war diese Kathedralen mit seinem 142 Meter hohen Nordturm das 
höchste Bauwerk der Menschheit, und das höchste im Mittelalter vollendete Gebäude. Bis heute hat dieses meisterhafte Bauwerk mit seinen fast drei Jahrhunderte dauernden Bauzeit nur einen Turm.

Architektonisch, wie auch künstlerisch zählt die Cathédrale de Strasbourg zu einem der imposantesten Gebäude der Welt. Es nun filigran gearbeitete Skulpturen, oder die prächtige Rosette mit seinen 14 Meter Durchmesser über dem Hauptpotal. Ins Auge fallen die grandiosen, größtenteils noch originale, Kirchenfenster aus dem 13. und 14. Jahrhundert. Sie zählen zu den wenigen bis heute erhaltenen Ensembles romanischer Glaskunst.

Die Cathédrale de Strasbourg ist auch baulich eine Mischung aus gotischer und romanischer Baukunst.

Bemerkenswert ist auch die astronomische Uhr aus dem Jahr 1547. Dieses Meisterwerk des Uhrenbaus und der Mathematik aus der Renaissance überrascht heute noch mit seinen technischen Feinheiten.
Besonders eindrucksvoll ist der ewige Kalender, der die Bewegung der Planeten auf einem Astrolabium abbildet.
Wer die Möglichkeit hat, sollte sich definitiv das Glockenspiel anschauen. Täglich um 12.30 Uhr kann man die Bewegungen der Apostel sehen, wie sie grüßend an Jesus vorbei ziehen.

Campus Galli

Frühmittelalter in der Neuzeit

Wer sich für das aktive Früh- oder auch Spätmittelalter interessiert, kennt und oder Mittelaltermärke oder Burgfeste liebt, wird von Campus Galli begeistert sein.

Wer schon mal in Frankreich in Guédelon, nahe Paris, war, kennt oder weiß, wie Menschen in jener Zeit gelebt und gearbeitet haben.
Über viele Jahre wurde in Guédelon an einer Burg aus dem 13. Jahrhundert gebaut.
Das gleiche gibt es in Meßkirch zu sehen, erleben und bestaunen.
Auf dem Campus Galli soll eine Abteikirche entstehen, welche es noch nie gab.
Es gibt tatsächlich nur einen Grundriss von dieser Abteikirche. Dieser wurde auch nur zufällig gefunden, weil zu jener Zeit Pergament sehr teuer und kostbar war.
Da der Bau für die Abteikirche verworfen wurde, wurde irgendwann das Pergament benutzt, auf dem der Grundriss gezeichnet wurde, und auf der Rückseite eben mit biblischen Texten beschrieben.

Um eine Abteikirche, Burg, Festung oder was auch immer zu bauen, brauchte es erstmal Land und Leute. Also Handwerker, Bauern, Schneider usw. So entstanden um die uns heute bekannten Burgen, Festungen oder Kathedralen klein Siedlungen – so auch in Meßkirch auf dem Campus Galli.

Der Lageplan von Campus Galli

Eine Scheune, Holzkirche und kleiner Häuser sind schon fertig gebau. Ein Hühnerstall und Abthaus sind im Bau.
Wann und ob es jemals jene Abteikirche geben wird, kann niemand sagen, denn es braucht für ein solches Projekt sehr viel Menschen und Material. Zur Zeit arbeiten auf dieser Baustelle etwas 50 Männer und Frauen. Um das Projekt zu verwirklichen, bräuchte es Hundert Mal mehr Menschen.

Ich war am 3. Oktober über sieben Stunden auf der Baustelle und kam aus dem staunen nicht mehr heraus. Auch hatte ich eine eineinhalb stündige Führung mitgemacht und im Anschluss mit vielen Handwerker auf der Baustelle geredet.
Wer jene Zeit erleben möchte, sollte sich Campus Galli auf jeden Fall anschauen – es lohnt sich.

Nun noch eine Erklärung, warum es dieses Projekt überhaupt gibt.

In den ersten Jahrzehnten des 9. Jahrhunderts erlebte die Abtei St. Gallen Zeiten des Aufbruchs und tiefgreifender Veränderungen. Diese betrafen sowohl das Äussere, die materielle Grundlage, die Gebäulichkeiten, allen voran die Klosterkirche, als auch die rechtliche Verfassung, das literarische und geistige Leben und das künstlerische Schaffen. St. Gallen war im Begriff, vom bescheidenen Kloster im Steinacher Forst, das unter dem Gründerabt Otmar (719-759) bei der Zelle des Eremiten Gallus (gest. um 640) errichtet worden war, zu einem karolingischen Grosskloster aufzusteigen.

Unter Abt Gozbert (816-837) konnte die Abtei sich durch das Schutz- und Immunitätsprivileg Kaiser Ludwigs des Frommen (814-840) von 818 weitgehend aus der Abhängigkeit des Bistums Konstanz lösen und wurde zum Reichskloster. Gozbert ordnete die Verwaltung des stark angewachsenen klösterlichen Grundbesitzes neu, reorganisierte das Urkundenwesen und führte eine Archivregistratur ein. Zur selben Zeit, im ersten Drittel des 9. Jahrhunderts, entwickelte das Skriptorium unter dem Schreibmeister Wolfcoz eine neue kalligraphische Schrift und erlebte mit dem Wolfcoz-Psalter eine erste Blüte der Buchkunst.

Da die Bewohner und Arbeiter von den Bauten – ob nun Burg, Festung oder Kathedrale, in die Gottesdienste wollten, wurden erst kleiner Kirchen in einfacher Bauweise gebaut.

Die Handwerker brauchten Kleidung und Werkzeuge. So wurden auch diese in unmittelbarer Nähe oder in den umliegenden Siedlungen hergestellt.

Nutztiere gehörten auch zu den Siedlungen

Unter Gozbert wurde auch das hagiographische Korpus des Gründerheiligen, das bisher einzig auf der merowingerzeitlichen «Vita sancti Galli vetustissima>> gründete, erneuert. Im Auftrag Gozberts schuf zwi-schen 816 und 824 der Reichenauer Mönch Wetti eine neue Gallusvita, die dem gestärkten Selbstverständnis St.Gallens entsprach und seine Anfänge ins rechte Licht rücken sollte. Ein Jahrzehnt nach Wetti, um 833/34, erhielt mit dem Dichter Walahfrid Strabo ein weiterer Reichenauer Mönch den Auftrag, eine neue Vita des Gründerheiligen zu verfassen. Damit wurde ein karolingisches Gallusmünster «in litteris» geschaffen, analog zu dem in Stein gehauenen Münster. Wie das neue, monumentale Gotteshaus sollte auch Walahfrids Vita als gültige lateinische Form des Galluslebens die Jahrhunderte überdauern
Zur selben Zeit erreichte die Mönchs- und Klosterreform der Aachener Synoden von 816 und 817 und des Reichstags von 818/19 unter Ludwig dem Frommen und Benedikt von Aniane (um 750-821), die das abendländische Mönchtum auf der Grundlage der Regel des heiligen Benedikt (um 480-547) erneuerte, auch St. Gallen. Davon liefert die St.Galler Abschrift vom Aachener Norm-Exemplar der Benediktsregel ein berühmtes Zeugnis. Sie ist als einziges Exemplar dieser textgeschichtlich wichtigsten Fassung der Regel erhalten. Der Text kam von Aachen als Abschrift über das benachbarte Kloster Reichenau nach St.Gallen; mit Reichenau war das Kloster an der Steinach seit dem Jahr 800 durch einen Verbrüderungsvertrag verbunden. Der Reichenauer Abt Heito (806-823) und der Bibliothekar Reginbert (gest. 846) hatten die Mönche Grimald und Tatto in das vom Reformabt Benedikt von Aniane 814/15 gegründete Kloster Inden/Kornelimünster bei Aachen geschickt, um sich in jenem Reformkloster über das Ordensleben zu informieren. Von hier sandten die beiden Mönche eine Abschrift der Benediktsregel samt Begleitbrief nach Reichenau, wovon wiederum die eben nach St. Gallen gelangte.

Abt Gozbert von St. Gallen begann im Jahr 830 mit dem Bau eines neuen Gotteshauses, das an die Stelle der alten, noch unter dem heiligen Otmar errichteten Klosterkirche zu stehen kommen sollte. Wenige Jahre später, im Jahr 835 oder 837, konnte das heute nach ihm benannte Gozbert-Münster im Beisein der Bischöfe von Konstanz und Basel und des Abtes von Reichenau ge-weiht werden. Nach dem Zeugnis Ermenrichs von Ellwangen (um 814-874) wurde mit der Kirche auch der Kreuzgang neu gebaut; Ermenrich nennt in seiner um 850/55 entstandenen «Epistola ad Grimoldum abbatem>>  vier St.Galler Mönche, Winihart, Isenrich, Amal-und Ratger, die an den Bauarbeiten massgeblich be-ger teiligt gewesen seien.
Als Vorbereitung und Anregung für seine grossen Bauvorhaben erhielt Gozbert vom Kloster Reichenau eine Planzeichnung, den Klosterplan. Dieser müsste eigentlich «Reichenauer Klosterplan» heissen, da er dort entstanden ist. Doch für St. Gallen bestimmt, hierher ge-bracht und in all den Jahrhunderten hier aufbewahrt, bis zur Aufhebung der Fürstabtei im Jahr 1805 und darüber hinaus bis heute, verdient er den Namen «St.Galler Klosterplan»> ebenfalls zu Recht. Er trägt die Signatur <<Cod. Sang. 1092» und bildet als älteste überlieferte Architekturzeichnung des Abendlandes einen der kostbarsten Schätze der Stiftsbibliothek. Die Einzigartigkeit des Dokuments kann dadurch ermessen werden, dass der nächstjüngere aus dem Mittelalter überlieferte Bauplan, jener des Kathedralbezirks von Canterbury mit eingezeichnetem Wasserleitungssystem, erst aus der Zeit um 1165 stammt.

Schwer beeindruckt war ich von den Steinmetze. Jeder Tür-, Fenster- oder Formstein muss von Hand beschlagen werden.

Jeder Balken und Brett muss von Hand gesägt und bearbeitet werden.

Phimai

Ich habe noch eine spannende Geschichte über eine Stadt, die den Archäologen immer noch Rätsel aufgibt. Es handelt sich um eine Stadt, die Mitte des 10. Jahrhunderts errichtet wurde: Phimai oder P’u-mai. Die Historiker sind sich über die Schreibweise noch nicht einig.

Die Stadt selbst ist unter dem Namen Vimai oder Vimayapura, eine Gründung der Khmer bekannt. Sie wurde im 11. Jahrhundert befestigt und zu einem geistigen Zentrum des Khmer-Reiches ausgebaut.
In einer Inschrift aus dem Jahr 1082 im Prasat Hin Phanom Wan nicht weit entfernt südlich von Phimai, die in Sanskrit und in Khmer verfasst ist, wird die Stadt zusammen mit dem König Jayavarman VI. genannt. Etwa ein Jahrhundert später wird Phimai in der Inschrift von Preah Khan als Endpunkt einer 225 Kilometer langen Straße beschrieben, die Phimai mit der Hauptstadt (also dem Zentrum von Angkor) verband.

Ich habe den Text aus einem meiner Kapitel entnommen. So ist die Geschichte aus der Sicht eines Fremdenführers (meine Person) geschrieben.

Der Phimai Historical Park

Die kleine Gruppe erreichte den Haupteingang von dem riesigen Gelände von Phimai und Claude stand vor staunen bereits der Mund offen.
„Warte bis wir auf dem Gelände sind“ sagte Hannes.

Wie sehr oft in Asien bezahlen Farangs – also Ausländer im allgemeinen, bei touristischen Attraktionen mehr Eintritt. Da Hannes in thai mit der Verkäuferin sprach und somit auch die Eintrittskarten kaufte, bekam er diese zu landestypischen Preisen.

Im Zentrum des großen Parks stand die Ruine des Sandstein Tempel von Phimai, welcher in der typischen Khmer-Bauweise errichtet war.
„Was ihr hier in diesem Park seht, sind Gebäude aus dem 11. und 12. Jahrhundert. Es wird vermutet, dass dieser Ort von dem Khmer-König Jayavarman I. erbaut wurde. Selbst hunderte Jahre nach Angkor gibt diese Megastadt den Historiker und Archäologen immer noch viele Rätsel auf. Die Touristen die nach Kambodscha kommen, sind im Glauben, wenn sie Angkor Wat sehen, würden sie die Stadt Angkor besuchen. Dies ist überhaupt nicht möglich, denn Angkor hatte eine Fläche von über 400 Quadratkilometer. Selbst im heutigen Ayutthaya, welches circa 200 Kilometer von uns aus entfernt liegt, sieht man Bauwerke von Angkor. Hier oben an der Eingangstür von diesem Gebäude steht das Wort: Phimai. Auch kommt auf diesem Gelände bei einigen Gebäuden dieses Wort vor. Bis heute weiß niemand was dieses Wort bedeutet. In Angkor wurden bis jetzt sieben Schriften entdeckt. Zwei dieser Schriften sind heute noch nicht zugeordnet, so auch Phimai. Es wird vermutet, dass es sich bei Phimai auf eine religiöse Figur oder Stätte bezieht.“ „Ich hatte mal gehört, das Angkor im Dschungel untergegangen sei“ sagte Thomas.
„Dies ist ein Märchen. Es werden oft die Reiseberichte von dem Franzosen Henri Mouhot angeführt. Mouhot hatte 1860 einen Tempel von Angkor entdeckt, welcher tatsächlich in Teilen zugewuchert war. Bei einer Größe von über 40.000 Hektar ist es schier unmöglich, dass Angkor im Dschungel untergegangen sein sollte.“
Thomas nickte „Logisch. Und schon habe ich wieder etwas von dir gelernt.“

Franziska, Thomas und Claude waren von der Architektur vom den Gebäuden in dem Park überwältigt. Bernhard und Coady sahen bereits in den vergangenen Jahren einige Bauwerke von Angkor in Kambodscha.
Hannes erklärte den anderen dass in Angkor alles symmetrisch erbaut wurde.
„Du meinst die Gebäude“ sagte Thomas. Hannes schüttelte den Kopf „Nein, Thomas. Alles. Schau dich hier an dem Gebäude um, und du siehst jeden Stein in einer Symmetrie. So war es auch mit jeder Straße, Mauer und sogar den Fischteiche in Angkor. An diesem Park wurde an der Symmetrie nichts verändert. Nun kommt eine Kuriosität, welche mal wieder die Historiker vor offene Fragen stellt. Alle Tempel und Paläste von Angkor waren und sind nach Osten ausgerichtet. Die Pagode von Phimai ist nach Süden ausgerichtet.“

Auf der südlichen Hälfte von Phimai kamen sie an die Nakaracht Brücke. Dieser Brücke wurde an beiden Seiten eine Silhouette eines Schlangenkönigs nachempfunden.
„Nun stehen wir vor dem nächsten Rätsel der Geschichte. Ihr seht auf beiden Seiten der Brücke die gleichen Figuren. Auch hier vermutet man, dass es sich um die Symbolik zwischen Mensch und Himmel in der hinduistischen und buddhistischen Mythologie handelt. Nun möchte ich euch noch die Kopura zeigen.“

Mit seinem Gefolge ging Hannes auf die Westseite von der Ruinenanlage.
„Ihr seht vom hier aus bereits, dass an dieser Mauer links und rechts eine Art Balkon zu sehen ist. Auch hier wird vermutet, dass wir uns jetzt auf der heiligen Seite von Phimai aufhalten, denn die Inschriften an der Kopura zeigen, so ähnlich wie in Ägypten an den Pyramiden, das Leben der Menschen in der damaligen Zeit.“
Hannes führte die Gruppe an Tafeln mit Inschriften vorbei und erklärte deren Bedeutung.
„Auf diesen Tafeln stehen Namen bei denen man vermutet, es könnten die Baumeister oder Handwerker sein.“ „Könnten es auch die Namen der Toten sein, die bei dem Bau von Phimai ums Leben gekommen sind?“ Fragte Claude.          „Unwahrscheinlich. Denn es gibt wohl kaum Tempel, Burgen, Paläste oder Kathedralen auf der Welt, wo die Opfer genannt werden. Es soll aber nicht heißen, dass es in Phimai auch so ist, denn immerhin stehen wir auf der heiligen Seite der Kopura. Wenn ihr euch umschaut, seht ihr, dass es ein Gebäude gibt, welches mit weißen Sandstein gebaut wurde. Diese Pagode wurde nach der Archäologie im 14. Jahrhundert von König Jayavaman VII. gebaut.“

Hannes blieb an einem der zahlreichen Gebäude stehen und zeigte auf die Inschriften und Zeichnungen an den Wänden.
„Was hier wie eine Darstellung von Kämpfen der Khmer-Könige aussieht, wird aber auf die Schlacht zu Kurukshetra zurückgeführt.“ Hannes sah in fragende Gesichter.            Coady sagte „Du meinst das indische Epos von Mahabharata?“
Hannes nickte „Ja, Coady. Um es euch kurz zu erklären. Die Epen von Mahabharata gehören zusammen mit den Puranas und dem tibetischen Epos des Königs Gesar zu den umfangreichsten literarischen Werken der Weltgeschichte und wurden wahrscheinlich zwischen 400 vor und 400 nach Christus geschrieben. Was hier dargestellt ist, ist tatsächlich die Schlacht von dem Oberbefehlshaber Arjuna Bhisma gegen die Pandavas. Nach dem Epos hat Arjuna die Kampfregeln für beide Kriegsparteien bestimmt. So sollte mit gleichen Waffen gegeneinander gekämpft werden, und wer auf dem Schlachtfeld verwundert wird oder seine Waffen verliert, darf nicht getötet werden.“ Hannes sah immer noch in fragende Gesichter und zog die Schultern hoch. „Fragt mich nicht warum ausgerichtet dieses Epos hier dargestellt ist. Ob sich König Jayavaman VII. ein Beispiel daran nahm, oder ob diese Kampfregeln für die zukünftige Kämpfe gelten sollten, kann ich – und wahrscheinlich niemand genau sagen. Ich vermute es könnte ein Verhaltenskodex für Kämpfer ähnlich der Kreuzzüge nach Jerusalem sein. Es gibt aber keinerlei Überlieferungen, wo die Khmer in einen Glaubenskrieg zwischen Buddhismus und Hinduismus gezogen waren. Immerhin ist die Khmerschrift von indischen Schriften abgeleitet. In welchem Zusammenhang die Geschichte zu heute steht, werden wir wohl nie erfahren.“

Ayutthaya – Hauptstadt des siamesischen Königreichs

Auf den Spuren des alten Königreichs in Thailand

Früher eine eher unbedeutende Khmer-Siedlung an den Ufern des Chao Phrayas, sollte Ayutthaya Mitte des 13. Jahrhunderts einen Boom erleben. Als Fürst U-Thong seinen bisherigen Regierungssitz verlegen musste, ernannte er 1351 Ayutthaya zur neuen Hauptstadt des siamesischen Königreichs und damit zum Nachfolger von Sukhothai. Ayutthaya war 417 Jahre lang die Hauptstadt der Siamesen.
Aufgrund der exzellenten Lage in Zentralthailand und mit dem Chao Phraya als „Verteiler“ mauserte sich Ayutthaya schon bald zu einer der wichtigsten Handelsumschlagsplätze Südostasiens.

Die Stadt wuchs rapide und war sogar Anfang des 18. Jahrhunderts mit über einer Millionen Einwohner die größte Stadt der Welt. Kaufleute aus Frankreich oder Holland konnten die Stadt gar nicht genug preisen und bereicherten mit eigenen Häusern die diverse Architektur Ayutthayas. Der Handel mit Indien, China und Europa florierte, doch wie so oft hieß es auch hier: wer hoch steigt, kann tief fallen.

Nachdem die Burmesen mehrmals erfolglos versucht hatte, Ayutthaya zu stürmen, gelang es ihnen, 1767 die Stadt zu überrennen. Ayutthaya wurde geplündert, zerstört und fast dem Erdboden gleich gemacht – und damit kam die goldene Ära für Siam zu einem traurigen Ende.

Ayutthaya war die Hauptstadt von Siam. Dann wurde etwas weiter südlich Krung Thep (Bangkok) 1782, also 15 Jahre später, die Hauptstadt von Siam.
Thailänder sagen niemals Bangkok. Für viele ist Ayutthaya immer noch die Hauptstadt. Krung Thep heißt übersetzt Stadt der Engel.
Der Vollständige Namen der Hauptstadt lautet: Krung Thep Maha Nakhon Amon Rattanakosin Mahinthara Yutthaya Mahadilok Phop Noppharat Ratchathani Burirom Udom Ratchaniwet Maha Sathan Amon Phiman Awatan Sathit Sakkathattiya Witsanukam Prasit. Es ist die alte Thai-Bezeichnung der Hauptstadt und mit 169 lateinischen Buchstaben der längste Ortsname einer Hauptstadt weltweit.

Heute ist das, was von der ehemaligen Prachtstadt übrig geblieben ist, nicht nur ein eigener Historical Park, sondern auch auf der Liste des UNESCO Weltkulturerbes zu finden.
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Das Katz und Mausspiel in Nahost

Es ist zwischen Israel und Palästina nicht immer so einfach zu sagen, wer die Katz und Maus ist, den im israelisch-palästinensischen Konflikt wirken mehrere Konfliktdimensionen zusammen und verstärken sich gegenseitig. Dies ist ein wesentlicher Grund, warum er so schwer zu lösen ist. Es gibt kein Gut und Böse – in einem Konflikt oder Krieg sind ALLE Parteien Böse.

Die Nahostexpertin Dr. Muriel Asseburg beschreibt es folgend:
Der Nahostkonflikt hat eine neue Eskalationsstufe erreicht. Am 7. Oktober 2023 hat die radikalislamische Terrorgruppe Hamas vom Gazastreifen aus Israel mit Raketen beschossen. Dabei wurden fast 1.500 Menschen getötet und rund 3.000 verletzt (Stand 19.10.2023). Der Terror der Hamas richtete sich mit Massakern insbesondere und gezielt gegen die israelische Zivilbevölkerung. Zudem verschleppte die Hamas mehr als 200 Menschen als Geiseln. Der Terror der Hamas bedeutet den Beginn eines weiteren Krieges im Nahen Osten. Israel hat als Reaktion auf die Terrorattacke eine massive Militäroperation gegen den von der Hamas kontrollierten Gazastreifen begonnen. Die Folgen des Terrors der Hamas für Israel, für die palästinensische Zivilbevölkerung, unter der es bereits Tausende Tote gibt, sowie für den Nahen Osten insgesamt sind noch nicht absehbar.

Punkt 1: Territorialkonflikt

Es handelt sich erstens um einen Territorialkonflikt. Von den Konfliktparteien wird Anspruch auf dasselbe Territorium erhoben, nämlich das Gebiet des ehemaligen britischen Mandatsgebiets Palästinas, das heute Israel und die besetzten palästinensischen Gebiete (Westjordanland, Ost-Jerusalem und Gazastreifen*) umfasst. Der Streit über den Verlauf von Grenzen und die entsprechende Gebietshoheit ist dabei von herausgehobener Bedeutung. Verbunden ist er mit einem Konflikt um Ressourcen, also um die Zuteilung und Nutzung von Wasser, fruchtbarem Land, Steinbrüchen und Gasvorkommen im Mittelmeer.

*Im Gazastreifen leben im Gegensatz zum Westjordanland und Ost-Jerusalem keine Israelis, sondern beinahe ausschließlich Palästinenser. Weder der israelische Staat noch das israelische Militär sind in Friedenszeiten im Gazastreifen präsent. (Anmerkung der LpB-Internetredaktion)

Punkt 2: Ethno-nationalistischer Konflikt

Es handelt sich zweitens um einen ethno-nationalistischen Konflikt. Zwei unterschiedliche Bevölkerungsgruppen verfolgen mit dem politischen Zionismus und dem palästinensischen Nationalismus konkurrierende nationale Bestrebungen. Während die Jüdinnen und Juden ihr Anliegen bereits 1948 mit der Ausrufung des Staates Israel verwirklichten, steht die nationale Selbstbestimmung der Palästinenser nach wie vor aus. Denn trotz (wiederholter) Ausrufung eines palästinensischen Staates und seiner Anerkennung durch rund 140 Staaten weltweit mangelt es den Palästinensern an effektiver Kontrolle und anerkannter Souveränität über ein Staatsgebiet.

Kompliziert wird die Situation zusätzlich dadurch, dass der Konflikt sich nicht nur auf das Verhältnis zwischen Israel und die palästinensischen Gebiete bezieht, sondern in Israel auch eine innenpolitische Komponente hat. Denn dort lebt eine indigene, palästinensische Minderheit, die rund 20 Prozent der Bevölkerung ausmacht.

Punkt 3: Religiöse Dimension

Der Konflikt hat zudem, drittens, eine religiöse Dimension: Nicht nur betonen Juden und Palästinenser, dass sie seit Jahrtausenden im Heiligen Land ansässig sind. Die Konfliktparteien untermauern ihre Ansprüche auch religiös, also durch den Verweis auf göttliche Versprechen für ihr Volk.

So nutzt die israelische Rechte die biblischen Begriffe „Judäa und Samaria“ für das Westjordanland, um den jüdischen Anspruch auf das Land zu untermauern. Die palästinensische Hamas beschreibt in ihrer Charta das historische Palästina als „Waqf“, also eine den Muslimen von Gott treuhänderisch anvertraute (und damit unveräußerliche) religiöse Stiftung.

Die religiöse Aufladung hat in den letzten Jahren vor allem in der Konfrontation zwischen Juden und Muslimen zugenommen. Dies zeigt sich immer wieder auch in gewaltsamen Auseinandersetzungen um den Tempelberg / Haram al-Scharif in Jerusalem als wichtiger historischer Stätte des Judentums und drittwichtigster Kultstätte des Islam. Radikale jüdische Siedler:innen streben an, dort den dritten Tempel zu errichten und torpedieren immer wieder den Status quo, der – um den Frieden zu wahren – regelt, dass Vertreter aller Religionen das Plateau betreten, aber nur Muslime dort beten dürfen.

Punkt 4: Regionale Dimension

Viertens hat der Konflikt eine regionale Dimension. Denn er ist eingebettet in den israelisch-arabischen Konflikt. Die arabischen Staaten lehnten die Entstehung des „zionistischen Gebildes“ in Palästina zunächst ab und verwehrten ihm die Anerkennung. Erst 1979 trat ein erstes Friedensabkommen Israels mit Ägypten in Kraft, 1994 dann ein zweites Friedensabkommen mit Jordanien.

Im Zuge des in Oslo 1993 zwischen Israel und der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) eingeleiteten Friedensprozessesentspannten sich auch Israels Beziehungen zu anderen arabischen Staaten. Sie blieben aber volatil und vom israelisch-palästinensischen Verhältnis abhängig.

2002 legte die Arabische Liga die sogenannte Arabische Friedensinitiative vor: also das Angebot normaler Beziehungen an Israel, wenn Israel die Besatzung beende und einen palästinensischen Staat zulasse.

Mit den von den USA vermittelten Abraham-Abkommen von 2020 gingen vier arabische Staaten noch einen Schritt weiter: Obwohl der israelisch-palästinensische Friedensprozess seit langem stagnierte, einigten sich die Vereinigte Arabische Emirate, Bahrain, Marokko und Sudan mit Israel auf eine gegenseitige Anerkennung und den Ausbau der Beziehungen. Gleichzeitig gibt es nach wie vor in vielen arabischen und muslimischen Ländern eine hohe Solidarität der Bevölkerung mit den Palästinenser:innen.

Nicht zuletzt ist die Regelung von Konfliktfragen, wie die der Flüchtlinge oder des Umgangs mit Wasserressourcen, nur auf der regionalen Ebene möglich.

Fazit von Naike Juchem

Die Weltgemeinschaft hatte mit der Gründung des Staates Israel einem fatalen Fehler gemacht, der sich bis heute auswirkt – und wohl ewig zu Konflikten führen wird. Man unterstützt seit Jahren Israel in Infrastruktur, Forschung und Wissenschaft, während in Palästina noch nicht einmal überall fließendes Trinkwasser vorhanden ist. Das dies zu einem Hass und Unmut gegen Israel führt, ist eigentlich klar.
Auch ist die massive Siedlungspolitik seitens Israel ein ständiger Konfliktpunkt, welcher noch mehr Wut auf der Seite der Palästinenser hervorbringt.

In diesem Kessel von Ungleichheit kann man als Weltgemeinschaft nicht des einen Freund und des anderen Feind sein. Wenn man endlich den Palästinenser die gleiche Rechten und auch Infrastruktur gibt, könnte es schon mal einen Anfang für Frieden sein.
Der Weltsicherheitsrat muss beide Konfliktparteien an einen Tisch bringen, und gemeinsam nach Lösungen suchen. Wenn man in Palästina eine vernünftige Wirtschaft aufbaut, hätten die Menschen auch eine Perspektive für ihr Leben.
Ferner muss auch der gegenseitige Hass abgebaut werden. Es kann doch nicht sein, wenn man bereits in israelischen Kindergärten sagt, wer der Feind ist.
Die Menschen in Palästina wollen genauso den Frieden wie die Menschen in Israel.
Wenn israelische Soldaten und Polizisten mit Gewalt gegen unbewaffnete palästinensische Kinder vorgeht, ist eine Grenze der Menschenrechte schon weit überschritten.

Naike Juchem, 13. Februar 2024

Quelle: Der Beitrag beruht auf Dr. Muriel Asseburg/Jan Busse: Der Nahostkonflikt. Geschichte, Positionen, Perspektiven, 4. Aufl., München 2021 sowie Muriel Asseburg: Palästina und die Palästinenser. Eine Geschichte von der Nakba bis zur Gegenwart, 2. Aufl., München 2022.

Fotos: Hanita-Carolin Hendelman

Nukleare Kriegsführung

Foto: Sarmad Anand

„Ich bin nicht sicher, mit welchen Waffen der dritte Weltkrieg ausgetragen wird, aber im vierten werden die Menschen mit Stöcken und Steinen kämpfen.“
Dies sagte einst Albert Einstein – und er wird recht behalten.

Autorin Naike Juchem

Wir alle haben Angst vor der Radioaktivität von Kernkraftwerke. Die Ausmaße von einem Gau oder Super-Gau haben wir von Tschernobyl und Fukushima noch alle im Kopf. Wie sieht es in Kriegen aus? An den Vietnamkrieg und dem Einsatz von Agent-Orange können sich noch einige erinnern. Wie sieht es mit den US geführten Kriegen in Jugoslawien, Libyen, Irak oder Afghanistan aus?

Am 4. April 2017 war die Welt über einen Giftgas Angriff auf die syrische Stadt Chan Schaichun empört. Russland wurde für diesen Angriff verantwortlich gemacht. Dann die syrische Armee. Die USA verlegten einen ihrer Flugzeugträger ins Mittelmeer. Russland zog nach und verlegte die Fregatte Admiral Grigorowitsch ins Mittelmeer. Mal wieder stand die Welt kurz vor einer militärischen Eskalation.

Die USA, die sich gerne als Weltpolzei darstellt, haben mehr als genügend Kriege angezettelt, und dabei nicht nur mit konventionellen Waffen gekämpft.
Die US-Streitkräfte hatten im ersten und zweiten Irakkrieg hochgiftige Waffenkomponenten mit abgereicherten Uran auf die irakische Zivilbevölkerung abgeworfen und abgefeuert. Mit Hunderten Tonnen von angereicherter Uranmunition haben sie buchstäblich die irakische Bevölkerung mit einer Strahlungen überzogen, wodurch die Sterblichkeits- und Geburtenrat durch den Einsatz von angerichteten Uran die Krebsraten in die Höhe schnellen lies. Nach Schätzungen der OPCW (Organisation für das Verbot chemischer Waffen) gehen davon aus, dass die atomare Toxizität im Irak bei etwa 400.000 Atombombenabwürfen von Hiroshima lag.

Die katastrophalen nukleare Schäden an der Menschheit ist überhaupt nicht absehbar. In Vietnam wird es noch vier Dutzend Generationen – nicht Jahre, brauchen, bis es keine radioaktiven Erbteile mehr gibt.
Von der kontaminierten Umwelt im Irak, Afghanistan, Libyen, Jugoslawien, Japan, oder Vietnam brauche ich nicht zu schreiben. Es hat seine Gründe, warum es um den Reaktor von Tschernobyl eine Sperrfläche von 2.800 Quadratkilometern gibt. Dies entspricht in etwa der dreifachen Fläche von Berlin. Zehn Kilometer um das Kraftwerk herum wird die Gegend noch für Zehntausende von Jahren unbewohnbar bleiben.

Bei all diesem Ausmaß sollte man auch bedenken, dass Terrorgruppen wie zum Beispiel: ISIS, Taliban, Al-Qaida oder andere Gruppierungen an eben jene hochgiftige Waffenkomponenten der US-Streitkräfte nach dem Rückzug aus dem zweiten Irakkrieg problemlos heran gekommen sind.
Zu all diesem Irrsinn kommt noch hinzu, dass Milizen, Rebellen oder gar das Militär heute noch auf Schießständen und Testschießanlagen diese Munition benutzen. Somit wird das Krebsrisiko für die dort lebenden Menschen immer höher.

Naike Juchem, 12. Februar 2024

Foto: Sarmad Anand

Foto: privat

Hunger als Methode der Kriegsführung

Die Einleitung zu meinem Text über die aktuelle Hungersnot in Äthiopien beginnt sehr makaber.

„Was ist klein, dünn und läuft mit 100 km/h durch die Wüste? Ein Äthiopier der ’ne Essensmarke gefunden hat.“

„Wie bekommt man 100 Äthiopier in eine Telefonzelle? Man schmeißt ’nen Brotkrumen hinein.“

Solche oder ähnliche Witze haben bestimmt viele in den 80er Jahren gehört – ich auch.
Nun, in meiner Jugend wusste ich nicht all zu viel über Äthiopien. Ein Land im Nordosten von Afrika und das es 1984/85 eine Hungersnot gab, bei der Hunderttausende Menschen starben.


Eine kleine Einordnung über Äthiopien:
Bis 1974 hieß dieses Land Abessinien und zählt zu den ältesten Staaten der Welt. Abessinien entstand bereits 1000 vor Chr. und zählt somit auch heute noch zu dem einzigsten durchgehendsten und unabhängigen Staaten auf dem afrikanischen Kontinent.

Nun sind wir im 21 Jahrhundert angekommen und man denkt bei Äthiopien automatisch an Krieg. Auch diesen gibt es immer noch – auch wenn er offiziell als beendet gilt.
Durch eine katastrophale Innenpolitik hat dieses Land kaum eine Stabilität. Welche sich Milizen, Regierung und Rebellen zu nutze machen, denn mindestens 400 Menschen sind in den vergangenen Monaten in den äthiopischen Provinzen Tigray und Amhara verhungert. Dies gaben Mitarbeiter einer internationalen Hilfsorganisationen vor Tagen bekannt. Jene internationale NGO berichtet bereits seit Monaten von einer drohenden Hungersnot. Die Regierung unter Premierminister Abiy Ahmed wies diese Berichte als „völlig falsch“ zurück.

Die von einer aktuellen Dürre geplagten und unter dem verheerenden Bürgerkrieg leideten Provinzen, der vor 14 Monaten offiziell beendet wurde, sind in den vergangenen sechs Monaten 351 Menschen in der Provinz Tigray und 44 weitere in der Provinz Amhara an Hunger gestorben.
Am 6. Februar gab es eine Meldung von einer NGO, in der die Rede von 860 verhungerten Personen ist. Auch erhalte nur ein kleiner Teil der Bedürftigen Menschen in der Provinz Tigray Nahrungsmittelhilfe.
Makaber ist, dass jener NGO zig Tonnen der Getreidelieferung gestohlen wurde.
Laut der Tigray Food Cluster, einem Zusammenschluss von verschiedenen Hilfsorganisationen unter dem gemeinsamen Vorsitz des WFP (Welternährungsprogramm) der Vereinten Nationen und äthiopischer Behörden, hätten lediglich 14% der 3,2 Millionen Bedürftigen Menschen in der Provinz Tigray in den ersten 21 Tagen des vergangenen Monat Nahrungsmitteln bekommen. Einige Menschen in der Provinz hätten seit über einem Jahr keine Nahrungsmittelhilfe mehr erhalten.

Nach dem Memo des World Food Program werden die humanitären Organisationen gebeten, ihre Maßnahmen sofort zu verstärken. In dem Memo wird auch ausdrücklich davor gewarnt, dass, wenn jetzt nicht schnell gehandelt wird, es in der nächsten Zeit zu einer schweren Ernährungsunsicherheit und Unterernährung kommen wird, wobei es sich am meisten um gefährdetet Kinder und Frauen handelt wird.

Die aktuelle Misere wäre nicht so weit gekommen, wenn die UN und die USA nicht ihre Nahrungsmittelhilfe für die Provinz Tigray im März des vergangenen Jahres ausgesetzt hatten, nachdem sie einen massiven Diebstahl von humanitärem Getreide aufgedeckt hatten. Die Aussetzung wurde im Juni 2023 auf den Rest Äthiopiens ausgeweitet. Die UN geht davon aus, dass es sich bei dem Getreide um den bisher größten Diebstahl von Getreide handelt. Die Geberländer und NGO’s haben äthiopische Regierungsbeamte und das Militär für den Betrug verantwortlich gemacht.

Die Vereinten Nationen und die USA hoben den Stopp im Dezember auf, nachdem sie Reformen zur Eindämmung des Diebstahls eingeführt hatten, aber die Behörden von Tigray behaupten, dass die Nahrungsmittel nicht zu den Bedürftigen gelangen.
Mitarbeiter von Hilfsorganisationen berichteten der Nachrichtenagentur AP, dass das neue System, das unter anderem die Anbringung von GPS-Trackern an Lebensmittel-LKWs und die Anbringung von QR-Codes auf Rationskarten vorsieht, durch technische Probleme behindert wird.
Erschwerend kommt noch hinzu, dass die Hilfsorganisationen vor Ort mit Geldmangel zu kämpfen haben.

Rund 20,1 Millionen Menschen in ganz Äthiopien sind aufgrund von Dürre, Konflikten und einer maroden Wirtschaft auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die Unterbrechung der Hilfe hat die Hungersnot noch weiter verschärft.

Das WFP hat bereits vor einem Jahr gewarnt, dass in Nord-, Süd- und Südostäthiopien bis Anfang 2024 mit einer Hungersnot oder noch schlimmeren Zuständen zu rechnen ist.

In der Provinz Amhara, die an Tigray grenzt, behindert zudem eine im August 2023 ausgebrochene Rebellion, was natürlich die Bewegungsfreiheit der NGO’s bei der Verteilung von Hilfsgüter erschwert, während mehrere Provinzen Äthiopiens von einer mehrjährigen Dürre heimgesucht werden.

Noch ein paar Fakten zu der aktuellen dramatischen Lage

Aus einem UNICEF Schreiben, welches die Leitung des Ethiopia Nutrition Cluster hat, geht hervor, dass die Unterernährungsraten bei Kindern in Teilen der äthiopischen Provinzen Afar, Amhara und Oromia zwischen 15,9 % und 47 % liegt. In der Provinz Tigray liegt die Rate bei 26,5 %.

Die Provinz Tigray, in der 5,5 Millionen Menschen leben, war das Zentrum eines verheerenden zweijährigen Bürgerkriegs, der Hunderttausende von Menschen tötete und auf die Nachbarregionen übergriff. Ein UN-Gremium warf der äthiopischen Regierung vor, sie habe während des Konflikts, der im November 2022 mit einem Friedensabkommen beendet wurde, „Hunger als Methode der Kriegsführung“ eingesetzt und die Nahrungsmittelhilfe für Tigray eingeschränkt.

Aus einem Papier einer NGO geht hervor, dass die anhaltende Unsicherheit in Äthiopien dazu führt, dass nur 49 % der landwirtschaftlichen Flächen in der Provinz Tigray während der Hauptanbausaison im vergangenen Jahr bepflanzt wurden. Wegen der Dürre wurden in diesen Gebieten nur 37 % der erwarteten Gesamtmenge angebaut. In einigen Gebieten lag der Anteil sogar nur bei 2 %. Die Provinz Tigray hat eine Fläche von 50.079 km². Diese ist fast die Fläche von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz zusammen.

UNICEF, wie auch verschiedenen NGO’s warnten bereits vor einem Jahr davon, dass sich die katastrophale Lage der Hungersnot von 1984/85 wiederholt.
Die äthiopische Zentralregierung bestreitet jedoch vehement, dass es eine große Hungerkrise gibt. Als der Gouverneur der Provinz Tigray, Getachew Reda, im vergangenen Monat Alarm wegen einer drohenden Massenverhungerung schlug, wies ein Sprecher der Regierung die Berichte als „ungenau“ zurück und beschuldigte ihn, „die Krise zu politisieren“.

Naike Juchem, 7. Februar 2024

Anm.: Die Fotos wurden mir privat zugeschickt, und aus Gründen des Anstands werde ich nicht alle Fotos veröffentlichen.

Kein Mensch flieht ohne Grund

Ein paar Hintergründe, die zum Nachdenken bringen sollen.

Autorin Naike Juchem

Melilla ist eine spanische Enklave in Westafrika und hat seine Grenze zu Marokko.
In einem Werbeprospekt wird über die schöne und mittelalterliche Festungsanlage und über prachtvolle Jugendstilgebäuden in den schönsten Worten geschrieben.
Wörtlich heißt es dort: „Es gibt keinen besseren Weg, ihre Geschichte kennenzulernen, als eine Besichtigung von La Ciudadela, auch bekannt als Melilla la Vieja oder „das Dorf“ (El Pueblo) zu besuchen. Diese Festungsanlage wurde im 15. Jahrhundert auf Felsen erbaut und verschiedene Kulturen haben hier im Laufe der Zeit ihre Spuren hinterlassen.“
So weit über die einstige Geschichte.

Über die aktuelle Geschichte hört man kaum etwas. Im Sommer 2022 versuchten fast 2.000 Migranten, die meterhohen Zäune von Melilla – also der EU Außengrenze zu überwinden. Es gab hunderte Tode und genau so viele Verletzten. Hilfe für die Menschen gab es keine!
Dies ist die Realität vor den Türen von Europa!
Ob in Libyen, Griechenland, Türkei, Italien (Lampedusa) oder an den Grenze zwischen Polen und Weißrussland. Überall werden Menschen mit Waffengewalt an der Einreise nach Europa gehindert.

Foto: Simona Forlini

„Sollen sie doch bleiben wo sie hergekommen sind.“


Dies sind oft die Aussagen von Menschen, die für sichere Grenzen und konsequenter Abschiebung sind.
Natürlich können diese Menschen in ihrer Heimat bleiben – nur hat die EU durch irrsinnige Subventionen und Staatsverträge fast alle Länder in Afrika in den Ruin getrieben. Tomaten aus Italien werden in Ghana billiger verkauft, als die Landwirte in Ghana diese verkaufen können.
Hähnchenfleisch, welches in Europa keinen Absatz hat, wird über Subventionen per Container nach Nigeria geschafft. Dort hat man mit unserem Lebensmittelmüll mal eben die Landwirtschaft ruiniert.

Elektronikmüll wird an die Elfenbeinküste oder Ghana verschifft. Dort liegen Hunderttausende Tonnen Elektronikmüll auf weiten Felder – auf denen einst mal Saat ausgebracht wurde. Mit einfachsten Mittel wird noch das letzte Stück Kupfer aus den Geräten geholt. Die Umweltverschmutzung ist gigantisch. Durch die Schwermetalle im Boden und Wasser, ist Leben für Tiere und Fische nicht mehr möglich.

Natürlich gibt es auch „positive“ Beispiele, wenn in Kenia Tulpen und andere Blumen gezüchtet werden, und diese dann in den Discounter in Europa für wenig Geld an den Kassen stehen. Von diesem ökologischen Irrsinn mag ich gar nicht schreiben.

Diese wenigen Beispiele zeigen schon, wie global vieles zusammen hängt. Es ist natürlich leicht zu sagen: „Sollen sie doch bleiben wo sie hergekommen sind.“ Würden diese Menschen eigentlich auch, wenn das zivilisierte Europa nicht deren Heimat, Lebensraum und Wirtschaft zerstören würde. Kein Mensch flieht ohne Grund!

Foto: Saleh Syrian

Die Menschen, die fliehen, brauchen Geld für ihre Flucht. Dieses Geld kratzen sie von Verwandten zusammen. Die Familien verschulden sich bei den Schlepper und können das Darlehen niemals zurück bezahlen. Oft werden nach ein oder zwei Jahren diesen Familien das wenige Eigentum weggenommen. Also hat man nochmals viele Menschen in die Armut, Flucht und Verzweiflung getrieben.

Um dies alles zu begreifen, bedarf es mehr, als die Schlagzeilen der BILD oder den schwachsinnigen Postings in den Sozialen Netzwerken zu lesen.

Foto: Eva Wołkanowska-Kołodziej

Wenn wir diese Welt verbessern möchten, müssen wir als Industriestaaten auch jene anderen Ländern leben lassen und auf Augenhöhe mit einander umgehen. Staatsverträge drückt die sowieso schon schachen Ländern noch mehr an die Wand.
Hurra, wie haben Unimogs von Mercedes, Waffen von Heckler und Kock.  Auch Frankreich ist im Bereich Staatsverträge vorne mit dabei. So werden zum Beispiel militärische Fahrzeuge von ACMAT S.A, ALCEN (u.a. Hubschrauber) oder Produkte der Dassault-Gruppe geliefert.

Diese Liste geht natürlich nicht nur über militärische Waffen und Fahrzeuge einher. Es geht mit allen Branchen weiter: Lebensmittel, Telekommunikation, Medikamente, Erdöl, Chemie….

Foto:Nino Fezza

Um eine immer weiter steigende Profitrate der Konzerne zu haben, braucht man neue Märkte. Ob Lateinamerika, Afrika, Asien, Südostasien oder China. In all diesem Karussell aus Macht, Gier und Profitrate bleiben Menschen aus der Strecke. Dies zeigt uns die Geschichte des Kolonialismus. Auch hier waren es: Afrika, Asien, Lateinamerika, Polynesien, Indien, Indochina (so nannte man früher Südostasien.)

Die westliche Industrie und Wohlstand ist auf die Armut der Schwellenländer dieser Welt aufgebaut. Kriege führen zu Armut und Flucht. Umweltzerstörung führt zu Armut und Flucht. Irrsinnige Subventionen und Staatsverträge führt zu Armut und Flucht.

Foto: Simona Forlini

Nun sitz der Europäer zu Haus auf seinem Sofa und motzt über Migranten, ohne all diese Hintergründe zu wissen. Es ist leichter, die schwächsten in dieser Kette zu bekämpfen, als sich über die Ursachen Gedanken zu machen.

Naike Juchem, 6. Februar 2024

Teil II Kapitel 18 München, Deutschland

Zu Besuch bei Nescha Hefti
Mai 93

Hannes musste nach Deutschland fliegen, denn die Lieferung der letzten Pumpen für das Wasserbauprojekt von Cău Strung Melch nach Bavet Leu standen an. Da Hannes Nescha besuchen wollte, flog er von Bangkok nach München. Er wollte nicht gleich zu Ludgar in die Pfalz oder in die Firma nach Reims. In den wenigen Tagen, die er in Europa war, wollte er wenigstens ein paar Tage Urlaub machen. Er brauchte auch mal eine Auszeit für sich.
Da Nescha ihm angeboten hatte, für ein paar Tage zu ihr nach München zu kommen, kam er der Einladung liebend gerne nach. Nescha, Patricia und er waren seit Januar 90 befreundet. Im Herbst 91 bekam Nescha einen freien Platz an einer Universität in München um dort Medizin zu studieren.

Am Freitag den 21. Mai um 9.10 Uhr landete der Airbus A330 mit der Flugnummer TG7932 auf dem Franz-Josef-Strauß Flughafen in München.
Hannes brauchte für die wenigen Tage in Europa kaum Gepäck, so hatte er nur einen Koffer und einen kleinen Rucksack als
Handgepäck dabei.
Ein übereifriger Zollbeamte wollte ihn trotzdem kontrollieren.
„Guadn Dog da Herr, hob Sie wos zua vazoin?“ Fragte der Beamte.
Hannes öffnete den kleinen Rucksack, damit der Zollbeamte sehen konnte, dass nur eine Packung Kekse, sein Mobiltelefon und Portemonnaie drinnen war. „Nein, habe ich nicht. Werfen Sie bitte einen Blick in den Rucksack.“ „Jo, dann soidn mia moi in ihrn Koffa schaun.“ „Tut mir leid, den habe ich noch nicht bei mir.“ „Jo, dann wardn mia ebn. Moi seng, wos in am Koffa drinna is.“ „Gerne, nur was vermuten Sie außer ein paar Kleider, Zahnbürste und ein paar Schuhe sonst noch in einem Reisekoffer?“ „Jo, dass wern mia dann oamoi seng. Sogt jeda, dass ea grod Kleida im Koffa hod.“ „Stimmt. Ich habe ja gesagt, dass auch noch eine Zahnbürste und Schuhe in dem Koffer sind.“ „Jo, woin Sie ‚etz no fresch wern? Solche Leid wia Sie miassn kontroliad wern.“
Hannes sah den Zollbeamten irritiert an „Solche Leute wie ich? Herzlich willkommen in der Heimat!“ „Wos soi des ‚etz? Hom Sie Drogn gnomma?“ „Komisch, gleiches wollte ich Sie auch fragen.“ „Jo, ‚etz is aba moi schluss mid lustig. Jetz keman Sie mid in de Deanststäi.“ „Lieber Herr Zollbeamter, könnten wir dies alles etwas abkürzen in dem ich Ihnen einfach meinen Pass und Dokumente zeige?“ „Denn Pass wern mia vo Ihna scho no seng. Jetz keman Sie mid auf de Deanststäi. Oda mua i des Sicherheitspersonoi ruafn?“
Hannes schüttelte genervt den Kopf „Bringen wir dieses Schauspiel hinter uns. Bitte. Ich folge Ihnen.“ „Jo, wos soi des? Sie foigen mia.“ „Habe ich zwar gerade gesagt, aber es geht auch den Weg.“

Hannes folgte in Begleitung von zwei Zollbeamten der Blödheit in Uniform einige Treppen herunter, durch Flure nach links und recht und wieder zwei Treppen hoch um nochmals einen anderen Flur von einer geschätzten Länge, wie einmal um den Äquator.
„Wird mein Koffer noch da sein, wenn ich zurück komme oder ist dann schon das Sprengstoffkommando vom LKA am Terminal?“ „Sie hoidn des wohl ‚etz ois fia Gaudi?“ „Nein. Nur weiß ich nicht, wie auf einen herrenlosen Koffer am Terminal reagiert wird.“
Endlich kam die Dienststelle in Sicht, Hannes wollte schon fragen, ob sie nun in Freising sind oder noch auf dem Flughafengelände. Der Zollhauptwachmeister öffnete eine Milchglastür und ließ Hannes eintreten.
In dem Büro waren ein Dutzend Zollbeamte, die verschiedene Koffer auf den Tischen aufgeklappt hatten und offensichtlich deren Besitzer auf einer Bank gegenüber den Tischen saßen. Einige Zollbeamte saßen an Schreibtischen und bei zwei Beamtinnen saßen Personen vor dem Schreibtisch.
Der Koffer von Hannes stand auf dem ersten Tisch gleich am Eingang.
Hannes grüßte die Beamten und zu seinen Begleiter sagte er „Ach sieh an, mein Koffer ist sogar schon vor mir da.“
Dem Oberzollbereichsleiter schwillte langsam der Kragen.
„So, bitte setzdn Sie si. Dann nehma mia jetz Ihra personalian auf. Wern aa no oan Drogentest duachführn und dann Ihrn Koffa untersuchn.“ „Gerne doch. Fangen wir am besten mal mit meinen Ausweisen an.“
Der Blutdruck vom Stabskompaniegeneralmajor war mittlerweile an seiner Belastungsgrenze angekommen.
„So, dann schaun mia moi. Aha, Hmmm, soso. Des san ihre Ausweise?“ „Ja. Offensichtlich.“ „Sie keman aus Kambodscha? Wohna in Thailand. Hom oan Deitschn, Thailändischn und Diplomadischn Pass! Jo, wos nu? Arbadn fia a Französiche Firma und die UN.“ „Ich weiß, ist kompliziert, ist aber so. Um Ihnen nun noch den Rest Ihrer Drogenillusion zu nehmen, mein Koffer fällt unter den Status von Diplomatengepäck – ist eigentlich deutlich in mehreren Sprachen gekennzeichnet. Ich kann aber gerne bei der UN eine Resolution einbringen, dass auch bayerisch als internationale Sprache aufgenommen wird. Sie dürfen den Koffer noch nicht einmal öffnen!“ „Diplomadengepäck? Soso. Schuul Projegd Männedscha in Kambodscha. Deepartmend off Konstrukschion un Infrastrugdur. Soso. Mid 23 Joarn san Sie scho a Männedscha?“
Hannes blies die Luft auf und wollte sich mir der linken Hand an den Kopf fassen. Stoppte leicht in der Bewegung und kratzte sich am Kinn. Die Blödheit in Uniform drehte das Schreiben der UN  von links nach rechts.
„Was wollen Sie jetzt darauf für eine Antwort? Soll ich Ihnen den englischen Text auf bayerisch Übersetzten? In den USA wird sogar ein Hausmeister als Manager betitlet – also nichts besonderes.“ „Warum hom Sie des ned vo Ofang an gsogt?“
Hannes verdrehte die Augen und nahm tief Luft „Ich kann mich erinnern, dass ich Ihnen sagte, wir könnten dies abkürzen, indem ich Ihnen meinen Pass und Dokumente zeige. Wenn Sie mich nun entschuldigen, ich habe noch etwas mehr zu tun, als mich mir dem deutschen Amtsschimmel herum zu ärgern. Im übrigen, falle ich durch meinen Ausweis von der UN unter den Diplomatenstatus. Schon mal etwas von diplomatischer Immunität gehört? Wenn Sie nun noch ein Disziplinarverfahren haben möchten – sagen Sie es gleich, ansonsten wünsche ich Ihnen einen schönen Tag.“
Hannes erhob sich von seinem Stuhl, nickte dem Zollgeneralmajor zu und nahm sein Koffer vom Tisch. Er ging aus der Dienststelle ohne die Tür zu schließen.

Der Weg von der Dienststelle zum Ausgang vom Gate kam Hannes wie eine Marathonstrecke vor.
Nescha saß ganz alleine am Ausgang vor dem Zollbereich und winkte, als sie Hannes sah.
„Hallo Nescha, Entschuldigung, ich hatte gerade eine Begegnung mit der dritten Art. Salut meine Liebe, ich bin endlich da. Lass uns fahren, bevor ich dem Zollbeamten noch ein Disziplinarverfahren anhänge.“

Hannes erzählte Nescha, diesen Alptraum an Blödheit in Uniform und Nescha lachte.
„Ja, Süße du lachst. Nach über 13 Stunden Flug kann ich darüber nicht mehr lachen.“ „Äxgüsi. Wie du das verzellsch, chönt ich brülle vor lache.“ „Morgen lache ich auch darüber.“
Nescha streichelte ihm mit ihrer rechte Hand über seinen linken Oberschenkel.
„Möchtsch na ga schlafe?“ „Nescha, ich bin so lange wach, wenn ich mich bei dir hinlege, werde ich wohl erst am Sonntag wieder wach werden. Fahr zu dir nach Hause und wir sehen dann was wir machen. Ich hätte Hunger auf richtig gute Semmelknödel.“

München, bei Augustiner am Frauenplatz

Nachdem Hannes doch zwei Stunden bei Nescha auf der Couch geschlafen hatte, fuhren sie mit der S-Bahn ins Zentrum von München.
Am Dom aßen sie Schweinshaxen mit Knödel und tranken schönes helles Augustiner Bier vom Fass.
„Wie gahts Patricia?“ „Nächstes Jahr arbeitet sie mehr für das Bildungsministerium in Kambodscha und für UNICEF, dann ist nicht mehr so viel mit ihrem Traumberuf. Eine Oberärztin aus dem Krankenhaus in Khorat wohnt bei uns im Village und Patricia lässt sich von ihr regelmäßig Bluttests machen. Reto schaut auch immer noch nach ihr. Nescha, ich habe Angst, wenn die Befunde da sind und die Werte sich verschlechtert haben. Du kannst dir diese Achterbahnfahrt, die ich im Hirn habe, gar nicht vorstellen.“ „Ungefähr scho. Ich studier Medizin. Natürlich isch es bi eu öpis anders, als ade Uni devo zghöre oder zläse. Mir kenned eus ja jetzt au scho es langi Ziit. Sit fast vier Johre machsch dir täglich die Gedanke du tuesch mir so unendlich leid. Die Medizin isch sit Johre am forsche. Es git immer besseri Behandlige – au bi de Früehnerkennig“ Nescha sah in leere Augen von Hannes.
„Tu’der das doch nid ständig aa, d Leukämie mues doch nid widr zru cho. Reto het dir das doch vor drü Jahr aues erklärt gha. Hannes, bitte.“ „Ich kann mein Hirn nicht deleten. Wenn ich es könnte, würde ich diese verdammte Krankheit zum Teufel jagen.“
Nescha streichelte ihm den Arm und hielt seine linke Hand fest „I ha nech beidi i subtropische Wälder kenneglernt. I ha mitbecho, waser beidi inere ungloublech churze Zyt hei gschtumme u euch im Hotel gseit, dass nech mau es Dänkmau bout wird. I ha rächt gha. Lefevre School! Das es so gross würd isch mer aber nid bewusst gsi“ „Danke Nescha. Uns auch nicht.“ „Denket bi dere Gschwindigkeit aber o a euch“ „Dies tun wir. Wenn wir eine Auszeit brauchen, fahren wir für zwei oder drei Wochen nach Kampang Rou, arbeit ist dort immer noch genug für uns.“ „Usziit? Arbeit isch dert immer no gnue? Hannes, i ha gmeint eher a Urlaub.“ Nescha sah Hannes irritiert an.
„Ja. Es hört sich voll blöd an, ist aber so. In Kampang Rou fing für uns alles an – dort sind unsere Wurzeln. Auch wenn es heute Städte und Ortschaften wie Battambang, Kompong Chhnang, Udong, Poipet oder Sisophon sind. Der “Europa Platz“ ist und bleibt einmalig. Für uns ist es ein Gefühl nach Hause zu kommen und es ist keine Arbeit Kinder zu unterrichten, Vermessungen zu machen oder Bauprotokolle auf der Weide zu schreiben. Es ist für uns wirklich Erholung.“ „Euri Definition vom Erholig isch scho sehr merkwürdig.“
Hannes zog die Schultern hoch „Wie soll ich es dir erklären? Wir gehen nach Feierabend durch Kampang Rou und erinnern uns an die Anfänge und sehen die vielen Veränderungen im Ort. Wir werden oft von den Dorfbewohner eingeladen und sie erzählen uns von ihrem Leben, den Veränderungen und auch Träume. Nescha, diese Momente sind für uns Urlaub.“ „Okay. Wi geits Sangkhum?“ „Sangkhum ist groß geworden, aber immer noch völlig verrückt auf mich. Patricia leitet jetzt eine Schule in Chong Kal, unweit von Samraong. Sangkhum ist in dem Ort in einer Herde von Rinder und fühlt sich wohl. Ich sprach mit dem Bauer, ob ich Sangkhum zu ihm stellen könnte. Ich möchte sie schon in meiner Nähe haben. Auch Sangkhum ist eine Auszeit uns. Wir gehen am Abend oder Morgen gemeinsam mit Sangkhum spazieren und genießen diese Momente. Sag mal, soll ich für Sangkhum eine original bayerische Kuhglocke kaufen?“
Nescha schüttelte sofort den Kopf „Um Gottes Wille, nei! I finde es schöns, kunschtvoui Zaumzüüg viu schöner aus e Gloe.“ „Du meinst so etwas, was die Kühe beim Almabtrieb tragen?“ „Ja, i die richtig. Es mues nid sones unsinnigs gedöhns si. So es cools kunstvolls Halsband wär doch toll.“ „Wo bekomme ich so etwas zu kaufen?“ „Mir fahred morn mal go luege, okay?“

Ausflug ins Allgäu

Mit Nescha fuhr er mit ihrem VW Golf am Samstagmorgen aus München raus ins Allgäu. Sie fuhr an Starnberg und Schongau vorbei, ohne zu wissen wo hin. Am Ende waren sie in Füssen.
In der wunderschönen Altstadt saßen sie bei Haxe, Brezel und Bier.
„Danke Nescha für diesen Ausflug. Dies ist alles so anders, als das was ich täglich sehe. Als Kind war ich mit meinen Eltern hier in der Gegend in Urlaub gewesen. Viele Erinnerungen sind immer noch da. Ich brauche kein Meer und Strand für Urlaub zu machen. Hier diese Natur, die Schönheit der Gebäude und natürlich der Blick auf Schloss Neuschwanstein ist schon toll.“ „Vermissisch dini Heimat?“ „Hmmm. Welche Heimat? Nescha, dies ist eine sehr schwierige Frage. Vor vier Jahren habe ich für Patricia meine Heimat im Hunsrück verlassen und ging nach Lothringen. Nun leben wir schon seit drei Jahren in Thailand. Ja, ich vermisse meine Heimat und Nein, ich möchte nicht zurück. Auch wenn in Kambodscha und Thailand alles sehr chaotisch ist, es ist eine völlig andere Welt. Weniger Stress und mehr Zufriedenheit. Die Menschen sind nicht mit den Fehlern anderer beschäftigt und achten mehr auf das miteinander.“
Nescha nickte „Ja, das hani ou gmerkt. Also isch Thailand oder Kambodscha dini Heimat?“ „Nescha, ich kann nicht sagen, was meine Heimat ist. Ich liebe Kambodscha genauso wie Thailand. Durch die damalige politische Lage haben wir uns für ein Haus in Thailand entschieden. Du kennst unser Haus. Unsere Freunde bauten für uns dieses Haus und somit eine Heimat in einem Fremden Land.“
Nescha nickte ihm zu „Du hesch scho immer chönne Mönsche füehre.“
Hannes schüttelte energisch den Kopf. „Nei Hannes. Du füehrsch uf e Art wienis bis jetzt nume bi Reto gseh ha. Dir beidi si dr glich schlag Mönsch. Hesch dir jemals Gedanke gmacht warum du so früeh d Leitig für dieses Projekt übercho hesch?“ „Welche Gedanken? Es wurde auf der ersten Party in Kampong Rou von allen anderen einfach beschlossen. Ich wurde förmlich übergangen.“
Nescha schüttelte den Kopf und Hannes sah sie fragend an.
„Du weisches würklech nid?“ „Nescha, was sollte ich wissen?“
Sie sah ihn lange an und er wartete auf ihre Antwort, die er offenbar nicht kannte. „I bi früecher sehr viu mit dr Patricia zäme gsi. Sie het mir o sehr viu vo dir verzeut. Viu han i o säuber vo dir in Kampang Rou oder Svay Rieng gseh. Asger het o sehr viu mit Reto über di gredt. Ja, är isch dr Leiter vom Bauabschnitt 3 gsi. Är het aber o gseh das du viu meh Chraft, Engagement u Idee hesch gha als är. Verstah ds itze nid fausch. Asger isch nie eifersüchtig gsi uf di. Är het bi dir meh potential gseh aus i sich säuber. Natürlech isch di Alter e Punkt gsy, wo me het chönne kritisiere – u o da het. I nenne iz ke Name, wüu di Kritiker hei vorbehaltlos dim gstumme, i nennes mal: Aufstieg, bi ODHI zue.“ „Nescha…?!“ „Moment lah mi bitte witer verzeue. Reto und ou angeri hei grad us dim Alter es grosses Potential gseh. I säg mau so, du bisch heimlich vo dine Mitarbeiter beobachtet worde. Und dene ihrne Idrück und Meinige über di, hei si mit Patricia i ihrer Schuel besproche.“
Hannes sah Nescha ungläubig an und schüttelte immer wieder den Kopf.
„Damals war das Team von Asger doch gar nicht so groß. Also kann es ja nur einen Kritiker gegeben haben.“ „Falsch. Du bisch au bi Arthur a sim Bauabschnitt gsi. Nun mach dier bitte kei Gedanke über die Kritiker. Sie han dich nie abglehnt. Es isch nur die Zwiifel a dim Alter gsi – nie a dinere Menschlichkeit. Ich han scho gseit du und de Reto sind de glich Schlag Mensch. Was ich vor mim Studium dure und mit Reto glernt han, bringt mir hüt a de Uni sehr vill Vorteil. Z Aafang vo dem Studium han ich mini Arbet und Erfahrig vo de andere Kommilitär vorgstellt und es isch en Mischig us Hochachtig und belächle gsi. De Reto isch als Urwald-Dokter betitlet worde. Nach em erschte Semester händ d’Kommilitone nüme glachet. Reto isch en unglaublich guete Mediziner und er chan mit de eifachste Mittel und Möglichkeite helfe. Hannes, ich han i de Ziit in Kambodscha meh glernt als mängs i ihrem Läbe nie werdet lerne. Au han ich mit eu und vor allem durch dich e Teamarbet gseh wos wahrschinli au keis zweits Mal git. Dini Sicht uf Dinge oder Idee vo anderne Lüüt hesch meh als gnueg bewise. Was de Reto i de Medizin isch, bisch du i de Menschefüerig. Drum isch vo all dine Mitarbeiter entschiede worde, dass du d Leitig söttsch becho.“
Hannes sah Nescha bei diesen Worten wie versteinert an. Von all dem wusste er selbst nach drei Jahren nichts. „Ich glaub dies alles nicht!“ „Verständlich. Isch aber so. Du hesch sälber gseit, dass Fründe eues Huus und somit e Heimat baut händ.“
„Phuu, was soll ich dazu sagen?“ „Nüt. Nimms eifach so aa. Im übrige möcht i in de Semesterferie wider uf Kambodscha cho. Zum eine lerne und will i eu alli sehr vermissed.“ „Cool. Dann sehen wir uns bald wieder. Komm, nun lass uns noch nach einem Halsband für Sangkhum schauen.“

In einem Raiffeisen Markt in Schwangau fanden sie, was beide wollten.
Dem Verkäufer klar zu machen, was ein Banteng Rind ist, erwies sich für Hannes doch etwas schwieriger als gedacht. Zum Glück war ein Landwirt in dem Laden, der es dem Verkäufer genauer erklären konnte. Als Hannes und Nescha die Erlebnisse mit Sangkhum erzählten, war ein sehr großes staunen den beiden Herren in dem Raiffeisen Markt anzusehen.
Mit dem gewünschten Zaumzeug verließen beide das Geschäft. Auf dem Weg zu Autos sagte Hannes zu Nescha „Zu Glück warst du mit in dem Laden, ich glaube, die hätten mich sonst in die Geschlossene Anstalt eingewiesen.“ Nescha lachte „Ohni frag! Das alles glaubt dir in Europa kein Mensch was du mit Sangkhum erlebsch.“

Am Sonntag waren beide in der Innenstadt von München unterwegs. Seit Hannes in Deutschland war, war es eine schöne Maiwoche und so waren beide an der Isar, im Englischen Garten, Stachus und andere schöne Plätze in München gewesen.

Es gibt Momente die prägen ein ganzes Leben.

Am Dienstagnachmittag waren sie auf dem Viktualienmarkt und kamen spontan auf die Idee ins Kino zu gehen. Am Isartor fanden sie ein Kino welches zu dieser Uhrzeit geöffnet hatte. Im Aushang sahen sie sich die Plakate für die Filmvorführung an. Das Plakat von Schindlers Liste fiel ihnen ins Auge. „Möchtest du in diesen Film?“ Fragte Hannes.
Nescha zog die Schultern hoch „Ich weiss nöd. die andere Filme interessieret mich nöd bsunders.“

Mit Nescha schaute er über drei Stunden die Abgründe der Deutschen Geschichte filmisch grandios und schockierend dargestellt.
Der Saal im Kino war etwa zur Hälfte besetzt. Diesen Film in einer vollkommenen Ruhe zu sehen, wirkte auf beide. Es gab während der Vorführung kein rascheln von einer Chipstüte, kein räuspern – nichts. Nur Stille.

Nach dem Film mussten Nescha und Hannes sich erst einmal sammeln.
Sie standen im Foyer des Kinos und waren sprachlos – die Bilder wirkten nach!
An einem Stehtisch neben ihnen erging es einem älteren Ehepaar genau so. Sie kamen mit dem Ehepaar ins Gespräch.

Nach einiger Zeit verließen sie gemeinsam das Kino und gingen in die Stadt einen Cappuccino trinken. Bei den Gesprächen  in einem kleinen Cafe kam Nescha und Hannes auf ihre Einsätze in Kambodscha zu sprechen. Die älteren Herrschaften hörten sehr aufmerksam zu und stellten viele Fragen. Rosemarie und Paul Herrmann waren sehr angenehme Menschen und so wurde es immer später und die Gespräche nahmen kein Ende, also ging die kleine Gruppe in ein Restaurant in der Nähe der Heiliggeistkirche.

Beim warten auf das bestellte Essen merkte Hannes dass Rosemarie seit länger Zeit etwas bedrückte und sie offensichtlich nicht wusste wie sie es sagen sollte. Immer wieder sah sie zu Paul und dann sagte sie ganz unverhohlen in die kleine Runde, dass sie Jüdin sei und ein KZ überlebt habe. Diese Worte traf Nescha und Hannes wie ein Faustschlag ins Gesicht. Da waren sie nun fünf Stunden mit diesen beiden Herrschaften unterwegs und dann kam so ein Schlag.
Rosemarie erzählte von ihrer Kindheit, von der Willkür der NSDAP, den Demütigungen und auch die Deportation. Hannes hatte das Gefühl als ob sein Hirn einfror. Ein Film zu schauen war etwas völlig anderes, als wenn ein Mensch gegenüber sitzt und das Leben – sein Leben erzählt.
Es wurde ein sehr langer Abend und man verabredete sich für den nächsten Tag. Rosemarie wollte mit ihnen ins KZ Dachau fahren.

Hannes lag auf dem Sofa von Nescha und konnte nicht einschlafen. Nescha kam zu ihm ins Wohnzimmer „Bisch na wach?“ „Ja. Nescha, wir stehen vor der Ohnmacht der Geschichte und wissen nicht wie wir damit umgehen sollen. Du und ich kennen die Orte der Killing Fields in Kambodscha. Vor drei Jahre sagte ich zu Patricia, ich weiß nicht wie ich reagieren werde, wenn ich beim graben mit dem Bagger ein Massengrab finde. Dieser Alptraum ließ mich lange nicht los. Zum Glück fahre ich heute kein Bagger mehr, aber was ist, wenn andere aus meinem Team auf ein solches Grab stoßen? Wie soll ich damit umgehen?“
Nescha setzte sich zu ihm und umarmte ihn. Sie suchte nach Worten und schüttelte immer wieder stumm den Kopf.
„Hannes, mir fehled grad die Worte. Mir beidi hend in Kambodscha wahrlich gnueg a Armuet und Tod gseh. Ischs e gueti Idee mit de beide hüt uf Dachau z fahre?“ Hannes zog die Schultern hoch, er wusste es auch nicht. „Zuviel was wir nicht begreifen können. Zuviel an Demut, Schuld und Scham. Zuviel an Fragen. Nescha, was können wir beide für diese dunkelste Epoche von Deutschland? Wir sitzen hier mit unserer Jugend und reden über etwas, an dem wir gar nicht Schuld sind und trotzdem haben wir Schuldgefühle. Können wir den Genozid in Kambodscha begreifen? Diese Gräueltaten waren um ein vielfaches schlimmer, als das was wir von den Nazis kennen. Die Auswirkungen haben wir beide mehr als genügend gesehen. Ich bin viel in dem Land unterwegs und sehe 15 Jahre später noch immer diese grausamste Epoche der Roten Khmer.“
Nescha nickte „Dörf ich bi dir schlafe?“ „Natürlich. Es wird zwar etwas eng auf deinem Sofa – wird aber schon gehen.“
Nescha lag ihm gegenüber an den Füßen, so war etwas Platz für beide.
Bis früh in den Morgen sprachen sie über die Ohnmacht der Geschichte, für die sie beide nichts konnten.

Um 10 Uhr fuhr Hannes mit dem VW Golf von Nescha am Hotel vor. Das Hotel lag im Randgebiet von München. Rosemarie und Paul standen bereits am Eingang und winkten ihnen zu, als beide aus dem Auto stiegen.
Gemeinsam tranken sie noch einen Kaffee auf der Terrasse und Nescha sprach offen die Gedanken der vergangenen Nacht an „Rosemarie, wotsch würkli nach Dachau fahre? Mir müend det nöd ane. Mir hend die Nacht na sehr lang über de Film und d’Ohnmacht vor de Gschicht gredet. Hannes gseht’s au wie ich – mir müsed nöd nach Dachau.“
Mit fester Stimme sagte Rosemarie „Ich will und möchte endlich abschließen. Seit Jahren quäle ich mich und nie hatte ich den Mut der Vergangenheit zu begegnen. Der Film von gestern war ein kleiner Schritt – auch wenn er sehr weh getan hatte. Dann haben wir euch getroffen. Ihr seid auf der Welt unterwegs im Einsatz für Menschen und seht auch genügend Leid und den Tod. Ihr beide versteht es besser als jeder andere Mensch auf dieser Welt. Mit euch schaffe ich diesen letzten Schritt zu gehen.“
Nescha nickte Hannes, Paul und Rosemarie zu „Okay, mir gönd mit dir de letscht Schritt.“

Schweigend fuhr Hannes aus München die 20 Kilometer nach Dachau. Je näher er diesem Ort kam, umso größer wurde die Angst in ihm. Was ist, wenn Rosemarie dies nicht schafft? Er dachte an einen Nervenzusammenbruch oder gar an einen Herzinfarkt. Als Medizinstudentin könnte Nescha sofort Erste Hilfe leisten, wenn die Sorgen von Hannes bei Rosemarie eintreten sollten.
Im Rückspiegel sah er Rosemarie und Paul Hand in Hand sitzen. Es war eine surrealistische Situation für ihn. Wie ein junges Liebespaar, welches sich nicht traut zu küssen und trotzdem vom Leben gezeichnet und dennoch fest entschlossen war, einen unglaublich schwierigen Weg zu gehen.

Die Wegweiser zum KZ kamen immer häufiger, der Puls von Hannes war an seiner Belastungsgrenze und er hörte sein Herz schlagen.
Auf dem Parkplatz angekommen, sah Nescha zu Rosemarie und Paul „Mir müend det nöd ane!“ „Doch! Für euch. Für mich und für die Zukunft.“
Nescha nahm die Hand von Hannes. Auch für sie war es eine Belastung. Jeden Schritt näher zu diesem Ort war ein Schritt in die Ohnmacht der Geschichte.
Auch wenn Dachau kein Vernichtungslager war, die Grausamkeiten, die Entgleisung der Menschlichkeit war spürbar und zu sehen: Die Gebäude, Skulpturen, Erinnerungstafeln und die Krematorien waren Zeugnisse genug.

Mit einer Gruppe von ungefähr 30 Personen wurden sie durch die Anlage geführt. Sie vier, eine Schulklasse der Oberstufe eines Gymnasium aus Unterfranken und noch drei Ehepaare.
Der Mann der die Führung machte, erklärte sachlich und ruhig. Er beantwortete Fragen aus der Gruppe und tat dies mit dem allergrößten Respekt an die Opfer des Nationalsozialismus.

Mit der Zeit merkte die Gruppe das Rosemarie mit dem Mann länger sprach und auch sie das ein oder andere beitragen konnte. Irgendwann merkte die Gruppe, dass Rosemarie keine gewöhnliche Touristin war und so bildete sich eine kleine Traube von Menschen um Rosemarie.
Rosemarie kamen bei den Erzählungen aus ihrer Kindheit immer wieder die Tränen und Nescha fragte, wie es ihr geht. Von der Gruppe nicht beachtet, hielt Nescha die Hand von Rosemarie und fühlte unauffällig – aber gekonnt ihren Puls. Hannes sah in den Augen von Nescha und diese sagte ihm, dass alles in Ordnung sei.

Nach dieser doch sehr speziellen Führung, zeigten die anderen Besucher aus der Gruppe ihren größten Respekt an Rosemarie und stellten weitere Fragen.
Auf einer der Bänke auf dem Gelände saß Rosemarie, Nescha und Paul. Nescha fühlte immer wieder unauffällig ihrem Puls.
Rosemarie beantwortete ruhig die Fragen der anderen Besucher aus ihrer Gruppe. Hannes stand hinter der Bank und beobachtet die Regungen der Jugendlichen und auch Erwachsenen auf die Schilderungen von Rosemarie. Es tat ihr gut, unter dieser Anteilnahme von Ehrfurcht und Respekt ihre Vergangenheit endlich abzuschließen.
Trotz der angenehmen Temperatur an diesem Tag, war es Hannes kalt. Was Menschen in ihrem Leben erlebt hatten, war für ihn nicht zu begreifen. Er dachte an die Bilder von Kampang Rou im Januar 1990. Er sprach mit Patricia von einem realen Alptraum. Ein Kinderkarussell war dies gegen das Erlebte von Rosemarie.

Auf dem Rückweg zum Hotel bedankte sich Rosemarie und Paul immer wieder bei ihnen und ließ es sich nicht nehmen, beide zum gemeinsam Essen einzuladen.

Politische Klarstellung an der Grillhütte

Am Donnerstag, den 27. Mai, fuhr Hannes mit dem Zug von München nach Mainz, er wollte zu seinen Eltern ins Nahetal.
Der kleine Bahnhof im Nachbarort war ihm bestens vertraut und trotzdem fremd. Er ging vom Bahnhof die eineinhalb Kilometer mit seinem „Diplomadengepäck“ an Häuser und Menschen vorbei, die er von Kindheit her kannte. Erinnerungen an so vieles schöne kamen hoch. An was werden die Kinder in Kambodscha mal denken? Viel schönes gibt es in deren Leben nicht. Armut, Hunger, leben im Dreck und Krankheit waren der Alltag dieser Kinder. Keine Schlittenfahrten im dunkeln, Fahrradrennen durch die Straßen im Ort oder Hütten bauen im Wäldchen am Ende ihrer Straße. Unbeschwert war seine Kindheit im Nahetal gewesen.

Auf den letzten Metern durch die kleine Sackgasse brauchte er länger, als auf den eineinhalb Kilometer vom Bahnhof bis zu seinem Elternhaus. Die Nachbarn fragten vieles über Kambodscha. Hannes erzählte nichts über, hungernde Menschen, bitterste Armut, Angst vor Landminen und Machtlosigkeit bei Kindersterben. Der Nachbarsjunge bei der UN! Er hatte ja einen so tollen Job! Wenn sie wüssten,qas er alles schon erlebt hatte!

Seine Eltern freuten sich sehr, dass der Sohn nach zweieinhalb Jahren wieder zuhause war und spontan wurde der Grill vorbereitet.
Am Abend lag die Heimat in Form von Schwenkbraten auf dem Grill. Freunde von seinen Eltern kamen vorbei und waren stolz auf ihn. Hannes war es leid, dass die Nachbarn und Freunde der Eltern ein völlig falsches Bild von Kambodscha und seiner Arbeit hatten. Es war an der Zeit ihnen die Wahrheit zu sagen.
„Als ich mit Patricia vor drei Jahren Nachts nach Hause gekommen bin und wir euch von den ersten Vierteljahr aus Kambodscha berichteten, gab es zwischen Kambodscha und Vietnam noch kein Waffenstillstandsabkommen. Wir bauten im den vergangenen Jahren zwei Schulen auf und waren in Lebensgefahr. Auch hatte Bernhard euch vor Weihnachten 89 nicht die Wahrheit über Kambodscha gesagt. Wir, ich, wollen nicht, dass ihr euch Sorgen macht. Seit einem Jahr ist die United Nations Transitional Authority in Cambodia: kurz UNTAC – eine UN-Friedensmission mit ungefähr 21.000 Menschen aus 100 Länder in Kambodscha im Einsatz. Die Hauptaufgabe der UNTAC ist die Wiederherstellung einer zivilen und demokratischen Ordnung und die Vorbereitung für freie und demokratische Wahlen. Es geht langsam bergauf in dem Land. Kambodscha war seit Ende der 60er fast durchgehend ein Kriegsgebiet mit oft äußerst brutal geführten Auseinandersetzungen zwischen Thailand und Vietnam. Der Vietnamkrieg von den USA brachte in Kambodscha jahrelange innenpolitische Unruhen und einen gewaltsame Regierungswechsel mit sich. Wodurch ab 1975 die Roten Khmer an die Macht kam. Diese zerstörten einen Großteil der Infrastruktur, der öffentlichen Verwaltung und Bildungseinrichtungen. Innerhalb von drei Jahren, acht Monaten und 20 Tagen starben zwischen 1,7 und 2,5 Millionen Kambodschaner – rund ein viertel der damaligen Bevölkerung des Landes! Bis heute kann niemand eine genaue Zahl nennen, manche Menschenrechtsorganisationen schätzen die Zahl sogar auf drei Millionen ermordete Menschen. An 300 Orten – den sogenannten Killing Fields, wurden Menschen bestialisch gefoltert und umgebracht. Die Nazis waren mit ihrem Rassenwahn schon schrecklich genug. Die Rote Khmer setzte noch einen obendrauf – und dies am eigenen Volk! Die Auswirkungen von diesem Genozid spüren wir heute noch. Der Analphabetismus und die Armut ist in einer astronomischen Höhe. Menschen sterben an Hepatitis und Malaria. Durch Mangelernährung sehen wir viele Menschen mit geistiger Behinderung – besonders Kinder. Auch körperliche Behinderung – oder besser: Verstümmelungen durch Landminen oder durch die Folterungen der Roten Khmer sehen wir täglich.“
Hannes machte eine Pause und ließ seine Worte wirken.
„Mein Gott!“ Sagte Elfriede, eine Freundin seiner Eltern und hielt sich die Hand vor den Mund. Hannes nickte ihr zu.
„Ende 1979 marschierten vietnamesische Truppen in Kambodscha ein. Diese besiegten die Roten Khmer und übernahmen die Kontrolle über den Großteil des Landes. Die Zivilbevölkerung leidet seit nun 14 Jahren am meisten an Hunger und Krankheiten – natürlich auch an Bildung. Was Patricia und ich im Januar vor drei Jahren gesehen haben, war ein Alptraum! Ein Kollege aus dem Team hat es treffend als Zombie Land beschrieben. Wir standen mit einer handvoll Menschen vor der Ohnmacht dieser Welt. Wie können helfen? Wer kann helfen? Und die schlimmste Frage war: Wo fangen wir an zu helfen?“
Die Eltern, wie auch deren Freunde saßen geschockt und sprachlos am Tisch der Grillhütte.
„Vor drei Jahren hatte ich mit einem Major aus Svay Rieng eine geheime Abmachung getroffen.“
Seine Mutter riss die Augen auf.
„Nichts Schlimmes! Mama, ist alles gut! Ich brauchte Männer für unsere Arbeit und Vorhaben. Nur wo sollte ich diese Leute herbekommen? Die paar Zivilisten, die wir als Arbeiter hatten, waren viel zu wenig. Ich brauchte eine Armee um überhaupt irgendwo anzufangen. Ich bekam schließlich 50 Soldaten – immerhin besser als nichts. Der Major setzte mich zwei Monate später unter Druck und stellte mir Forderungen. Ich sagte ihm was ich davon hielt und wir paar Europäer keine Forderungen erfüllen werden. Wir sind zum Helfen und Aufbauen da. Meine Antwort passte dem Major nicht. Er hätte mich von seinem Rang und der innenpolitischen Lage aus Kambodscha ausweisen können. Auch da sagte ich ihm klar und deutlich meine Meinung.“
Seine Mutter stand kurz vor einem Kollaps. „Seit jenem Abend sind wir per du. Mama, ich sagte doch, es ist nichts schlimmes.“ „Du kannst doch mit einem Major nicht so umspringen!“ „Doch! Dies lernte ich von einem Arzt aus der Schweiz. Reto hat mir in Kampang Rou viel beigebracht und ich bin froh über diese Freundschaft. Da eben die innenpolitische Lage damals noch sehr instabil war – und heute auch noch ist, habe ich in dem Major einen Verbündeten gefunden. Dies ist aber alles geheim. Ein Offizier aus der Kasernen war und ist der Mittelsmann. Ja, ihr Leute, Politik ist nicht einfach. In der Provinz Svay Rieng ist ein Herr Phirun Suoth der Gouverneur. Er ist ein Wurm der kein Rückgrat hat und auch sehr korrupt ist. Zweimal hatte ich eine nicht gerade konstruktive Unterhaltung mit ihm, beim zweiten Mal hatte ich gewonnen. Von dieser Unterhaltung hatte ich dem Major erzählt. Ab da an wusste ich wer im Hintergrund die Fäden in der Provinz Svay Rieng zog und zieht. Ganz nebenbei macht der kleine Hannes aus der Nachbarschaft noch Politik.“
Sein Vater war wie vor den Kopf geschlagen „Ich dachte du fährt Bagger und betreust ein Wasserbauprojekt.“ „Mache ich auch. Bagger fahre ich kaum noch – zum Glück! Mein Alptraum war und ist, dass ich ein Massengrab von der Roten Khmer ausbuddele – oder auf den Felder über Minen fahre. Diese Angst habe ich heute noch, wenn meine Mitarbeiter am graben für die Wasserleitungen oder Fundamente für die Pumpenhäuser am machen sind. Ich betreue und leite nun noch andere Projekte von unsere Firma und der UN in Kambodscha. Humanitäre Hilfe ist nicht einfach mal einen Brunnen bohren oder Dutzende Säcke mit Reis verteilen. Humanitäre Hilfe ist auch Politik, Macht und Gier. Macht hatte der Major, Gier der Gouverneur. Also blieb für mich nur das Militär – wenn es auch verdammt gefährlich war. Es hätte dem Major sein Leben kosten können – meines übrigens auch!“
Wieder war großes Entsetzen am Tisch und niemand konnte in dem Moment etwas sagen.
„Ab Juni 1990 baute ich mit meinen Teams endlich vernünftige Schulen auf. Das Geld dafür kam vom Außen- und Bildungsministerium aus Frankreich – viel Geld! UNICEF war zu langsam, obwohl mir die Leiterin von UNICEF in Kambodscha vieles versprochen hatte. Auch da musste ich mal etwas lauter meine Meinung äußern.“
Kopfschütteln von den Eltern und den vier Freunde am Tisch.
„Mein Schimpfen und klare Haltung hatte mir im Mai 1990 einen Arbeitsvertrag von UNICEF eingebracht – den ich nicht unterschrieben habe! Ich schickte den Arbeitsvertrag am gleichen Tag nach Reims zu ODHI. Der Gebietsleiter für Südostasien hat den Vertrag zu meinen Gunsten überarbeitet. Schweren Herzens stimmte die Leistung von UNICEF in Kambodscha dem neuen Arbeitsvertrag zu.
Als im Sommer 92 endlich die United Nations Transitional Authority in Cambodia kam, bekam ich endlich Geld für noch mehr Schulen zu bauen. So haben wir in doch recht kurzer Zeit die Infrastruktur in den Provinzen Svay Rieng, Prey Veng und Oddar Meanchey für viele Menschen verbessert. Trotzdem ist es zu wenig. Seit drei Jahren bin ich am denken, wie wir es schaffen können, für die Menschen nachhaltig Lebensmittel und eine Existenz zu sichern. Nun habt ihr mal eine Vorstellung wie humanitäre Hilfe aussieht. Es ist eine schwere Arbeit für eben mal tausende Menschen zu denken und immer wieder kommen die Probleme für Geldgeber zu finden und diese auch zu überzeugen.“

Meeting in der Pfalz
1. Juni

Am Dienstag nach Pfingsten fuhr Hannes mit dem ersten Zug vom Naheland in die Pfalz zu Ludgar, um mit ihm über die nächsten Lieferungen der Wasserpumpen zu reden. Beide kannten sich nun schon seit drei Jahre und Hannes mochte die pfälzische Gelassenheit von Ludgar.
Im Büro von Ludgar waren noch zwei weitere Ingenieure und wollten von Hannes wissen, wie die beiden hochmodernen Hochleistungspumpen mit den speziellen Getrieben für seine beiden Wasserräder funktionierten. Beim erzählen sah Hannes den Stolz in den Augen von Ludgar.
„Ich kann ohne Übertreibung sagen, Ludgar hat zwei Pumpen gebaut, die zuverlässig arbeiten und selbst ohne Getriebe äußerst respektable Leistungen bringen. Ich konnte damals die Antriebskraft von dem einen Wasserrad nur schätzen und trotzdem baute Ludgar mir diese Pumpe.“ „Ich muss auch sagen, es war viel Glück und Erfahrung dabei.“
Hannes nickte Ludgar zu „Sei nicht so bescheiden. Durch deine Erfahrung haben sechs Dörfer schneller Wasser, als wir die Hauptleitung legen können. Ludgar, sehr vieles hat sich durch deine Pumpen für diese Menschen verbessert!“

Beim Mittagessen in der Firmenkantine erzählte Hannes in einer kleinen Runde von Ingenieure und Mitarbeiter von den vielen Projekten in und um Kampang Rou und wie er immer noch nach einer Lösung für die Lebensmittelknappheit in der Provinz Svay Rieng suche.

Ludgar fuhr Hannes nach Mannheim zum Hauptbahnhof. Hannes wollte dies nicht, aber Ludgar ließ keine Widerrede zu. Die halbstündige Fahrt mit privaten Gesprächen war für beide sehr angenehm. „Wann fliegst du nach Kambodscha zurück?“ „Ich denke am Wochenende. Wir haben alles soweit besprochen. Morgen fahre ich mit Bernhard nach Reims in die Firma und dann eventuell am Freitag oder Samstag von Frankfurt nach Bangkok.“

Einsam und verloren in Erinnerungen

Von Mannheim aus fuhr Hannes mit dem Zug nach Metz. Auf der knapp zweieinhalbstündige Fahrt konnte er über viele nachdenken und sah durch das Fenster seine Heimat an ihm vorbeiziehen. War Deutschland noch seine Heimat? Bleibt ein Geburtsland immer die Heimat? Nescha hatte ihm eine schwierige Frage gestellt, welche er nicht so leicht beantworten konnte. Er würde seine kluge Freundin nach einer Antwort fragen.
Franziska holte Hannes in Metz am Bahnhof ab und war sehr froh den Schwiegersohn in spe umarmen zu können.

Nach einem langen Abend mit Gesprächen und Wein, war Hannes froh im Bett von Patricia zu liegen. Mit Erinnerungen an viele schönen Momente in diesem halbrunden Bett, fühle er sich in diesem Moment sehr einsam. Er schaute auf das Display am Radiowecker und sah dort 0:23 Uhr stehen. In Kambodscha war es jetzt 5:23 Uhr. Hannes griff nach seinem Mobiltelefon und wollte mit Patricia reden. Die Vernunft sagte ihm, dass es noch zu früh sei und er Patricia nicht unnötig wecken wollte. So schlief er mit Cleo an seiner linken Seite ein.

Es war noch vor 6 Uhr als Cleo ihn mit seinen riesigen Labrador Pfoten unsanft weckte.
„Cleo, du nervst. Kannst du nicht alleine in den Garten gehen?“
Cleo stellte sich mit seinen Vorderpfoten auf seine Brust und Hannes dachte ihm wird der Brustkorb eingedrückt.
„Meine Güte! Geh runter von mir! Ich möchte gerne auch mal etwas länger schlafen. Mach du doch mal meinen Job. Da ist nix mit pennen im Garten.“
Hannes wuschelte den großen Kopf von Cleo und ging mit ihm spazieren.

Sieben Menschen bewegen mehr als eine Armee

Nach dem Frühstück mit Bernhard, Franziska, Maurice und Annabell, war es an der Zeit nach Reims in die Firma zu fahren. Es musste über einige Projekte gesprochen werden. Mittlerweile gab es drei weitere Wasserbauprojekte und auch drei Bauabschnitte für Stromtrassen. Stephane wollte unbedingt diese Projekte der Stromversorgung haben und hatte sich auch mächtig ins Zeug gelegt um Mitarbeiter und Baumaschinen zu bekommen. So waren seit Herbst 1992 drei neue Mitarbeiter für die Stromtrassen bei ODHI angestellt. Der Däne Morten Bjarnesen, Matteo Vermeulen aus Belgien und der Franzose Piere Gauthier. Zwei Wasserbauprojekte kamen in gleichem Jahr noch hinzu. Das größte Projekt war 350 Kilometer lang und führte von Phnom Penh über Udong, Kompong Chhnang an Battambang vorbei bis nach Poipet an die Grenze zu Thailand. Gust und Arjen Wouters hatte die Bauleitung für dieses Projekt. Arjen kam wie Gust aus Belgien, auch sie kamen im Herbst 92 ins Team, genau so wie die beiden niederländische Brüder Fiete und Rouven Verhoeven. Beide sind erfahrene Hochbauingenieure. Fiete war die Verstärkung im Hauptbüro und Rouven war Teamleiter von zwei Bauabschnitten.
Das dritte Wasserbauprojekt war mit seinen 100 Kilometer Hauptwasserleitung wesentlich keiner und führte von Samraong nach Siem Reap. Die Bauleitung hatte Hannes und die Teamleiter waren Nolan, Cees, Martin Bödner aus Deutschland und Thore Lindqvist aus Schweden. Ferdinand, Luan und Rasmus Nyström, auch ein Schwede, waren für den Hochbau zuständig. Bödner, Lindqvist und Nyström kamen über die UNTAC im Dezember 92 zu ODHI.

Das Hauptbüro von ODHI Kambodscha blieb weiterhin in Kâmpóng Trâbêk. Aus einem kleinen Team von Bernhard, Eliane, Roman und ein paar Kambodschaner wuchs die Bürobelegschaft auf zwei Dutzend neue Mitarbeiter an. Auch wuchs der Maschinenpark auf 34 Caterpillar Bagger, 12 Caterpillar Radlader, 12 Mehrzweckbagger und acht Planierraupen.
Acht Poclain 90 CK Kranbagger, zehn Scania 113 Dreiachs- Kipper und vier Scania 143 Sattelzüge mit Tieflader gehörten ebenfalls zu dem Maschinenpark von ODHI.
Mit den eigenen Lkw konnte wesentlich mehr Material transportiert werden und die Transporte der schweren Bagger war durch die vier Tieflader erheblich schneller und auch endlich planbar.
Die Mitarbeiterzahl von Organisation de développement et de secours pour l’humanité et les infrastructures wuchs in Kambodscha mit oder durch UNTAC auf 50 Europäer und fast 600 kambodschanische Mitarbeiter an.

Der erste Bauabschnitt von dem damaligen Projekt war fertig. Arthur und Asger hatten mit ihren zwei Abschnitte noch bis Anfang 95 ihre Arbeit. Niemand traute Hannes im Frühjahr 1990 diese Zeitvorgabe zu. Asger blieb in der Provinz Svay Rieng und hatte dort zwei neue Teamleiter dabei. Da Hannes dieses Projekt seit drei Jahren leitete, war er auch öfter in Svay Rieng bei Asger.

Da Patricia und Hannes ihr Haus in Nakhon Ratschasima hatten, wollte Hannes das dritte Wasserbauprojekt im Nordosten leiten. So war gegeben, dass sie am Wochenende die 200 Kilometer nach Hause fahren konnten.
Patricia leitete seit diesem Jahr eine Schule in Chong Kal – noch in einem Zelt, aber Dhani war schon am Bau einer Schule beschäftigt.

Das Team von Patricia wuchs in Kampang Rou auf drei weitere Lehrer an. Levi und Patricia arbeiteten zeitweise schon für das Bildungsministerium und würde im nächsten Jahr zur Hälfte für das Ministerium in Phnom Penh und UNICEF arbeiten.
Mit den Erfahrungen von Kampang Rou und Khsaetr, wurden nach gleichem Schema neue Schulen in anderen Provinzen aufgebaut. Das ursprüngliche Lehrerteam von Patricia war maßgeblich an einer komplett neuen Schulreform in Kambodscha beteiligt. Mit diesen fünf Menschen, war ein Grundstock geschaffen worden, welcher für die Nachfolgenden Lehrer nur von Vorteil waren.
Da Hannes, Patricia und Levi quasi die Basis an der Front waren, hatten sie gute Argumente in der Hand, wodurch auch UNICEF profitierte. Die Schulgebäude konnte durch die Gleichheit von Dhani´s Bauweise korrekt geplant und finanziert werden. Hattie erwies sich als starke und treibende Kraft im Team, wodurch seit Anfang des Jahres noch fünf europäische Lehrer hinzu kamen. So konnten in den Provinzen Svay Rieng, Prey Veng und Oddar Meanchey wenigstens noch ein paar Schulen aufgebaut werden. Diesen Provinzen standen Gouverneure vor, die im denken und handeln gleich waren wie Major Bourey Duong, über ihn kamen auch die Kontakte. Der Gouverneur von Oddar Meanchey war Rangsey Choem, ein weltoffener, kluger und sehr sympathischer Mann. Sakngea Khin, der Gouverneur in der Provinz Prey Veng, kannte Hannes schon seit 1992. Auch er zählte zu den Menschen, denen Hannes und Bourey vertrauten.

Hannes als School Project Manager und Hattie als Managerin of Education and Health bei UNICEF, Patricia und Levi im kambodschanischen Bildungsministerium, Rangsey und Sakngea als gewählte Gouverneure und Bourey im Hintergrund der Politik, war eine bauliche, politische und schulische Basis aufgebaut von dem Kambodscha profitierte. Sieben Leute bewegten mehr als 21.000 Mitarbeiter bei UNTAC.

Bei ODHI in Reims

Am frühen Mittwochnachmittag waren Bernhard und Hannes in Reims eingetroffen. Stephane war froh, Hannes wieder zu sehen. Das letzte Mal war Stephane im Oktober und Dezember 92 mit den neuen Mitarbeiter in Kambodscha gewesen.
Nachdem im Büro alles relevante zügig besprochen wurde, schob Stephane ein Schreiben über den Tisch zu Hannes.
„Ministère de l’Affaires étrangères. Was soll dies nun?“ Fragte Hannes und legte den Kopf zur Seite.
„Du, ich, wir, sollen in die Quai d’Orsay kommen. Monsieur Alain Juppé möchte dich sehen.“ „Schick ihm ein Foto.“ Stephane sah Hannes in die Augen „Hannes! Das Außenministerium gab dir viel Geld für deine Schulen, dann solltest du dich auch dort blicken lassen.“ „Eben war es noch Wir – nun ich. Du weißt, dass ich diese Publicity nicht mag. Du warst es, der die Gelder besorgt hatte. Ich habe nur gebaut. Fahr du nach Paris und genieße die Canapés und den Champagner. Lass mich aus dem Spiel.“ „Bernhard, sag du auch etwas.“ „Ah, wenn der Feigling-Chef nicht mehr weiter weiß, holt er sich Unterstützung. Willst du auch noch Jean um Unterstützung bitten? Komm, ist gut. Bevor du noch auf die Knie gehst, fahre ich mit euch nach Paris. Wann ist dieses Treffen?“
Ein breites grinsen war im Gesicht von Stephane zu sehen „Am 9. Juni ist das erste Treffen im Außenministerium, zwei Tage später im Élysée-Palast.“ „Élysée-Palast? Stephane, auch wenn ich kein Franzose bin, ist mir die Adresse vom Außenministerium und jene vom Regierungssitz bekannt. Darf ich fragen, seit wann du diesen Termin weißt?“ „Seit dem 24. Mai.“ „Aha! Und das sagst du mir erst heute?“ „Ja, hätte ich es dir früher gesagt, wärst du nicht nach Reims gekommen. Richtig?“ „Oui! Du kennst mich schon recht gut. Brauch ich für deinen Élysée-Palast noch eine besondere Garderobe?“
Stephane sah zu Bernhard und verzog das Gesicht „Nina geht mit dir einen Smoking kaufen.“
Hannes riss die Augen auf „Ist jetzt nicht dein ernst?!“

Nina, die Personalchefin von ODHI, fuhr mit ihrem Wagen in die 16 Rue Cadran St Pierre in Reims zu einem Herrenausstatter.
Die Tür von dem Geschäft war noch nicht richtig geschlossen, da kamen auch schon zwei Verkäufer auf sie beide zu gestürmt. Sie wurden offensichtlich erwartet und in einem eifer aus Überschwänglichkeit wurden beide begrüßt wie ein Königspaar. „Gott, was hab ich nur verbrochen! Dieser Feigling-Chef“ sagte Hannes und sah zu Nina, sie zog die Schultern hoch. „Nina, für die Preise was eine Jacke kostet, bekomme ich einen Kleinwagen!“ „Smoking. Hannes, Smoking. Keine Jacke.“ „Bitte sag du mir endlich die Wahrheit, was mich in zwei Wochen in Paris erwartet.“ „Ihr bekommt den Ordre national du Mérite verliehen.“ „DEN WAS…?!“ „Den Nationalen Verdienstorden von Frankreich.“
Hannes hatte das Gefühl als ob ihm jemand den Boden unter den Füßen weggezogen hatte.
„Excusez moi s’il vous plait, würden die Herren uns bitte für einen Augenblick entschuldigen.“
Hannes mochte es gar nicht, wenn diese zwei Pinguine ihn befummelten. Er ging mit Nina in Richtung der Schaufenster um eine größere Distanz zu den beiden Verkäufer zu bekommen.
„Nina, was soll das? Zum einen hat Patricia bei weitem mehr getan als ich. Sie ist es, die den Kinder lesen und schreiben lernt. Sie ist die Hauptfigur in diesem Spiel! Ich habe nur Gebäude gebaut und am wenigsten damit zu tun – bitte akzeptiert dies! Es ist falsch mir eine Auszeichnung zu geben und ihr nicht.“ „Ich sagte ihr! Ihr bekommt den französischen Verdienstorden verliehen!“ „Patricia ist in Kambodscha!“ „Nein. Sie sitzt jetzt im Flugzeug und ist auf dem Weg nach Paris.“ „Nina…! Ich kann dies alle nicht glauben! Wusste sie etwas von dieser Verleihung?“ „Nein. Stephane hat dir die Wahrheit gesagt. Das Schreiben vom Außenministerium kam tatsächlich erst am 24. Mai, da warst du aber schon in Deutschland. Hannes, bitte. Es ist die Wahrheit! Du und Patricia bekommt für eure Arbeit eine Auszeichnung, für die andere auf die Knie fallen und ich führe hier mit dir eine Diskussion darüber. Mag sein, dass Stephane ein Feigling-Chef ist –  aber er beschützt dich, er achtet auf dich und bringt dich voran! Er kann es nur nicht so ausdrücken. Wir alle sind unglaublich stolz auf euch und wir als Organisation werden auch Ausgezeichnet! Du steht bei uns auf der Gehaltsliste, Patricia nicht. Trotzdem hat Stephane es ermöglicht, dass Patricia auch diese Auszeichnung bekommt. Dir ist immer noch nicht bewusst, wie Jean und Stephane hinter dir und Patricia stehen!“ „Nina, dies ist alles eine Nummer zu groß für mich! Ich muss zusehen, dass ich nach Paris komme und Patricia morgen abhole.“ „Ist alles gut! Hannes, ich habe mich um alles gekümmert. Du fährst mit dem TGV heute Abend noch nach Paris. Ihr habt ein Zimmer im Hôtel Eiffel Trocadéro. Patricia wird morgen von einem Fahrer am Charles de Gaulle abgeholt. Jetzt komm endlich, dass die Schneider dir deinen Anzug Maß nehmen können! In drei Stunden fährt der TGV.“

Die Lügen für einen Wahn

Ich war bereits mehrmals in und um Danzig in Urlaub. Vorweg, Danzig ist eine wunderschöne Stadt.
Ich war so gut wie in allen Museen in Danzig, Gdynia, Malbork, die Halbinsel Hel und natürlich auf der Westerplatte – wo am 1.September 1939 der Krieg begann.
Durch eine gezielte falsche Propaganda wurde dem Deutschen Volk verkündet: ‚Seit 5.45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen.“

Am 1. September 1939 um 4.45 Uhr eröffnete die „Schleswig-Holstein“ das Feuer auf polnische Befestigungen auf der Westerplatte vor Danzig. 

Heute wissen wir aus der Geschichte, dass Polen an jenem Tag und Uhrzeit NIEMALS geschossen hat.
Mit einer Lüge wurde Deutschland und Europa in wenigen Jahren in Schutt und Asche gelegt.
Mit Lügen verbreiten rechtspopulistische Parteien Angst und Stimmung in der Bevölkerung. Was früher nur Wurfblätter und Radio war, ist heute das Internet.
Tausendfach werden in den Sozialen Netzwerken Lügen, Angst, Hass und Hetzte geteilt. Die Propaganda läuft – und all zu viele begreifen es nicht. Hunderttausende User schreien und schreiben ihren Hass und Unmut gegen die „Lügenpresse“. Sie sind es aber selbst, die tausendfache Lügen verbreiten.

Fotos: Alle Fotos sind privat aus verschiedenen Sonderausstellungen aus Danzig und Gdynia, oder von der Westerplatte.

Die AfD macht immer Stimmung gegen Randgruppen

Viele Bürger in diesem Land sind mit der aktuellen Regierung nicht zufrieden und gar empört.
Ich kann dies alles auch verstehen und nachempfinden.
Eine Partei, die sich als Alternative für Deutschland brüstet, ist alles andere als alternativ.
Wer trotzdem meint sich benachteiligt zu fühlen und Parolen glaubt, wie zum Beispiel: „Die bekommen…“, sollte sich mal die Mühe machen und das Parteiprogramm jener „Alternative“ durchlesen.
Niemand kann heute sagen: „Ich habe es nicht gewusst.“
Dank Internet ist dies sogar vom Sofa aus möglich.

Da fehlen einem die Worte

Der Deutschen Bundestag wird bei einem regulärem Verlauf der Wahlperiode voraussichtlich im Herbst 2025 gewählt. Also noch eineinhalb Jahre – voraussichtlich.

Solche „Meinung“ kann man öffentlich an den Straßen lesen.

Die AfD macht immer Stimmung gegen Randgruppen und hat in den vergangenen Jahren nichts – aber auch gar nichts an konstruktiver Politik gezeigt. Es wird nur blockiert. Kann man sogar im Internet bei der oft zitierten Lügenpresse nachlesen.

Ich hätte da doch mal eine Frage. Was ist die Lügenpresse überhaupt? Mir fällt da nur eine Boulevardzeitung mit vier Buchstaben ein. Jenes Fachblatt für Hass, Hetzte und Übertreibung soll plötzlich der Maßstab der Presse sein? Sorry, ich wickel dort noch nicht einmal einen Fisch ein.

Mit Angst macht man Stimmung

Mit Angst macht man Stimmung in der Bevölkerung. Dies kann man jeden Morgen in schwarzen Großbuchstaben für ein paar Cent auf jenem Fachblatt sehen.
Die AfD schlägt in die gleiche Kerben. Nur bezahlen wir diese „Abgeordneten“ jeden Monat für ihren Hass, Hetzte und Lügen.

Wer sich mal die Geschichte anschaut, wird parallelen zu der dunkelsten Epoche in Europa sehen. Der Flächenbrand an Rechtspopulismus greift in Europa immer weiter um sich.
Wollen wir ins Jahr 1938 wieder zurück?

Es ist immer leicht, Migranten und Randgruppen für alles verantwortlich zu machen. Das die Politik und der Kapitalismus durch irrsinnige Subventionen Länder in Afrika oder Asien an die Wand drückt, sehen viele Mitbürger nicht. Länder und Menschen werden ausgebeutet und zerstört. Wenn dann jene Menschen bei uns vor der Tür stehen, ziehen wir die Grenzen und bauen höhere Zäune. Wir wollen deren Bodenschätze und liefern im Gegenzug unseren Müll oder nicht gebrauchte Lebensmittel(teile) die selbst McDonalds oder andere Fastfood Ketten nicht möchte.
Wir zerstören die Landwirtschaft in Westafrika und sorgen für noch mehr Armut in jenen Ländern, weil man diesen Menschen die Existenz zerstört.

Es werden Kriege geführt, die außer Leid, Tod und Vertreibung nichts bringen. Die Rüstungsindustrie freut sich und so werden immer weiter Waffen exportiert und Flüchtlinge importiert.

Gehen wir mal ins Jahr 2015 zurück, als viele Flüchtlinge aus Afghanistan und Syrien sich auf den Weg nach Europa machten.
Am Anfang war es Flüchtlingsstrom, dann eine Welle, dann eine Flut und am Ende sogar eine Invasion.
Die Konjugation ist der Schlüssel für diese Angst der Bevölkerung.
Es gab und gibt immer eine Steigerung, um noch mehr Angst zu schüren.

Fazit:
Aus Angst wird Wut. Aus Wut wird Hass. Der Hass ist die Lunte am Pulverfass.

Naike Juchem, 4. Februar 2024

Als Häftling geboren

Am 18. September 2015 sprach Ingelore Rohde in der Gedenkstätte Hinzert über ihr Schicksal. Ingelore ist das Kind aus einer Verbindung eines deutschen Mädchens mit einem polinischen Zwangsarbeiter und wurde im KZ Ravensbrück geboren.

Auszüge aus der Rede von Ingelore Rohde

,,Der 57. Jahrestag der Befreiung im Jahr 2002 stand unter dem Thema Kinder im KZ Ravensbrück‘. Dort habe ich mich erstmals öffentlich getraut, zusammen im Kreis mit anderen, Kindern über mein Schicksal zu sprechen. Immer hatte ich große Scheu davor, im Mittelpunkt zu stehen. Bis dahin hatte meine, Überlebensstrategie unbewußt darin bestanden, klein und fast unsichtbar zu sein, nur nicht aufzufallen. Jetzt waren viele Augen auf mich gerichtet und das Sprechen ist mir sehr schwer gefallen, aber ich habe es geschafft. Das war sicher auch ein wichtiger Schritt für mich hinsichtlich der Aufarbeitung meiner Vergangenheit. Ich bin im April 1944 im Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück geboren. Meine Mutter wurde am 1. 12. 1943 – im 5. Monat mit mir schwanger – nach Ravensbrück deportiert. Sie war zu dem Zeitpunkt 19 Jahre alt. Ich bin also sowohl Tochter eines Häftlings, als auch selber Häftling gewesen. Ich bin quasi als Ravensbrück-Häftling zur Welt gekommen. Ende April 1945 mußte meine Mutter mit mir, dem einjährigen Kind und tausenden anderen Frauen auf den sogenannten ,Todesmarsch‘. In Malchow/Mecklenburg wurden wir am 2. Mai 1945 von den Russen befreit. Bevor ich meine eigene Lebensgeschichte weiter erzähle, möchte ich Ihnen noch ein paar Informationen über Ravensbrück geben, die Vielleicht nicht allen hier Anwesenden bekannt sind. Die heutige Mahn-und Gedenkstätte liegt ca. 90 km nördlich von Berlin, in unmittelbarer Nähe des kleinen Städtchens Fürstenberg am Schwedt-See. Das Lager ist 1938/39 von männlichen Häftlingen des KZ Sachsenhausen Errichtet worden. Insgesamt waren bis zur Befreiung des Lagers Ende April 1945 ca. 130 000 Frauen, sowie fast 900 Kinder dort inhaftiert. Bei der Aufnahme bekamen sie außer gestreifter Häftlingskleidung einen sogenannten, Winkel‘. Das war ein Stoffdreieck, dessen Farbe erkennen ließ, welcher Gruppe von Häftlingen sie zugeordnet wurden. Die politischen Häftlinge bekamen einen ,roten‘ Winkel, die Kriminellen einen, grünen‘, die sogenannten Asozialen einen ,schwarzen‘ und die Bibelforscherinnen mussten einen violetten Winkel an ihrem linken Ärmel tragen. Die Jüdinnen erhielten den jeweiligen Winkel und darüber noch einen zweiten gelben, so dass die Form eines Davidsterns entstand. Außer dem Winkel bekamen sie noch eine Häftlingsnummer, mit der sie sich fortan zu melden hatten. Ihre bürgerlichen Namen existierten nur noch auf den Registrierkarten. Als Haftgrund für meine Mutter steht auf der Zugangsliste, Verkehr mit Polen‘. Allen Frauen, die sich mit sogenannten „Fremdvölkischen‘ eingelassen hatten, wurden bei der Aufnahme ins Lager, als besondere Demütigung, die Köpfe kahl geschoren. Meine Mutter bekam den roten – den politischen Winkel und die Häftlingsnummer 25 214. Von den, echten‘ politischen Häftlingen, die aktiv gegen das Naziregime gekämpft und Widerstand geleistet hatten, wurden diese Frauen etwas abfällig, Bettpolitische‘ genannt.“

Weiter sprach Ingelore ,,Es ist bekannt, dass rund 900 Kinder von 1939 bis 1945 im Lager zur Welt gekommen sind, aber nur rd. 2-3% überlebten. Insbesondere waren es solche, die in den letzten Wochen des Bestehens des Lagers zur Welt kamen und das Glück hatten, bald befreit zu werden. Ich bin eines der wenigen Kinder, das wie durch ein Wunder 1 Jahr in Ravensbrück überlebt hat. Die meisten Kinder hatten einfach keine Überlebenschancen. Viele wurden unmittelbar nach der Geburt von Aufseherinnen getötet, sie wurden ertränkt, sie verhungerten, weil die Mütter sie nicht versorgen konnten oder sie erfroren… Ich kann nur ahnen, wieviel Kraft es kostete, ein Kind, noch dazu einen Säugling, unter diesen erbärmlichen Umständen am Leben zu erhalten. Aber ich denke, ohne diese Solidarität in den jeweiligen Blocks hätte kein Kind überleben können. Einmal nahm mich eine Ravensbrückerin tröstend in den Arm und sagte zu mir: „Hier in Ravensbrück hast du viele Mütter gehabt. Deine junge Mutter allein hätte dich ohne Solidarität und Kameradschaft der anderen nicht am Leben erhalten können. Du bist bestimmt von Arm zu Arm gegeben worden und alle wollten dich beschützen. Ein Gedanke, der immer wieder ein warmes und dankbares Gefühl in mir auslöst, allen unbekannten Frauen gegenüber, die mein Überleben mit ermöglicht haben. Umgekehrt waren Kinder für die Frauen aber auch der Inbegriff von Hoffnung, sie weckten Mitleid und Erinnerungen an die eigene Familie und ließen zumindest zeitweise die eigene Hoffnungslosigkeit vergessen.“

Fotos: privat

Der Wahn im Nationalsozialismus

Stolpersteine Über 50.000 sind es mittlerweile – und es kommen immer wieder neue hinzu.

Der zweite Weltkrieg und somit der Wahn des faschistischen und nationalistischen Deutschland sind nun 79 Jahre her. Die Erinnerungen an den Rassen- und Größenwahn mit einer völkischen Einheit hatte Deutschland und Europa in ein Chaos gestützt.

Autorin: Naike Juchem

Viele Zeitzeugen gibt es immer noch und sie alle warnen vor einem erneuten aufblühen von nationalistischen, rechtspopulistischen und rechtsextreme Gedanken und gar Parteien.
Wir erleben seit Jahren einen Anstieg von rechtspobulistischen Parteien in ganz Europa und auch in Deutschland. Die Wahlergebnisse der AfD in Deutschland sind erschreckend und offensichtlich ist vielen derer Wähler ihr Gedankengut und öffentliches Parteiprogramm nicht bekannt.

Wehret den Anfängen, denn es darf niemals wieder zu einer der dunkelsten Epochen auf dem europäischen Kontinent kommen.

Lesung im Schloss Birkenfeld anlässlich des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus

Ich war heute, am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, auf einer Lesung bei der es um den polnischen Zwangsarbeiter Mieczyslaw Tatarek und der Hunsrücker Bauerntochter Frieda ging.
Im Anschluss der Lesung hatte ich eine Unterhaltung mit Gisela Henopp, geb. Gregorius, Tochter von Frieda Gregorius.

Die Geschichte von Frieda Gregorius und Mieczyslaw Tatarek ist genau so erschütternd, wie die Geschichte und Leben von Gisela Henopp, geb. Gregorius.
Ich schreibe diese Lesung nur in Auszügen, denn alles zu schreiben, wären es dutzende Seiten, und zum anderen möchte ich einen kleinen Einblick in die Persversität eines kranken Weltbild von dem Nazi-Deutschland geben.

Gisela Henopp, geb. Gregorius bei der Lesung über ihre Geschichte im Schloss Birkenfeld

Am 24. Oktober 1942, einen Tag vor der Geburt von Gisela Gregorius, spricht der deutsche Literaturnobelpreisträger Thomas Mann in einer seiner von der BBC nach Deutschland gesendeten 55 Radioansprachen zu seinen Landsleuten:
,,Deutsche Hörer, die Entdeckung Europas durch die Nazis ist nicht nur eine mißgeschaffene, sondern vor allem eine recht verspätete Entdeckung. Diese mörderischen Provinzler fangen an von Europa zu salbadern, in dem Augenblick, wo diese Idee selbst schon einen deutlich provinziellen Geruch anzunehmen begonnen hat. Ich glaube, der, den der Jugendführer Schirach ‚den kranken alten Mann im Weißen Hause‘ nennt, Roosevelt, weiß besser als er in Zeit und Welt Bescheid, wenn er sagt: ‚Der alte Ausdruck westliche Zivilisation paßt nicht mehr. Die Weltereignisse und die gemeinsamen Notwendigkeiten der Menschheit sind im Begriff, die Kulturen Asiens, Europas und der beiden Amerika zu vereinigen, und, zum ersten Mal, eine Welt-Zivilisation zu formen.“

Am Sonntag, dem 25. Oktober 1942, meldet das Oberkommando der
Wehrmacht: ,,Im Kampf um Stalingrad wurden in hartnäckigen Einzelkämpfen bis auf eine Halle alle restlichen Fabrikanlagen des Werkes ,,Roter Oktober“, ausgebaute Stellungen und Häuserblocks sowie der nördliche Vorort Spartakowka bis auf einzelne Häuser genommen.
Das am Vortag gewonnene Stadt- und Werksgelände ist von den Resten des Feindes gesäubert. Entlastungsangriffe brachen zusammen. Die schweren Luftangriffe auf die feindlichen Stützpunkte in Stalingrad und die sowjetischen Nachschubverbindungen ostwärts der Wolga gingen mit unverminderter Kraft weiter.
In Ägypten trat der Feind in breiter Front nach heftiger Artillerievorbereitung mit starken Infanterie-und Panzerverbänden unter Einsatz zahlreicher Luftstreitkräfte zu dem erwarteten Großangriff an. Zur Zeit sind erbitterte Kämpfe im Gange. Der Feind verlor bisher 20 Flugzeuge und zahlreiche Panzer.
Wie durch Sondermeldung bekanntgegeben, wurden von deutschen Unterseebooten, obwohl auch weiterhin schwere Herbststürme die Operationen beeinträchtigten, in harten Kämpfen aus stark gesicherten Geleitzügen und in zäher Einzeljagd im Nordatlantik, im Eismeer, vor der kanadischen Küste, bei Trinidad, vor der Kongo-Mündung und vor Kapstadt 16 Schiffe mit 104 000 Bruttoregistertonnen sowie ein Zerstörer versenkt.“

Das BDM-Mädchen Erika schreibt ihrem Onkel nach Rußland: ,,Habt ihr das Russenpack bald alle vernichtet?“

An diesem Sonntag schreibt der 20jährige Wolfgang Borchert, nach Untersuchungshaft wegen vermuteter Selbstverstümmelung wieder beim
Heer, an seine Eltern in Hamburg: ,,Saalfeld, den 25. Oktober 42
Ihr beiden Guten!
Heute ist hier ein wunderbarer Sonntag, die Stimmung des herrlichen Wetters hat mir auch etwas abgegeben und ich kann ganz unbeschwert atmen.
Ich werde mich nun nicht mehr von den Übergängen beirren lassen. Das äußere Leben hat für mich seinen Schrecken verloren und wird mich nicht mehr treffen – innerliche Prüfungen aber werden immer nur eine Bereicherung für die Seele sein. Was ist denn groß angesichtes der Sterne, daß es uns aus der Bahn werfen könnte! ..Und wenn die Sterne ihre Bahn verlassen, wer sagt uns denn, daß es nicht geschieht, um sich in eine noch größere Ordnung zu fügen!“

Wenig später wird der junge Dichter Borchert nach einer Goebbels-Parodie – ,,Lügen haben kurze Beine“ – von einem Stubenkameraden denunziert, erlebt dann in Rußland die Schrecken des Krieges und schreibt kurz nach Kriegsende die berühmte Kurzgeschichte ,,An diesem Dienstag“.
,,Die Woche hat einen Dienstag. Das Jahr ein halbes Hundert. Der Krieg hat viele Dienstage.“

An diesem Dienstag übten sie in der Schule die großen Buchstaben. Die Lehrerin hatte eine Brille mit dicken Gläsern. Die hatten keinen Rand. Sie waren so dick, daß die Augen ganz leise aussahen.
Zweiundvierzig Mädchen saßen vor der schwarzen Tafel und schrieben mit großen Buchstaben:
‚Der alte Fritz hatte einen Trinkbecher aus Blech‘.
‚Die dicke Berta schoß bis Paris.‘
‚Im Krieg sind alle Väter Soldat.‘

Ulla kam mit der Zungenspitze bis an die Nase. Da stieß die Lehrerin sie
an. „Du hast Krieg mit ch geschrieben, Ulla. Krieg wird mit g geschrieben. G wie Grube. Wie oft habe ich das schon gesagt?“ Die Lehrerin nahm ein Buch und machte einen Haken hinter Ullas Namen. „Zu morgen schreibst du den Satz zehnmal ab, schön sauber, verstehst du?“ „Ja“, sagte Ulla, und dachte: Die mit ihrer Brille.

An diesem Dienstag saß Ulla abends und malte in ihr Schreibheft mit großen Buchstaben:
Im Krieg sind alle Väter Soldat.‘
Im Krieg sind alle Väter Soldat.‘
Zehnmal schrieb sie das. Mit großen Buchstaben. Und Krieg mit G. Wie Grube.

In den ,,Meldungen aus dem Reich“ berichtet an diesem Sonntag der Sicherheitsdienst der SS, der überall im Land seine Lauscher und Horcher hat, an die Zentrale in Berlin:
„Die von Reichsminister Dr. Goebbels in Gotenhafen gehaltene Rede hat im Nordosten des Reiches große Beachtung und positive Aufnahme gefunden. Der von Dr. Goebbels in der Rede gebrachte Vergleich zwischen der ‚Halbzeit im Fußballspiel‘ und der jetzigen Kriegslage hat vielfach zu der falschen Auffassung geführt, daß der Krieg nochmals drei Jahre dauern werde. Mißverstanden wurde auch der Hinweis, daß dieser Krieg um ‚Eisen, Öl und Weizen gehe.‘
Von Angehörigen Gefallener wird hierzu entgegengehalten, daß ihre Soldaten für Deutschlands Freiheit und die Abwehr des Bolschewismus, nicht aber für materielle Dinge gefallen seien.“

An diesem Sonntag, dem 25. Oktober 1942, wird im Hunsrückdorf Budenbach Gisela Gregorius geboren.
Die Geschichte ihrer Eltern ist schnell erzählt: Giselas Mutter, Frieda Gregorius, Bauerntochter und einziges Kind ihrer Eltern, wird am 10. Januar 1944 von der Gestapo von zu Hause abgeholt und dann ,,dem Amtsgericht Kirchberg vorgeführt“, so die Notiz auf ihrer ,,Ordnungskarte“.
Ihr Töchterchen Gisela sieht sie nie wieder: Am 11. Mai wird sie als ,,politischer Häftling“ ins Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück eingeliefert. Dort stirbt sie, 31 Jahre alt, Anfang Dezember 1944.

Giselas Vater, der polnische Zwangsarbeiter Mieczyslaw Tatarek, ist bei der Geburt seine Tochter schon nicht mehr im Dorf. Bereits am 24. August 1942 wurde er festgenommen und in ein Koblenzer Gefängnis gesteckt:
,,wegen Geschlechtsverkehrs mit einem deutschen Mädchen“ – so steht es auf der Karteikarte der Geheimen Staatspolizei Koblenz. Bei ihm scheint zunächst geprüft worden zu sein, ob er „eindeutschungsfähig“ sei. Das war er wohl nicht, möglicherweise seiner geringen Körpergröße wegen.
Jedenfalls landet er nicht in dem für ,,Eindeutschungsfähige“
vorgesehenen KZ Hinzert, sondern am 3. März 1943 im KZ Natzweiler im Elsaß, das er möglicherweise überlebt hat:
Am 14. Mai 1946 stirbt im Städtischen Krankenhaus München-Schwabing ein 29 Jahre alter ,,polnischer Wachmann“ namens Michzyslaw Tatarek.
Als Todesursache nennt die Sterbeurkunde:
„Leberverletzung und Pneumothorax,… Intoxikation infolge Leberschädigung, akute Herz-und Kreislaufschwäche.“
Vermerk: „Der Todesfall wurde beim Amtsgericht München registriert, Angehörige waren nicht ersichtlich.“
Möglich ist – und dafür sprechen die dramatischen Todesumstände – daß sich in den Wirren des Kriegsendes ein Aufseher im KZ Natzweiler der Papiere des dort schon Verstorbenen bemächtigt hat, um ungeschoren davonzukommen.

Ein Text aus: Sarah Helm, ,,Ohne Haar und ohne Namen – Im Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück“;
englischsprachige Originalausgabe 2015; deutschsprachige Ausgabe durch die Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, 2016, S 385f: ,,Die Kluft zwischen Theorie und Realität war 1944 nicht nur innerhalb des Lagers, sondern überall in Himmlers Imperium deutlich zu erkennen. Der Reichsführer hatte angeordnet, die Todesraten zu reduzieren und gute Arbeitskräfte am Leben zu lassen. Stattdessen aber stieg die Zahl der Toten an und ein neues Krematorium wurde errichtet, um der Situation Herr zu werden.
Himmlers Ernährungstheorien änderten sich laufend. Er hatte gerade erst neue Richtlinien für die Lagerkost herausgegeben, um damit die Arbeitsleistung zu verbessern. Bis zu 50 Prozent des Gemüses in der Häftlingssuppe sollte roh sein und erst kurz vor dem Austeilen beigefügt werden. Die Mittagsmahlzeit sollte aus eineinviertel bis anderthalb Litern Suppe bestehen – nicht klar, sondern püriert. Des Weiteren hatte Himmler darauf bestanden, dass die Gefangenen Zeit und , Ruhe zur Nahrungsaufnahme bekamen, sodass die Verdauung ordentlich erfolgen konnte. Wie jedoch klar war, wirkten die rohen Wurzelgemüse auf die ausgemergelten Körper der Lagerinsassen verheerend und verursachten Krätze und Geschwüre. Was die Ruhe zur Nahrungsaufnahme anging, so waren die Blocks mittlerweile derart überfüllt, dass es keinen Platz gab, um sich überhaupt zu setzen. Die Häftlinge, die für Siemens arbeiteten, marschierten zur Mittagssuppe vom Fabrikgelände zurück ins Lager und hatten so fast überhaupt keine Zeit, um zu essen.“

Die Lagerordnung

Vorderseite:
,,Frau Kath. Gregorius ,22 Budenbach Post Oberwesel (Land)

Rückseite:
,,Meine genaue Anschrift: Schutzhäftling Gregorius Frieda Nr. 38469 Block 6

In allen Briefköpfen der folgende Auszug aus der Lagerordnung: „Jeder Häftling darf im Monat (handschriftlich eingefügt: 1 ) Briefe oder Postkarten empfangen und absenden. Eingehende Briefe dürfen nicht mehr als (handschriftlich eingefügt: 2 ) Seiten à 15 Zeilen enthalten und müssen übersichtlich und gut lesbar sein. Geldsendungen sind nur durch Postanweisung zulässig, deren Abschnitt nur Vor-, Zuname, Geburtstag, Häftlingsnummer trägt, jedoch keinerlei Mitteilungen. Geld. Fotos und Bildereinlagen in Briefen sind verboten. Die Annahme von Postsendungen, die den gestellten Anforderungen nicht entsprechen, wird verweigert. Unübersichtliche, schlecht lesbare Briefe werden vernichtet. Im Lager kann alles gekauft werden. Nationalsozialistische Zeitungen sind zugelassen, müssen aber vom Häftling selbst im Konzentrationslager bestellt werden. Lebensmittelpakete dürfen zu jeder Zeit und in jeder Menge empfangen werden.
Der Lagerkommandant“

Einer der Briefe von Frieda Gregorius aus dem Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück

Der erste Brief von Frieda Gregorius an ihre Mutte, bzw. Kind
,,Ravensbrück, 9. 7. 1944
Ihr Lieben! Bin seit einiger Zeit hier. Es geht mir gut hoffe dasselbe auch von Euch. Was macht denn Gisela noch? Liebe Mutter gib mir immer gut [….? ] (Einige Passagen aus dem original Brief sind nicht mehr lesbar)
Und ziehe es gut an. Brief und Paket habe ich erhalten auch meinen herzlichsten Dank dafür. Pakete mit Brot, Kuchen, Marmelade und sonstige Lebensmittel sind jederzeit zugelassen. Speck und Zucker auch Schmalz nebst Haferflocken darf ich empfangen. Geld habe ich auch erhalten vorläufig mal genug.
Habt ihr auch Kirschen eingeweckt? Dann denke auch an mich. Wie weit seid Ihr mit der Ernte? Und was du nicht schaffen kannst, bleibe? Später werde ich dir wieder helfen. Wie geht es denn Fam. ? noch? s gibt es denn sonst noch neues bei Euch?
Davon.
Und was gibt
Viele herzliche Grüße auch Gisela.
Frieda

Zweiter Brief von Frieda Gregorius aus dem Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück, Sept. 1944

Liebe Mutter und Gisela! Deine drei Pakete u. Brief habe ich dankend u. mit großer Freude u. mit gutem Inhalt erhalten. Wie geht es Euch noch? Was macht denn Gisela ist das Kind auch immer brav? Möchte es doch sehen habe großes Verlangen danach. Mir geht es nochgut. Wenn du jede Woche mit einem Lebensmittelpaket an mich denken würdest, ich wäre sehr dankbar. Hast du nicht vielleicht außerdem noch einige Zwiebel Knoblauch, mal so gerne feines Salz und wenn es geht, u. hast es, etwas Bienenhonig, Formkuchen u. Streuselkuchen u. weißen dicken Kuchen schmeckten auch so gut. Schicke mir 1 paar Strümpfe mit u. Kopftuch. Wie weit seit Ihr mit der Ernte?
Viele Grüße von Frieda

Aus dem Buch von Christa Wagner, ,,Geboren am See der Tränen“, 1987 in der ehemaligen DDR erschienen:
,,Als man den Häftlingen gestattete, sich Lebensmittel schicken zu lassen, dachten die Ravensbrückerinnen, es sei dem Internationalen Roten Kreuz und dessen wachsenden Aktivitäten zu verdanken. Sie hatten sich geirrt. Der Gesundheitszustand verschlechterte sich nämlich von Tag zu Tag rapid, folglich sank die Arbeitsproduktivität und mit ihr die Profitrate. Das NS-Regime entlastete sich selbst durch dieses scheinbare Entgegenkommen, belastete die Angehörigen der Inhaftierten mit Verpflegungssorgen und gab sich obendrein den Anstrich, großmütig, human, großzügig zu sein.
Übrigens bedienten sich die SS-Mannschaften als erste. Sobald Pakete eintrafen, raubten sie alle hochwertigen Nahrungs-und Genußmittel.“

Aus den beiden folgenden Briefen von Frieda ist jeweils links ein Stück herausgerissen. Somit ist nicht alles lesbar.

Ravensb. Okt. 1944
„Ihr Lieben alle! Brief und 3 Pakete habe ich dankend erhalten… Nach Äpfel habe ich furchtbaren Appetit, aber bitte allein schicken. Und was gibt es sonst noch neues bei Euch? Bitte schreibt mir immer. Habt Ihr die Ernte gut eingebracht? Hätte Euch gerne geholfen. Für Gisela laß ein Mäntelchen nähen für jeden Tag, das es ihm nicht so kalt wird… Frieda.“

Ravensbrück, Okt. 1944
„Ihr Lieben alle! Habe Euren lieben Brief erhalten herzlichen Dank. Wie ist es denn mit einem P….habt Ihr mich vergessen? Mir geht…es auch von Euch. …es Gisela denn dem armen…
Habt Ihr auch noch Hasen?
…Appetit darauf auch noch… Kuchen, Brot und sonstigen…sind auch erlaubt. Lege doch bitte dem nächsten Paket auch einen Staubkamm bei und einige Taschentücher ziemlich große von Dir. Liebe Mutter hast Du auch Obst gesorgt für den. Winter? Hauptsächlich Äpfel. Bitte vergeßt mich nicht und laß Dir nicht so viel einreden. Schreibe mir bald….was neues. Gruß Frieda“

Und nun Friedas letzter Brief, auch hier links ein Stück herausgerissen;
z. B. die Stelle:
manches nur schwer verständlich, z ,,hoffentlich auch bei Ihnen“:

Ravensbrück, Dezember 1944
Ihr Lieben! Habe Euern Brief erhalten, auch herzlichen Dank, aber wo blieb das Paket? Wann ich nach Hause komme, das weiß ich nicht. Mir geht es gut, hoffentlich auch bei Ihnen. Wenn die mal wieder schicken, so denke bitte an mich. ….wird sicher schon groß sein….acht auf das Kind. Kannst..nn(?) von sonst niemand machen…? Was gibt es denn sonst neues? Ich darf ja nur einmal im Monat schreiben. Du kannst schon mal mehr schreiben. 1 Paar dicke Fausthandschuhe hätte ich gerne. Ich brauche doch nicht immer zu schreiben Du (weißt? mußt?)….( Gruß?) Frieda.

Kurz vor Weihnachten dann der Brief vom Lagerkommandanten Fritz Suhren.
Ravensbrück, den 18. Dezember 1944.
„Sehr geehrte Frau Gregorius! Ihre Tochter, Frieda Gregorius geb. 23. 5. 1913 in Budenbach, Krs. Simmern, meldete sich am 4. 12. 1944 krank und wurde daraufhin unter Aufnahme im hiesigen Krankenhaus in ärztliche Behandlung genommen. Es wurde ihr die bestmöglichste medikamentöse und pflegerische Behandlung zuteil, Trotz aller angewandten ärztlichen Bemühungen gelang es nicht der Krankheit Herr zu werden. Ich spreche Ihnen zu diesem Verlust mein Beileid aus. Ihre Tochter hat keinen letzten Wunsch geäußert. Ich habe die Gefangeneneigentumsverwaltung meines, Lagers angewiesen, den Nachlass an den erbberechtigten Empfänger zu senden.

Suhren
SS-Sturmbannführer

Naike Juchem, 27. Januar 2024

Mit freundlicher Genehmigung der Theatergruppe Birkenfeld und Gisela Henopp, geb. Gregorius.

Diabetes

Man nimmt zu Beginn eines neues Jahres immer viele – oder einiges an Vorsätze vor. Oft scheitern die gesetzten Ziel schon nach wenigen Stunden.
Ich schreibe mal kurz welchen Vorsatz man sich doch schon mal zu Herzen nehmen sollte – oder mal darüber nachdenken: Diabetes

Die große Zahl der an Diabetes erkrankten Menschen gibt den Beschäftigten im Gesundheitswesen weltweit Anlass zur Sorge. Sensibilisierung, Aufklärung, Maßnahmen und Forschung können etwas bewirken.

Diabetes ist eine Stoffwechselerkrankung, die einen hohen Blutzuckerspiegel verursacht. Sie ist auch eine der Hauptursachen für Erblindung, Amputationen, Herz- und Nierenkrankheiten. Die Krankheit verursacht nicht nur schwerwiegende medizinische Probleme, sondern führt auch jedes Jahr zu Millionen von vorzeitigen Todesfällen. In den letzten drei Jahrzehnten hat die Prävalenz von Typ-2-Diabetes in Ländern aller Einkommensschichten dramatisch zugenommen. Tatsächlich ist Diabetes zu einer der häufigsten Todesursachen weltweit geworden.

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) starben im Jahr 2016 1,6 Millionen Menschen an Diabetes. Drei Jahre später lag die Zahl bereits bei 2 Millionen Menschen. Zwischen den Jahren 2000 und 2019 ist die Sterblichkeitsrate bei Diabetes nach Alter um 3 % gestiegen.
Laut Studien der WHO werden bis zum Jahr 2045 etwa 629 Millionen Erwachsene an Diabetes erkrankt sein.

Zucker hat viele Namen

Zucker setzt die Zellen im Körper unter Dauerstress und so reagieren diese irgendwann unempfindlicher auf das körpereigene Insulin. Die Bauchspeicheldrüse produziert um so mehr Insulin und ist schließlich überlastet. In der Folge stellt diese die Insulinproduktion ein.
Auch sollte man regelmäßig Sport treiben oder sich durch Spaziergänge ausreichend bewegen.
Mineralwasser als Hauptgetränk ist definitiv besser als von der Werbung angepriesen „Zuckerfrei“, „ohne Zuckerzusatz“, „weniger süß“, „Süße nur aus Früchten“ oder „natursüß“ sagen nichts über den wahren Zuckergehalt aus und können in die Irre führen, denn Zucker hat viele Namen: Glucosesirup, Traubenzucker, Glucose-Fructose-Sirup, Milchpulver, Fruchtsaft, Süßmolkenpulver, konzentrierter Fruchtsaft, Invertzuckersirup, Maltodextrin und Molkenerzeugnisse. Die Spitzenreiter bei der Verwendung von Süßungsmitteln in Lebensmitteln sind: Acesulfam, Aspartam, Cyclamat und Saccharin.
Außerdem gibt es so genannte 
Zuckeraustauschstoffe, die insulinunabhängig im Stoffwechsel verwertet werden. Hierzu zählen beispielsweise Sorbit, Xylit, Maltit und Isomalt.

Man kann trotzdem etwas tun


Wer auf Zucker – welchen Namen er auch immer hat, und raffinierte Kohlenhydrate verzichtet und versucht ein vernünftiges und gesundes Gewicht zu halten, ist schon mal einen Schritt weiter. Als Jahresvorstatz wir oft gesagt, dass man mit dem rauchen aufhören möchte. Auch dies ist eine Vorbeugung gegen Typ-2-Diabetes. Eine ballaststoffreiche, vernünftige und ausgewogene Ernährung mit Gemüse und Obst ist gut für den Vitamin-D-Spiegel.
Typ-2-Diabetes ist natürlich auch mit gesunder Ernährung und Bewegung nicht für jeden vermeidbar – minimiert aber das Risiko daran zu erkranken.

Typ-1-Diabetes ist zwar nicht so leicht zu verhindern, kann aber mit Insulininjektionen gut behandelt werden. Um Typ-1-Diabetes in den Griff zu bekommen, muss der Blutzucker häufig kontrolliert werden, und auch bei dieser Erkrankung sollte man sich gesund ernähren, regelmäßig sich ausreichend bewegen und ein gesundes Gewicht halten.

Naike Juchem, 1. Januar 2024

Quelle: ceeaccameroon.org who

Inhaltsangabe über die Hintergründe in der humanitären Hilfe in Südostasien

Inhaltsangabe über die Hintergründe in der humanitären Hilfe in Südostasien

Tausend Farben sind auch ein rot



Teil I
Der Roman beginnt im Sommer 89 am Bostalsee und Endet im Oktober 2007 in Kabul.
Am Bostalsee trifft Hannes, Patricia Lefévre aus Thionville. Mit ihr beginnt ein Roadtrip vom Saarland über Lothringen an die Côte d’Azur. In Avignon verliebt er sich in Patricia.
In einem Haus in Fréjus, welches eine Mischung aus Museum, Kathedrale und Palast ist, erleben beide die Liebe auf eine nie dagewesene Art.
Nach einem wunderschönen Sommer mit Patricia, wird er mit gerade 19 Jahren mit der Nachricht konfrontiert, dass Patricia an Leukämie erkrankt ist und entscheidet sich trotz dieser Krankheit für die Liebe seines Lebens.

Teil II
Seine Liebe zu Patricia bringt ihn im Januar 1990 in die humanitäre Hilfe nach Kambodscha. Dort wird die Katastrophalelage durch den Genozid der Roten Khmer von 1975 bis 79 an geschätzten 2,5 Millionen Menschen sichtbar und ein Alptraum aus Krankheit, bitterste Armut und einer astronomischen Zahl an Analphabetismus wird Realität.

Mit einem internationalen Team wird unter Hochdruck gegen Mangelernährung, Hepatitis-E und Kindersterblichkeit gearbeitet. Während Patricia in Phnom Penh über den US-Geheimdienst alle ihr bekannten Hilfsorganisation anschreibt, schafft sie ein Ärzteteam aus der Schweiz in die tropischen Wälder der Provinz Svay Rieng um das schlimmste abzuwenden.

Die Uneinigkeit der Weltgemeinschaft in Form der UN und ASEAN Staaten sorgt darüber hinaus für eine völlig instabile Entwicklung des Landes unter der die Zivilbevölkerung am meisten leiden. Die Ohnmacht gegen Politik und den immer noch anhaltenden Terror der Roten Khmer, macht humanitäre Hilfe zur Lebensgefahr. Hannes steht plötzlich zwischen Militär, Politik und humanitärer Hilfe – er muss sich zwischen den Forderungen von Major Bourey Duong oder der Ausweisung aus dem Land entscheiden.

Sein Traum: Bildung für Kinder, scheint an der Langsamkeit von UNICEF und dem Mangel an Lehrer zu platzen.
Auf Heimaturlaub, im April 90, wird Hannes mit Rassismus, Mobbing und Obdachlosigkeit konfrontiert, was für den Dorfjungen aus dem Nahetal bis dato fremd war.

Zurück in Kambodscha braucht er die Unterstützung vom Militär um seinen Traum weiterzuführen. Sein Chef in Reims schafft es, dass Hannes Geld für den Aufbau von Schulen vom französischen Außenministerium bekommt.
Im Juni 1990 wird mit dem Bau der ersten Schule nach dem Genozid der Roten Khmer in der Ortschaft Kampang Rou begonnen und an Weihnachten bekommen Patricia und Hannes die „Lefévre School“ als Geschenk.
Bildung für Kinder ist das eine, Infrastrukturen und Nachhaltige Projekte für tausende Menschen zu schaffen, das andere. Und immer wieder scheitert vieles an Geld. Welches Land oder Organisation kann und wird Geld geben? Hannes erlebt Weltpolitik an der Basis und sieht täglich die „Kollateralschäden“

Mit Patricia baut er 1991 ein Haus in Nakhon Ratchasima. Thailand wird ihre Heimat für fast zehn Jahre.

Die UN ist ab Frühjahr 1992 in der Vorbereitung der größten Friedensmission in der Geschichte dieser Organisation, während in Kambodscha immer noch Menschen sterben.
Über Wasserbauprojekte seines französichen Arbeitgeber bekommen wenigstens hunderte Menschen Lohn und Arbeit. Mit seinem internationalen Team muss Hannes weiter Infrastrukturen unter Hochdruck schaffen, damit nicht noch mehr Menschen verhungern.

Im Sommer 1993 plant Hannes mit seinem Freund und Geologe, Claude Moreau, ein noch nie dagewesenes Trockenfeldanbau Projekt im Osten von Kambodscha, um der Lebensmittelknappheit irgendwie entgegen zu wirken. Hannes schreibt ein Dossier für sein Projekt, denn er braucht eine Million US-Dollar um dies umzusetzen. Der Leiter von der UN Food and Agriculture Organisation in Phnom Penh zerreißt förmlich sein Dossier.
Die Agraringenieurin Sylvie Morel von „Action contre la Faim“ sucht Hannes über Wochen in Kambodscha, um sich mit ihm zu treffen.

Neben all den Sorgen um Lebensmittelknappheit hat er seit drei Jahren den Gouverneur der Provinz Svay Rieng als Gegner. Über die UNTAC Friedensmission bekommt Hannes Hilfe von einer Italienerin, die mit nur einem Telefonat den Haushalt der Provinz Svay Rieng einfriert. Im ersten Moment ist dies für Hannes ein guter Schachzug, auf der anderen Seite wurde ihm bewusst, dass er damit zum Ziel aus Macht, Gier und Korruption wird. Die Angst vor einem gezielten Terroranschlag gegen sich, wird im klar, als er Maona Sokthat in einer Markthalle in Svay Rieng trifft.


Teil III
Mit Beginn des neuen Jahrtausend verliert Patricia den Kampf gegen Leukämie und Hannes den Sinn am Leben.
Durch die jahrelange Freundschaft zu Hattie Walker, wechselt Hannes zu ihrer Organisation in den USA und wird Head Leader Security Chief.
In Kriegsgebieten von Westafrika über Nahost bis Afghanistan schafft er mit seinem Bodyguard, Marcel Chevalie, Sicherheit für Mitarbeiter internationaler Firmen und Korrespondenten aus aller Welt. Terror erlebt er und sein Team hautnah in Dschalalabad und in den Bergen bei Khost. Das PRT in Khost ist in höchster Alarmbereitschaft. Satelliten die von Ramstein aus gesteuert werden suchen eine Taliban Gruppe von 20 bis 40 Terroristen aus Pakistan, die mit einem Dutzend Raketenwerfer seit zwei Wochen in dem Gebiet zwischen Hindukusch und Pakistan unterwegs sind und am Khost-Gardez-Pass am Nachmittag einen ihrer Raketenwerfer „getestet“ haben.

Hannes muss schnellstmöglich Journalisten und Zivilisten aus diesem Gebiet schaffen – nur wie? Die International Civil Aviation Organization in Montreal verhängt am gleichen Tag ein Flugverbot für den Südosten von Afghanistan. NATO AWACS Flugzeuge konnten nicht mehr finden, als die Satelliten der US-Air Force. Sein uneingeschränktes Vertrauen zu Marcel Chevalier, seinem Freund, Bodyguard und wohl besten Scharfschütze auf diesem Planeten, gibt ihm die Gewissheit die Rückreise nach Kabul anzutreten.
Mit gepanzerten Fahrzeugen fährt er mit den beiden Scharfschützen, Marcel und Oliver, der Terrorgruppe entgegen.

Die Bildung an und für Kinder ist ihm – trotz seines neuen Jobs, immer noch wichtig. Im Februar 2007 trifft er durch Zufall Nila Khalil, eine Schulleiterin einer Mädchenschule in Gardez. Mit Nila erlebt er die Abgründe eines veralterten Weltbild von Männer in den Bergen von Afghanistan. 32 zwangsverheiratete, misshandelte, gefolterte und traumatisierte Kinder stehen vor ihm. Er setzt sich sofort ein um Hilfe zu beschaffen.
Zwei Wochen später wird in seinem Beisein in Istanbul eine internationale Hilfsorganisation für Notleidende und Traumatisierte Kinder in Gardez und Khost gegründet. Hannes wusste bis dato nicht, wie weitreichend sein Name und seine Arbeit aus Kambodscha in den USA, Europa und Australien ist. In vier Tagen wurde „Help for Gardez“ geschaffen. Die Neugegründete Hilfsorganisation verfügt über ein Startvermögen von einer Halben Million US-Dollar.

Mit der freundschaftliche Unterstützung von Major Roger Juarez im PRT in Khost gelingt der Aufbau eines Frauenhauses an einem geheimen Ort zwischen dem Khost-Gardez-Pass und Pakistan.

Im April 2007 wird er mit der Zuneigung von Nila konfrontiert. Kann er sich jemals wieder in eine Frau verlieben? Mit Nila als Schulleiterin und Direktorin der Neugegründeten Hilfsorganisation könnte er zurück zu seinen Wurzeln.
Auch wenn er für Afghanistan wenig empfindet, die Gastfreundschaft und Liebenswürdigkeit der Menschen, deren Sehnsucht nach Frieden ist, lässt ihn zweifeln wo seine Heimat sein wird.
Kann eine Liebe gegen den allgegenwärtigen Terror bestehen?

Genitalverstümmelung, die seelische Folter für Millionen Mädchen und Frauen

Die Genitalverstümmelung, auch FGM genannt, hört sich so weit weg an – und trotzdem ist dieses Thema so nah. Geschätzte 150 Millionen Frauen erleben im 21. Jahrhundert immer noch dieser barbarischen „Tradition“.
Die zunehmende Migration in Deutschland verschärft das Problem der weiblichen „Beschneidung“.

Autorin Naike Juchem

Die weibliche Genitalverstümmelung – auch Female Genital Mutilation: FGM, genannt, beschreibt nach einer Definition der Welt­gesund­heits­organi­sation jede nichttherapeutische, zum Beispiel religiös oder kulturell begründete, teilweise oder vollständige Entfernung oder Verletzung der weiblichen äußeren Genitale. In den meisten Regionen Afrikas spricht man dagegen von „Beschneidung“ oder davon, ob eine Frau „offen“ oder „geschlossen“ ist.

Die „Beschneidung“
Der Ausdruck „Beschneidung“ sollte kritisch verwendet werden, da er – analog zur männlichen Zirkumzision – nur die Entfernung der klitoralen Vorhaut betrifft. Der Ausdruck „weibliche Genitalverstümmelung“ trifft die Irreversibilität und Schwere des Eingriffs besser und wird auch von den Vereinten Nationen in allen offiziellen Dokumenten gebraucht. Dennoch sollte betroffenen Patientinnen gegenüber von „Beschneidung“ gesprochen werden, um sie mit der Wortwahl nicht zusätzlich zu stigmatisieren.

FGM, eine Jahrtausend alte Folter

FGM betrifft weltweit circa 150 Millionen Frauen und Mädchen. Durch zunehmende Migration werden Ärztinnen und Ärzte auch in Deutschland vermehrt mit Patientinnen konfrontiert, die eine weibliche Genitalverstümmelung erlitten haben.
Wichtige Voraussetzungen für den Umgang mit Frauen nach FGM sind ausreichendes Fachwissen, Aufmerksamkeit und Sensibilität.

Weibliche Genitalverstümmelung wird seit mehr als 2.000 Jahren durchgeführt. Der Ursprung dieser Tradition ist unklar. Belege für einen religiösen Hintergrund gibt es nicht. FGM wird nicht nur von Moslems, sondern auch von Christen, Juden, Animisten und Atheisten praktiziert.
In vielen Gebieten dient die FGM als Initiationsritual und ist Teil der kulturellen Tradition. Sie soll die Frau vor Verdächtigungen, Ungnade und ihrer eigenen Sexualität „schützen“. Ein korrektes moralisches Verhalten und die Treue zum Ehemann sollen damit gewährleistet werden.

FGM wird als Symbol der Weiblichkeit und ethnischen Zugehörigkeit betrachtet

Das Mädchen wird durch den Eingriff in die Gemeinschaft aufgenommen. Eltern lassen die Genitalverstümmelung bei ihren Töchtern durchführen, um ihnen eine gute Zukunft zu sichern.
Die Zeremonie der Beschneidung symbolisierte ursprünglich auch den Übergang vom Mädchen zur Frau. Sie wird jedoch heute häufig schon bei Kleinkindern durchgeführt, sodass diese Bedeutung unwichtig geworden ist. Auch hygienische und gesundheitliche Faktoren werden zur Rechtfertigung der Genitalverstümmelung angeführt. So soll das Fehlen der Klitoris die Vagina sauber halten und die Fruchtbarkeit erhöhen. Es kursiert außerdem die Vorstellung, dass die Klitoridektomie die sexuelle Lust des Ehemanns steigert und die Kinder- und Müttersterblichkeit senkt.

In Ägypten ist die Entfernung des äußeren Genitales und der Körperbehaarung ein Attribut für Schönheit.
Die Klitoris dagegen gilt beispielsweise in Mali, Burkina Faso und Westafrika als Symbol für Männlichkeit.

Auch aus wirtschaftlichen Gründen wird FGM weiter praktiziert und verbreitet. In einigen Ländern bemisst sich der Brautpreis proportional zum Ausmaß der Operation. Die „Beschneiderinnen“ genießen einen hohen sozialen Status, sie erzielen gute Einnahmen durch die Infibulation, aber auch durch die Defibulation bei einer Geburt oder in der Hochzeitsnacht. In manchen Regionen wird FGM erst jetzt als zusätzliche Verdienstmöglichkeit auch von Hebammen durchgeführt.

Aus menschenrechtlicher Sicht ist FGM ein Versuch, Frauen eine untergeordnete Stellung zuzuweisen, indem man sie mit einem Stigma versieht, das sie stets daran erinnert, dass sie „nur Frauen“ sind. Die Genitalverstümmelung verwehrt der Frau das Recht auf körperliche Unversehrtheit.
Die meisten Frauen mit FGM leben in 28 afrikanischen Staaten.
Am häufigsten wird die weibliche Genitalverstümmelung in Somalia, dem nördlichen Sudan, Erithrea, Sierra Leone und Djibouti praktiziert. Der Sudan ist das einzige Land, in dem bisher Untersuchungen zur Häufigkeit von weiblicher Genitalverstümmelung durchgeführt wurden. Danach sind bis zu 90 Prozent der sudanesischen Mädchen und Frauen beschnitten.

FGM kommt jedoch auch in den südlichen Teilen der arabischen Halbinsel, am Persischen Golf und in muslimischen Gemeinden in Indien, Malaysia und Indonesien vor.
Zunehmend ist auch die Verbreitung unter Immigrantinnen in Europa, Kanada, Australien, Neuseeland und den USA.

Einer britischen Untersuchung zufolge waren 80 Prozent der Einwanderinnen aus Somalia, dem Jemen, aus Eritrea und Äthiopien beschnitten oder wollten ihre Töchter beschneiden lassen.

Die „Operateure“

Die Genitalverstümmelung wird meist von älteren Frauen in traditioneller Weise durchgeführt. Die „Operation“ dauert 15 bis 20 Minuten und erfolgt mithilfe von Messern, Skalpellen, Glasscherben, Rasierklingen und Ähnlichem. Anästhetika oder Analgetika werden meist nicht verwendet. Zur Blutstillung werden Salben aus Kräutern oder Asche auf die Wunden aufgetragen. Bei der Infibulation werden die Wundränder mit Dornen oder Seide zusammengehalten.
Durch schlechte hygienische Verhältnisse, ungeeignete Instrumente, schlechtes Licht und mangelnde medizinische Kenntnisse wird den Frauen und Mädchen zusätzlicher Schaden zugefügt. In manchen Ländern nehmen vermehrt Hebammen und anderes medizinisches Personal die weibliche Genitalverstümmelung vor.
Ägyptische Frauen berichteten, dass ihre eigene Beschneidung in 13 Prozent der Fälle von Ärzten durchgeführt wurde. Bei ihren Töchtern erfolgt sie bereits in 46 Prozent der Fälle durch ärztliches Personal.
Die Medikalisierung der weiblichen Genitalverstümmelung ist umstritten. Auf der einen Seite kann sie die Komplikationen und eventuell auch das Ausmaß des Eingriffs reduzieren.

In den 1970er- und 1980er-Jahren wurden beispielsweise im Sudan und in Somalia traditionelle Hebammen für die weibliche Genitalverstümmelung geschult.
Aus Kenia wurde über die Verteilung von prophylaktischen Antibiotika, sterilen Einmalrasierern und Tetanus-Impfungen bei betroffenen Mädchen berichtet. Diese prophylaktischen Maßnahmen senkten die Rate an frühen Komplikationen um etwa 70 Prozent.
In Krankenhäusern im Sudan wurde die weibliche Genitalverstümmelung angeboten, jedoch nur der Typ I der FGM durchgeführt. In städtischen Regionen in Mali und Nigeria ist es inzwischen üblich, dass Krankenschwestern die „Beschneidung“ durchführen.

Auf der anderen Seite besteht durch die Medikalisierung die Gefahr der Verharmlosung und der verzögerten Ausrottung der weiblichen Genitalverstümmelung. Die WHO verurteilte 1982 die Beteiligung von medizinischem Personal an der Genitalverstümmelung der Frau als unethisch. In den 1990er-Jahren schlossen sich verschiedene internationale Organisationen dieser Stellungnahme an (International Federation of Gynecology and Obstetrics 1994, American College of Obstetricians and Gynecologists committee opinion 1995).
1996 hat auch der Deutsche Ärztetag die Beteiligung von Ärztinnen und Ärzten an der weiblichen Genitalverstümmelung verurteilt. Derartige Praktiken seien berufsrechtlich zu ahnden, heißt es in einer Entschließung. Entsprechend wurde 1999 einem Berliner Arzt, der FGM durchführte, die Approbation entzogen.

Die Opfer von FGM werden immer jünger

Das Alter, in dem die Genitalverstümmelung vorgenommen wird, unterscheidet sich regional. In Äthiopien und Nigeria werden die Mädchen im Alter von sieben bis acht Tagen beschnitten, in Somalia, im Sudan und in Ägypten dagegen erst mit fünf bis zehn Jahren. In manchen Gegenden Ostafrikas findet die FGM sogar erst während der Hochzeitsnacht, in Westafrika während der ersten Schwangerschaft statt. Sowohl in den Herkunftsländern als auch bei Migranten zeichnet sich jedoch der Trend ab, die weibliche Genitalverstümmelung in immer jüngerem Alter durchzuführen. Damit sollen Fragen der Schulbehörden vermieden, aber auch verhindert werden, dass sich die Mädchen gegen den Eingriff wehren.

Frauen, die den schwereren Formen von weiblicher Genitalverstümmelung unterzogen werden, leiden mit großer Wahrscheinlichkeit an gesundheitlichen Folgen, die häufig eine lebenslange medizinische Behandlung erfordern. Nur etwa 15 bis 20 Prozent der Komplikationen werden von medizinischem Personal behandelt, weil die nächste Krankenstation zu weit entfernt ist – oder aus Angst vor rechtlichen Konsequenzen.

FGM und ihre Komplikationen

Blutungen während oder nach dem Eingriff können zu Anämie, Hämorrhagie (vier bis 19 Prozent), Hypotension, Schock und Tod führen. Bisher gibt es keine Studien zur Mortalität von Mädchen bei FGM, obwohl man davon ausgehen muss, dass die Sterblichkeit hoch ist Akute Infektionen führen zu Abszessen und Wundheilungsstörungen. Andere Komplikationen können hohes Fieber, Tetanus (zwei Prozent), Gangrän oder ein septischer Schock (zwei Prozent) sein. Oligurie, Harnverhalt sowie eine Verletzung von Blase, Urethra, Vagina und Rektum wurden beschrieben. Durch gewaltsames Festhalten der Frau während des Eingriffs kann es zu Frakturen von Humerus, Femur und Clavicula kommen.

Als wichtigste chronische Komplikationen der weiblichen Genitalverstümmelung sind fünf Gruppen zu nennen: Komplikationen der Harnwege, Komplikationen durch Narbenbildung, Komplikationen bei Sexualität und Menstruation sowie Komplikationen in der Schwangerschaft und bei der Geburt. Durch die enge Nachbarschaft des Operationsgebietes kommt es häufig zur Verletzung der Urethra mit nachfolgender Obstruktion oder Striktur. Die Patientinnen klagen über Harnverhalt, rezidivierende Harnwegsinfekte und Harninkontinenz. Die Narbenbildung nach FGM führt in etwa 20 Prozent der Fälle zur partiellen oder kompletten Fusion der Labien.
65 Prozent der verstümmelten Frauen leiden an Blutungsstörungen. Chronische Adnexititiden und Endometritiden führen ebenfalls zu anhaltenden Schmerzen. Dyspareunie, Vaginismus und Vaginalstenosen führen bei 25 bis 30 Prozent der Frauen nach weiblicher Genitalverstümmelung vom Typ III zu Infertilität. Durch Verlust der Klitoris kommt es bei einem Teil der Frauen zu mangelnder Orgasmusfähigkeit.
Vor allem bei Frauen nach weiblicher Genitalverstümmelung vom Typ III ist mit prä-, intra- und postpartalen Komplikationen zu rechnen. Durch die Bildung von Narbengewebe kann es zu einem prolongierten Geburtsverlauf kommen. Es gibt Hinweise, dass es bei Frauen mit FGM daher beim Kind häufiger zu schwerer Asphyxie oder zum Tod kommt.

Durch Defibulation unmittelbar vor der Geburt kann die Entbindung erleichtert und das Risiko der Geburtsverletzungen gesenkt werden. Die Rate an Dammrissen, Wundinfektionen, Wundheilungsstörungen und postpartalen verstärkten Nachblutungen ist jedoch erhöht.
Die Genitalverstümmelung kann ein schwerwiegendes Trauma hinterlassen. Die psychologischen Begleiterscheinungen können sich tief in das Unterbewusstsein des Mädchens eingraben und Verhaltensstörungen verursachen. Unter Umständen ist die körperliche und seelische Belastung so stark, dass die Betroffenen das Erlebnis nicht nur verdrängen, sondern abspalten.

Gesetze gegen FGM

Langfristig leiden die Frauen unter vielfältigen psychischen Symptomen wie dem Gefühl von Unvollständigkeit und Minderwertigkeit, Angst, Depression, chronischer Reizbarkeit, Frigidität, und Partnerschaftskonflikten. Viele durch die Genitalverstümmelung traumatisierte Frauen haben keine Möglichkeiten, ihre Gefühle und Ängste auszudrücken und leiden im Stillen.
Internationale Organisationen, wie die WHO, der Weltärztebund, die UNESCO, UNICEF und das Europa-Parlament, verurteilen die weibliche Genitalverstümmelung. Ein Gesetz, welches die FGM verbietet, gibt es in Europa jedoch nur in Großbritannien, Schweden, Norwegen, Dänemark und Belgien. Außerhalb Europas haben Ägypten, Australien, Benin, Burkina Faso, Djibouti, Elfenbeinküste, Ghana, Guinea, Guinea-Bissou, Kanada, Kenia, Neuseeland, Niger, Senegal, Simbabwe, Tansania, Togo, Uganda, die USA sowie die Zentralafrikanische Republik Gesetze gegen die weibliche Genitalverstümmelung verabschiedet. Die Bestrafung reicht von einer Geldbuße bis zu lebenslanger Haft.

In Deutschland ist ein Gesetz, das die weibliche Genitalverstümmelung verbietet, nach Ansicht von Juristen nicht notwendig, da sie als einfache, gefährliche oder schwere Körperverletzung (§§ 223, 224, 226 StGB) oder Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) beziehungsweise Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 StGB) gilt und damit strafbar ist. Dies trifft auch dann zu, wenn der Eingriff auf Verlangen oder mit Einwilligung der Patientin oder ihrer Erziehungsberechtigten erfolgt, da er gegen die guten Sitten verstößt. Dem „Beschneider“ droht damit in Deutschland eine Freiheitsstrafe von bis zu 15 Jahren (Drucksache des Deutschen Bundestags Nr. 14/6682).

Dennoch bleiben rechtliche Fragen ungeklärt. Muss ein Arzt seine Schweigepflicht brechen, um ein gefährdetes Mädchen davor zu schützen, in ihrem Heimatland oder auch in Deutschland beschnitten zu werden? Bislang haben Ärzte in diesem Fall das Recht, ihre Schweigepflicht zu brechen, eine Meldepflicht wie zum Beispiel in Frankreich gibt es jedoch nicht. Ob Gesetze die Tradition der FGM wirksam bekämpfen können, ist umstritten.

Aufklärung ist wichtig

Bildungsprogramme, die ein Bewusstsein in der Bevölkerung der betroffenen Länder fördern, über die medizinischen Folgen informieren und über Menschenrechte aufklären, sollten die gesetzlichen Verbote zweifellos begleiten.
Die weibliche Genitalverstümmelung ist ein Problem, das durch zunehmende Migration auch in Deutschland immer häufiger werden kann. Um die Töchter betroffener Frauen zu schützen, sollten Präventionsgespräche stattfinden, in denen die medizinischen Folgen und die internationale Haltung angesprochen werden.
Die psychosozialen Beratungsstellen in Deutschland haben wenig Erfahrung mit den besonderen Problemen von Frauen mit weiblicher Genitalverstümmelung. Insbesondere in den Großstädten sollten diese Einrichtungen für das Konfliktfeld der FGM ausgebaut werden.
Aufgabe der Ärzte und Beratungsstellen ist es, den von weiblicher Genitalverstümmelung betroffenen Frauen eine Betreuung zu ermöglichen, die den kulturellen Hintergrund respektiert, einfühlsam reagiert und eine individuelle Lösung des Konflikts sucht.

Die vier Typen von FGM

Laut WHO werden vier Typen der weiblichen Genitalverstümmelung unterschieden.

Typ I: Die „Sunna“ beschreibt ursprünglich die Exzision der klitoralen Vorhaut. Der Eingriff wird in dieser minimalen Form nur selten durchgeführt, meist erfolgt die partielle oder totale Klitoridektomie.

Typ II: Es wird eine Klitoridektomie vorgenommen, und die kleinen Labien werden teilweise oder ganz entfernt. Das Ausmaß des Eingriffs variiert. Zusammen mit der „Sunna“ macht diese Form etwa 85 Prozent der FGM aus.

Typ III: Die „Infibulation“ oder „pharaonische Beschneidung“ beinhaltet die Entfernung von Klitoris, kleinen und großen Labien. Die Restvulva wird anschließend mit Seide vernäht oder mit Dornen verschlossen. Das Einführen eines Fremdkörpers verhindert ein vollständiges Verkleben der Wundränder, sodass eine kleine Öffnung für Urin und Menstruationsblut bleibt. Zum Geschlechtsverkehr muss die verbleibende Vaginalöffnung dilatiert werden. Trotz dieser schmerzhaften Prozedur ist der Verkehr oft nicht möglich, und es muss wie auch zur Geburt eine Defibulation durchgeführt werden.

Typ IV: Darunter werden verschiedene Formen der Genitalverstümmelung gefasst wie das Einstechen, Beschneiden, Dehnen oder Verätzen von Klitoris und Labien, das Ausschaben der Vagina und das Einschneiden von Klitoris und umliegendem Gewebe sowie der Vagina.

In Deutschland gibt es auch Hilfsorganisation die sich für die Aufklärung der Mädchen und Frauen vor Ort einsetzen – dazu gehört auch TARGET e.V von Rüdiger Nehberg.

Quellen:
– Deutscher Ärztebund
– Ärzte ohne Grenzen
– Prof. Dr. med. Heribert Kentenich

Fischbach an der Nahe am Fuße des Hunsrücks

Heute war ich nach vielen Jahren mal wieder in meinem ehemaligen Heimatort. Erinnerungen an viele Bewohner von Häusern kamen hoch.
Spielplätze als ich noch Kind und Jugendliche war, sind nicht mehr die Gleichen Plätze.
Der Schulweg zur Bushaltestelle war das „Pädsche“ runter zum Hiewel. Oder von der Staufenbergstaße (hat nichts mit Claus Schenk Graf von Stauffenberg zutun) auf die Flötz.

Die Borr war einst ein alter Steinbruch. In den 1930er Jahren wurde dort ein Fußballplatz errichtet. In den frühen 70er ein Kindergarten gebaut. Ich war mit anderen Kindern die ersten, die damals in diesen Kindergarten gingen. Da wir nur eine Straße weiter gewohnt hatten, sind wir über den Jägerzaun gestiegen und nach Hause gegangen, wenn wir auf den Kindergarten keine Lust mehr hatten.

Häuser die ich seit frühster Kindheit kenne, haben sich geändert – oder sind gleich geblieben. Viele Namen der Einwohner von meinem ehemaligen Wohnort kenne ich gar nicht – so auch die Menschen.

Heimat ist da wo man sich wohlfühlt. Ich kannte nur die kleine Welt in und um Fischbach. Heute kenne ich vieles von der großen weiten Welt.

Die Fischbacher werden auch Fischbacher Eulen genannt.

Nach dem Bergwerk kamen die Achatschleifen in den Ort.

Schön, sexy und begehrenswert – oder künstlich, seelenlos und verascht

Aitana Lopez

Dies ist eines von tausenden Fotos von dem spanischen Supermodel Aitana Lopez.
Millionen Follower – meist Männer, begeheren diese Schönheit und daten sie täglich.
Aitana verdient an manchen Tagen bis zu 10.000 € durch ihre Fotos.

Aitana ist aber nicht real! Sie ist das Ergebnis von KI.
Künstliche Intelligenz ist in vielen Bereichen unseres Lebens bereits vorhanden – und es wird immer mehr werden.
Wenn wir unser Smartphone, Tablet oder was auch immer wir benutzen, um im Internet etwas zu suchen oder anzuschauen, ist die KI bereits dabei. Gibt man nur mal den Suchbegriff: Goldfisch, bei einer Suchmaschine ein, werden die Algorithmen in den folgenden Tagen, Wochen oder gar Monate immer mal wieder etwas über diesen Suchbegriff anzeigen. Ob Kaufangebote oder Themengruppen auf Sozialen Netzwerken. Die KI lenkt uns durch unzählige Prozesse. Sei es Suchassistenten, Spamfilter, Navigation, Sprachsteuerung und vieles mehr.
Wer nicht aufpasst kommt sehr schnell in einen Zirkel aus Menschen mit gleicher Meinung oder Gesinnung. Ob es vor noch nicht all zu langer Zeit die Corona Schwubbler oder die Fanboys von rechtspopulistischen Parteien und Gruppierungen. Gerade jene beiden Gruppen, die sich immer über die Manipulation der Medien aufgeregt haben, wurden und werden am meisten manipuliert – und raffen es nicht. „Die Mehrheit steht hinter uns.“ Wurde und wird immer behauptet. Falsch! Die Algorithmen – also die KI, lässt diese Menschen glauben, dass sie in der Mehrheit sind.
Falschaussagen und oftmals manipulierte Bilder und Videos werden durch die Algorithmen angezeigt und immer weiter verbreitet. Das WIR Gefühl wächst in den Gruppen und Köpfen derer, die dies alles glauben – so auch an Aitana Lopez.

Die KI steht vor einer nächsten Stufe der Entwicklung und noch mehr Menschen werden an der Nase herumgeführt. Die virtuelle Welt ist bald von der realen Welt nicht mehr zu unterscheiden. Dieser Gefahr der Manipulation sollte man sich bewusst sein, wenn man bei der nächsten Suchanfrage bei einer Suchmaschine einen Begriff eingibt.

Anm.: Die Fotos sind von den vielen Sozial Media Accounts von Aitana Lopez

Aus 30 Jahre Bahnreform wurde ein Trauerspiel

Die Deutsche Bahn bekommt ab dem 1. Dezember 2023 mächtig viel Geld über die gestiegene Lkw Maut – 83% mehr als noch im November 2023. In 30 Jahren wurde die Bahn buchstäblich aufs Abstellgleis gefahren.

Autorin Naike Juchem

Es gibt viele Stimmen, von Bürger die wenig Ahnung haben, dass man den Güterverkehr auf die Schienen bringen soll, damit die Straße nicht vor einem weiteren Kollaps steht. Dies ist ein schöner Gedanke. Leider kaum realistisch – weil in den vergangenen Jahren 15.000 Kilometer Schienen abgebaut wurden. Auch fehlen der Bahn tausende Stellwerksmitarbeiter, Lokführer, Loks, Waggons und so ein paar Kleinigkeiten mehr. Gleiches gilt für marode Brücken und Schienenverkehrswege.

Der Bund pumpt seit Jahrzehnten Unsummen an Geld in einen Konzern, der irgendwie privatisiert wurde und dann durch die Hintertür doch wieder Geld bekommt. So wurde im Januar 2019 ein „Fünf-Punkte-Plan“ vorgestellt, der u.a.eine Stärkung des Schienengüterverkehrs durch den Bund geförderte Investitionen für die Infrastruktur in Höhe von 11 Milliarden Euro vorsah.
Das Bahneigene Schienennetz hat eine aktuelle Länge von 33.469 Kilometer.  Wenn die Wunschprognosen von mehr Güter auf die Schiene greifen soll, wird es sowohl für den Personennah- wie Fernverkehr und auch für den Güterverkehr ziemlich voll auf den Schienen. Dann ist die Überlegung was bleibt stehen und was hat Vorrang.

Aktuell belaufen sich die Schulden der Deutschen Bahn bei über 28 Milliarden Euro.

Im Oktober 2023 gab die Deutsche Bahn den Verkauf ihres Tochteunternehmens Arriva, welches in zehn europäischen Ländern Bussbetriebe, Autohäuser, Sprachschulen und weitere Geschäfte betrieb – und  auch viele Verluste schrieb, für 1,6 Milliarden. Euro an den US-Konzern I Squared Capital bekannt. Das Geld aus dieser Transaktion möchte die Deutsche Bahn in die Modernisierung und den Ausbau der Infrastruktur aufwenden.

Bereits im März 2023 hat der Bundesrechnungshof in einem Sonderbericht zur Dauerkrise der Deutschen Bahn AG die „avisierte Fokussierung in der Konzernstrategie ‚Starke Schiene‘“ als „eine weitgehend wirkungslose Worthülse“ bewertet.

Im Bundesfernstraßenmautgesetz steht folgendes: Die Verwendung der Mauteinnahmen wird neu geregelt. Die Hälfte der Mauteinnahmen ist weiterhin zweckgebunden für die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur für die Bundesfernstraßen zu verwenden und im Übrigen für Maßnahmen aus dem Bereich Mobilität und dabei ganz überwiegend für Maßnahmen aus dem Bereich Bundesschienenwege.

Es bleibt abzuwarten wie die Bahnreform in den nächsten 30 Jahren aussieht und sich entwickeln. Immerhin kann die Deutsche Bahn nun sagen, dass sie den Steuerzahler nicht weiter belasten wird, denn der Lkw bezahlt nun mit der Straßenmaut die Verluste und die ersehnte Infrastruktur. Dafür will der Bund bis zum Jahr 2029 fast 30 Milliarden Euro geben.

Naike Juchem, 06. Dezember 2023

Wilhelm Gustloff

Die Wilhelm Gustloff                            Photo by Pinterest

Am 5. Mai 1937 war der Stapellauf das deutschen Kreuzfahrtschiff „Wilhelm Gustloff“ in Hamburg. Adolf Hitler war bei der Tafe zugegen.

Autorin Naike Juchem

Die Zeit von ihrer Indienststellung bis zur Übergabe als Lazarettschiff, im September 39, war für die „Gustloff“ ziemlich unspektakulär. Nach dem Kriegsbeginn wurde die „Wilhelm Gustloff“ der Kriegsmarine als Lazarettschiff übergeben und lag als Wohnschiff in Gotenhafen – dem heutigen Gdynia.

Bei ihrer Versenkung durch das sowjetische U-Boot S-13 vor der Küste Pommerns, kamen am 30. Januar 1945 mehr als 10.000 Menschen ums Leben – genau weiß es niemand.
Bezogen auf ein einzelnes Schiff gilt der Untergang der „Wilhelm Gustloff“ als die verlustreichsten Schiffskatastrophen der Menschheitsgeschichte.

Im Januar 1945 rückt die Rote Armee immer weiter vor, und so sollte die „Wilhelm Gustloff“ als eines der letzten Schiffe Soldaten und Flüchtlinge aus Ostpreußen über die Ostsee nach Westen bringen.
Da die „Gustloff“ war inzwischen militärisch grau gestrichen – obwohl für neutrale Schiffe nach internationalem Seerecht die Farbe Weiß vorgeschrieben war.

Die letzte Fahrt der „Wilhelm Gustloff“ mit fatalen Fehler

Kapitän Petersen und drei weitere Kapitäne waren an Bord. Sie kannten die drohende Gefahr durch sowjetische U-Boote, konnten sich aber nicht auf ein angemessenes Vorgehen einigen und rungen stundenlang miteinander um eine Antwort auf die Frage, wie und wann das Schiff seinen gefahrvollen Weg nehmen sollte. Der militärische Kommandant, 
Korvettenkapitän Wilhelm Zahn, schlug vor, abgedunkelt durch flache Küstengewässer zu fahren, in denen U-Boote nicht operieren konnten. Er setzte sich jedoch nicht gegen Kapitän Petersen durch, der sich angesichts der Überladung des Schiffes für eine Route durch tiefes Wasser nördlich entlang der Stolpe-Bank 
entschied.
Die letzte und todbringende Reise der „Gustloff“ beginnt um 13:10 Uhr. Mit schätzungsweise über 10.000 Menschen an Bord. Darunter 162 Verwundete, rund 340 Marinehelferinnen und 1.100 U-Bootsoldaten.
Zum Zeitpunkt des Auslaufens wurden offiziell 7.956 Menschen registriert. Es wird geschätzt, dass weitere 2.500 Flüchtlinge den Weg auf die „Gustloff“ fanden. Auf Befehl sollten statt der 18 Motorrettungsboote für je 96 Personen nur 4 mitnehmen werden. Bei dem sowieso schon vollausgeladenen Schiff, ist diese Maßnahme nicht nachvollziehbar.

Nach Stop vor der Halbinsel Hel, kam der Befehl zum Weitermarsch, denn die Marinesoldaten der 2. U-Boot-Lehrdivision, sollten nach Kiel gebracht werden, um erneut in den Kriegseinsatz zugehen.
Trotz feindlicher U-Bootwarnung und mangelhafter Geleitsicherung, von zwei Schiffen und später noch durch das Torpedoboot „Löwe“ , setzte die „Gustloff“ ihre Fahrt fort.

Ein vermeintlicher Funkspruch der Kriegsmarine veranlasste Kapitän Petersen zudem die Positionslichter zu setzen, um eine Kollisionsgefahr mit einem angeblich entgegenkommenden Minenlegergeschwader zu verringern. Durch diese Maßnahme war das Schiff in der Dunkelheit auszumachen. Tatsächlich befand sich kein Minensucher auf Gegenkurs mit der „Gustloff“. Anlass und Absender des Funkspruchs konnten nie geklärt werden.

Auf der Höhe von Stolpmünde wurde die „Gustloff“ gegen 21 Uhr von dem sowjetischen U-Boot S-13 gesichtet. Um 21:16 Uhr ließ dessen Kommandant,
Alexander Iwanowitsch Marinesko, aus etwa 700 Metern Entfernung vier
Torpedos abschießen. Ein Torpedo klemmte, drei trafen die „Gustloff“ am Bug, unter dem E-Deck und im Maschinenraum. Durch den Treffer im Maschinenraum brach die Stromversorgung ab.

Notrufe die viel zu spät registriert wurden

Unmittelbar nach der Torpedierung ordnete Kapitän Petersen den diensthabenden Funkern der U-Boot-Lehrdivison die Aussendung eines Notrufs über Funk an. Die „Gustloff“ verfügte über drei Funkanlagen mit größerer Reichweite, die erst drei Tage zuvor in der Werft in Gotenhafen installiert wurden. Durch den Stromausfall an Bord war die Funkanlagen unbrauchbar. Ferner wurden durch die Explosionen an Bord die Röhren der Sender und Empfänger beschädigt. Ein Notruf via Funk durch die Funkstation war also unmöglich, unter anderem auch deshalb, weil die Batterien für den Notbetrieb nicht geladen waren. Auf der Brücke befand sich ein tragbares UKW-Sprechfunkgerät, welches aber über eine sehr geringe Reichweite von wenigen Tausend Metern verfügte, und nur zur Kommunikation innerhalb eines Konvois diente.

Der 20-jährige Funkgefreite Rudi Lange versendete über dieses Funkgerät Notrufe, doch wurden die Funksprüche anfangs von keinem empfangen. Das Torpedoboot 
„Löwe“ verfügte zwar über Empfangsmöglichkeiten, doch war die Station zum Zeitpunkt des Untergangs nicht besetzt. Erst nachdem die Gustloff rote Leuchtsignale geschossen hatte, nahm die „Löwe“ Kontakt mit der „Gustloff“ auf, und verbreitete den Funkspruch um 21:30 auf der Frequenz der U-Bootflotte – aber nicht auf der Frequenz der zuständigen Leitstelle Oxhöft der 9. Sicherungs-Division.
Wegen dieser falsche Frequenz erfuhr die Leitstelle und die angeschlossenen Schiffe viel zu spät vom Notruf der „Gustloff.“

Ein Alptraum unter Deck von einem der wenigen Überlebenden

Der Torpedotreffer mittschiffs hatte das leer gepumpte Schwimmbad im Unterdeck getroffen. Dies war die Notunterkunft vieler Marinehelferinnen. Dort spietlen sich grauenvolle Szenen ab. „Unter den Füßen der Flüchtenden waren Menschenleiber, meist Frauen und Kinder, gefallen, niedergerissen, totgetrampelt“, erinnert sich der Überlebende Heinz Schön, damals ein 18-jähriger Zahlmeister-Assistent. „Willenlos wurde ich nach oben getragen, eingeklemmt in ein tobendes schreiendes Menschenbündel, in dem sich einer an den anderen klammert. Auf den zwei Meter breiten Treppen hoch zu den Decks bildete sich schnell ein Teppich aus Toten. Es starben Schwache, es starben Kinder, und es starben diejenigen, die den Gestrauchelten aufhelfen wollten.“ So Schön in einem Interview.

Der Kampf um die vier Rettungsboote

Vor Heinz Schön stehen zwei Offiziere der Kriegsmarine mit entsicherten Pistolen: „Nur Frauen und Kinder!“ Ein alter Pfarrer drückt Schön ein Baby aus der Entbindungsstation in die Hand, der Pfarrer selbst trägt die Mutter. Ein Leutnant schafft ihnen Platz.

Herbeieilende Schiffe konnten nur 1.252 Menschen retten, darunter alle vier Kapitäne und den Marinemaler  Adolf Bock, dessen Berichte und Bilder später unter anderem im Stern veröffentlicht wurden. Das Torpedoboot „Löwe“, das die „Wilhelm Gustloff“ begleitet hatte, rettete 472 Menschen, das hinzugekommene
Flottentorpedoboot T 36 unter Kapitänleutnant Robert Hering weitere 564 Überlebende aus Booten, von Flößen und aus dem Wasser. T 36 wurde während der Rettungsaktion ebenfalls von S 13 angegriffen, wehrte sich aber mit Einsatz von Wasserbomben, worauf das sowjetische U-Boot abdrehte. 
Das Minensuchboot M 341 rettete 37, der Marinetender TS II 98, das Minensuchboot M 375 43 und der Frachter „Göttingen“ 28 Menschen. Zwei wurden in den Morgenstunden von dem Frachter „Gotenland“ geborgen, sieben von dem Torpedofangboot TF 19, ein Kleinkind vom Vorpostenboot Vp 1703.

Nur wenige Minuten nach den Torpedotreffern passierte der Schwere Kreuzer „Admiral Hipper: die sinkende „Wilhelm Gustloff.“ Der Kommandant der „Admiral Hipper“ entschied jedoch, nicht anzuhalten, um an der Bergung der Schiffbrüchigen teilzunehmen. Seine Begründung, man habe Torpedolaufbahnen gesehen und daher nicht angehalten, wurde von Experten angezweifelt. Da ein U-Boot längere Zeit zum Nachladen braucht, konnte die „Admiral Hipper“ ohne Probleme Kiel erreichen.

Gegen 22:15 Uhr, sank die „Gustloff“ etwa 12 Seemeilen von der pommerschen Küste bei Leba und liegt in 45 Meter Tiefe.

Abschießen die Frage, ob die Torpedierung der „Gustloff“ als Kriegsverbrechen eingestuft werden kann

Einfache Antwort: Nein

Die Torpedierung war kein Kriegsverbrechen, da Wehrmachts Soldaten vor dem Auslaufen der „Gustloff“ notdürftig ein paar Flakgeschütze auf das oberste Deck montierten, galt das Schiff somit als Kriegsschiff.
Die Versenkung war vielmehr eine Tragödie, die in erster Linie durch Gewissenlosigkeit verursacht worden war – nach Stop vor der Halbinsel Hel und dem Befehl zur Weiterfahrt.
Da Hitlers Reichsregierung die Ostsee am 11. November 1944 zum sogenannten Operationsgebiet erklärte und Deutsche Kriegsschiffe den Befehl hatten, „auf alles zu feuerten was schwimmt“, sind sich die Experten einig,  dass die dann auch für den Gegner galt. Außerdem hatte die Sowjetunion nie eine der Konventionen zur Seekriegsführung unterzeichnet.

Heute liegt das Wrack zwölf Seemeilen vor der polnischen Küste, in der Nähe des Kurorts Leba in 45 Metern Tiefe. In polnischen Seekarten ist es als Navigationshindernis Nr. 73 verzeichnet.

Warum mir diese Tragödie so wichtig ist, möchte ich auch gerne schreiben.
Eine meiner Freundinnen kommt aus Polen und deren Mutter war auf dem vorrausfahren Schiff gewesen.
Eine andere Freundin kommt aus Gdynia und durch sie und ihre Schwester habe ich über die „Wilhelm Gustloff“ sehr viel erfahren.
Im Oktober 2020 und September 2021 war ich im Marine Museum in Gdynia und las erschütternde Berichte von Menschen, die in den nachfolgenden Tagen tausende Todesopfer an den Stränden der Danzigerbucht sahen.

Quellen:
– Polanska Radio
– Marine Museum Gdynia
– Dr. Willi Kramer
– Christopher Dobson: Die Versenkung der „Wilhelm Gustloff „

Das Chaos in Afghanistan

Afghanistan ist seit 70 Jahren der Spielball der Nationen und kaum jemand weiß es.

Um die Lage von Afghanistan zu begreifen, muss man die Machenschaften der UdSSR, CIA, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emirate kennen; und zum anderen in der Geschichte weiter zurückgehen.

Autorin Naike Juchem

Ende der 70er Jahren kam Afghanistan hin und wieder in den Medien vor, als die UdSSR in Afghanistan intervenierte. Die UdSSR war eine Weltmacht und sah eine Bedeutung durch die USA mit ihrer Kriegsmarine und Atombomben.
Das Territorium der UdSSR umfasste nach dem zweiten Weltkrieg eine Fläche von 22,4 Millionen Quadratkilometern. Dies war fast ein Sechstel des Festlandes der Erde. Von der West-Ost-Richtung erstreckte sich die UdSSR vom Schwarzen Meer, der 
Ostsee bis hin zum nördlichen Pazifischen Ozean.
Die UdSSR hat trotz dieser gewaltigen Größe keinen geografischen Zugang zum südlichen Pazifik, bzw. Indischen Ozean. Um auch dort mit der seiner Marie präsent sein zu können, wollte man einen Korridor von Usbekistan, was zur Russischen Föderation gehörte, durch Afghanistan und Pakistan. Da Pakistan an der Küste des Arabischen Meeres, eines Nebenmeeres des Indischen Ozeans liegt, wäre der militärische Zugang in den südlichen Pazifik gesichert gewesen.

Dieses Vorhaben scheiterte am Widerstand der Mujahideen, die umfassend mit finanzieller, materieller und personeller Unterstützung aus den arabischen Staaten profitiert habe.  Hier sei die CAI, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Pakistan erwähnt.
Der Begriff Mujahideen verwenden Muslime um diejenigen zu beschreiben, die sich als Krieger im Namen Allahs für den Islam zu kämpfen sehen. Das Wort ist von der gleichen arabischen Wurzel wie der Dschihad – der heilige Krieg.

Ein Sinnloser Krieg gegen einen unsichtbaren Feind

Im Februar 89 beendeten die UdSSR einen Sinnlosen Krieg und zogen sich aus Afghanistan zurück. Was übrig blieb war ein Chaos aus innenpolitischer Zerstrittenheit und ein Land das wirtschaftlich am Boden lag.
Durch den Rückzug der UdSSR sahen sich die Mujahideen als „Arbeitslos“ und durch die Zerstrittenheit der vielen Ethnien im Land, sahen diese nun endlich die Möglichkeit einen Gottesstaat nach ihrem Willen aufzubauen. Auch hier waren Religionsgelehrte aus dem arabischen Raum im Hintergrund.

Kaum ein anderes Land der Welt befindet sich seit so langer Zeit in einem permanentem Kriegszustand. Im Zuge dieses Kriegs wurde das gesamte
Land in Schutt und Asche gebombt; 1,5 Mio. Menschen verloren ihr Leben. Weitere Kriegsfolgen sind die Erblast von über 10 Mio. Anti-Personen Minen ( in keinem anderen Land der Welt liegen mehr Minen), eine Analphabetenrate von über 90 % und
die Flucht von zeitweise bis zu 6,5 Mio. der 14 Mio. Einwohner Afghanistans nach Pakistan und Iran.
Auf den ersten Blick gleicht der Afghanistankrieg einem undurchsichtigen Chaos, in dem andauernd neue Fraktionen auftreten, die sich in ständig wechselnden Koalitionen bekämpfen. Jedoch lassen sich auf den zweiten Blick zwei Konfliktebenen unterscheiden: Zum einen gibt es die internationale Konfliktebene, da der Afghanistankrieg stark von den sicherheitspolitischen, wirtschaftspolitischen und ideologischen Interessen ausländischer Mächte, insbesondere seiner Anrainerstaaten, bestimmt wird. Zum anderen gibt es
die innerafghanische Konfliktebene, auf der zunehmend Ethnizität an Bedeutung gewinnt. Beide Konfliktebenen sind miteinander verzahnt und haben in den Kriegsparteien ihre Überschneidungs-
punkte. Daher wird die Zukunft von Afghanistan nur jene gestalten können, die langfristig die Fraktionen militärisch und politisch behaupten. Da es an ausländischer Unterstützung für die Taliban nicht mangelt, ist ein erneuter Krieg unumgänglich.

Um Afghanistan zu begreifen, muss man in der Geschichte zurückgehen

Ein Reich mit der Bezeichnung Afghanistan existiert seit 1747. Afghanistan in seinen heutigen Grenzen entstand jedoch erst Ende des 19. Jahrhunderts als Pufferstaat zwischen den Interessengebieten der Kolonialmächte Britisch-Indien und
Rußland. In dieser Staatsgründung war das wesentliche Konfliktpotential Afghanistans schon von Anfang an angelegt.
Bei Afghanistan handelt es sich um einen Vielvölkerstaat, in dem über 50 ethnische Gruppen leben. Die größte Ethnie sind die segmentär organisierten Paschtunen, die in verschiedene Stammesverbände zerfallen; die Konföderationen der Durrani und Ghilzai bilden die umfaßendsten paschtunischen Stammeseinheiten. Weitere wichtige ethnische Gruppen sind die Usbeken in Nordafghanistan und die Hazara im zentralen Hochland. Unter der Sammelbezeichnung Tadschiken
wird die persischsprachige, sunnitische Bevölkerung Afghanistans zusammengefaßt.

Die ethnische Vielfalt in Afghanistan drückte sich seit Jahrzehnten in der gesellschaftlichen Schichtung aus. Die Paschtunen erschienen nach außen hin als die staatstragende Ethnie. Sie stellten
von 1747 bis 1973 mit dem Königshaus, das dem durranischen Stammesverband angehört, die Spitze des Landes. Auch die traditionelle Elite bestand in ihrer Mehrheit aus paschtunischen Adligen. Die Tadschiken bildeten das Gros der Mittel-
schicht, weshalb sie die Wirtschaft und staatliche Verwaltung dominierten. Die Usbeken hatten auf den afghanischen Machtapparat nur wenig Einfluß
und waren weitgehend auf ihren Siedlungsraum beschränkt. Die Hazara bildeten aufgrund ihres turko-mongoliden Aussehens und ihrer schiitschen Konfession eine marginalisierte Ethnie, die
weitgehend von der Partizipation an den gesellschaftlichen Ressourcen ausgeschlossen bleibt.

Die CIA tragen eine Mitschuld an dem Chaos in Afghanistan *

Der auf Drogen aufgebauten Irrsinn zeichnete sich ab, als der weltweite Drogenhandel sich auf dem Tiefpunkt seiner jüngeren 200-jährigenGeschichte befand: mitten im Zweiten Weltkrieg. In den USA war der Reinheitsgehalt illegalen Heroins von 28 Prozent 1938 auf nur drei Prozent drei Jahre später gefallen – ein Rekordtief. Zugleich hatte die Anzahl der Süchtigen rapide abgenommen: Nur noch etwa 20.000 waren es1944/45, ein Zehntel derjenigen, die noch 1924 gezählt worden waren.

Ende der 40er Jahre sah es ganz danach aus, als würde die Heroinsucht in den USA ein unbedeutendes Problem werden. Innerhalb eines Jahrzehnts jedoch blühten die Drogensyndikate wieder, die asiatischen Mohnfelder dehnten sich aus, in Marseille und Hongkong schossen Heroinraffinerien aus dem Boden. Der Grund für diese Erholung des Heroinhandels ist in einer Abfolge von CIA-Bündnissen mit Drogenhändlern zu finden.
Die CAI unterhielt sehr enge Kontakte zu korsischen Drogensyndikate in Marseille, nationalchinesischen Truppen in Birma und korrupten thailändischen Polizisten.

* lesen Sie hierzu den externen Berich: Die CIA und ihr Opium

Eine unlösbare Zwickmühle

Die weltweit zunehmende islamistische Gewalt, der Staatszerfall in Asien und Afrika und der daraus resultierende Flüchtlingsstrom nach Europa zwingen die internationale Gemeinschaft, sich verstärkt mit der Befriedung von Krisenregionen und mit gesellschaftlichem Wiederaufbau zu beschäftigen. Wie man aber Lösungen für die Konflikte und Kriege erarbeiten will, sind äußerst schwierig, da zu viele Interessen an politischen, wirtschaftlichen und nicht zuletzt religiösen Gründen auf keine Einheit hinauslaufen werden – und dies auf dem Rücken der zivilgesellschaft ausgetragen werden.

Nach fast 20 Jahre des internationalen  ISAF Einsatz in Afghanistan herrscht in der Öffentlichkeit die Ansicht vor, der ISAF Einsatz sei generell fehlgeschlagen. Zwar waren fast alle militärischen Operationen zur Bekämpfung der Taliban von Erfolg gekrönt, und dennoch gelang es trotz gewaltiger finanzieller und personaler Anstrengungen nicht, eine stabile politische und funktionierende Verwaltung, sowie eine effektive Justiz zu etablieren.
Ebenso ist ein Großteil der afghanischen Bevölkerung der Meinung, die Lasten des Krieges seien ungerecht verteilt worden und sie hätte vom bisherigen Wiederaufbau nicht ausreichend profitiert.
Bei Frauenrechten, Bildung, Gesundheit und Medien kann die internationale Allianz erfolgreiche Erfolge vorweisen, aber leider stehen diese Errungenschaften auf sehr
wackeligen Beinen, da ihnen die ökonomische und gesellschaftliche Unterstützung fehlt.
Die internationalen Beziehungen zwischen Deutschland und Afghanistan gibt es schon seit 1919. Während der kritischen Sicherheitslage von Mitte der 1980er-Jahre bis 2001, hatte Deutschland kein Botschaft in Afghanistan unterhalten. Erst nach der Afghanistan-Konferenz von 2001 wurde wieder ein deutsches Verbindungsbüro in Kabul eingerichtet, das im Folgejahr wieder zur Botschaft aufgewertet wurde. Die deutsche Botschaft war die erste diplomatische Vertretung eines Staates in Afghanistan nach Ende des Taliban-Regimes.
Afghanistan liegt laut der Weltbank beim Investitionsklima auf Platz 162 von 175 untersuchten Ländern. 60 Unternehmen aus Deutschland waren schon kurz nach dem Sturz des Taliban-Regimes in Afghanistan vertreten.
Während die großen deutschen Konzerne zumeist mit Subunternehmen in Afghanistan tätig sind, unterhalten vor allem kleine und spezialisierte deutsche Firmen Vertretungen in dem Land. Siemens baut zum Beispiel das Telefonnetz aus und ist an der Modernisierung von zwei Wasserkraftwerken beteiligt. Der Essener Baukonzern Hochtief repariert und baut Straßen.
Die in Hamburg lebende Familie Rahimi, hat das 1968 in Kabul gegründete Hoechst-Werk vor einigen Jahren gekauft und stellt dort Hustensaft, Schmerzmittel und Antibiotika her. Die Afghanistan Investment Support Agency, wirbt damit, dass ihr Land als einen der weltweit am schnellsten wachsenden Märkte anpreist und seit 2003 bereits 2,4 Mrd. Dollar investiert wurden. Der Internationale Währungsfonds rechnete im Jahr 2007 mit einem Wirtschaftswachstum in Afghanistan von zwölf Prozent.

Die Meinung der meisten in Afghanistan
engagierten Staaten lässt sich mit wenigen Worten beschreiben: Sicherheit ist Voraussetzung für politische Stabilität und politische Stabilität für wirtschaftlichen Aufbau. Heute ist klar, dass diese Strategie nicht funktioniert hat.

Alle Bemühungen der Alliierten für Sicherheit und Ordnung in Afghanistan aufzubauen, sind am Tag mit den „Friedensgesprächen“ in Doha, zwischen den USA und der Taliban gescheitet. Die USA lies mit ihrer Unterzeichnung das Volk von Afghanistan ins offene Messer laufen.
Dieses perfide Abkommen mit Terroristen und das Versprechen, die USA werde ihre Truppen abziehen, war der ungehinderte Zugang der Taliban, um wieder die Herrschaft über Afghanistan zu gewinnen.
Nichts wurde in all den Jahren an Frieden und Sicherheit gewonnen.

Die Lage in Afghanistan hat sich seit Mai 2020 dramatisch verschlechtert und mit jedem weiteren Tag rücken die Taliban in immer mehr Städte und Provinzen vor.
Es ist abzusehen, dass ohne Alliierte Hilfe Afghanistan erneut ins Mittelalter katapultiert wird. Da im letzten Jahr China schon Truppen in die Nähe von Afghanistan verlegt hat, ist nun die Frage, wer wird als erstes das aufkommenden Taliban-Regiem bekämpfen.

Die unglaublich Menge an Resourcen werden einen nächsten Krieg nicht verhindern

Der run auf Resourcen hatte nach dem Sturz des Taliban-Regimes schon einige Länder auf den Plan gerufen.
Die Türkei mischt seit 2001 in dem NATO geführten ISAF Einsatz kräft mit und arbeitete in Afghanistan mit den selben Instrumenten wie die anderen Staaten: Streitkräfte, Institutionen
der Entwicklungszusammenarbeit und Hilfsorganisation. Die Türkei hat aber zwei weitere Punke im Blick: die  Außenwirtschaftspolitik und Investitionen durch private Firmen.
Bereits 2001 hatte die Türkei ihr ökonomisches Interessen klar definiert: der Energie- und im Transportsektor.
Die nachgewiesenen Öl- und
Gasbestände in Afghanistan sind mittel- und langfristig für die türkische Wirtschaft
genauso interessant wie auch chinesische Pläne, neue überregionale Transportwege (Projekt Seidenstraße) zu bauen, die durch Afghanistan bis nach Anatolien führen soll.

Die Ressourcen sind Fluch und Segen für Afghanistan. So haben US-amerikanische Geologen vor 10 Jaher riesige Vorräte an Lithium, Kupfer, Eisen und Gold entdeckt, die bis zu 1000 Milliarden Dollar wert sein sollen. Die Vorräte an Kupfer, Lithium, Eisen, Gold und Kobalt reichten aus, das Land zu einem weltweit führenden Rohstoffexporteur zu machen. Afghanistan hat somit das Potenzial, zum „Saudi-Arabien des Lithiums“ zu werden. Lithium wird für wiederaufladbare Batterien gebraucht – für Handys, Laptops oder Elektroautos.
Die US-Geologen beschreiben zudem große Vorkommen von „seltenen Erden“, die für nahezu alle Hightech-Produkte gebraucht werden und die zu 97 Prozent in China abgebaut werden. Westliche Exportunternehmen sind auf solche Rohstoffe angewiesen. Käme der Abbau von Bauxit in der Nähe von Baghlan in Gang, könnte gleichzeitig der seltene Rohstoff Gallium gewonnen werden, der etwa für Dünnschicht-Solarzellen gebraucht wird.
Der Sensationsfund könnte das Rückgrat der Wirtschaft werden. Der Nachteil wird die weitere Destabilisierung der Region werden. Durch eben jene Vorkommnisse könnte Afghanistan zum geopolitischen und geoökonomischen Brennpunkt der Welt werden.

Die Geschichte zeig, dass solche Ressourcen für die betroffenen Länder eher Fluch als Segen sind. Gleiches ist heute schon im Kongo zu sehen.

Entdeckt wurden viele der Rohstoffreserven mithilfe von Karten- und Datenmaterial sowjetischer Bergbauexperten, die noch aus der Zeit der sowjetischen Besatzung in den 80er Jahren stammen. Nach dem Rückzug der sowjetischen Truppen und dem darauffolgenden Chaos nahmen afghanische Geologen die Karten an sich und brachten sie nach dem Sturz der Taliban 2001 in offizielle Dokumentensammlungen zurück. Dort fanden die US-Geologen die Aufzeichnungen 2004 und stellten auf ihrer Basis eigene Forschungen an. 2007 bereits veröffentlichten sie Berichte über die zur Rede stehenden Riesenvorkommen, allerdings ohne auf großeres Interesse der Regierung zu stoßen. Erst 2009 wurde eine Pentagon-Abteilung zur Wirtschaftsförderung auf die Erkenntnisse aufmerksam und ließ die Unterlagen nochmals prüfen.
Nun bleibt abzuwarten, wie politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich dieses enorme Kapital einsetzen lässt um eine weitere Eskalation des Terrors zu verhindern.

2012 investierte TPAO, die staatliche Ölfirma der Türkei, 100 Millionen US-Dollar und startete Bohrungen auf bereits explorierten Öl- und Gasfeldern im Norden Afghanistans.
Die eigenen Interessen offen zu verfolgen hat der Türkei bislang nicht geschadet. Im Gegenteil, die afghanische Seite sieht sich eher auf gleicher Augenhöhe, wenn sie als
Wirtschaftspartner und nicht als Hilfeempfänger angesprochen wird. Etlichen türkischen Bauunternehmen
gelang es in relativ kurzer Zeit, auf dem afghanischen Markt Fuß zu fassen. Im Hoch- und Tiefbau hatten sie in den ersten Jahren des westlichen Engagements mehrere Nato-Aufträge übernommen. Dank der Erfahrungen, die sie dabei sammelten, konnten sie sich später größere öffentliche Bau- und Infrastrukturprojekte sichern.
So wurden mehrere Abschnitte der afghanischen Ringroad, die die größeren Städte des Landes miteinander verbinden soll, von türkischen Unternehmen gebaut.
Auch in der Handelspolitik machte die Türkei lokale wirtschaftliche Engpässe für die eigene Wirtschaft zu nutzte. So sind türkische Geschäftsleute auf dem afghanischen Markt stark vertreten. Türkische Produkte sind begehrt.
Oft sind sie der chinesischen, pakistanischen und iranischen Konkurrenz qualitativ überlegen und bezahlbar. Ein Vorzug türkischer Unternehmer ist zweifellos, dass sie risikobereiter sind als die meisten europäischen und US-amerikanischen Unternehmen.

Auch türkische Unternehmer und ihre Mitarbeiter wurden entführt oder gar getötet. Dennoch haben sie es größtenteils vermieden, sich hinter hohen Mauern und Stacheldraht zu verschanzen. So vermittelten sie den Einheimischen das Gefühl, sich nicht von ihnen abzuheben. Türkische Firmen werden vor Ort aber auch deshalb geschätzt, weil sie afghanische Arbeitskräfte einsetzen. Zwar ist der Verdienst bescheiden, doch einen Arbeitsplatz zu haben ist in Afghanistan mit seiner extrem hohen Arbeitslosigkeit bereits ein Privileg.

Die Türkei zieht die Fäden im Hintergrund

Die Türkei befürwortet eine regionale Lösung des Konflikts und initiierte deshalb den sogenannten Istanbul-Prozess. Die Türkei bindet darin nicht nur alle Nachbarn Afghanistans ein, sondern kooperiert auch mit USA, Russland, China sowie auch mit Großbritanien und Deutschland.
Türkische Generäle hatten mehrfach die Leitung verschiedener Teile der ISAF-Truppen. Zweimal kommandierten türkische Offiziere den gesamten ISAF-Einsatz. Dreimal übernahm die Türkei
die Verantwortung für die Sicherheit in der
Hauptstadt Kabul und in der Provinz Wardak. Heute schützen türkische Truppen den internationalen Flughafen in Kabul – auch dies aus wirtschaftlichen Gründen, für deren Export.
Auch ist die Türkei maßgeblich an der
Ausbildung der Afghanischen Natio-
nalarmee und der Nationalpolizei beteiligt und finanziert mehrere Militärschulen. So kommen Waffen aus Deutschland, Frankreich und Israel legal ins Land. Da die türkischen Geheimdienste mit internationalen Partnern zusammen arbeiten, ist es für andere Dienste sehr schwer – wenn nicht gar unmöglich, dieses Netzwerk zu durchschauen.

Ein falsches Spiel von „Brüder im Glauben“

Ungeachtet dieser engen Zusammenarbeit wird die türkische Beteiligung an
militärischen Maßnahmen oft nur als symbolisch bezeichnet. Denn die Türkei hat es von Beginn an abgelehnt, sich an militärischen Aktionen gegen die Taliban, an der Terrorbekämpfung, aber auch an Operationen gegen die Produktion von Drogen und den Handel mit ihnen zu beteiligen; selbst bei der Minenräumung enthält sich die Türkei.
Die Türkei sieht sich nicht als Besatzungsmacht und signalisieren – mit Erfolg, der afghanischen Bevölkerung.  Das dieser „brüderliche Glaube“ sehr zum Nachteil der Bevölkerung werden kann, wird seit Jahren nicht gesehen – und dies ist ein fataler Fehler in anbetracht der immer stärker werdenden Taliban.

Nicht einmal wurde Militärcamps der Türkei seitens der Taliban angegriffen, womit sich bei der Bevölkerung ein positives Bild für die Türkei zeigt.

Doch solange die türkische Regierung immer noch im Glauben ist, sich in einem Konkurrenzkampf mit dem Westen zu befinden, wird Afghanistan von Menschen gleichens Glaubens still und heimlich unterwandert.

Die Taliban braucht keinen Drogenhandel – sie bekommen Steuern

Opium ist trotz allem für Afghanistan eine sehr lukrative Einnahmequelle und dies weiß eigentlich jeder. Die Taliban war in Afghanistan nie weg. In den letzten 10 Jahren haben sie immer wieder Provinzen und Städte eingenommen. So kamen sie auch immer an Waffen und Munition, die sie bei den Stürmungen auf Militär- oder Polizeikasernen erbeuteten.
Die Taliban haben in Afghanistan eigene staatsähnliche Strukturen aufgebaut, mit sogar eigenen Gerichten.
Durch den illegalen Landraub, verfügt die Taliban quasi über ihr eigenes Land – so hat diese Terrorgruppe Steuereinnahmen. Auch durch die Besetzung und Kontrolle von Grenzübergänge, bekommen die Taliban Einnahmen durch Zollgebühren.

Der Geldstrom aus dem Ausland, wie dieser noch in den 90er Jahren war, ist nicht mehr in dem Maße, wie einst. Auch wenn Geheimdienste Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Pakistan im Visier haben, dementieren dies vehement.

Durch den alltäglichen Terror und seit Wochen das schnelle Vorrücken auf Städte und Provinzen, mangelt es den Taliban nicht an finanziellen Mitteln. Sie plündern und rauben was ihnen unter die Finger kommt.

Was kommt wird alle bisherigen Prognosen übersteigen

Der Krieg rückt näher, und somit auch die Angst vor einer erneuten Übernahme der Taliban. Die nächsten Wochen werden zeigen, wie sich die internationale Gemeinschaft in Afghanistan verhält. Je mehr Staaten ihre Botschaften schließen werden, desto mehr verliert die Bevölkerung den Glauben an die Regierung und das bisherige Staatssystem.

Es ist nue noch eine Frage der Zeit, bis die Taliban Kabul angreift und die jetzige Regierung stürzen wird. Die Apokalypse steht vor der nächsten Stufe und das was kommt, wird ein Massenmord.
Die Menschen wissen nicht mehr wohin sie noch fliehen sollen, und die hochausgebildeten Militärs werden sich wohl kaum der Taliban beugen. Wenn das jetzige Staatssystem zusammen bricht und die Soldaten und Polizisten keinen Soldt und Lohn bekommen werden, steht einem Bürgerkrieg kaum noch was im Weg.

Die Taliban wird ihrerseits die zivil Bevölkerung als Schutzschilde nutzen, wie sie dies vor 20 Jahren schon einmal taten und in den von ihnen kontrollierten Provinzen schon seit Jahren tun.

Mit jedem Tag, an dem die Taliban Städte und Provinzen einnehmen, sinkt die Hoffnung auf ein Ende der Gewalt und Terror.

Naike Juchem 14. August 2021

Quelle
– Alfred W. McCoy. Professor an der Universität Wisconsin für südostasiatische Geschichte. Die CIA und das Heroin. Weltpolitik durch Drogenhandel
– Bundeszentrale für politische Bildung
– Library.fes.de Conrad Schetter
– Stiftung Wissenschaft und Politik

Ich fühle immer zu viel

Ich fühle immer zu viel und am Ende tut es nur noch weh.
Ich lache immer zu viel und bekomme gesagt, du bist peinlich und albern.
Ich liebe immer zu viel und bekomme trotzdem die Schläge ab.
Ich vermisse immer zu viel und spüre die Traurigkeit zu oft.
Ich leide immer zu viel und keiner sieht die Einsamkeit im Herz.
Ich lebe.
Ich fühle immer zu viel und sehe das Menschen meine Gefühle teilen.
Ich lache immer zu viel und bekomme Momente des Lächelns zurück.
Ich liebe immer zu viel und bekomme Geborgenheit zurück.
Ich vermisse immer zu viel und merke das mir an Güte nichts fehlt.
Ich leide immer zu viel und weiß das ich getragen werden.
Ich lebe.
Ich lebe immer zu viel.
Ich lebe immer fröhlich.
Ich lebe immer liebevoll.
Ich lebe immer geborgen.
Ich lebe immer begeistert.
Ich lebe.

Naike Juchem 30. Oktober 2018

Frauenrechte in Afghanistan

Unter dem Taliban-Regime, dass sich ab 1994 in Afghanistanlangsam wie ein Geschwür ausbreitete und bis zum Ende ihrer Herrschaft, im Jahr 2001, wurden den afghanischen Frauen ihre Menschenrechte und ihr Würde abgesprochen. Als die internationale Gemeinschaft unter der Führung der USA mit dem Versprechen auf Demokratie, Schutz der Menschenrechte undsoziale Gerechtigkeit nach Afghanistan kam, war die Hoffnunggroß, dass sich die Situation der Frauen wieder verbessern würde und sie endlich die gleichen Rechte wie Männer bekämen. Internationale Organisationen, insbesondere die UN, die Europäische Union und die Entwicklungsagentur der USA, sagten ihre Unterstützung zu, um die Lage der afghanischen Frauen zu verbessern. Die UNO machte ihre Unterstützung der afghanischen Regierung davon abhängig, dass diese die Rechte der Frauen und ihre stärkere Beteiligung in der Afghanischen Gesellschaft gewährleistete. Die UN koordinierten diese Hilfen für Frauen und allmählich zeichnete sich eine Verbesserung der Situation ab: Frauen erhielten mehr Zugang zu Bildung und beteiligten sich vermehrt an der Gestaltung von Politik und Gesellschaft. Die unabhängige Menschenrechtskommission Afghanistan, UNAMA (United Nations Assistance Mission in Afghanistan) wurde gegründet, und die Gleichberechtigung der Frau wurde in der Verfassung Afghanistans festgeschrieben. Mädchen durften wieder in Schulen und Universitäten, Frauen nahmen an Wahlen teil, und fünfundzwanzig Prozent der Sitze des afghanischen Parlaments wurden Frauen zugewiesen. Auch in anderen Bereichen der Politik, der Gesellschaft und der Wirtschaft wurden Frauen aktiv und Arbeits- und Bildungsmöglichkeiten für Frauen nahmen zu. Im Schlussdokument der Afghanistan-Konferenz in Bonn im Dezember 2011 hat die internationale Gemeinschaft bekräftigt, auch nach 2014 und dem Abzug der ISAF-Truppen Afghanistan weiter helfen zu wollen. Bundeskanzlerin Angela Merkel sicherte damals Afghanistan langfristige Hilfe über den Abzug der internationalen Kampftruppen hinaus zu. „Afghanistan kann sich auch nach 2014 auf die Unterstützung der internationalen Staatengemeinschaft verlassen“,sagte Merkel. Da die UNO, wie auch die NATO ihre militärische Präsenz in Afghanistan zurückschraubte und sich dadurch auch die Hilfenverringerten, erlahmte seitens der UNO, insbesondere der USA, auch das Interesse und die Aufmerksamkeit für den Schutz dersozialen Gerechtigkeit, der Demokratie und der garantierten Beteiligung von Frauen an der Politik. Da die Regierung unter Hamid Karsai auch nicht gerade mit Zuverlässigkeit glänzte,
erfüllte diese ihre Verpflichtungen gegenüber Frauen nicht, denn die Gesetze und Vorschriften, die zur Sicherung der Frauenrechte eingeführt worden waren, standen lediglich auf dem Papier, wurden jedoch nicht angewandt. Die Erwartung, dass die UNO und die Regierung Afghanistans die Gleichstellung und die Menschenrechte von Frauen gewährleisten würden, erfüllte sich nicht. Im Gegenteil – niemand arbeitete ernsthaft an der Erfüllung dieser Verpflichtungen. Es zeigte sich beispielsweise, dass Frauen nur eine symbolische Rolle in der Struktur der afghanischen Regierung inne hatten. Inzwischen hat sich, insbesondere aufgrund von wieder zunehmenden Sicherheitsproblemen, Armut, langlebigen Traditionen sozialer Unterdrückung und der Bedrohungen durch die Taliban, den IS und andere extremistische Gruppen, die Lage der afghanischen Frauen wieder verschlechtert, bis hin zu Lebensgefahr, und die Arbeits- und Bildungsmöglichkeiten haben sich verringert und sogar dramatisch verschlechtert.

Fortsetzung von Krieg und Unsicherheit

Der fortdauernde Krieg und Terror und die insgesamt unsichere Lage hat für Frauen das Leben in vielen Provinzen wo die Taliban wieder die Macht stark erschwert. Die Recherchen von Afghan Women ́s Network ergab mit rund 100 Vorfällen in nur 71 Tagen (01.11.2018 – 10.01.2019)
ein erschreckendes Bild: In fast allen der 34 Provinzen Afghanistans waren mindestens zwei Vorfälle zu finden. In den unsicheren Teilen des Landes können derzeit Mädchen, wie auch in der Vergangenheit, keine Schulen besuchen; viele Familien erlauben ihren Töchtern nicht, zur Schule zu gehen, weil es zu wenig weibliche Lehrkräfte gibt. Heute, im einundzwanzigsten Jahrhundert, können sechzig Prozent der afghanischen Frauen und Mädchen weder lesen noch schreiben.
Viele Frauen, die in mehreren Provinzen für Regierungs- und
Nichtregierungsorganisationen gearbeitet hatten, mussten Arbeit aufgrund der Sicherheitslage einstellen, oder haben schon in den letzten Jahren im Verborgenen gearbeitet und auch agiert. Darüber hinaus töteten und erschossen die Taliban mehrere Frauen wegen des bloßen Verdachts, mit der Regierung zusammen gearbeitet zu haben.

Gewalt gegen Frauen in der Familie und in der Öffentlichkeit.

Traditionen sozialer Unterdrückung gibt es heute überall in Afghanistan; immer noch leiden rund drei von vier Frauen unter unterschiedlichen Formen von Gewalt, nicht nur in der Familie, sondern auch in der Gesellschaft– am Arbeitsplatz, an Ausbildungsorten und sogar auf offener Straße. Viele Familien bevorzugen klar die Geburt eines Jungen und sind unglücklich
über die Geburt eines Mädchens.
Kinder und Frauen werden zwangsverheiratet oder an ältere Männer verkauft, manchmal werden sie getauscht, gegen Vieh oder gegen die Lösung eines Konfliktes. Frauen und junge Mädchen werden vergewaltigt und Gewalt gegen Frauen wird von manchen im Namen der Religion gerechtfertigt. Polygamie stellt eine weitere Herausforderung für Frauen dar. Ein Mann hat beispielsweise das Recht, mit bis zu vier Frauen gleichzeitig verheiratet zu sein, und diese Frauen besitzen keinerlei Rechte.
Viele Fälle von Gewalt gegen Frauen werden mittels informeller Gerichte oder in Stammesversammlungen entschieden. Die Entscheidungen dieser Stammesversammlungen sind unfair und ungerecht, vor aller Augen werden Frauen gesteinigt oder ausgepeitscht. 2015 wurde in der Provinz Ghor eine Frau gesteinigt, obwohl sie kein Verbrechen begangen hatte.
Nicht wenigen Frauen werden durch ihre Ehemänner Ohren und Nasen abgeschnitten. Viele Frauen suchen in den Frauen- und Schutzhäusern der wenigen Internationalen oder auch private
Organisationen Zuflucht vor dieser immer stärker um sich greifenden Gewalt. In vielen Provinzen sind die Täter dieser
Gewaltakte mächtige Männer, Kriegsherren, Regierungsbeamte oder Parlamentsabgeordnete, und die Regierung sieht sich nicht in der Lage, sie zu verhaften und oder zu bestrafen.

Basierend auf Zahlen von Afghan Women ́s Network wurden im Jahr 2017 rund 3800 Fälle von Gewalt gegen Frauen registriert; 19 der betroffenen Frauen haben sich selbst verbrannt. 2018 nahm die Zahl der Verbrechen weiter zu und lag bei knapp 4200. Im vergangen Jahr blieb die Zahl auf gleich hohem Niveau.
Menschenrechtsorganisationen können durch die instabile Lage in vielen Regionen gar keine Hilfe, bzw. Registrierungen vornehmen und so liegt die Zahl der tatsächlichen Opfer um ein vielfaches höher.
Die sehr lasche Verfolgung der Behörden, lässt somit eine Straffreiheit für die Männer zu und ist als Hauptgrund
für die Zunahme dieser Gewalt zu nennen. Selbst in Kabul sind Frauen und Mädchen nicht vor körperlicher Gewalt sicher. Als Beispiel hierfür sei der Mord an Farkhunda genannt. Dieses Mädchen wurde vor 2015 von Dutzenden Männern brutal getötet und verbrannt – nur wenige Kilometer entfernt vom Präsidentenpalast und vor den Augen von Sicherheitskräfte. Dieser Vorfall spiegelt die Tragweite der Tragödie wider, mit der afghanische Frauen konfrontiert sind. Zwar wurden mehrere Personen im Zusammenhang mit diesem Mord verhaftet, jedoch gingen sie letztendlich straffrei aus. Frauen und Mädchen sind selbst an ihrem Arbeitsplatz oder an den Universitäten nicht sicher. Sie werden auf dem Arbeitsmarkt und in Bildungseinrichtungen von Männern auf unterschiedliche Arten belästigt und aufgefordert, illegitime Dinge zu tun; es gibt keinerlei Gesetze zur Unterstützung von Frauen in diesen Bereichen.
Die Erfolge der afghanischen Frauen und deren mangelnde Anerkennung
Menschenrechtsaktivistinnen haben in den letzten Jahren bedeutende Erfolge in Afghanistan und über die Grenzen Afghanistans hinaus erzielen können, sie haben nationale und internationale Preise gewonnen und damit der Welt ein anderes
Gesicht von Afghanistan gezeigt, als das von Krieg und Gewalt.
Doch die Beteiligung von Frauen an der politischen Entscheidungsfindung ist immer noch verschwindend gering.
Trotz positiver Errungenschaften im Leben der afghanischen Frauen beschränken sich der Fortschritt und die
Entwicklungsmöglichkeiten von Frauen in vielerlei Hinsicht auf Worte und Slogans. Zahllose Gesetze, Programme und Strategien wurden entwickelt, um die Stellung der afghanischen Frau zu stärken, doch deren Umsetzung war weniger erfolgreich. Immer wieder wurden diese Maßnahmen seitens der Regierung ignoriert.

Es ist offensichtlich, dass Frauenrechte in Afghanistan nur eine symbolische Rolle spielen, diese Doppelmoral und die
frauenfeindlichen Einstellungen zeigen sich an folgendem Beispiel: Hamid Karsaihatte dem Parlament zwölf
Ministeramtskandidaten zur Aussprache des Vertrauens präsentiert; das Parlament hat daraufhin den elf männlichen
Kandidaten das Vertrauen ausgesprochen, Nargis Nehan aber, die als einzige Frau als Ministerin für Bergbau und Erdöl
vorgeschlagen war, wurde abgelehnt. Dies zeigt, dass in allen drei Organen der afghanischen Regierung Frauenfeindlichkeit herrscht und nach wie vor politische Entscheidungen auf der Grundlage gefällt werden, die männliche Dominanzkultur zu erhalten. In all den Jahren konnte keine einzige Frau Mitglied des Obersten Gerichtshofs von Afghanistan werden, stets lehnte das Parlament die Mitwirkung von Frauen in dieser Institution ab; Frauen gelten in Afghanistan immer noch als Menschen zweiter Klasse.
Die allgemein unsichere Lage, das Versagen der afghanischen
Regierung bei der Gewährleistung von Sicherheit für Frauen, die Einschränkungen und verschiedenen Arten von Diskriminierung sind Gründe dafür, dass Frauen nicht in der Lage sind, in Frieden in Afghanistan zu leben, und sich gezwungen sehen, allein oder mit der Familie in andere Länder zu gehen, insbesondere nach
Europa, um dort Asyl zu beantragen.

Afghanische Frauen in Europa und Gewalt in der Familie

Abgesehen von mentalen und psychischen Gesundheitsproblemen erleben afghanische Frauen und Mädchen in vielen europäischen Ländern, insbesond
ere in Deutschland sexuelle und auch häusliche Gewalt. Nach Quellen deutscher Medien wurden allein 2017 zwei
afghanische Frauen in den Städten Frankfurt und Herzogenrath von ihren Ehemännern getötet. Gewalt ereignete sich auch in einem Flüchtlingslager in
Schwerin, wo im November 2017 eine afghanische Frau durch einen iranischen Mann vergewaltigt wurde. Gemäß der Aussage eines Verteidigers von Frauenrechten in Frankfurt leben einige afghanische Familien hier nach den selben traditionellen Vorstellungen wie in Afghanistan und erlauben ihren Frauen nicht einmal, an Sprachkursen
teilzunehmen. Die Hilfsangebote vieler Organisationen und Vereinigungen, die Geflüchtete bei ihren Integrationsbemühungen
unterstützen, laufen dann ins Leere. Ein weiterer schwerer Fall von Gewalt afghanischen Männer ist der Mord an Mia im Dezember 2017.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Unsicherheit, Ungerechtigkeit, mangelnde Rechtsstaatlichkeit und fehlende Gleichberechtigung der Männer die Hauptgründe dafür sind, dass viele afghanische Frauen in Europa Asyl beantragt haben.
Niemand würde ohne die oben genannten Gründe derart viele Risiken eingehen, ohne dazu gezwungen zu sein, niemand würde seinen Geburtsort verlassen und in einem Land mit einer anderen Kultur und Sprache
Asyl suchen.
Das Leben in Deutschland, oder deren westlichen Nachbarstaaten, ist nicht einfach, es muss von Null aufgebaut werden und es braucht Zeit, sich der Gesellschaft anzupassen und die neue Sprache und Kultur zu lernen. Angesichts der Situation afghanischer Asylbewerberinnen ist klar, dass diese mehr als manche andere Unterstützung benötigen – von Organisationen, die die Menschenrechte verteidigen, sowie von der deutschen und den europäischen Regierungen. Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland heißt es, dass alle Menschen in diesem Land die gleichen Rechte haben und dass dieses Land demokratisch regiert wird. Aus diesem Grund erhoffen sich die afghanischen Frauen mehr von der Regierung dieses Landes. Gerade Frauen, die alleine sind oder allein die Verantwortung für ihre ganze Familie tragen, sind auf die Unterstützung der Bundesregierung und von Menschenrechtsorganisationen angewiesen. Geflüchtete
Afghaninnen wünschen sich, dass ihre Fälle in Bezug auf die Situation in Afghanistan und die politischen und sozialen Probleme von Frauen in diesem Land überprüft werden.


P.S. Mir ist durchaus bewusst, dass ich mit meinem Text den Unmut einiger Menschen auf mich ziehe, die sich für Flüchtlinge einsetzen. Ich schreibe keine Märchen, ich schreibe Fakten und diese sollen dann auch so verstanden werden. Ich kann und werden diese Welt nicht schön reden.


Naike Juchem, 20. April 2020

Ist Nutzhanf der Retter des Klimas?

Nutzhanf. Foto: Google

Seit ein paar Monaten wird in den Sozialen Netzwerken ein Foto geteilt, dass den Nutzhanf als den Heilsbringer des Klimawandels beschwört. Ist dies wirklich so?

Autorin Naike Juchem

Alles hat zwei Seiten, die betrachtet werden müssen, so auch die Vor- und Nachteile von Nutzhanf.
Zu Beginn möchte ich gleich mit einer Falschbehauptung beginnen: Die „Bill of Rights“der USA sei auf Hanf geschrieben.

Das National Constitution Center in Philadelphia widerleg diese skurrile Behauptung. Die Unabhängigkeitserklärung, wie auch die Verfassung wurden auf Pergament, also auf Tierhaut, geschrieben.
Das Constitution Center räumt jedoch ein, dass erste Entwürfe dieser Dokumente auf Hanfpapier erstellt worden sein könnten, da die Pflanze damals häufig in Nordamerika für die Herstellung von Seilen und Segeln angebaut wurde. Der Gründervater der USA, Thomas Jefferson, und auch der erste Präsident des Landes, George Washington, bauten beide Hanf an.

Ohne Frage zählt Nutzhanf seit mehreren Tausend Jahren zu den Nutzpflanzen schlechthin. Baustoffe aus Nutzhanf sind seit der Antike bekannt.
Aus Hanf kann man Papier, Kleidung, Seile, Lebensmittel (Hanfkerne), Kosmetik und sogar Biodiesel herstellen.
Nach Angaben von „Hemp Benefits“ liefert ein Hektar Hanf 3.785 Liter Kraftstoff.

Klimaschutz fängt mit dem Umdenken an

Aufgrund seiner Größe, bis zu 4 Meter Höhe, und des Blätterwerks eignet sich frischer Hanf nicht für den Transport. Nachhaltig ist der Anbau also vor allem dann, wenn vor Ort oder in der Nähe eine Anlage zur Verarbeitung bereit steht.
Holz ist auf der anderen Seite sehr vielseitig und wird seit Millionen Jahren vom Mensch als Wärmequelle und Baumaterial genutzt. Da wir uns von der Paläolithikum mittlerweile sehr weit entfernt haben, sollten wir, auch bedingt durch den unaufhaltsamen Klimawandel, neue Gedanken über die unsere, und der Welt Zukunft machen. Der Mensch im 21. Jahrhundert verbraucht gegenwärtig 1,7 Erden pro Jahr. Das dies in naher Zukunft zu einem Kollaps führen wird, sollte jedem klar sein. Wir müssen neue Wege gehen und diese hätten schon vor Jahrzehnten in Angriff genommen werden müssen – leider ist bis jetzt nicht all zu viel passiert.

Gerade Deutschland sieht sich als Vorreiter für Klimaschutz – nur ist Deutschland viel zu klein, um überhaupt eine Messbare Auswirkung auf den Temperaturanstieg zu sein. Globale Veränderungen müssen her und diese sollten dann auch endlich zügig umgesetzt werden.

Die Arroganz der Dummheit

„Ich möchte auch der geliebten Frau Angela Merkel eine Nachricht hinterlassen: Nehmen Sie diese Knete und forsten Sie Deutschland wieder auf, ok? Dort ist es viel nötiger als hier.“

Sagte Bolsonaro laut Medienberichten im August 2019 auf die Reaktion, weil Deutschland Fördergelder in Millionen Höhe an Brasilien streichte.
In Brasilien wird mehr lebenswichtiger Regenwald abgeholzt, als Deutschland überhaupt an Waldfläche zur Verfügung hat. Nach Prognosen wird 2030 gut 55% des Regenwald abgeholzt sein.
Auch der 45. Präsident der USA hat durch seine Arroganz und Dummheit einen Beitrag zu weiterer Umweltzerstörung beigetragen.

Verbot vom Anbau von Hanf

In vielen westlichen Ländern wurde Hanf verboten, weil THC wie auch CBD wichtige Bestandteile der Cannabispflanze sind. Tetrahydrocannabinol ist die Substanz, die für die psychoaktive Wirkung von verschiedenen Hanfprodukten verantwortlich ist.
CBD – also Cannabidiol, steht für den Inhaltsstoff der aus den Blüten der weiblichen Cannabispflanze gewonnen wird, dieser hat jedoch keine psychoaktive Wirkung, da er nur mit geringer Rezeptoraktivität an bestimmte Cannabinoid-Rezeptoren bindet.
In Deutschland war der Hanfanbau zwischen 1982 und 1995 durch das Betäubungsmittelgesetz vollständig verboten, um die illegale Nutzung von Cannabis als Rauschmittel zu unterbinden. In Frankreich wurde Nutzhanf für die Herstellung von Zigarettenpapier weiterhin verwendet.
Auch in den USA wurde 1937 die Produktion von Hanf unter dem „Marihuana Tax Act“ verboten.
Im Rahmen eines neuen Agrargesetzes hat die US-Regierung die Produktion von Nutzhanf 2018 wieder erlaubt, so dass die Pflanze wieder großflächig angebaut werden kann.

Die pro und contra Punkte für Nutzhanf

Hanf ist das Reinigungsmittel der Natur. Die Pflanze bindet auf einem Hektar viermal mehr Kohlendioxid aus der Atmosphäre als Bäume auf gleicher Fläche. Für jede Tonne Nutzhanf, die produziert wird, werden 1,63 Tonnen Kohlenstoff aus der Luft absorbiert.
Wenn es nach der Hanf-Lobby geht, wären mit dieser Pflanze mehr als 25.000 Artikel, die wir heute täglich gebrauchen und kennen, aus und mit Nutzhanf herzustellen.

Ein oft angeführtes Argument ist Hanfplastik. Dies sei das ultimative Material der Zukunft. Unternehmen wie Zeoform in Australien und Kanesis in Italien stellen Bioplastik aus Hanf in geringen Mengen her. Derzeit ist die Herstellung jedoch kompliziert, energieintensiv und teuer, so dass Hanfplastik in naher Zukunft noch keine Alternative zu den auf Erdöl basierenden Kunststoffen sein wird.
Auch wird oft die gute Ökobilanz zwischen Baumwolle und Nutzhanf angeführt. Demnach braucht Nutzhanf nur halb so viel Anbaufläche wie Baumwolle und produziert dabei doppelt so viel Faser pro Viertel Hektar. Für ein Kilo Baumwollfaser benötigt man knapp 10 Liter Wasser, für die gleiche Menge an Hanf benötigt man lediglich etwas über 2 Liter Wasser.
Da Nutzhanf ohne Pestizide auskommt, gelangen dementsprechend auch viel weniger Pestizide und Herbizide ins Grundwasser.

Nutzhanf. Foto: Google

Aktuelle Vergleichsstudien für Baumwolle und Hanf sind schwer zu finden. Das Stockholmer Umweltinstitut veröffentlichte 2005 einen der umfangreichsten Berichte und verglich die beiden Naturfasern mit der synthetischen Faser Polyester.
Die Studie ergab, dass Baumwolle innerhalb einer Anbausaison rund 50 Prozent mehr Wasser benötigt als Hanf. Im Gegensatz zu Hanf muss Baumwolle viel mehr bewässert werden und wird häufig in wasserarmen Regionen wie Usbekistan angebaut.
Trotzdem kann man nicht einfach eine Faserpflanze durch eine andere ersetzen. Hanf ist zwar extrem strapazierfähig, es ist jedoch ein teurer und energieintensiver Verarbeitungsprozess nötig bis ein weicher, tragbarer Stoff daraus entsteht.

Nutzhanf braucht keine Herbizide

Diese Behauptung kann man so nicht stehen lassen, denn der großflächige Anbau von Hanf gibt es noch gar nicht, um dies wissenschaftlich zu belegen.
Im Labor für Agraranalytik der Pennsylvania State University, haben die Forscher auch Blattläuse, Schimmel und Schnecken gefunden, die den Nutzhanf schädigen sowie einige Krankheiten, darunter neue Pilzarten, die derzeit untersucht werden.
Bei der Industrielle und Monokultur Landwirtschaft – egal mit welcher Pflanze, führe zwangsläufig zu Umweltproblemen.
Hanf wird bis zu 4 Meter hoch und entwickelt viele Wurzeln. Zudem ist sein Blätterwerk spätestens im Juli so dicht, dass Beikräuter im Feld dadurch zu wenig Licht bekommen und eingehen. Daher muss Hanf nicht mit Herbiziden gespritzt werden. Aber – durch eben jene Höhe und Dichtstand der Pflanzen ist der Untergrund feucht und der ideale Nährboden von Pilzen und Sporen. Ähnliches kennt man beim Mais und Zuckerrohr.

Das Terpene-Argument

Ein weitverbreitetes Argument besagt, dass allein der Anbau von Nutzhanf die Terpene ersetzen kann, die von den durch Abholzung verloren gegangenen Bäumen freigesetzt wurden.
Terpene sind natürliche Verbindungen, die in Pflanzen und Insekten vorkommen. Sie haben eine gemeinsame chemische Grundstruktur, sehen aber doch sehr unterschiedlich aus. Daher können sie so unterschiedlich riechen wie zum Beispiel Lavendel und Minze. Und so unterschiedlich ist auch die Wirkung von Terpenen in der Natur.
Wenn Monoterpene freigesetzt werden, steigen sie zur Stratosphäre auf – wobei sie von Konvektionsströmen getragen werden –, gehen Oxidationsreaktionen mit Ozon, OH und NO3 in der Atmosphäre ein und erzeugen dabei eine Reihe von Nebenprodukten.
Zwar ist es natürlich richtig, dass Nutzhanf Monoterpene freisetzt, doch die freigesetzten Mengen und Typen sind noch nicht eindeutig nachgewiesen worden. Auch ist die spezifische Wirkungsweise bei der Regulierung der Atmosphäre nicht bekannt. Es gibt also offenbar keine Grundlage für die Annahme, dass Nutzhanf mehr Monoterpene als alle anderen Anbaupflanzen freisetzt.
Da die Abholzung der bewaldeten Regionen der Erde, hier vorbehaltlich Brasilien, die Demokratische Republik Kongo und Indonesien, weiter fortschreitet, ist der Anteil des Baumbestands drastisch gesunken. Man nimmt an, dass allein die Abholzung in den letzten Jahrzehnten für einen Teil des allgemeinen Anstiegs der globalen Temperaturen verantwortlich ist, da sie einen CO2-Anstieg zwischen 12 % und 20 % verursacht hat, unabhängig vom CO2-Anstieg durch die Industrie und andere Ursachen der Verschmutzung der Atmosphäre.

Fazit

Es gibt keinen Grund, warum Nutzhanf nicht als Teil einer nachhaltigen Strategie für Kohlendioxidbindung angebaut werden sollten. Doch die Frage, ob eine Pflanze eine bessere Kohlendioxidsenke oder Monoterpen-Emissionsquelle ist als eine andere, sollte sich gar nicht stellen, wenn es um das Problem der Lösung des anthropogenen Klimawandels geht.
Der Verlust der Biodiversität ist einer der wichtigsten Faktoren, die sich auf das langfristige Überleben unserer eigenen Spezies und das anderer Arten, von denen wir abhängig sind, negativ auswirken können. Somit kann es keine Lösung sein, sich zur Bekämpfung des Klimawandels
ausschließlich auf einzelne Pflanzen zu konzentrieren.
Es braucht endlich ganzheitliche Maßnahmen um unser Ökosystem zu schützen und diese sollten dann auch zügig umgesetzt werden. Die Mittel sind da, es fehlt wie immer an den Umsetzung und den Willen den Blickwinkel zu ändern.

Naike Juchem, 5. August 2021

ifeu-Institut Heidelberg, Deutschland
National Constitution Center in Philadelphia, USA
seeds.com
Umweltinstitut Stockholm, Schweden
Utopia.de
vaay.com

Die Spende als Ablassbrief

Ablassbriefe der katholischen Kirche aus dem Mittelalter haben wir alle schon gehört und denken uns hunderte Jahre später: „Wie blöd musste man eigentlich sein.“

Autorin Naike Juchem

Nun, die Dummheit ist bekanntlich grenzenlos und es gibt Organisationen die sich Gemeinnützig nennen dürfen – wodurch diese Organisationen keine Steuern bezahlen müssen. Das Vermögen solcher Organisationen wächst jedes Jahr und ein Ende ist nicht in Sicht.

Menschen leisten auch im 21. Jahrhundert noch Ablass – heißt heute: Spende.
Mit Werbeträchtigen Aktionen und manipulierten Fotos und Videos wird besonders im Zeitalter des Internets eine gigantische Gelddruckmaschinerie am laufen gehalten. Gerade jetzt um die Weihnachtszeit sieht man die Stände von Organisationen in den Fußgängerzonen die sich um Kinder in der dritten Welt kümmert, Obdachlosen helfen oder Tierschutz.
Bei den Organisationen die sich um Menschenleben und Nachhaltigkeit kümmern, heißt es oft: „Die in Afrika sollen nicht so viele Kinder zeugen, dann haben die auch keine Probleme.“
Gut, solche Texte kommen von Menschen, die wenig bis keinen Plan von dieser Welt haben.
Bei Organisationen, die sich für Obdachlose einsetzen, kommen dann Sprüche wie: „Sind ja selbst dran schuld, dass sie Obdachlosen sind.“
Auch da sollte man sich bewusst sein, wie schnell mal selbst in eine solche Situation kommen kann.
Was bleibt für die Glückseligkeit übrig? Tierschutz!
Für den Tierschutz sind wir alle, weil uns die gezeigten Fotos oder Videos schockieren. Man sollte mal Videos von sterbende Kinder in den Fußgängerzonen zeigen. Der Tierschutz liegt uns am Herzen, weil wir qualvolle Fotos und Videos gezeigt bekommen. Und es sogar Tierschutzorganisationen gibt, die eine weltweite vegane Ernährung fordern – allen voran: PETA.

Um mal etwas zu verstehen, welches Vermögen PETA Deutschland hat, da kann es einem schon schwierig werden.
Im Jahr 2016 betrug das Vermögen jener Tierschutzorganisationen 7,5 Millionen Euro. In der Jahresbilanz wurde ein plus von über einer halben Million Euro verbucht.
In der Jahresbilanz von 2021 steht sogar eine Summe von 12,7 Millionen Euro in der Bilanz – dies alles steuerfrei.

PETA hat seit der Gründung in Deutschland, im Jahr 1993, ein sehr aggressives Auftreten in den Fußgängerzonen oder vor Betriebe, Zoos etc.
Die heute 71-jährige Ingrid Newkirk gründete 1980 in den USA die Tierschutzorganisation PETA. Sie ist seit Jahrzehnten mehrfache Millionärin, denn so selbstlos wie PETA oder Ingrid Newkirk sich in der Öffentlichkeit darstellen, ist diese Organisation nicht. Weltweit steigen jährlich die Bilanzen an Vermögen und Immobilien. Denn das ein oder andere alte Mütterchen mit ihrem Kanarienvogel oder Katze vermacht ihr Vermögen / Immobilie jener Tierschutzorganisation, weil sie der Meinung ist, etwas gutes für Tiere zu tun. Es ist reine Augenwischerei – und dies ist so gewollt. Die Mitarbeiter von solchen Organisation wissen genau, wie man den Menschen ein schlechtes Gewissen einreden kann, damit immer viel Raum für Mythen bleibt. Sehr beliebt von PETA sind Aktionen gegen Zirkusse oder Branchen wo Tierhaltung ist. Denn nur einzig und alleine opfern sich jene Aktivisten selbstlos für den Tierschutz – dies ist Schwachsinn!
Die Aktivisten von PETA kommen mit
scheinheiligen Argumente, dass eben Zirkusse, Zoos oder auch Landwirte die Tierhaltung ausschließlich für Geld machen und sich eben jene Tierschutzorganisation als die alleinigen unabhängige Experten zum Thema Tierschutz sehen. Wie setzten sich dann die Personalkosten in der offiziellen Bilanz von PETA zusammen?

Tierschutz ist schon lange nicht mehr der Hauptanteil von PETA

Die anfänglichen Gedanken und Aktionen zu Tierwohl sind seit Jahren einer aggressiven und massiven Ausrichtung zu einer weltweiten veganen Ernährung gewichen.
Mal kurz zum mitschreiben: Circa eine Milliarde Menschen lebt mit und von der Haltung von Nutztieren. Auch ist ein weltweiter Verzicht auf tierische Produkte überhaupt nicht realisierbar, denn zum einen hätten die nicht mehr schlachtenden Tier kein Futter und auch keinen Platz in den Ställen und Weiden. Folglich würde es Krankheiten und Seuchen geben. Ganz nebenbei würde weit über ein Viertel der Menschheit verhungern, weil man das Getreide dem lieben Vieh geben müsste. Jene Menschen, die von und durch die Tierhaltung leben wären bankrott – womit die weltweit Armut schlagartig steigen würde.

Ein Mythos ist schnell ausgebaut, aber an die globalen Folgen sollte man dann auch mal denken, wenn man sich mit einem monatlichen Gehalt selbstlos für Tierwohl einsetzt und mit manipulierten Fotos und Videos in den Fußgängerzonen die Menschen blenden möchte.

Fazit:
Wer meint armen Tieren in Rumänien, Ungarn oder wo auch immer helfen zu müssen und PETA dafür eine Spende gibt, sollte es lieber an Organisationen spenden, die sich für Menschenrechte und Menschenleben einsetzen. Auch sind Spenden an kleine Tierschutzorganisation oder privat Personen, die sich ohne manipulierte Fotos und Videos für Tiere einsetzen, durchaus besser angebracht, als das Vermögen von PETA noch weiter zu steigern.

Naike Juchem, 25. November 2023

Minen

2018 sind in Afghanistan 1.415 Menschen durch Minen und explosive Kriegsreste getötet oder verletzt worden, wie der United Nations Mine Action Service (UNMAS) berichtete. Die Zahl der Opfer von Landminen und anderen Sprengstoffen in Afghanistan stieg laut dem Minenräumdienst der Vereinten Nationen in den vergangenen Jahren deutlich an, seit 2012 habe diese sich mehr als verdreifacht. 2017 seien pro Monat mehr als 150 Menschen durch Minen oder andere nicht explodierte Munitionsrückstände verletzt oder getötet worden. 2012 seien es noch 36 Tote und Verletzte je Monat gewesen. Insbesondere Kinder sind gefährdet, acht von zehn Opfern seien Kinder.

Seit 1989 wurden der UNMAS zufolge in Afghanistan mehr als 730.000 Antipersonenminen und 30.145 Anti-Tank-Minen geräumt.
Trotz dieser immens hohen Zahl an beseitigten Landminen liegen in keinem Land der Erde so viele Minen wie in Afghanistan.
Mehr als 5000 kartierte Flächen sind bekannt und jeder Schritt in diesen Gebieten ist Lebensgefährlich. Durch Erderosionen bei Starkregen oder Schneeschmelze werden all zu oft auch Minen mit in Täler oder Flächen gespült, die vorher Minenfrei waren oder dort Minen bereits entfernt wurden.

Was sind Minen? Antipersonenminen und Antifahrzeugminen

Landminen – Antipersonenminen und Antifahrzeugminen – sind geduldige und heimtückische Waffen: Sie sind oft mit dem bloßen Auge nicht sichtbar und lösen aus, wenn Erwachsene oder Kinder mit ihnen unabsichtlich in Kontakt kommen. Die geschieht häufig auch noch Jahrzehnte, nachdem sie verlegt worden sind. Betroffene werden getötet oder langfristig und schwer verletzt.

Über 600 verschiedene Minentypen sollen weltweit existieren.
Nachweislich wurden vor dem Verbot von Antipersonenminen in 54 Ländern produziert. Deutschland, Österreich, Frankreich, Belgien gehörten zu jenen Produktionsstätten.
Durch die Ottawa-Konvention wurde in den angeführten europäischen Ländern die Produktion von Antipersonenminen eingestellt – was aber nicht heißt das Rheinmetall, EADS oder auch Diehl bzw. deren Tochterfirmen in Ländern wie Myanmar, Pakistan, Russland, die USA und China weiter produzieren. Man gab dieser unmenschlichen Waffen einen neuen Namen: Antifahrzeugminen

Die Zahl der Produzenten erhöht sich signifikant, wenn man die Länder einbezieht, die Antifahrzeugminen und andere high-tech Minen entwickeln und produzieren. Weiterhin werden weltweit in Staaten wie Deutschland, Österreich, Frankreich und Belgien neue Minen entwickelt, produziert und auch exportiert. Minen, die nach Herstellerangaben gegen Fahrzeuge gerichtet sind, oder auch sog. „intelligente“ Minen.

Ähnlich wie bei Landminen zeigen sich auch die Produzenten von Streumunition erfinderisch. In über 30 Ländern wurden bislang weit über 200 verschiedene Typen von Streumunition produziert Zu den größten Produzenten gehören die USA, Russland und China, bis 2008 aber auch Deutschland.

Landminen lösen aus, wenn sie in Kontakt mit einem Menschen oder Tier kommen. Dabei töten oder verletzten sie fast immer die Betroffenen. Da sie dabei nicht zwischen Kämpfenden und der Zivilbevölkerung unterscheiden und noch Jahre nach Konfliktende im Erdreich versteckt liegen bleiben, stammen fast Dreiviertel aller Minenopfer aus der Zivilbevölkerung. Kontaminierte Gebiete stellen somit eine große Gefahr für die Bevölkerung dar dar. Deswegen wurden sogenannte Antipersonenminen durch die Ottawa-Konvention, die 1999 in Kraft trat und bislang von 164 Staaten ratifiziert worden ist, verboten. Seitdem ist der geschätzte weltweite Bestand von 160 Mio. auf 50 Mio. Landminen zurückgegangen und 33 ehemals kontaminierte Länder/Gebiete sind als minenfrei erklärt worden. Allerdings sind wichtige Staaten, wie die USA, China oder Russland, dem Abkommen nicht beigetreten. Die Betroffenen, die eine Minenexplosion überlebt haben, tragen oft lebenslange Verletzungen und Behinderungen mit sich. Sie sind somit noch lange nach dem Vorfall auf Hilfe angewiesen. Obwohl auch die Notwendigkeit der Opferhilfe in der Ottawa-Konvention festgehalten ist, geht diese oft nicht weit genug und wird zu früh eingestellt. Hier leistet zum Beispiel die Hilfsorganisation Handicap International (HI) einen wichtigen Beitrag: Sie versorgt die Überlebenden und ihre Angehörigen – und setzt sich für eine Welt ohne Minen ein.

Das Ottawa-Abkommen

Da die Abrüstungsverhandlungen innerhalb der Vereinten Nationen sehr festgefahren waren, einigte sich 1997 ein Großteil der internationalen Staatengemeinschaft außerhalb des UN-Rahmens auf ein Verbot von Antipersonenminen (Ottawa-Vertrag), das 1999 in Kraft getreten ist.

Es war das erste Mal, dass kleinere und mittelgroße Staaten (vor allem Kanada und Norwegen, aber auch Australien und Simbabwe) zusammenkamen und eine Vorgehensweise zum Verbot von Antipersonenminen beschlossen, anstatt sich von traditionellen Mächten, die sich nicht zum Verbot von Landminen verpflichtet hatten (wie China, Russland und die USA), zurückhalten zu lassen. Selbst die meisten ehemaligen Minenproduzenten und viele Anwender, darunter Belgien, Kambodscha, Italien, Mosambik und Südafrika, schlossen sich dem Prozess an. Zusätzlich spielte auch erstmals die Zivilgesellschaft eine entscheidende Rolle bei der Ausarbeitung eines völkerrechtlichen Verbots-Vertrages, indem sie global einen hohen Druck auf die Staaten ausübte.

Der Vertrag war somit das Ergebnis einer ungewöhnlich kohärenten und strategischen Partnerschaft zwischen Regierungen, internationalen Organisationen wie dem IKRK, UN-Organisationen und der Zivilgesellschaft, vertreten durch die Internationale Kampagne für ein Verbot von Landminen (ICBL). Die ICBL wurde 1992 von mehreren Organisationen gegründet, darunter HI, und spielte bei der eigentlichen Ausarbeitung und Formulierung des Vertrags von Anfang an eine wichtige Rolle. Bei allen diplomatischen Treffen im Vorfeld der Verhandlungen sowie während der Verhandlungen selbst erhielt sie einen formellen Platz am Tisch und Mitspracherecht.

Das Ottawa-Abkommen war auch ein Meilenstein des humanitären Völkerrechts und verbietet Produktion, Einsatz, Weitergabe und Lagerung von Anti-Personen-Minen und verpflichtet die Vertragsstaaten zu Entminung und Opferhilfe. Minen, die der Konstruktion nach gegen Personen gerichtet sind, sind somit durch den Vertrag von Ottawa verboten. Minen, die nicht gegen Personen, sondern gegen Fahrzeuge gerichtet sind, fallen allerdings nicht unter das Verbot. Bis heute (Stand: Oktober 2020) haben 164 Staaten das Abkommen unterzeichnet, das sind mehr als 80 Prozent aller Länder weltweit. Mit nur 32 fehlenden Staaten ist der Minenverbotsvertrag einer der weltweit am meisten akzeptierten Verträge. Die Vertragsstaaten verpflichten sich auch zur Räumung von verminten Gebieten und zur Unterstützung von Minenopfern. Alle Vertragsstaaten haben zudem beschlossen, bis 2025 eine minenfreie Welt zu erreichen.

Gegenwärtig sind 110 Millionen Landminen auf der Welt verlegt. Die Produktion einer Landmine kostet nur drei US-Dollar, die Räumung einer Mine verursacht jedoch Kosten in Höhe von 1.000 US-Dollar.
Bei der geschätzten Zahl an Minen ist es schlichtweg unmöglich in den nächsten Jahren die Welt Minenfrei zu räumen. Zumal es überhaupt nicht finanzierbar ist.

In den sogenannten asymmetrische Konflikte, zu denen Bürgerkriege, Terror und milizionäre / rebellierende Streitigkeiten zöhlen, werden sehr gerne Antipersonenminen verwendet und zum Beispiel Getreidefelder zu verminen. Ein Feld ist vermint ungeachtet der Tatsache ob eine oder zehn Minen in dem Feld liegen.

Bei der Verlegung von Minen ist es üblich, verschiedene Minenarten zu mischen, damit z. B. Minenräumpanzer nicht gefahrlos in ein Feld von Anti-Personenminen fahren können und im Gegenzug menschliche Minenräumer nicht ungefährdet Panzerminen entschärfen können. Panzerminen mit Druckzünder werden durch das Gewicht eines Menschen normalerweise nicht ausgelöst, aber durch Sicherungsminen, Aufnahmesicherungen und Sprengfallen wird ihre Räumung dennoch erschwert und ist für die Minensucher ein Lebensgefährlicher Job. Auch ist die Topografie ein Faktor der nicht immer den Einsatz von Panzerfahrzeugen ermöglicht.

In Afghanistan gibt es von staatlicher Seite kaum noch Minenräumer, da das Geld für die Löhne von circa 240 € im Monat der Männer seit Jahren weniger wird. Neben ihrem sowieso schon sehr gefährlichen Job, kommt die Gefahr von Terror noch hinzu. In den letzten Jahren habe die Taliban mehrere hundert Minenräumer von staatlicher, wie auch privaten Organisationen entführt und getötet.

Zu den am meisten belasteten Ländern gehören weiterhin: Afghanistan, Angola, Ägypten, Bosnien und Herzegowina, Laos, Kongo (Demokratische Republik), Kambodscha, Kolumbien, Kroatien, Ruanda, Vietnam, aber auch Regionen wie Berg-Karabach, Tschetschenien und die Falkland-Inseln.

Im Jahr 2017 wurden weltweit 2.793 Personen durch Antipersonenminen und oder explosiven Munitionsrückstände  getötet, 4.431 Personen wurden verletzt. 87 Prozent der Opfer waren Zivilisten, unter ihnen viele Kinder. Zu den körperlichen Schäden kommt noch die psychische Belastung hinzu. Viele Ortschaften die in Konflikten oder Kriege nicht eingenommen wurden, oder der Vertreibung von Menschen auf perfide Weise noch Wege und Pfade vermint wurden, sind an und durch diese Waffe getötet oder verletzt worden.
Wenn Menschen in ihren Dörfern zurück bleiben, benutzen diese oft die gleichen Pfade oder Wege, die nach ihrer Meinung Minenfrei sind. Einen halben Meter abseits jener Pfade oder Wege kann eine Tod bringende Mine liegen. Dieses Bewusstsein prägt Generationen von Menschen.
Zwangloses spielen von Kinder kann tödlich sein. Einem Fussball auf einem Feld hinterher zu laufen kann tödlich sein.
Auch wenn die Bewohner von Ortschaften ungefähr wissen, wo Minen liegen könnten, kann dies beim nächsten Erdrutsch, Starkregen oder Schneeschmelze schon völlig anders sein.

In mindestens 60 Staaten der Welt liegen noch Minen – teils registriert und gekennzeichnet, teil seit Jahrzehnten im Verborgenen.
Um ein Beispiel von Europa zu nennen: Der Kroatienkrieg von 1991-1995 hat bis heute circa 500 Quadratkilometer kontaminierte Ladefläche aufzuweisen. Flächen die zum größten Teil landwirtschaftlich genutzt werden könnten.

Beispiel Ruanda

Bei dem Völkermord im Jahr 1994, bei dem in drei Monate schätzungsweise 1 Millionen Menschen ums Leben gekommen waren, gingen die Hutu-Rebellen nicht zimperlich mit dem Vokl der Tutsi und ihrem eigenen Land um. Ruanda könnte durch seine geographische Lage und den klimatischen Bedingungen das Land werden um die Hälfte der Bevölkerung südlich der Sahara zu ernähren.
Da bis zu 60% der Nutzfläche für Getreide vermint sind, ist eine Landwirtschaft kaum möglich.
Auch hier fehlt es an Equipment und finanziellen Mitteln um Minen zu räumen. Zwar gab es Ende der 90er von der Bundesregierung ein Projekt zur Beseitigung der Minen, dies aber nach wenigen Jahren eingestellt wurde.

Wie in allen Ländern in den Antipersonenminen verlegt sind, hindern dies die Menschen daran, in ihre Heimat zurückzukehren und es wieder aufzubauen. Der wirtschaftliche und landwirtschaftliche Schaden der Länder ist automatisch.

Naike Juchem , 25. November 2020

Quellen:
– Auswärtigesamt
– Convention on the Prohibition of the use
–  Dgvn.de
–  Landminen Index
– United Nations Mine Action Service (UNMAS)

Kraniche

Jedes Jahr staunen wir gen Himmel, wenn zig tausende Kraniche auf der westeuropäischen Zugroute sich nach Westfrankreich, Spanien, Portugal oder gar Nordwestafrika aufmachen.
Über zwei weitere Flugrouten fliegen nochmals die gleiche Anzahl an Vögel über die Baltisch-Ungarische Route nach Süditalien und weiter nach Westafrika.

Im äußersten Osten Europas gibt es zudem noch den Wolga-Iranischen Zugweg, wo die Vögel über das Kaspi-Gebiet zu ihrem Überwinterungsquartier in den Iran ziehen
Schätzungsweise 370.000 Kraniche machen sich mit dem beginn des Winters von Skandinavien und dem Baltikum auf einen langen Weg über die westeuropäische Zugroute zu ihren Winterquartieren
Die Vögel können bis zu 1.500 Kilometer nonstop fliegen – was aber sehr selten ist.
Es wurde tatsächlich eine Gruppe Kraniche beobachtet, die innerhalb 24 Stunden von der deutschen Ostseeküste bis an die Pyrenäen geflogen sind (1.200 km).

Meist liegt ihr Etappenziel bei 100 bis 350  Kilometer. Die Tagesstrecken hängen natürlich sehr stark von Wind und Wetter ab, und natürlich auch von geeigneten Rastplätze.

Für ihre Reisen in den Süden nutzen die Kraniche die Thermik, um ihre Reisegeschwindigkeit von etwa 50 bis gar über 100 km/h mit wenig Kraftaufwand zu meistern. Die Flughöhen liegen meist zwischen 200 und 2.000 Meter. Je nach Thermik lösen sich die großen Schwärme in kleinere Gruppen auf, um dann kreisend an Höhe zugewinnen, um sich dann wieder zu Keilen und Ketten zu formieren. In
riesigen Formationen nützt der ganze Schwarm jene Thermik um mit wenigen Flügelschlägen weitersegeln zu können.

Naike Juchem, 17. November 2023

Schleffersch-Gereste

Es gibt viele Regionale Gerichte, heute möchte ich Schleffersch-Gereste vorstellen.

Die Schleffersch-Gereste haben ihren Ursprung in der Region Idar-Oberstein und heißt auf Hochdeutsch „Schleifers Geröstete“ und galt damals als „Armengericht.“ Die Kartoffeln und Fleisch – Schweinekamm, wurde in einem Steinguttopf im Wasserbad oder Ofen erhitzt.
Um dieses Gericht zu machen, kann man einen Steinguttopf, Römertopf oder Hirtentopf nehmen. Auch hier hat der Topf regional einen anderen Namen. Wichtig ist nur, dass man einen Deckel auf dem Topf hat. Dies kann ein Teller oder Alufolie sein.

Für das Rezept für Schleffersch-Gereste braucht man – je nach Größe von dem Topf und Anzahl der Personen eineinhalb bis zweieinhalb Kilo Kartoffeln. Ein oder zwei mittelgroße Zwiebeln, 150 Gramm Dörrfleisch und Schweinekamm.

Damit das Fleisch eine ordentliche Farbe bekommt, kann man das Fleisch vorher in einer Pfanne scharf anbraten. Die Kartoffeln sollte man vorher auch kochen.
Die gekochten Kartoffeln in Scheiben schneiden und Schichtweiße in den mit Butter eingeschmierte Topf legen.
Nun werden die Kartoffeln mit Salz, Pfeffer, Dill, Majoran (ist jedem selbst überlassen, ob mann die Kartoffeln mit Dill und Majoran würzt), Speckwürfel und gehakte Zwiebeln gewürzt.
Dann legt man das Fleisch auf diese Lage und deckt es mit einer neuen Lage Kartoffeln ab. Diese Lage wieder würzen – aber nicht zu viel Pfeffer benutzen, denn das Essen zieht beim kochen noch durch.

Je nachdem für wie viele Leute man Schleffersch-Gereste macht, kommt nochmal eine Lage Schweinekamm obendrauf und nochmals Kartoffeln.

Zum Schluss deckte man dies alles mit Speckstreifen ab und verteilt über die Fläche noch einn paar Butterflocken.

Nun kommt der Topf in einen vorgeheizten Backofen für eine Stunde bei 200° C. Um eine schöne Farbe zubekommen, sollte man die letzten 10 Minuten den Deckel von dem Topf nehmen.

Die Manipulation der Bilder

Wir sehen täglich Bilder und Filme, sind uns oft nicht bewusst, wie diese manipuliert wurden, um den Betrachter für seine Zwecke zu gewinnen. Gerade im Zeitalter der immer größer werdenden Beliebtheit auf den bekannten Social Media Plattformen sehe ich täglich Beiträge die achtlos geteilt werden und nicht der Wahrheit entsprechen.
Kaum jemand macht sich Gedanken über die Echtheit dieser Beiträge. Sofort werden böse Kommentare und Meinungen rausgehauen – ohne jene Falschmeldung auch nur im Ansatz zu hinterfragen.

Die Manipulation von Menschen geht bis zu den Anfängern der Menschheit zurück.
Selbst in der jungpaläolithische Höhle von Lascaux, im französischen Département Dordogne, gefundenen Höhlenmalerei zeigt in einigen Darstellungen nicht die Realität. Auch große ruhmreiche Schlachten in der Antike, die Neuzeitliche Epoche, über die Kriegspropaganda der NSDAP, bis ins heutige 21. Jahrhundert werden Bilder manipuliert.
Schnell wird immer von und über der Lügenpresse hergezogen. Das die Menschen auf ihren vermeintlichen besseren Fernsehprogramme – meist Privatsender, mit und durch zahlreiche Fakedokumentationen täglich manipuliert werden, sehen diese Menschen überhaupt nicht mehr.

Vor vielen Jahren gab es auf einem jener Privatsender mehrere Folgen von „Schwer Verliebt“. Auch hier wurden Protagonisten gesucht, die meist am Rande der Gesellschaft standen. Jene Protagonisten wurden dem heimischen Fernsehzuschauer regelrecht vorgeführt. Ich weiß dies sehr genau, denn zum einen war meine damalige Nachbarin bei jener Staffel von „Schwer Verliebt“ dabei gewesen, und zum anderen wurden die „Flitterwochen“ bei mir im Haus gedreht. Als die erste Folge jenes Fernsehformates ausgestrahlt wurde, hatte ich eine Einstweilige Verfügung gegen jenen Sender gestellt – leider ohne Erfolg.

Die Manipulation von Bilder dient immer nur einem Zweck – der eigenen Darstellung oder Zweckmäßigkeit. Hier sind zum einen die Fotos der Brutkastenlüge vom August 1990 im Irak zu nennen. Die USA mit ihrer CIA brauchte Futter für Welt, um einen Krieg gegen das „Böse“ führen zu können – mal wieder. Der Vietnamkrieg basierte auf einer ähnlichen Lüge, wie auch der Sturz des Iranischen Königs, die Rebellion in Algerien, Tschad, Mali bis hin zur Unterstützung der Mudschahid in Afghanistan.
Das wir seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs einen Fläschenbrand in Westafrika, Nahost und Zentralasien haben, haben wir der CIA zu verdanken. Millionen Menschen wurden Opfer von sinnlosen Kriegen, nur weil man Bilder und Medien manipuliert hatte.
Natürlich ist die CIA nicht die einzige Organisation, die Bilder manipuliert. So gut wie alle Nachrichtendienste dieser Welt verfahren nach dem gleichen Schema. Ob man nun im In- oder Ausland eine Mission plant.
Auch Russland kann sich nicht hinstellen und die Fahne des Guten hochhalten, denn für die groß angelegte Invasion vom 24. Februar 2022 ebnete ein ständiger Strom der Desinformation aus dem Kremel die militärische Offensive gegen das Nachbarnland Ukraine.
Der jüngste Krieg in Nahost geht auch auf gezielte Desinformation zurück. Die Verstrickungen zwischen der Türkei und Hamas wurden bereits 2019 vom britische Tageszeitung „The Telegraph“ enthüllt.
Es spielt absolut keine Rolle, wer sich auf der Welt bei Kriegen und Konflikten als die „Guten“ bezeichnet – alle Kriegsparteien manipulieren Bilder. Die einen um einen Krieg zu rechtfertigen und die anderen um eine Verteidigung zu rechtfertigen.

Es muss nicht immer gleich in Kriegen enden wenn man Bilder manipuliert – es reicht schon, wenn man Angst und Unsicherheit in der Bevölkerung verbreitet.
Hier wird das komplette Spektrum der Gesellschaft abgedeckt. Ich erinnere mich noch an die Ankündigung für einen Lockdown zur Eindämmung des Covid-19 Virus. Es wurde gehamstert als ob es keinen morgen geben würde. Mir hat sich bis heute nicht erklärt, was man mit all dem Mehl, Hefe, Nudeln – und vor allem Toilettenpapier wollte. Die Manipulation schlug ein wie eine Bombe und viele Bürger:innen hatten Panik vor dem was kommen würde. Es wurde sich sogar um Toilettenpapier geschlagen!
Die Hysterie war nicht mehr zu bremsen und plötzlich gab es auf Randerscheinungs Produkte eine beachtliche Preissteigerung. Wem hatten all diese manipulierten Beiträge am Ende etwas genützt? Dem Markt.

Da manipulierte Bilder und Beiträge im Zeitalter der digitalen Medien sehr schnell verbreitet werden und diese immer und immer wieder zum Vorschein kommen, geistern diese Beiträge weiter durch das große World Wide Web.
Mit Manipulation wird unglaublich viel Geld verdient, denn aus Angst wird Wut, aus Wut wird Hass und dies ist die Lunte am Pulverfass.

Naike Juchem, 8. November 2023

Alles hat zwei Seiten

Der Kohleausstieg ist in Deutschland beschlossen und kaum einer weiß, das Gips – also REA-Gips ein Nebenprodukt von den Kohlekraftwerken ist.
Gips ist einer der wichtigsten Baustoffe im Häuser- und Gebäudebau überhaupt und wird für Wände, Estriche und als Putz verbaut. Der Bedarf der deutschen Baubranche liegt bei  ungefähr zehn Millionen Tonnen pro Jahr. Um diesen gigantischen Bedarf zu decken, nutzt die Bauindustrie vorwiegend REA-Gips.

REA-Gips

REA-Gips steht für Rauchgas-Entschwefelungs-Anlagen. Um Abgase von Kohlekraftwerken nicht über die Schornsteine in die Atmosphäre zu leiten, wird der Kohle Schwefeloxid in Form von Kalkstein beigefügt. Wenn diese Stoffe durch die Verbrennung chemisch mit einander reagieren, entsteht REA-Gips. Dieser künstlich entstandene Gips ist identisch mit Naturgips.

Gips ist bei der Entstehung der Erde durch Karstgestein entstanden. In Deutschland  ist dies der Südharz. Die Gipskarst-Landschaften reicht von Osterode über Bad Sachsa bis nach Nordhausen in Thüringen und Sangerhausen in Sachsen- Anhalt.
Naturschützer wollen in Deutschland ein Verbot von Naturgips Abbau bis 2045 erreichen. Durch jenes Verbot wir sich der Naturgips Abbau ins Ausland verlagern.

Die Pfahlbauten in Unteruhldingen

Die Pfahlbauten in Unteruhldingen sind das älteste archäologische Freilichtmuseum in Deutschland.
Es ist eine spannende Zeitreise von über 10.000 Jahre Geschichte. Man staunt über die vergangene Abschnitte der Menschheitsgeschichte in ihrer unterschiedlichsten Lebensformen aus drei Jahrtausenden.

Sehr deutlich sieht man den Anbeginn der Siedlungen der Völker. Zu beginn der Wanderschaft der Menschheitsgeschichte hat man über Wehr- und Vereidigungsanlagen überhaupt nicht gedacht. Erst mit Beginn der Bronzezeit wurden Wehrdämme und auch Verteidigungswaffen hergestellt.

Es ist faszinierend, welche Ideen die Menschen in der Steinzeit hatten. Diese Menschen waren für ihre damalige Entwicklung nicht dümmer als im 21. Jahrhundert. Ob es der Bau von Häuser, Kochgeschirr, Aufbewahrung von Lebensmitteln oder Werkzeuge für den Ackerbau waren. Die Menschen haben zu jener Zeit die Problematik der Lebensumstände erkannt und sogar perfektioniert. Man staune, wie weit die Menschen in jener Zeit entwickelt waren.

Wer sich für Geschichte und insbesondere für die Entwicklung der Menschenheit in Mitteleuropa
interessiert, sollte sich dieses Museum nicht entgehen lassen.

Armita Garawand

Photo: WordPress

Wenn Fanatismus Millionen von Frauen als Geiseln nimmt, stirbt die Würde des Menschen.
Immer wieder kommt es in islamisch geprägten Ländern zu massiven Übergriffe gegen Frauen. Die Religionswächter im Iran sind seit Jahren für ihre sinnlose Gewalt an Mädchen und Frauen bekannt. Sie schrecken vor Gewalt, Folter und sogar Tod nicht zurück. Mädchen und Frauen werden zu Tode geprügelt oder erhängt, weil sie sich nicht nach den Regeln der Religion gekleidete haben.
Wenn Religion anscheinend nur durch Unterdrückung lebt, ist dies keine Religion – sondern Terror und Missachtung jeglicher Menschenrechte.

Die 16-Jährige Armita Garawand wurde Anfang Oktober von weiblichen Kräften der Iranischen Sittenpolizei in der Teheraner Metro ins Koma geprügelt worden. Angeblich soll sie ihr Kopftuch nicht getragen haben.

Medienberichten zufolge wurde Armita jetzt für hirntot erklärt.

#armitagaravand
#FreeIran
#iranrevolution

Diskriminierung im Namen der Religion

Photo: My Stealthy Freedom on Twitter

Ein Bericht über ein Frauenverachtendes Weltbild einer patriarchalischen Gesellschaft, falsche Auslegungen niedergeschriebener Überlieferungen und die Religionsflucht der Elite.

Shohreh Bayat, Photo:Iran Journal

Für die 32-jährige Iranerin Shohreh Bayat sollte die Schachweltmeisterschaft der Frauen 2020 in Shanghai ihr Karrierehöhepunkt werden, stattdessen wurde es ein Alptraum.

Bayat war bei dieser WM als Hauptschiedsrichterin eingesetzt und machte einen guten Job. Es gibt wenige weibliche Schiedsrichterinnen die auf dem höchstem Niveau in der Welt sind und Shohreh Bayat ist die einzige in Asien überhaupt.

Ein Bild von ihr ging um die Welt, welches Bayat zeigte, auf dem ihr Hijab auf ihren Schultern lag, und nicht wie es die Religionsgelehrten im Iran den Frauen vorschreiben – nämlich das Haar mit einem Hijab zu bedenken.

Afshad, Pixabay, 20. Juli 2016

Einführung zum Koran

Der Koran gilt als das heilige Buch des Islam. Der Koran entstand zu Lebzeiten des Propheten Mohammed (570-632), wurde aber erst nach seinem Tod niedergeschrieben. Zu seinen Lebzeiten soll Mohammed mehrere Offenbarungen erhalten haben, deren Ergebnis der Koran war. Das arabische Wort قرآن (qur’ān) bedeutet wörtlich „Lesen“ oder „Rezitation“.

Der Koran besteht aus 114 Suren (Kapitel), die wiederum in 6226 Ayat (Verse) unterteilt sind. Mit Ausnahme der Sure ‚Reue‘ beginnen alle Suren im Koran mit ‚Bismillah ar-Rahmaan ar-Rahiem‘: „Im Namen Gottes, des Barmherzigen, des Barmherzigen“

Ursprung des Korans

Die meisten Forscher und Theologen gehen davon aus, dass Mohammed Analphabet war. Seine Gefährten lernten die Offenbarungen, die Mohammed vom Engel Gabriel erhalten hatte, auswendig, indem sie sie rezitierten, oder bewahrten sie auf losen Dokumenten auf.

Erst einige Jahrzehnte nach Mohammeds Tod transkribierten seine Gefährten den Koran vollständig und trugen ihn in einem Buch zusammen.

Alles eine Frage der Interpretation

In Sure 2, Vers 256 heißt es: „Es gibt keinen Zwang in der Religion“, was eben bedeutet, dass sich jeder Mensch frei für seine religiöse Überzeugung entscheiden darf. Ebenso kann man einen Menschen nicht zu bestimmten Handlungen zwingen, auch wenn es ihm seine Religion vorschreibt. Man ist letztlich einzig vor Allah/Gott verantwortlich, wenn man durch sein Verhalten nicht die Rechte anderer Personen verletzt.
Alleine dieser Vers wird von fast allen islamisch geprägten Staaten missachtet.

Die falsche Auslegung des Koran

In Sure 33, Vers 59 heißt es: Frauen sollten in der Öffentlichkeit „etwas von ihrem Überwurf“ über sich ziehen. Es wird aber nicht geschrieben, welcher Teile des Körpers verdeckt werden soll und ob dies auch die Haare betrifft.

Die Kleiderordnung für muslimische Frauen wird nicht nur aus dem Koran angeleitet, sondern auch aus Überlieferungen des Propheten Mohammed, die sogenannten Hadithe. Anhand derer soll Mohammed gesagt haben, dass von einer Frau nur das Gesicht und Hände zu sehen sein sollten und insbesondere ihrer Haare vor den Blicken fremder Männern verbergen.

Foto: privat

Fazit

Der Koran schreibt nichts von einem Hijab vor, es wird nur dahingehend ausgelegt.

Die Überlieferungen wurden genauso, wie auch die Evangelien der Bibel, weit nach dem Tot von Jesus, bzw Mohammed geschrieben. Das sich das Leben und die Welt seit jener Zeit drastisch geändert hat, sollte im 21. Jahrhundert eigentlich jedem bewusst sein.


Flucht vor der „Religion“

Sehr viele kluge Iranerinnen leben als Schriftstellerinnen, Schauspielerinnen, IT Fachfrauen bis hin zu Astronautinnen im Exil. Die Liste dieser Frauen ist unglaublich lang und alle haben eines gemeinsam: die Ablehnung der ausgelebten Religion im Iran. Ich schreibe nicht dem Islam – diesen Unterschied sollte man sich bewusst sein.

Kimia Alizadeh, Photo: Facebook

Kimia Alizadeh
Anfang Januar 2020 twitterte die heute 23-jährige Kimia Alizadeh, Olympiasiegerin in Taekwondo von 2016, dass sie in die Niederlande emigrierte sei, weil sie eine der Millionen unterdrückten Frauen im Iran sei und zudem den Sexismus einiger Sportfunktionäre anprangerte.

Seit Frühjahr 2021 ist Kimia in Deutschland unter dem Flüchtlingsstatus und wird in wenigen Tagen für das Flüchtlingsteam aus Deutschland bei den Olympischen Sommerspiele in Tokio antreten.

Anousheh Ansari, Photo: NASA

Anousheh Ansari,
sie emigrierte 1982 in die USA und studierte sie Elektrotechnik und Informatik und erhielt 1992 ein Master-Diplom in Elektrotechnik. 2006 war sie als Astronautin für 10 Tage bei der Sojus TMA-9 Mission im Weltall gewesen.

Maryam Mirzakhani, Photo: Twitter

Maryam Mirzakhani,
ist seit 2014 Trägerin der Fields-Medaille.
Die Fields-Medaille wird alle vier Jahre verliehen und gilt als Nobelpreis der Mathematik. Mirzakhani ist die erste Frau, die diese seit 1936 verliehene international renommierte Auszeichnung erhalten hat.
Bereits mit 31 Jahren wurde sie als Professorin an die Universität Stanford berufen.

Naike Juchem, 21. Juli 2021

Quellen:
– Iran Journal
– Stanford University
– Universität Duisburg-Essen
– NASA
– Spirit of new generation
– Prof. em. Dr. Gerald Hawting, Universität London
– Professor Paula Schrode, Islamwissenschaftlerin an der Uni Bayreuth
– My Stealthy Freedom

Der Waschsalon

Plakat vor dem Waschsalon in Konstanz

Samstag, 28. Oktober

Der erste Urlaubstag am Bodensee.
Um 4.40 Uhr bin ich in Singen aufgestanden und war um 6 Uhr on Singen beim Kunden zum abladen. Um 8 Uhr wurde mir gesagt, dass ich erst am Montag abladen kann. So habe ich meinen Auflieger in Singen abgesattelt und bin mit der Zugmaschine nach Konstanz gefahren.
Im Internet hatte ich nach einem Waschsalon geschaut, wenn ich wollte unbedingt meine Kleidung und Bettwäsche waschen. In der Marktgräflerstraße fand ich den gesuchten Waschsalon. Platz zum parken war wenig – aber noch (gerade) ausreichend.
Ich habe in meinem Leben noch nie Wäsche in einem Waschsalon gewaschen. Bis ich mal den Automaten fürs bezahlen und den daraus resultierenden Start der Waschmaschine gecheckt hatte, dauerte es einige Zeit. Der Inhaber von dem Laden muss mich über die Kamera gesehen haben und kam wenig später in den Laden und hatte mir alles sehr freundlich erklärt.

Beim rauchen vor der Tür fielen mir zwei Plakate von der Iran Revolution 2022 ins Auge. Ich fragte den Inhaber, ob er iraner sei. So hatten ich anschließend mit Faramas (der Inhaber) sehr unterhaltsame Gespräche über den Iran, Religion und Gesellschaft. Ich sagte Faramas, dass ich auf meinem Blog einige Texte über den Iran geschrieben habe. Wir tauschten auch gleich mal die Telefonnummern aus.

Seine Träume sollte man aber nie aus den Augen verlieren.

Ich würde keine Seiten aus dem Buch meines Lebens reißen.
Die Seiten, die ich umgeblättert habe, sind Lektionen, die ich gelernt habe.

Jeder von uns hat sein eigenes Buch des Lebens und jeder sollte damit umgehen können. Das Leben ist nicht immer Sonnenschein. Man selbst denkt, das Leben ist nur durchwachsen, trüb und trist. Warum denkt man so? Die Welt kann die eigenen Probleme nicht lösen. Man muss selbst anfangen etwas zu ändern.

Mein Leben glich und gleicht  einer Achterbahnfahrt. Von ganz oben ging es mit einem Affentempo auch schon mehrmals steil nach unten – sogar bis haarscharf in die Obdachlosigkeit.

47 Jahre war ich auf der Suche nach mir.
Wenn man Jahrzehnte einen Seelenschmerz und tausende Fragen hat, ist es eine Befreiung von unglaublich vielen Ängsten einen neuen Schritt in ein neues Leben zu machen. Als mir 2012 alles genommen wurde, was ich liebte, zerbrach mein Leben – und kostete dies fast auch. In einer völligen Verzweiflung kam nach Jahrzehnten auch wieder die Frage auf: Wer bin ich? Fast fünf Jahre war ich intensiv auf der Suche nach dieser Antwort.
Wer bin ich? Diese Frage stellte einst Robert Lembke in einer Raterunde im Fernsehen und steckte bei jeder falschen Antwort 5 Mark in ein Sparschwein.
Who I am? Ist der Titel von einem Buch, welches ich vor zig Jahren gelesen habe und ich auch dort keine Antworten für mich fand. Es wurden von einer US Studie staubtrockene wissenschaftliche Abhandlungen rezitiert, welche ich im weitläufigen auf mich beziehen konnt – es aber auch genau so gut eine Anleitung zum bau eines Bügeleisen sein konnt.

Wer bin ich – oder besser gefragt: Was bin ich? Nun, zum ersten bin ich Mensch. Ein Mensch, der irgendwann „anders“ ist und trotzdem normal. Ich weiß noch genau, als ich mich 2017 öffentlich geoutet hatte und eine Freundin schrieb: „Endlich hast du dein Äußeres deinem Inneren angepasst.“ Nette Worte die eigentlich alles aussagen.
In meinem inneren war ich schon immer Frau. Nach außen konnte ich es nie zeigen.

Die Flucht vor mir

In all den Jahrzehnten meines Lebens bin ich vor mir selbst geflohen und hatte trotzdem immer den Kopf voller Ideen gehabt. Dies Ideen und Gedanken brauchte ich wohl, um nicht an das zu denken was in mir ist – oder wer ich bin. Es war nicht die Angst nach der Ungewissheit die mich als „Hansdampf in allen Gassen“ (sagte mal ein ehemaliger Chef zu mir) umhertrieb, sondern das nicht verstehen meiner Gefühle. Ich konnte mitunter schon sehr jähzonig sein.
Erst 2016 habe ich begriffen, dass ich eine Transidentität habe und somit zu jenem 1% der Weltbevölkerung gehöre, bei denen die Chromosomen Mikado spielten.
Nun stand ich dummer Junge da und wusste keinen Rat mehr. Wen hätte ich fragen sollen? Welche Fragen solte ich den überhaupt stellen? Diese Entscheidung nahm mir eine Frau ab, die gleiches Leben hat wie ich. Petra erzählte mir damals in Saarbrücken von ihrem Leben. Als sie geendet hatte, sagte ich ihr dass sie gerade mein Leben erzählte. Ich war an diesem Abend einen Schritt weiter gekommen.

Die Schritte in ein neues Leben oder einen Alptraum

Mit der Erkenntnis, dass ich eine Transidentität habe, wurde das Leben nicht besser. Nun kamen Fragen und Ängste hinzu, die mich in eine Depression führten – einen  weiteren Suizidversuch hatte ich bereits hinter mir. Bei dem letzten Versuch mein Leben zu beenden war mein Hund war maßgeblich an dem Abbruch meines Vorhabens beteiligt. Mira bellte an jenem Augusttag wie blöd und lies nicht locker, bis im Flur meines Hauses auf dem Boden lag und bitterlich weinte.
„Jesus, zu dir kann ich kommen wie ich bin“ kam mir in den Sinn als eine unglaubliche Kraft auf meine Brust drückte und ich kaum noch atmen konnte. Wenn Jesus zu diesen Worten steht, werden meine nächsten Schritte wohl nicht so schlimm werden.
Die Angst vor der Ächtung der Gesellschaft war natürlich sehr groß und so existiert ich tagein tagaus ohne zu leben. Natürlich hätte ich in eine andere Stadt unziehen können, um dort meinen ersten Schritt in ein neues Leben zu beginnen. Dann wäre ich aber mal wieder vor mir selbst weggelaufen.
Ich begann heimlich als Naike zu leben. Die wenigen Momente sich als Naike frei zu fühlen, waren schön – aber nicht die Erfüllung meines Lebens. Um nicht in ein weiteres tiefes schwarzen Loch der Depression zu fallen, setzte ich mir selbst eine Grenze und nahm all meinen Mut und stellte mich der Realität draußen vor der Haustür.
Der Alptraum des Verlust von Freunden, Bekannten,  Familie, Job und Existenz war sehr groß und ließ mich zweifeln, ob ich wohl diesen Schritt gehen soll – oder muss. Mein Herz sagte mir, dass ich diesen Weg gehen muss – egal welche Konsequenzen kommen werden.

„Du entscheidest eines Tages oder Tag eins“

Dieser banale Spruch las ich bei scrollen auf Facebook. Dieser Satz brannte sich mir so ein, dass der 26. August 2017 mein Tag eins wurde. Ab diesem Tag gab es für mich kein zurück mehr. Naike wurde lebendig und stellte sich dem Strum entgegen – na ja, es war am Ende nur ein laues Lüftchen. Natürlich gab – und gibt es Menschen die mein Leben nicht verstehen wollen oder können und somit viel dummes Zeug über mich in der Welt verbreiten.
Was ich in alle meinen Jahren erlebt und durchlebt habe, sollten jene Personen erstmal durchleben. Geht doch mal meinen Weg, bevor ihr über mich urteilt – ohne jemals persönlich mit mir gesprochen zu haben.
Jene wenigen nicht gerade intelligente Menschen sehe ich als Nebengeräusche.
In nur acht Monaten zog ich meine neue Identität durch. Von der gesetzlichen Vorlage eines Therapeuten und zwei Gutachter, beginn der Hormontherapie und bis zum Gerichtstermin für die Personenstandsänderung gab ich Vollgas – Hansdampf in allen Gassen.
Am 16. August 2018 wurde der Beschluss bezüglich meiner Personenstandsänderung vom Amtsgericht Frankenthal
rechtskräftig und mein Leben begann offiziell als Naike.
Nach 47 Jahren konnte mein innerlicher Druck endlich weichen und ich merkte täglich, dass ich ruhiger wurde.

Ohne Dampf kein Vorankommen

Ich war an einem Punkt, wo das Leben die Weichen stellt und es ging von der Tingelbahn auf die TGV Strecke – ICE kann jeder.
Ich habe viele Jahre meines Lebens am absoluten Limit gelebt und gearbeitet. Ich war wohl schon immer ein „Hansdampf in allen Gassen“ und erlebte meine zweite Pubertät in einer Schallgeschwindigkeit von gerade mal vier Monaten.
In meinem Buch des Lebens gibt es auch ein paar Menschen, die täglich der Meinung sind, mir in irgendeiner Weise schaden zu müssen. Offensichtlich haben jene Person nicht begriffen, welches Rückgrat ich habe. Nebengeräusche sind auf die Dauer schon blöd und äußerst nervig.

In den vergangenen Jahren als Naike habe ich vieles erlebt, was ich nie zu träumen gewagt hätte. Gespräche und Treffen mit den unterschiedlichsten Menschen haben mein Leben sehr bereichert. Auch wenn ich mein äußeres geändert habe, bleibt mein Charakter gleich. Dies haben viele dieser Menschen gesehen und schätzen mich wohl auch dafür. Meine Gedanken, Meinung und die Sicht der Dinge schreibe ich in vielen Texten. Ob nun Gedichte, Prosatexte, Fach- oder Sachartikel, bis hin zu einem Roman in dem ich u.a. mein früheres Leben verarbeite. Was anfänglich nur in Social Media war, wurde im Juni 2021 auf meinem Blog auf WordPress nochmals gefestigt. Ich habe in den vergangenen Jahren weit über 600 Artikel, Texte und Gedanken geschrieben – und ein Ende ist nicht in Sicht. Am Jahresende von 2021 wurden meine Texte auf meinem Blog in 68 Ländern gelesen. Mittlerweile sind es 76 Länder.
Mein Wunsch ist es, dass ich irgendwann einmal von dem leben kann, was ich schreibe. Ob mir dies gelingt, kann ich nicht sagen. Seine Träume sollte man aber nie aus den Augen verlieren.

Ich danke für die Aufmerksamkeit

Mit freundlichen Grüßen

Naike

Alles wird gut

Hab‘ keine Angst vor Dunkelheit
Frag nicht wohin wir gehen
Wir stolpern einfach vorwärts
Durch ein weiteres Jahrzehnt

Mit vollem Bauch und leerem Kopf
Auf einem Auge blind
Auf der Suche nach Zufriedenheit
Und irgendeinem Sinn

Wir sind auf dem Weg in ein neues Jahrtausend
Bald werden Wunder am Fließband hergestellt
Auf dem Weg in ein neues Jahrtausend

Über Nacht wird alles anders, eine schöne neue Welt

Mit einem Stein in der Hand
Als Souvenir von der Mauer in Berlin
Klopfen wir an die Hintertür vom neuen Paradies
Es ist ein Reich der Träume, in dem Milch und Honig fließt
In dem alle Menschen glücklich sind und jeder jeden liebt

Songwriter: Andreas Frege / Andreas Von Holst (Toten Hosen)

Dieser Text ist von Anfang der 90er Jahre, als sich Europa neu geordnet hatte. Viele von uns haben den Fall der Berliner Mauer im Fernsehen verfolgt. Viele von uns haben den Zusammenbruch des Ostblocks und Fall des Eisernen Vorhang erlebt.
Menschen aus Ostdeutschland und Osteuropa flohen in den heiligen Westen  – wo Milch und Honig fließt.
Wir erlebten plötzlich einen aufkommenden Rassismus und brennende Häuser. Dies nur, weil Menschen auf der Suche nach Zufriedenheit waren – und andere nach einem Sinn.

Die Grenzen der Länder haben Menschen gezogen. Wir hatten einst gefeiert als die Grenze fiel. Im neuen Jahrtausend wird nach höheren Grenzen gebrüllt. Schöne neue Welt.
Die Industriestaaten dieser Welt beuten die sogenannte Dritte Welt aus, damit in diesen unseren Ländern Milch und Honig fließt.
Plötzlich merkt man, dass diese Menschen fliehen und man spricht von ein Flüchtlingsstrom. Dann von einer Welle, einer Flut und am Ende von einer Invasion.

Durch die Steigerungsform wurde und wird eine immer größer werdende Angst und Panik verbreitet. Mit vollem Bauch und leerem Kopf und auf beiden Augen blind, wurde mal wieder ein Feindbild geschaffen. Jene Migranten die randalieren rücken immer in den Fokus der Öffentlichkeit. Jene Menschen sollen dann lieber dorthin zurück gehen wo sie herkommen.
Es gibt aber auch viele Migranten die nicht auffallen, sich integrieren und ihren Teil für unser staatliches System beitragen. Es gibt aber auch genügend einheimische die lieber in der sozialen Hängematte liegen.

Leider haben auch im neuen Jahrtausend viele Menschen einen leeren Kopf und sind auf einem Auge blind, denn sie wollen nur das sehen, was sie sehen wollen und in ihr eigenes Weltbild passt. Sie stolpern einfach vorwärts durch ein weiteres Jahrzehnt.
Die politische Lage in Europa macht vieles nicht besser. Wir sollten aufpassen, dass wir nicht wieder Jahrzehnte zurückstolpern.

Alles wird gut  – irgendwann

Naike Juchem, 27. September 2023

Der Grenzturm Katharinenberg

Der Grenzturm Katharinenberg (auch Mahnmal Grenzturm) ist ein ehemaliger Führungsturm der DDR-Grenztruppen in der Gemeinde Südeichsfeld im Unstrut-Hainich-Kreis (Thüringen).

Der ehemalige Grenzturm wurde zu einem kleinen Museum umgebaut. Dabei blieb die eigentliche Bausubstanz erhalten. Das Museum wird vom Heimatverein Wendehausen betreut. Dargestellt werden die früheren Grenzanlagen und die Lebensbedingungen der Bevölkerung im einstigen Sperrgebiet. Es setzt den Todesopfern bei Fluchtversuchen ein Denkmal. Thematisiert werden außerdem Zwangsumsiedlungen und Wüstungen in der Zeit der DDR.

Der ehemalige Grenzturm (Führungsturm) hat eine Grundfläche von vier mal vier Metern. Er ist vollständig unterkellert. Im Kellergeschoss befanden sich die Zuleitungen der Signalzäune und die Stromversorgung. Im Erdgeschoss befanden sich eine Toilette und drei Arrestzellen für mögliche Gefangene, die aus der DDR flüchten wollten, deren Versuch aber durch die Grenztruppen unterbunden wurde. In der ersten Etage standen Feldbetten für sechs Soldaten. Der Turm hatte kleine Schießschächte.

Im zweiten Geschoss war die Führungsstelle untergebracht, die für einen bestimmten Grenzabschnitt zuständig war. Das Obergeschoss war im Allgemeinen ständig mit einem Offizier/Unteroffizier und einem Soldaten besetzt. Hier liefen unter anderem die Signaldrähte der Signalzäune zusammen und zeigten an, wenn ein Flüchtling den Grenzanlagen passieren wollte. Auch Tiere lösten bei Berührung der Signaldrähte Alarm aus. Vom zweiten Obergeschoss konnte man weit an den Grenzanlagen entlang schauen. Auf dem Dach war eine Flutlichtanlage installiert, mit der die Grenzanlagen beleuchtet werden konnten.

Zu einer solchen Führungsstelle gehörte auch ein von westlicher Seite gedeckt angelegter Kfz-Standplatz, von dem man über den Kolonnenweg in kurzer Zeit den gesamten Grenzabschnitt mit Fahrzeugen erreichen konnte.

Die Gemeinde Südeichsfeld und der Heimatverein Wendehausen wollen die Erinnerung an die früheren Grenzanlagen wachhalten und auch die nachfolgenden Generationen über die Geschichte des Ortes informieren. Zwischen Ostern und dem Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober ist das Mahnmal sonntags geöffnet. Auf dem ehemaligen Fahrzeugstandplatz befindet sich ein Pavillon mit Informationen zur Umgebung.

Als weitere Relikte ehemaliger Grenzanlagen in der Umgebung sind noch der mit Betonplatten angelegte Kolonnenweg von der B 249 über den gesamten Karnberg bis zum Heldrabach vorhanden, zum großen Teil auch noch der Kfz-Sperrgraben, ein weiterer Beobachtungsturm südwestlich der Führungsstelle und eine Agentenschleuse an den Mainzer Köpfen. Darüber hinaus findet man neben den historischen Grenzsteinen auch noch einige Grenzsäulen und Grenzsteine der DDR.

Foto: Wikipedia

Fotos: Privat
Text: Wikipedia

Der Inhalt ist verfügbar unter CC BY-SA 4.0, sofern nicht anders angegeben.

Klimakleber

Sachbeschädigung auf Sylt Foto: WordPress

Hallo ihr lieben Klimaakrivisten,

dass wir uns über den Klimawandel Gedanke machen müssen, ist völlig richtig. Nur Sitzblockaden, Sachbeschädigung oder sich auf Straßen festkleben, ist der falsche Weg.

Liebe Klimaaktivisten, ihr solltet euch vor die Türen der Parlamente setzen, wenn ihr etwas ändern wollt. Ihr demonstriert für Frieden; warum nicht vor den Werkstoren der Rüstungsindustrie?

Sachbeschädigungen an Kunst, Fahrzeuge oder Gebäude sind auch nicht sonderlich förderlich für eure Revolution.

Foto: WordPress

Ihr ernährt euch vegan und brüllt gegen das System. Wo euer Essen herkommt, ist euch aber irgendwie egal. Ihr kauft Kleidung in einem kapitalistischen System, welches ihr verspottet. Ihr benutzt Geräte, die in Billiglohnländer hergestellt werden.
Dies passt schon mal nicht zusammen.
Wer nur einen Krümmel sieht, erkennt den Kuchen nicht.

Wenn ihr eurer Überzeugung mehr Gewicht geben wollt, solltet ihr eure Kleider selbst aus Jutestoff herstellen. Ihr solltet euer Gemüse, Getreide und Obst auch selbst anbauen. Auch solltet ihr euch Hütten aus den Materialien bauen, die ihr vor Ort habt. Zur Not könnte man Steine, Zement, Holz, Schilfrohr oder Stroh mit einem Ochsenkarren heran schaffen.
Eure Möbel und Hausrat müsstet ihr auch selbst herstellen.

Sachbeschädigung an Kunst Foto: WordPress

Für nur diese wenigen Punkte müsstest ihr dreiviertel vom Tag schuften. Dann bleibt kaum noch Zeit zum kleben, zerstören oder behindern.

Eure Traumwelt ohne Energie zum heizen, Medikamente, Hygieneartikel, Infrastruktur von Wasser, Strom und Abwasser, Lebensmittel, Kleidung und Geld würde sehr trist aussehen.
Wie lange würdet ihr wohl in eurer Jutekleidung ohne Heizung und spärlichen Essen über die Runden kommen? 2 Tage, 4 Tage oder sogar noch eine Woche?

Foto: WordPress

Denkt einfach mal einen Schritt weiter, welchen Luxus ihr habt, diesen ihr aber verteufelt. Fragt mal eure Großeltern wie es nach dem Krieg war. So ähnlich würdet ihr dann auch leben.

Mit freundlichen Grüßen

Naike Juchem

Das Leben wird teurer

Im Januar 2024 soll eine CO2-Differenzierung der Lkw-Maut und ein CO2-Aufschlag in Höhe von 200 Euro pro Tonne CO2 eingeführt werden. Emissionsfreie Lkw sollen bis Ende 2025 von der Gebühr befreit werden, anschließend sollen 25 Prozent des regulären Satzes erhoben werden.

Um in Deutschland den Mehrwertsteuerstatz nicht zu erhöhen – was der Regierung in der sowieso schon angespannten Lage mächtig Gegenwind bringen würde, macht man es eben über eine Einnahme – die ja offensichtlich nur die böse Transportbranche betrifft. Wirklich?

Die Mehrwertsteuer ist ein Prozess der beschreiben, wie die Regierung einen Prozentsatz der Wertschöpfung an jedem Schritt der Wirtschaftskette eines Herstellers erheben. Letztendlich endet eine Erhöhung der Mehrwertsteuer damit, das der Konsum von Waren und oder Dienstleistungen durch die Verbraucher steigen.

An den globalen Mehrwertsteuerprozessen sind drei Hauptakteure beteiligt: Der Lieferant (Hersteller), Käufer und die Regierungen. Die Mehrwertsteuer wird von allen Gruppen dieser Kette bezahlt. Lediglich Firmen und Unternehmen können ihre Vorsteuer abziehen.

Die Mehrwertsteuer eine enorme Auswirkungen auf die weltweite Marktwirtschaft und ist das mit Abstand bedeutendste Verbrauchsteuersystem bei 162 Handelsnationen. Die Mehrwertsteuer trägt mehr als 30 Prozent aller öffentlichen Einnahmen.
Einzig Luxemburg (17%) und Malta (18%) liegen in der EU am niedrigsten. Hingegen haben Dänemark, Schweden und Kroatien einen Mwst Satz von 25%. Ungarn sogar 27%.

Wenn ab Dezember eine fast doppelt Mauterhöhung für den gefahren Straßenkilometer kommt, wird diese Erhöhung auf ALLE Bereiche der Marktwirtschaft zutreffen. Es bleibt schließlich nicht beim Pfund Butter stehen.
Zulieferer von dem viert größten Industriezweig in Deutschland: der Autoindustrie, werden ihre Kosten weiter geben. Am Ende kostet ein Kleinwagen mal locker 2000 €.
Gut, nicht jeder kauft sich pro Woche ein neus Auto. Bei den Lebens- und Verbrauchsmittel des täglichen Lebens wird die Mauterhöhung schon das ein oder andere Loch in die sowieso schon leeren Taschen der Verbraucher bringen.

Weiter geht es mit der Erhöhung der CO2-Steuer – auch diese wird sich um 50% erhöhen. Wie auch bei der Lkw Maut für je gefahrenen Kilometer aus bundesdeutschen Landstraßen und Autobahnen. Zum Schluß dieser oft nicht von der Gesellschaft wahrgenommen Erhöhungen für den Transportverkehr, bekommt der Bund eine Mehreinnahme durch die Umsatzsteuer. Jene Steuer, die von den Unternehmen bezahlt wird, wird sich wahrscheinlich vorerst nicht erhöhen, denn diese wurde 2022 von durchschnittlich 10,7% auf 9,5% gesenkt. Welche auch unter § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG nachzulesen ist. Durch die kommende Erhöhung von zwei Abgaben – Lkw-Maut und CO2-Steuer, werden sich die Rechnungen der Unternehmen an die Kunden erhöhen, was im umkeherschluss eine höhere Einnahme für den Bund bedeutet.

Und warum tut man all dies? Um einen Konkurrenten des Straßegüterverkehr unter die Arme zu greifen. Ein Unternehmen, welches privatisiert wurde um einen Stellenabbau erklären zu können. Danach macht man jener Unternehmen wieder staatlich, weil es ohne Subvention nicht überleben könnte. Nun erklärt man dem „dummen“ Bürger, dass man die Klimaziele erreichen möchte, und aus diesem Grund ein marodes Unternehmen etwas aufzubauen. Alleine von der Logistik der Schienenkilometer, dem fehlenden Personal, dem fehlenden Equipment wie zum Beispiel: Lokomotiven, Anhänger, Weichen, Be- und Endladeterminals.
Diese wenigen unerhebliche Faktoren reißt nun die Straßenverkehrsmaut mal eben so raus. (Ironie off)

Sonst läuft aber alles gut in diesem Land.

Erste Hilfe ist wichtig

Ich war vor längerer Zeit Zeugin von einem Unfall auf der A40 bei Moers.
Hinter mir hörte ich es knallen und schaute sofort in die Spiegel. Rechts im Spiegel sah ich 30 Meter hinter mir einen Mercedes Vito an der Leitplanke vorbei schlittern und dann knallte es nochmals.
Ich sofort aus dem Auto raus und sah den Vito quer hinter einem tschechischen Sattelzug. Ich bin sofort zu der verunfallten Person gelaufen und sah, dass die Person schwer verletzt – aber ansprechbar war. Die Person hatte einen starken Schock und  kurzzeitig auch einen kognitiven Ausfall. Sprich, die Person konnte ihren Namen nicht sagen. Sie fragte mich mehrmals, was passiert sei.

Die verunfallte Person hielt sich ständig die linke Thorax Seite fest. Dies konnte entweder durch den Aufschlag gekommen sein, konnte aber auch kurz vor dem Unfall ein medizinischer Notfall (Herzinfarkt) gewesen sein, denn das Fahrzeug fuhr ungebremst auf einen LKW auf. Dann gegen die rechte Leitplanke und nach 30 Metern wieder gegen einen Lkw.

Die Person war nicht eingeklemmt, hatte eine Platzwunde am Kopf und am linken Unterarm war die Haut bis auf die Subcutis mehr als eine Handgröße offen. Ein Blick nach links zu den beiden Zivilpolizisten zeigte mir, dass einer der Polizei den Daumen hob und signalisiert, dass er den Notruf anrief.
Ich bat einen Passanten, mir doch bitte den Erste Hilfe Kasten auf der Beifahrerseite zu geben und versorgte die offene Wunden der verunfallten Person.
Ich sprach immer wieder beruhigend mit der verunfallten Person.
Eine weitere Person war der Meinung, die verunfallte Person aus dem Auto zu holen. Dies lehnte ich ab. Denn zum einen stand die verunfallte Person unter Schock und zum anderen wusste ich nicht, in wie weit es Verletzungen im Bereich des Thorax gab.
Hätte man diese unüberlegte Hilfe gemacht, wäre zum einen der Punkt: WOHIN mit der verunfallten Person?
Nächster Punkt: Bei einem Schock wird das Blut im Kopf und Oberkörper gebaucht.
Auch war bei meinem Eintreffen nicht klar, ob die verunfallte Person Verletzungen an einem Bein oder gar Rücken hatte, oder ein Herzinfarkt vorlag.

Ich bat eine Passanten mir doch bitte die linke Tür von dem Vito weiter aufzuhalten, damit ich besser an die verunfallte Person kam, um die Wunden abzudecken / verbinden.

Als der RTW eintraf, gab ich Stautus über die verunfallte Person von meinem Eintreffen bis zum Zeitpunkt der Übergabe an den Notarzt.
Ich sprach noch mit dem Lkw Fahrer von dem ersten Unfallfahrzeug und gab ihm meine Adresse. Jener ältere Kollege stand etwas unter Schock. Dann sprach ich auch noch auf englisch mit dem tschechischen Fahrer. Er war stabil.

Nach 15 Minuten fragte ich den Einsatzleiter, ob ich noch weiter zur Verfügung stehen müsste. Da die beiden Zivilpolizisten als Zeugen ausreichen würden, wurde ich dankend entlassen.

Es zeigte sich mal wieder, dass es Menschen gibt, die handeln wollen, es dann aber falsch machen würden – zum Beispiel aus dem Auto rausholen.
Bei einem Unfall sollte immer jemand die Führung und Kommando haben, um andere Menschen in Ruhe diese oder jene Maßnahme zu erklären. Es ist niemand geholfen, wenn man unüberlegt oder panisch reagiert, denn der Unfall IST ja schon passiert.

Bleibt alle gesund und kommt immer gut nach Hause.

Lignit oder Xylit

Heute mal etwas über die Entstehung unserer Erde und was Lignit oder Xylit ist.

Autorin: Naike Juchem

Lignit kommt aus dem lateinischen und ist der Oberbegriff für jüngere Kohle.

Xylit ist in einem Zeitraum von Jahrmillionen entstanden. Durch den Druck aus dem Erdinneren und der letzten größeren Eiszeit vor etwa 500.000 Jahren kühle sich bekanntlich die Erdkruste ab. Unter Milliarden Tonnen Eis wurde alles Leben vernichtet – Fauna wie Flora.
Mit dem einsetzen der Warmzeit schmolz langsam das Eis und zurück blieben die uns heute bekannten Bodenschätze: Erdöl, Erdgas, Kohle, Erze und so weiter.

Durch den Tageabbau von Braunkohle, wird eben nicht nur Kohle gefördert –  sondern auch verschieden Sande und eben Xylit.
Bei Xylit ist die klare Holzstruktur noch sehr gut erkennbar. Den prähistorischen Prozess von oder für Xylit nennt man Inkohlung. Also eine Zwischenstufe von Pflanze zu Kohle. Somit ist Lignit oder Xylit eine Vorstufe von Braunkohle.

Lignit hat keinen guten Brennwert bei einer Verbrennung in einem Wärmekraftwerk und zum anderen entsteht durch seine Struktur bei einer Verfeuerung sehr viel klimaschädliches Kohlenstoffdioxid (CO2).

Der Nutzwert von Lignit ist tatsächlich noch gar nicht so lange bekannt. Erst seit knapp 10 Jahren trennt man Lignit von der  Braunkohle vor der Verfeuerung.
Im den frühen 80er Jahre kam der Saure Regen auf. Schuld daran war unter anderem das verbrennen von Lignit. Denn durch die CO2-Freisetzung beim der Verbrennung wurde auch Schwefeldioxid freigesetzt.

Man versucht nun in verschiedenen Verfahren etwas mit diesem Produkt zu machen. Lignit wir seit einigen Jahren als Filteranlage für Seen oder Gewässer erfolgreich gegen eine massive Zunahme an Algenbildung genutzt – sogar in Dubai.
Auch wird Xylit in Torf und Blumenerde untergemischt.
Eine weitere Verwendung wird in der Verölung eingesetzt. Dieses Prinzip ist ähnlich wie Fracking in den USA oder Kanada. Die Technik hierfür nennt man Katalytische drucklose Verölung (KDV).
So erzieht man bei einer Tonne Lignit etwa 250 Liter Dieselöl, etwa 300 bis 350 Kilogramm Kohlenstoffpaste und bis zu 350 Liter Aqua destillata – also destilliertes Wasser.

Naike Juchem, 5. September 2023

Umweltschutz geht uns alle an

Umweltschutz geht uns alle an. Dies ist soweit richtig. Nur sollten dann auch ALLE dies beherzigen.

Autorin Naike Juchem

Ich bekam heute ein Video von einem Freund aus Kambodscha zugeschickt. Ich habe einige Screenshots aus dem über einstündigen Video gemacht, damit ihr mal einen kleinen Einblick bekommt, wie Menschen in anderen Teilen der Welt mit ihre Umwelt umgehen.
In dem Video geht es um einen Taucheinsatz der Spezial Forces 911. Im Stadtteil Russey Keo in Phnom Penh, suchen Taucher nach einer vermissten Person.

Durch dieses Distrikt fließt der Tonle Sap, welcher wenige Kilometer weiter an der vorgelagerten Insel Koh Pich in den Mekong mündet.
Der Mekong gehört zu den größten Flüssen dieser Welt und seine Wasserkraft und Fließgeschwindigkeit sind gigantisch.

Nun sehe ich dieses Video und mir blutet das Herz, wenn ich all diesen Müll auf dem Wasser schwimmen sehe.
Von der vermissten Person fehlt nach jetzigen Kenntnisstand jegliche Spur. Unfälle mit Todesfolge durch Alkohol, Drogen und Leichtsinnigkeit sind in Südostasien an Tagesordnung.

Tränen an der Autobahn

Seit nun fast 2 Monate streiken erneut Lkw Fahrer einer polnischen Spedition auf zwei Rastanlagen auf der A5 Gräfenhausen bei Darmstadt.

Autorin Naike Juchem

Die 82 Fahrer aus Russland, Usbekistan, Georgien und anderen Ländern warten auf ihre Löhne. Die Fahrer bekommen zumindest über Spenden Lebensmittel gebracht und können zweimal die Woche in Darmstadt duschen.
Ihre Familien, die die Fahrer zum Teil seit eineinhalb Jahren nicht mehr gesehen haben, warten auf die Löhne ihrer Männer. In ihren Heimatländer sind die Familien verzweifelt, weil auch sie kein Geld für Lebensmittel und den täglichen Alltag haben.

Ich sprach mit einer Gruppe von Männer, die alle sehr freundlich waren, über deren Zukunft und wie es weiter gehen soll. Resignierte Blicke und Achselnzucken waren die Antworten. Wenn sie ihre Löhne bekommen, würden sie mit dem Flugzeug nach Hause fliegen – irgendwann.
Mir wurden Fotos von den Ehefrauen und Kinder gezeigt. Dem ein oder anderen standen die Tränen in den Augen. Via Internet sind die Männer zwar mit ihren
Familien virtuelle verbunden, doch bleiben die Sorgen für die Familien, weil sie sich oft noch nicht einmal ein Brot leisten könnten.

Wer auf den Straßen und Autobahnen in Deutschland und Europa unterwegs ist, sieht täglich LKW aus Litauen, Polen, Bulgarien, Rumänien… Selbst bei Kennzeichen aus den Niederlanden, Belgien, Deutschland, Luxemburg… ist dies so. Die Fahrer kommen oft aus nicht EU-Länder und sind somit monatelang unterwegs. Man sieht es einem Lkw nicht an, aus welchem Land die Fahrer kommen, wie lange sie schon von zuhause weg sind, oder ob sie einen angemessen Lohn bekommen.
Die Fahrer sind die Sklaven für unseren Wohlstand und Industrie. Wer zum Beispiel das „Billy“ Regal von IKEA geliefert hat, weiß man an der Kasse nicht. Egal ob Zeitungspapier, Baustoffe oder Fertigungsteile für Fahrzeuge – der Transport muss billig bleiben. Die Auswirkungen sieht man in Gräfenhausen.

Naike Juchem, 12. September 2023

Die Intelligenz der Tiere

Die Intelligenz der Tiere
Elefanten

Autorin Naike Juchem

„Du dumme Kuh“ , „Du blödes Schaf“ oder ähnliches haben wir alle schon mal gehört. Tiere sind gewiß nicht dumm. Sie haben eine Intelligenz, die ihrer Art angepasst ist. Sie wissen was sie an Nahrung zu sich nehmen können und welche schädlich – oder gar giftig sind.

Heute möchte ich euch ein paar Fotos zeigen, welche tatsächlich von Elefanten gemalt wurden.
Bei einem Elefanten sagt man, dass dessen Gehirn – oder IQ mit einem 7-jährigen Menschen vergleichbar ist. Elefanten können Fussball spielen und sogar malen.

In Thailand und Kambodscha war ich öfters auf Festivals welche zu Ehren der Elefanten aufgeführt wurden. Auch war ich in diversen Elefanten Farmen. Auf dem Rücken eines Elefanten durch unwegsames Gelände getragen zu werden ist schon ein kleines Abenteuer. Mit welch einem Gefühl diese Tiere Abhänge herunter gehen, ist schon beeindruckenden.
Tauziehen mit bis zu 150 Menschen ist immer wieder lustig. Männergruppen wollen ihre Stärke zeigen und meinen einen Elefanten festhalten zu können. Ein schnaufer von einem solchen Tier und bis zu 150 Menschen fallen wie Dominosteine um. Die ganz mutigen könne sich auf den Boden legen und ein Elefant geht über sie.
Wenn ein riesiger Fuss über einen kommt und der Elefantenführer seine Scherze macht, indem der Elefant wenige Zentimeter vom Körper oder Gesicht entfernt seinen Fuß innehält, betet man zu Gott, dass der Elefant hoffentlich jetzt nicht niesen muss.
Bei all ihrer Größe und Kraft hat mich am meisten der Bilck in die Augen von einem Elefanten beeindruckt. Die Augen von einem solchen Koloss zeigen eine unglaubliche Sanftmut.

In den unwegsamen Gebirgen in Thailand und Kambodscha werden heute noch Elefanten beim Abtransport von Holz aus den tropischen Wäldern eingesetzt. Diese Tiere haben eine schier endlose Kraft.

Rhyolith

Unsere Welt ist faszinierend und spannend. Wir können die Entstehung unseres Planeten täglich sehen und sogar begreifen. Was vor Millionen von Jahren noch eine glühende Masse war, formte sich langsam zu einem einzigartigen Planeten im Universum.
Die glühende Masse wurde langsam fester und eine Kruste – unsere Erdkruste entstand. Da diese Kruste noch nicht ganz ausgehärtet war, brach und bricht das flüssige Magma immer wieder aus. Die Folge sind Vulkane und eine unglaubliche Zahl an verschiedenen Gesteinen, Metallen und Gasen.

Trotz der Fülle an Gesteinen, spricht die Geologie von nur drei Gesteinesgruppen: die Magmatite – wie das Wort schon sagt, handelt es sich dabei um Tiefengestein – also Vulkan- oder Ergussgestein.
Die nächste Gruppe ist das Sedimentgestein – auch Ablagerungsgestein genannt. Dieses Gestein kann man an Bach- und Flussläufen sehr gut sehen. Elbsandsteingebirge oder das Müllerthal zwischen Luxemburg und Deutschland.
Dann gibt es noch das Umwandlungsgestein. Dieses Gestein entstand durch Metamorphose. Die Alpen mit ihrem Gneis sind ein solches Gestein. Wenn früh am Morgen oder spät am Abend die Sonne dieses Gestein anstrahlt, sieht man in wenigen Augenblicken ein Vielzahl an Farben.

Nun komme ich zu dem Magmagestein Rhyolith. Dieses Gestein entstand aus dem flüssigen Magma, welches noch heute unseren Erdkern bildet. Durch Vulkanausbrüche gelangte Magma aus dem Erdinneren langsam an die Oberfläche und erkaltet. Dies nennt man auch eine Peleanische Eruption.

Was wollen wir?

Oft lese und  höre ich, dass die Windräder die Landschaft verschandeln, Vögel regelrecht gehäckeslt werden oder zig Hektar Wald für ein Windrad gerodet werden müssen.
Kohlekraftwerke und Atomkraftwerke sollen es auch nicht sein. Wasserkraftwerke sind schädlich für die Fische. Müllheitzkraftwerke sollen es auch nicht sein.
Was wollen wir?

Wir wollen den Luxus, dass Strom ständig verfügbar ist, denn diesen brauchen wir für Brotmaschinen, Kaffeemaschine, Thermomixer oder Eierkocher. Der tägliche Luxus fängt schon mit dem morgendlichen warmen Wasser zum duschen an.

Was wollen wir?
Man will die Welt retten, aber keinen Schritt zurück gehen. Lebensmittel und Energie muss ständig verfügbar sein – denn warm möchte man es in der Bude ja auch noch haben. Was gab es für einen Aufschrei als es hieß, dass in öffentlichen Gebäuden die Temperatur auf 19° C gesenkt wurde.

Wenn wir diesen Planeten noch irgendwie retten möchten, und unsere Kinder noch eine Zukunft haben sollen, müssen wir anfangen zu handeln – auch wenn es etwas unbequem wird.

Es wird gejammert auf höchsten Niveau. Was in Deutschland und anderen Industrieländer seit Jahrzehnten Standard ist, ist für 5 Milliarden Menschen auf dieser Welt unerreichbar.

Naike Juchem,  7. September 2023

Unser täglicher Luxus basiert auf der Not und Armut der anderen.

So gut wie ALLE unsere Kleidung kommt aus Bangladesch, Thailand, Kambodscha, Vietnam, China, Pakistan, Iran.
Wo soll man nun anfangen eine Petition zu unterschreiben?
Vieles an Deko- und Baustoffartikel kommt aus China, Malaysia, Taiwan, Sri Lanka.
Lebensmittel werden in Lateinamerika und Südostasien unter Menschenunwürdigen Bedingungen gepflanzt und geerntet.
Kautschuk für die Reifen kommt aus Thailand, Kambodscha, Vietnam und Malaysia zu uns. Auch dort sind Menschen in der Abhängigkeit.

Unser täglicher Luxus basiert auf der Not und Armut der anderen.

Billige Kleidung kommt aus Bangladesch

Jeder vermutet das Billigkleidung von KIK, Tacco oder Primark aus Bangladesch kommt. Dies ist nur die halbe Wahrheit.
Adidas, C&A, Esprit, H&M, Kanz – Kids Fashion, NKD, Tchibo, Puma und Zara sind nur einige bekannten Namen, die in den Kleiderfabriken in Bangladesch, China, Indien, Iran, Kambodscha, Malaysia, Philippinen oder Thailand herstellen lassen.

Auch Labels der gehobenen Klasse, wie zum Beispiel: Hugo Boss, Tommy Hilfiger oder Calvin Klein sind genauso an der Ausbeutung von Menschen beteiligt.

Konsum auf Kosten von Menschenleben

In Bangladesch starb 2009 einer 18-jährigen Näherin an Erschöpfung, die in einer Textilfabrik in Chittagong, sieben Tagen in der Woche 13 bis 15 Stunden
arbeitete. In der Fabrik wurde vor allem für den Metro Konzern produziert. Metro beendete daraufhin die Zusammenarbeit mit der Fabrik.

Im November 2012 kamen bei einem Brand in der Tazreen-Kleiderfabrik mindestens 117 Menschen ums Leben, mehr als 200 Menschen wurden verletzt.
Mehr als 50 Menschen wurden im gleichen Jahr und Stadt bei einem Brand verletzt.

Am 24. April 2013 starben bei dem bisher größten Unfall in der internationalen Textilindustrie in der Stadt Sabhar, 1135 Menschen. 2338 wurden verletzt.
Die Industrie und Regierung haben seitdem zwar höhere Sicherheitsstandards in Bangladesch durchgesetzt, aber der Preiskampf in der Modebranche verhindert die Verbesserungen.

Kambodscha war zu Beginn der 90er der Weltgrößte Textilhersteller. Durch den Genozid der Roten Khmer ab dem 17. April 1975 bis zum 7. Januar 1979 katapultierte sich Kambodscha ins tiefste Mittelalter zurück. Durch die extrem Armut in dem Land wurde binnen kürzester Zeit eine Industrie aus dem Boden gestampft, die bis dato Beispiellos ist.
Der Exportwert von Kambodscha übertraf jedes Bruttosozialprodukt der Länder in Südostasien und Lateinamerika. Diese unglaubliche Masse an Arbeitsplätzen musste irgendwie erfüllt weden, und so arbeiteten bereits 12-jährige Kinder bis zu 15 Stunden am Tag für einen Hungerlohn.

Gemäß dem Armutsbericht der Weltbank verdienen Frauen in der kambodschanischen Textilindustrie bis zu 30 Prozent weniger als Männer – und dies bei einer 80 Stunden Wochenarbeitszeit.
Umgerechnet ergibt sich ein Monatslohn von 140 US-Dollar.

In den letzten 10 Jahren hat sich Kambodscha zwar für ein Mindestalter von 18 Jahren ausgesprochen, doch die Realität sieht anders aus. 15-jährige Kinder machen sich freiwillig älter, um etwas Geld für die Familien zu verdienen.
Firmenleitungen bieten Frauen ganz bewusst nur befristete Arbeitsverträge an, weil sie somit die Kosten für den Mutterschutz umgehen können: Schwangeren Frauen wird einfach der Arbeitsvertrag nicht verlängert. Da die Frauen keine Krankenversicherung haben und legale Abtreibungen teuer sind, begeben sich viele schwangere Frauen in halblegale und illegale Gesundheitszentren und gehen damit ein beträchtliches gesundheitliches Risiko ein.

Frauen tragen somit die Hauptlast der wirtschaftlichen Entwicklung in Kambodschas Textilindustrie. Dass ihre eigene Situation sich dadurch verbessert, muss allerdings bezweifelt werden.

Liste von Menschenrechtsverletzungen

Die Liste der Menschenrechtsverletzungen – und diese nicht nur in Arbeits- und Kinderrecht, geht mittlerweile ins Uferlose und reicht von Latein- und Zentralamerika über Afrika, Europa nach Asien bis hin zu Südostasien.
Nachfolgend nur ein paar Beispiele an
Menschenrechts­verletzungen durch deutsche Konzerne.

In Argentinien ist es der Bergbau. Dort wird Lithium für ein deutscher Netzbetreiber, die Mobilfunk­geräte abgebau. Die Gefährdung der Lebens­grundlagen und Missachtung des Rechts auf Mitsprache der indigenen Bevölkerung durch wasser­intensiven Lithium­abbau in den nördlichen Provinzen Jujuy, Salta und Catamarca.

In Äthiopien ist es die Überwachungs­technologie. Die Firma Trovicor (ehemals Siemens Intelligence Solutions), Elaman, Gamma Group.
Diese Firma übernahm die Ausstattung des äthiopischen Geheim­dienstes mit Technologie zur Überwachung des Internet­verkehrs; die Regierung ist bekannt dafür, Dissidenten auszuspähen; laut Human Rights Watch wurden Daten aus Telefon- und E-Mail-Kommunikation bereits dafür genutzt, unter Folter Geständnisse zu erzwingen.

Rosen aus Athen war einmal. Heute sind es Rosen aus Äthiopien die in Filialen aller deutschen Discounter verkauft werden und damit Landgrabbing, Zwangsumsiedlungen und Arbeitsrechts­verletzungen fördern. Laut der Gesellschaft für bedrohte Völker kommen 40 Prozent der deutschen Rosen im Winter aus Äthiopien.

Bahrain hat fast gleiche Überwachungs­technologie wie Äthiopien im Einsatz.
Die Firma Trovicor, Gamma Group, FinFisher Labs (deutsches Tochter­unternehmen der Gamma Group) liefert jene Technologie der Überwachung an das Regime im Persischen Golf.

In Bolivien arbeiten nach Angaben von UNICEF ungefähr 800.000 Kinder unter 18 Jahren. Obwohl das bolivianische Arbeitsministerium bereits  2006 einen Plan zur Beseitigung der Kinderarbeit auf den Weg gebracht hatte, bleibt die Kinderarbeit, die im Bergbau und bei der Zuckerrohrernte  fortbestehen.
In Bolivien besteht ein Joint Venture zwischen ACI Systems Alemania aus dem baden-württembergischen Zimmern ob Rottweil (ACISA) und des bolivianischen Staatsunternehmen Yacimientos de Litio Bolivianos (YLB).
Seit diesen Jahres wird dort jährlich bis zu 50.000 Tonnen Lithiumhydroxid gefördert. 70 Jahre lang soll das größte Lithium-Vorkommen der Welt so ausgebeutet werden. Durch jenes Joint Venture sichert sich Deutschland erstmals nach Jahrzehnten wieder den direkten Zugriff zu nicht-heimische Rohstoffen.

In Kambodscha gehören Ackerflächen, welches über Jahre von den Bauern genutzt wurden, um Landwirtschaft zu betreiben, auf einmal nicht mehr ihnen. Investoren kaufen oder pachten riesige Flächen, um dort  zum Beispiel Kautschuk für den Export anzubauen. Kautschuk aus Kambodscha wird auch in Deutschland verarbeitet, ob nun als Reifen, Dichtungen oder thermoplastische Elastomere. 

Nach neusten Zahlen sind inzwischen Konzessionen von über 4 Millionen Hektar vergeben worden – das entspricht einem Drittel der Ackerfläche Deutschlands. Dabei ist Kambodscha nur etwa halb so groß. Allein in den letzten acht Jahren sind mehr als eine Viertel Million Menschen unmittelbar von der Landnahmen durch staatliche Stellen oder privaten Investoren betroffen und somit zwangsweise vertrieben worden.

Dabei ist gerade für die ländliche Bevölkerung der Zugang zu Land elementar: Die Ernährungssituation ist – trotz Verbesserungen seit 1990 – nach wie vor ernst und rund ein Viertel der Bevölkerung ist unterernährt. Die arme ländliche Bevölkerung profitiert bisher kaum vom anhaltenden Wirtschaftsboom Kambodschas und im ländlichen Raum gibt es neben der Landwirtschaft nach wie vor kaum alternative Einkommensquellen. Mit dem Zugang zu Land verlieren die Menschen daher auch den Zugang zu Nahrung.

Bei dem sogenannten Land Grabbing mischt auch die Deutsche Bank mit. Diese vergibt Mikrokredite an die verschuldeten Bauern, die oft nicht mal 300 US-Dollar übersteigen. Die Bauern können die Zinsen – die bei 20% liegen, kaum zurück bezahlen und so kommen Spekulanten auf den Plan und die Bauern verlieren ihren Grundbesitz wegen ein paar Dollar Schulden.

Fazit: Menschenrechtsverletzungen begehen wir täglich ohne es zu wissen oder gar zu wollen.

Naike Juchem, 23. Oktober 2021

Weltbevölkerung

Foto: Pinterest

Heute schreibe ich über ein Thema, welches uns als Menschheit vor Herausforderungen stellen wird, für welches wir kaum eine Lösung haben: die Weltbevölkerung


Die Weltbevölkerung wächst pro Sekunde um zwei Erdenbürger, und  dies vor allem in Afrika. Woran dies lieg möchte ich in diesem Beitrag  erklären.

Nach Angaben des United Nations Population Fund (UNFPA), bekommen Frauen in Uganda im Durchschnitt 5,3 Kinder. Im Nachbarland der Demokratischen Republik Kongo liegt die Zahl bei 5,8. In Angola waren es im vergangenen Jahr 5,5 – und im bitterarmen Niger lag die Geburtenrate sogar bei 7,1.

Bei der UNFPA werden alle Daten gesammelt, die von mehr als 235 Länder und Territorien an Geburts- und Sterbestatistiken geliefert werden. Die Angaben werden qualitätsgeprüft – so weit dies möglich ist, verifiziert und homogenisiert.
Nach der letzten Veröffentlichung der Statistik aus dem Jahr 2019 liegt die  Zahl der Bevölkerung auf der Erde derzeit bei fast 7,8 Milliarden Menschen. 2030 werden es in bereits 8,5 Milliarden sein, 2050 dann schon 9,7 Milliarden und ein halbes Jahrhundert später schier unfassbare elf Milliarden Menschen. Der Planet ist schon am Limit angekommen und besser wird es für Resourcen und Lebensraum sowieso nicht.

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Die komplementäre Menge einer Gleichung

Während auf den afrikanischen Kontinenten die Geburtenrate stark zunimmt, fällt diese in den Industrieländer ab. Um die Bevölkerungszahl in den Industrieländer stabil halten zu können, müsste die Geburtenrate bei 2,1 liegen. Unter dieses Reproduktionsniveau sind laut UNFPA bereits fast die Hälfte aller Länder gesunken. Selbst auf dem asiatischen Kontinent liegt die Rate bereits bei 2,1.

Weltweit gebären Frauen im Schnitt 2,47 Kinder. In der Subsahara-Region sind es 4,8. Bis 2050 sagt das UNFPA für Afrika eine Verdoppelung der Bevölkerung auf dann 2,5 Milliarden Menschen voraus. Am Ende des Jahrhunderts wird mit rund vier Milliarden kalkuliert. Ein solches Bevölkerungswachstum würde auch Industrienationen wie Deutschland und Frankreich überfordern. Für über dreiviertel der Länder Afrikas, wo es an medizinischer Grundversorgung, Schulen und Wohnungen fehlt. Bereits jezt haben weltweit 768 Millionen Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Über 40 Prozent von ihnen leben in Afrika südlich der Sahara. Hinzu kommt die desolate Situation von Arbeitsplätze in fast allen Ländern von Afrika. Auch ist seit Jahren eine gewaltig überstrapazierten der natürlichen Ressourcen zusehen, bei denen schon jetzt auch der Klimawandel  für exorbitante Probleme sorgt.

Der Wachstum der Bevölkerung in Afrika lässt einerseits den Migrationsdruck Richtung Europa steigen, es führt aber vor allem dazu, dass afrikanische Städte wuchern. Millionen von jungen Menschen fliehen bereits jetzt in die heimischen Metropolen auf der Suche nach Jobs und in der trügerischen Hoffnung auf ein besseres Leben.

Die Wissenschaftlerinnen Julia Bello-Schünemann und Ciara Aucoin vom Institute for Security Studies in Südafrika schreiben in ihrem „African Urban Futures“ Bericht: „Die Geschwindigkeit der Urbanisierung Afrikas sei unvergleichlich in der Geschichte.“

Bereits jetzt lebt die Mehrheit der Stadtbewohner in Slums oder illegalen Siedlungen mit oft katastrophaler Infrastruktur. Und vor allem die werden sich mit der zusehends wachsenden
Bevölkerung weiter ausdehnen, prognostiziert die African Development Bank in ihrerm Bericht des Vorjahres

Der US-Stadtforscher Mike Davis hat bereits 2006 In seinem Buch „Planet der Slums“  auf diese Entwicklung hingewiesen und schrieb von einer Urbanisierung und Urbanität der Städte. Anders als vor Jahrzehnten in Europa wachsen afrikanische Städte unkontrolliert ohne jegliche Infrastruktur und weitgehendst auch ohne Industrialisierung. Die Beschäftigungskrise in den Städten, so Davis, sei eine ähnlich massive Bedrohung wie der Klimawandel.

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Der Kollaps ist unausweichlich

Die fehlende Bildung in sehr vielen Teilen von Afrika ist eines der größten Probleme im Kampf um die Geburtenkontrolle. Hinzukommt, dass durch Traditionen und Religion oft der Mann über die Frau entscheidet. So gilt dies zum einen für die Auswahl der Frauen – denn all zu oft entscheidet nicht die Liebe, sondern der Status des Mannes über eine Heirat und die Familienplanung. Was Schlussendlich auch zu Frühehen (Ehen mit Minderjährigen) führt.

Die Armut vieler Menschen spielt bei dem Bevölkerungswachstum auch eine sehr große Rolle. Die Armut führt zwangsläufig in die Abhängigkeit andere Menschen. So ist nicht verwunderlich wenn quasi Mädchen an „Ehemänner“ verkauft werden.
Nach vorliegenden Angaben von UNICEF sind Schwangerschaften die Haupttodesursache in der Altersgruppe zwischen 15 und 19 Jahren. 50.000 junge Frauen kommen so jedes Jahr ums Leben.
Mehr als 200 Millionen Frauen weltweit würden gerne verhüten, es fehlt ihnen aber an den Möglichkeiten. Beinahe jede vierte verheiratete Frau in Entwicklungsländern nutzt keine Verhütungsmittel, obwohl sie eine Schwangerschaft vermeiden wollen.

Der nächste Faktor sind uralte Traditionen.
Der Druck auf kinderlose Frauen ist nirgends größer als in Afrika. Besonders auf dem Land sehen viele Afrikaner eine hohe Kinderzahl als Zeichen von Reichtum. In Abwesenheit von ausreichend stabilen Sozialsystemen gelten Kinder zudem als Absicherung für das Alter.

Auch die Religion hat in vielen Ländern Afrikas einen großen Einfluss auf die Gesellschaft. So kommt es immer wieder zu Auseinandersetzung zwischen Hilfsorganisationen und  politisch- religiösen Ansichten, die der eingeschränkte Zugang zu Verhütungsmitteln auch auf den Widerstand von religiösen und kulturellen Führern zurückzuführen.

Bereits 2012 wurde einen Plan erarbeitet, wie man bis 2020 den Bevölkerungswachstum eindämmen kann. So wurde sich zum Ziel gesetzt, in den kommenden Jahren, zu den bereits 260 Millionen Frauen die in den ärmsten Ländern schon verhüten, weitere 120 Millionen Frauen den Zugang zu Verhütungsmitteln zu sichern. Für dieses Vorhaben wären rund drei Milliarden Euro nötig. 1,87 Milliarden Euro wurden 2012 auf dem Londoner Gipfel zur Familienplanung zugesagt, den Englands Regierung in Zusammenarbeit mit der Bill-&-Melinda-Gates-Stiftung und dem Bevölkerungsfonds der UN veranstaltete.

Zu den weiteren Negativen Punkte des Bevölkerungswachstums gehören die Auswirkungen des Klimawandel, die immer mehr zunehmenden Konflikte zwischen Milizen und Regierungen. Bei letzt genannten könnte ein Staat wie Ruanda die Hälfte der Bevölkerung in Zentralafrika ernähren, wenn aus dem vor bereits 30 Jahren begonnenen Bürgerkrieg nicht so viele Landflächen vermint wären.

Experten beziffern die Zahl von verlegten  Anti-Personen-Minen in 18 Ländern auf dem afrikanischen Kontinent auf 30 Millionen. Demnach ist Afrika die am stärksten verminte Region der Welt. Allein in Ägypten liegen etwa 17 Millionen Minen, zum Großteil aus dem Zweiten Weltkrieg, zum Teil aus dem Krieg 1967 mit Israel.
2007 galten 2,4 Millionen Angolaner in ihren Wohngebieten als gefährdet – dies sind 17 Prozent der Bevölkerung, also fast jeder Fünfte. Seit dem Beginn des angolanischen Bürgerkriegs 1975 wurden über 80.000 Angolaner durch Landminen getötet oder körperbehindert. Auch Mosambik ist durch Minen sehr stark betroffen, denn jeden Monat sterben 40 Menschen durch Explosionen in Bezug auf Minen – und all zu oft betrifft es Kinder.

Die weltweite Beseitigung von Minen belaufen sich nach UN Angaben auf über eineinhalb Billion Dollar. Seit 1999 stellt Deutschland für die Beseitigung von Minen in Afrika über humanitäre Hilfsprogramme jährlich 15 Millionen Euro zur Verfügung.

Alleine duch diesen Faktor jener heimtückischen Waffe können geschätzte 3,5 Millionen Menschen nicht in und für die Landwirtschaft arbeiten, womit auch das Bruttosozialprodukt der Länder auf einem sehr niedrigen Niveau liegt.

Positive Entwicklungen

In Ländern der Subsahara gibt es bereits kleine Erfolge, wie eine Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung zeigt. Äthiopien, nach Nigeria das Land mit der zweitgrößten Bevölkerung, gehört dazu. Dort ist seit Mitte der 1990er Jahre die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau von rund sieben auf jetzt etwa vier gesunken. Eine rasante Entwicklung, die ihresgleichen sucht.

Grund für diesen Sprung ist eine Strategie, die die Regierung in Addis Abeba seit 1995 verfolgt. Hier wird ganz klar auf die Förderung der Landwirtschaft, der Ausbau des Gesundheitssystems und Investitionen in die Bildung gesetzt. Gemeinsam mit internationalen Partnern errichtete die Regierung in jeder Gemeinde eine Gesundheitsstation und bildete mehr als 40 000 Frauen zu Gesundheitshelferinnen aus. Diese betreuen seither Mütter vor und während der Schwangerschaft und behalten auch die Kleinkinder im Auge.

Alleine dieser positive Effekt zeigt ab 2000, dass sich die schwangerschaftsbedingte Sterblichkeit bei Frauen halbierte, so auch bei der Säuglingessterblichkeit. Da nun mehr Kinder überleben, wünschen sich Paare nun im Schnitt weniger Nachwuchs – und können sich darüber hinaus in jeder
Gesundheitsstation zu Verhütungsmethoden beraten lassen. Die Nutzungsrate von Kontrazeptiva hat sich seit Beginn der 2000er Jahre verfünffacht. Ergebnis der nationalen Strategie zur Bevölkerungspolitik Äthiopiens ist auch, dass heute fünf Mal mehr Mädchen eingeschult werden als noch 1995 und der Anteil der Frauen, die einer bezahlten Arbeit nachgehen, stark gestiegen ist.

Auch Länder wie Ruanda, Botswana, Senegal oder Ghana setzen auf ähnliche Strategien. Nach der Studie von Alisa Kaps, Expertin für internationale Demografie beim Berlin-Institut, entscheiden die Menschen sich selbst für kleinere Familien. „Es braucht also ein gewisses Maß an Entwicklung, damit die Kinderzahlen zurückgehen und daraus wieder Möglichkeiten für neuen Fortschritt entstehen,“ so Kaps.

Bei der demografische Dividende, welche man beispielweise in Südkorea, Thailand oder Singapur sehen kann, wo aufgrund sinkender Geburtenraten trotzdem das BIP stieg. Der Anteil der Menschen, die einer Arbeit nachgehen können, wächst gegenüber den Alten und Kindern, die versorgt werden müssen.

Die meisten afrikanischen Staaten sind vom dieser demografische Dividende noch sehr weit entfernt. Ökonomen gehen von einem solchen Entwicklungsschub erst aus, wenn auf jede abhängige Person 1,7 Erwerbsfähige im Alter zwischen 15 und 64 kommen. Die UN prognostiziert, dass die Subsahara-Staaten frühestens im Jahr 2035 so weit sein werden, manche sogar erst 2060. Ob es dann gelingt, diese günstige Altersstruktur in einen wirtschaftlichen Aufschwung umzumünzen, der dem Staat dann idealerweise auch höhere Einnahmen beschert, die wiederum in soziale Infrastruktur investiert werden können, um den Lebensstandard der gesamten Bevölkerung zu heben – hängt vor allem davon ab, in wieweit eine möglichst gut ausgebildete Jugend reguläre und produktive Arbeit findet.

Wie groß die Herausforderung ist, zeigen Zahlen der International Labour Organization (ILO): So waren im Jahr 2018 von den 737 Millionen Afrikanern im Alter von 15 bis 64 Jahren nur 16,8 Prozent regulär beschäftigt. Die große Mehrheit schlägt sich mit schlecht bezahlten Gelegenheitsjobs ohne jede Absicherung durch oder ackert auf einem kleinen Stück Feld, um zu überleben. Von diesen prekären Verhältnissen sind laut ILO vor allem junge Erwerbsfähige und Frauen betroffen.

Es braucht Investitionen

Das deutsche Sozialunternehmen Africa Greentec AG aus Hainburg setzt seit Jahren in Mali und im Niger auf eine ganzheitlichen Systemlösung, in denen ganze Dorfgemeinschaften in ländlichen Regionen mit Strom und nachhaltigen Technologien ausgestattet werden. Die Energie, die Africa Greentec liefert, kommt aus Containern, kleinen kompakten Photovoltaik-Kraftwerken, die sauberen Strom produzieren und speichern, Trinkwasser aufbereiten und eine Internetverbindung ermöglichen.
Durch den Strom dieser Photovoltaik-Kraftwerken ist möglich, dass die Menschen Lebensmittel kühlen oder herstellen können, womit sich ein kleiner Wirtschaftskreislauf aufbaut.
Von Leapfrogging sprechen Forscherinnen wie Alisa Kaps, wenn regional angepasste Innovationen ineffiziente, umweltschädliche und kostspielige Zwischenstufen der Entwicklung überspringen und somit das Leben der Menschen verbessern und oder gar vereinfachen.

Viel afrikanische Länder machen dies etwa mit der direkten Einführung der mobilen Telefonie. Handys und Smartphones sind mittlerweile sprichwörtlich selbst im Busch verbreitet und ermöglichen so die Gesundheitsvorsorge. So trägt zum Beispiel MomConnect, eine Initiative des südafrikanischen Gesundheitsministeriums
dazu bei, dass schwanger Frauen sich per Mobilfunk bei freiwilligen Helfer und Ärztinnen kostenlos melden können. Somit sind auch diese kleine Schritte um die Überlebenschancen von Müttern und Neugeborenen zu erhöhen.

Nach Angaben von Michael Hilbig vom Institut für Integrierte Naturwissenschaften, könnenLänder diese Chance aber auch weitgehend verstreichen lassen, wie es sich in Tunesien oder Ägypten zeigt. Diese Länder hatten demografisch bereits die besten Voraussetzungen. Dort investierte die Regierung zwar stark in den Bildungssektor, verpasste es jedoch, den Arbeitsmarkt massiv auszubauen. Nach den Worten von Michael Hilbig ließe sich mit den richtigen Politiken zumindest noch eine kleine demografische Dividende abschöpfen.


Quellen:

– Africa GreenTec AG
Außenliegend 19
63512 Hainburg
https://www.africagreentec.com

– Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung
Studienmitautorin Alisa Kaps.
Schillerstr. 59,10627 Berlin
info@berlin-institut.org

– Christian Putsch, Afrika-Korrespondent u.a. für WELT, NZZ
https://christianputsch.com

– Michael Hilbig MSc, Universität Koblenz-Landau
hilbig@uni-koblenz.de

– National Department Of Health South Africa
Dr AB Xuma Buildung,
1112 Voortrekker Road, Pretoria,  Südafrika
https://www.health.gov.za/

– Population Division, United Nations, 2 United Nations Plaza, Room DC2-1950, New York, NY 10017, USA.
population@un.org

Wenn fanatische Religion die Kultur vernichtet

Afghanische Frauen unter einer Burka Foto:UNHCR

Ein Gesetz, welches keines ist: das Burka-Verbot in Europa

Wenn fanatische Religion die Kultur vernichtet

Kultur ist bunt, ausdrucksstark, musikalisch und freude.
Alleine diese vier Punkte gelten für Millionen Frauen auf dieser Welt nicht.

Seit einigen Jahren hat sich in der Bevölkerung eine Bild von muslimischen Frauen eingeprägt, welches nie das Bild der Frauen war: die Vollverschleierung

Der Niqab ist ein Gesichtsschleier, der in Verbindung mit einem Tschador oder einem anderen, zumeist schwarzen Ganzkörpergewand getragen wird. Er bedeckt das ganze Gesicht und lässt nur einen Sehschlitz frei.

Die in Afghanistan verbreitete Burka  ist ein weites, meist blaues Gewand, das über den Kopf gezogen wird und die Frau bis zu den Zehenspitzen komplett verhüllt. Die Augen sind hinter einem feinmaschigen Gitter versteckt.

Durch religiöse Fanatiker wurde und wird eine jahrhundert alte Tradition und Kultur zu Grabe getragen.
Musik und Gesang gehören auf der ganzen Welt zu den Menschen, wie das ein- und ausatmen.
Egal ob mal ein Fest feierte zum Frühlings- oder Sommerbeginn. Ob eine Erntedankfest, eine Gottheit oder den eigenen Geburtstag. Mit Farben und Schmuck brachten die Kinder, Frauen und Männer ihre Freude zum Ausdruck.

All dies wurde in Ländern der muslimischen Welt immer mehr verboten, bis schließlich auch die Farben, Frohsinn, Musik und Tanz verboten wurde.
Durch eine Burka oder Nikab wird den Frauen jegliche Freiheit, Menschenrechte und Würde genommen.

Bettelnte Frau in Afghanistan Foto:RFERL

Heiße Diskussionen über die Burka oder Niqab

Am 11. 4. 2011 trat in Frankreich ein Gesetz in Kraft, das die gänzliche Bedeckung des Gesichts an öffentlichen Orten, etwa in öffent￾lichen Verkehrsmitteln, Parks, Schulen, Geschäften und anderen Einrichtungen, verbot. Damit war Frankreich das erste europäische Land, das das Tragen des Vollschleiers in der Öffentlichkeit verbot; im selben Jahr folgte ein ähnliches Verbot in Belgien. Auch in Österreich, Schweiz, Dänemark und Niederlande gibt es mittlerweile Gesetze für die Vollverschleierung von Frauen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) stellt in einem Urteil vom 1. Juli 2014 fest, das das Gesetz vom Frankreich vom 11. Oktober 2010 rechtens ist. Nach Ansicht des EGMR verletzt das Gesetz weder die Freiheit des Glaubens, der Gedanken oder des Gewissens (Art. 9 EMRK) noch das Recht auf ein Privat- und Familienleben (Art. 8 EMRK). Dieses Urteil wurde natürlich nicht ohne starken Widerstand hingenommen.
So waren auch zwei Richterinnen vom EGMR gegen dieses Urteil.
Eine deutsche und schwedische Richterin beurteilten die Sachlage in gewissen Punkten etwas anders. Sie hielten in der Urteilsbegründung fest: „Konkrete individuelle Rechte, welche die Konvention garantiert, wurden hier abstrakten Prinzipien unterworfen. Unserer Ansicht nach ist ein dermassen generelles Verbot, welches das Recht einer jeden Person auf eine eigene kulturelle und religiöse Identität tangiert, in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig.“

„Dies ist eindeutig ein Angriff auf die muslimische Gemeinschaft in der Schweiz. Ziel ist es, Muslime noch mehr zu stigmatisieren und an den Rand zu drängen“, sagte Inès El-Shikh, Mitglied von Les Foulards Violets, einem muslimischen feministischen Kollektiv in der Schweiz, im Mai 2021 in einem Interview mit „The Guardian“.

„Wir müssen der Regierung signalisieren, dass wir uns der Diskriminierung und einem Gesetz, das speziell auf eine religiöse Minderheit abzielt, nicht beugen werden“, sagte eine Niqab-tragende Studentin gegenüber Reuters, bei einer Demonstration in Kopenhagen, im August 2016.

Auch befürchten Hotel- und Gastronomieverbände in einigen Ländern von Europa einen Rückgang an Besucher, vornehmlich aus den Arabischen Emiraten, wenn solche Verbote Landesweit, in diesem Fall die Schweiz, eingeführt werden.

Foto:Poster of Iran

Eine Vollverschleierung verstößt gegen Menschenrechte – oder doch nicht

In Sure 2 Vers 256 heißt es: „Es gibt keinen Zwang in der Religion“, was eben bedeutet, dass sich jeder Mensch frei für seine religiöse Überzeugung entscheiden darf. Ebenso kann man einen Menschen nicht zu bestimmten Handlungen zwingen, auch wenn es ihm seine Religion vorschreibt. Man ist letztlich einzig vor Allah/Gott verantwortlich, wenn man durch sein Verhalten nicht die Rechte anderer Personen verletzt.
Alleine dieser Vers wird von fast allen islamisch geprägten Staaten missachtet.

Aus islamischer Sicht, also der Religion – und nicht den Religionswächter, ist das Tragen einer Kopfbedeckung Pflicht, die Allah im Koran offenbarte. Frauen und Männer sollten sich aus Überzeugung an die von Allah offenbarten Kleidervorschriften halten. Da der Islam für Nüchternheit eintritt und die Menschen sich nicht von vordergründigen Reizen beeinflussen lassen sollen, ist es wichtig, im öffentlichen Leben dafür zu sorgen, dass jene Anziehungsbereiche menschlicher Sexualität, die sofort ins Auge springen können, bedeckt gehalten bleiben. Dies bedeutet jedoch keine Ungleichheit von Frauen und Männern.

Auch steht in Sure 33, Vers 59: Frauen sollten in der Öffentlichkeit „etwas von ihrem Überwurf“ über sich ziehen. Es wird aber nicht geschrieben, welcher Teil des Körpers verdeckt werden soll und ob dies auch die Haare betrifft.

Um noch einmal auf das Urteil des EGMR zu kommen, heißt es dort, dass es weitgehend den einzelnen Staaten überlassen ist, ob und wo sie Frauen in Burka, Niqab oder auch mit weniger verhüllenden Kopftüchern akzeptieren und wo nicht. Entsprechend hält der EGMR auch ein Burka-Verbot nicht für ein Verstoß die Menschenrechte – wie sie insgesamt das Recht des Staates, die Verwendung religiöser Symbole zu reglementieren, tendenziell höher bewerten als das Recht des einzelnen Bürgers auf freie Religionsausübung

Der UN-Menschenrechtsausschuss hat das Verbot der Vollverschleierung in Frankreich bereits 2018 kritisiert, denn das Urteil des EGMR verstoße gegen die Religionsfreiheit und die Menschenrechte der Trägerinnen, denn das tragen von einer Burka sei
angemessen um ein friedliches Zusammenleben zu gewährleisten.

Fazit

Bei allen Debatten, Vorschriften und Gesetze gibt es keine Einigung über eine stoffliche Hülle, in einer patriarchalisch geprägten Religion. Niemand wird im öffentlichen Raum eine Burka oder Nikab tragende Frau fargen, ob sie dieses Kleidungsstück freiwillig trägt.

Jene Befürworter sollten doch mal für mehrer Tage, vorzugsweise im Hochsommer, ein solches Kleidungsstück tragen.
Toleranz hin oder her, eine Burka ist die schlimmste Entwürdigung für eine Frau.

Teil II Kapitel 34

Kurzurlaub auf der Insel Koh Rong Sanloem

Nach fast einer dreiviertelstunde Aufenthalt ging die Fahrt weiter. Patricia fuhr schweigend aus Phum Chamiāng
Chrey raus. Hannes kannte diesen Gesichtsausdruck bei ihr, um zu wissen, dass sie am denken war.
Hannes blätterte in den Notizen von Hudson und schrieb die Informationen die er von Quang bekommen hatte auf der Seite 28 hinzu.

Die Landschaft glitt an ihnen vorbei und man sah durch das Autofenster staubtrockene Felder und nach einigen Kilometer wieder eine saftige Flora. Wie konnte sich die Vegetation auf wenigen Kilometer so krass ändern? In Takeo waren Seenplatten und alles saftig grün. Dann kamen wieder Quadratkilometer wo der Boden vor Trockenheit riss.

„Ma Chérie?“ „Hmmm?“ „Auch in diesem Gebiet gibt es in den kleinen Ortschaften keine Schulen.“ „Ja. Und keine Lehrer, kein Geld und keine Stabilität. Ich sprach über das Geld mit Quang. Er bekommt nicht regelmäßig seinen Lohn und was ich aus dem Gespräch und Reaktion mitbekommen habe, scheint er auch Schulden zu haben. Die Menschen verschulden sich wegen lächerlichen 200 US-Dollar.“ „Für uns lächerlich. Für viele Menschen in Kambodscha ein Jahresgehalt. Wenn das Geld schon für  ein Heft oder Bleistift fehlt, kann man noch nicht einmal etwas Bildung vermitteln. Unsere Idee mit den Tafeln von vor 3 Jahren hat sich bei uns in der Provinz sehr gut durchgesetzt. Wenn ich im nächsten Jahr mit Levi für das Bildungsministerium arbeite, müssen wir unsere Reformen noch weiter ausbauen.“ „Patricia, Reformen sind gut, nur was willst du ohne Lehrer und vor allem ohne Regelmäßige Einkünfte erreichen? Seit drei Jahren bist du bei UNICEF. Seit drei Jahren suchst du händeringend nach Lehrer. Wie viele hast du bekommen? Wie willst du mit deinem Team von 23 Lehrer gegen einen Analphabetismus von über 4 Millionen Menschen ankommen? Wieviele Schulen habe ich als „School Project Manager for Cambodia, Department of Construction and Infrastructure“ geplant? Lächerliche 5 Schulen! Patricia, diese tolle Auszeichnung von Laureen kannst du dir einrahme und ins Gästeklo hängen. Selbst wenn ich alte Schulgebäude restaurieren oder modernisieren würde, bringt dies recht wenig, wenn keine Lehrer kommen. Sei doch mal ehrlich, was würde ich den Tag über arbeiten, wenn ich damals auch zu UNICEF gegangen wäre?“
Patricia sah ihn vom Fahrersitz aus traurig an „Ma Chérie, du hast recht. Wir stehen täglich vor dieser Ohnmacht und tun unser Bestes. Ich werde auch mal mit Ilaria reden, vielleicht gibt es über UNTAC Geld für Bildung. Eine Friedensmission in diesem Umfang, muss doch mehr können.“ „Was soll über die größte Friedensmission in der Geschichte der UN kommen? Die Pfeifen im Rathaus in Svay Rieng hast du zum Glück nicht persönlich kennengelernt. In Paris hatte ich Dr. Kohl und Dr. Kinkel ganz klare Worte gesagt. Deutschland könnte ja auch mal den Kontakt zu mir aufnehmen und fragten wie man Geld sparen könnte. Stattdessen wird für das Hospital in Phnom Penh ein Ultraschallgerät für 500.000 Mark gekauft. Hustensaft und Penicillin wäre billiger gewesen – und es würde Hunderttausend Menschen helfen.“ „Wo wir beim Thema wären. Ich war vorhin durch Phum Chamiāng Chrey gelaufen. Reto muss der WHO mehr Druck machen. Die Menschen brauchen medizinische Sofortmaßnahmen.“ „Wo wir wieder beim Thema wären. Die UN verbrennt viel zu viel Geld für Mitarbeiter, die offensichtlich die Bedürfnisse der Menschen nicht sehen.  Es sind über 21.000 UN Mitarbeiter über das UNTAC Mandat in Kambodscha, wo sind diese Leute?“ Patricia zog die Schultern hoch. „In den Städten oder Randgebiete sehe ich Fahrzeuge von der UN. Auf den Dörfer habe ich noch nie Fahrzeuge oder Mitarbeiter gesehen. Die Probleme die wir in Svay Rieng, Angkor Chey oder Kor An Doeuk haben, sind doch die gleichen wie in allen Provinzen von Kambodscha. In Prey Veng oder Oddar Meanchey läuft es recht gut und man sieht auch Veränderungen. Liegt es an dem Belgischen Kontingent oder an Sakngea Khin und Rangsey Choem?  Die beide Gouverneure haben genau so viel Korruption in ihren Provinzen wie andere auch. Wenn dein Vater kommt, möchte ich mit ihm zu Rangsey fahren und ihn mal fragen wie er die Struktur in seiner Provinz hält und wie bei ihn die Zusammenarbeit mit Belgien klappt.“
Patricia nickte „Bei so vielen Staaten, die in Kambodscha sind, kann die Korruption schon ganz oben anfangen.“ „Dies denke ich schon lange. Bei Staaten wie: Algerien, Argentinien, China, Ghana, Indien, 
Indonesien, Malaysia, Pakistan, Polen, Senegal, Thailand, Tunesien oder Uruguay habe ich so meine Zweifel, ob die sich durch den UNTAC Einsatz nicht ihrem eigenen Staatshaushalt aufbessern.“
Patricia streichelte seinen linken Arm und wusste nicht was sie sagen sollte. Diese Ohnmacht und Stillstand von fehlender Hilfe und Unterstützung war sehr frustrierend für beide.
„Ma Chérie, wir sollten mit Ilaria darüber reden. Sie kontrolliert doch die Finanzen in Kambodscha.“ „Ich gehe mal davon aus, dass ihr diese Umstände bestens bekannt sind. Eine Frau in einer so hohen Position bei dem UNTAC Einsatz kommt wohl kaum ohne Grund von Phnom Penh in ein Mittelklassehotel nach Svay Rieng gefahren. Ich denke auch, dass diese Umstände Coady bekannt sind. Die Weltbank gibt immerhin das Geld für all die Projekte und den Einsatz. Bei der Bank haben vielleicht zufällig Mitarbeiter die Projekte in Takeo und Kampot geprüft und die Fehler oder auch Korruption entdeckt. Coady weiß auch, dass bei ODHI alles glatt läuft. Vielleicht betrügen andere Staaten oder Firmen nicht so offensiv – oder es wird nicht geprüft, weil auch ihm Mitarbeiter fehlen. Wenn wir weiter darüber nachdenken, kommen wir wahrscheinlich in ein Universum an Korruption und Geldverschwendung.“
Patricia nahm seine Hand und gab ihm eine Kuss auf den Handrücken „Du hast recht. Lass uns dort helfen, wo und wie wir es können. Wir wenige können nicht die ganze Welt retten.“

In Kampong Trach fuhr Patricia an eine Tankstelle „Möchstest du weiter fahren? Wie weit ist es überhaupt noch?“
Hannes schaute auf die Michelin Straßenkarte „Vom Maßstab würde ich etwas über 120 Kilometer sagen. Dann fahre ich nun weiter. Du bist heute schon viel gefahren.“ „Es ist kaum zu glauben, dass wir in Europa bessere Straßenkarte gekauft haben, als die die es hier in Kambodscha oder Thailand zu kaufen gibt.“

Mit zwei Tüten Obst kam Patricia vom bezahlen zurück und setzte sich auf dem Beifahrersitz.
Die Ananas war fruchtig und süß. In Asien wird oft das Obst geschält und geschnitten und anschließend in einer Tüte verkauft. Mit einem langem Holzstab pickt man in die Tüte und nimmt sich Stück für Stück heraus. Es ist zwar ein guter und günstiger Reiseproviant, aber das Müllproblem wird somit nicht weniger. Tüten gibt es zu allem und jeden – ob nun Sinn oder Unsinn: Hauptsache Tüte.

Nach Kampot fuhren sie auf der N3 am Golf von Thailand vorbei. Links der Straße war das Meer und rechts die Felsen.  Erinnerungen an den Sommer 1989, als sie an der Côte d’Azur waren, kamen hoch. „Ma Chérie, ich freue mich auf das Meer. Wir nehmen uns viel zu wenig Zeit für uns.
Ich habe heute morgen mit Maona ein Appartement bis Donnerstag gebucht, oder ist dir dies zu lange?“ „Donnerstag ist gut. Am Samstag kommen deine Eltern, dein Bruder, Annabell und Claude nach Thailand. Wir sollten am Freitag schon zu Hause sein. Wir habe nichts zu essen im Haus und müssten auch noch einkaufen gehen. Brot sollte ich dann auch noch backen.“ „Ich rufe Gaanchana an. Sie könnte die Tage schon einkaufen. Dann haben wir dies schon gespart.“ „Sehr gut. Dann kannst du sie fragen, ob Claude bei ihnen schlafen könnte. Er kann ja deutsch. Bei uns im Haus wird es für alle etwas eng.“

Um 16 Uhr kamen die Vororte von Sihanoukville in Sicht. Man sah, dass diese Stadt auf den Tourismus ausgelegt war. Sehr viel Werbung war auf englisch und französisch geschrieben. Sihanoukville war völlig anders als Svay Rieng. Hotels, Einkaufszentren, moderne Gebäude und die Straßen waren in einem erheblich besseren Zustand. In den armen Osten von Kambodscha verschlug es wenige Touristen.

Am Hafen parkte Hannes das Auto und beide gingen Hand in Hand mit ihrem Trolley-Koffer an der Promenade vorbei. Sie suchten nach einer Fähre, die sie auf die Insel Koh Rong Sanloem bringen könnte. Da diese Insel nicht mit Autos befahren werde konnte, blieb nur der Ausschau nach Personenfähren. Nach 300 Metern sah Patricia eine Werbung für die Überfahrten nach Koh Rong Sanloem.

Eine Gruppe ausländischer Touristen wartete bereits auf die Abfahrt.
An einem kleinen Häuschen kaufte Hannes die Tickets und fragte nach der Abfahrt der Fähre. „Um 17 Uhr fährt die Fähre los“ sagte die junge Frau vom Ticketverkauf.

Die Touristengruppe von 18 Personen war bunt gemischt. Von den Sprachen erkannten sie: Deutsch, französisch, italienisch und englisch. Es wurde sich in allen Sprachen irgendwie zusammen oder nur paarweise unterhalten, wer was in Kambodscha schon gesehen oder welche Erfahrungen man mit diesem oder jenem Hotel gemacht hatte. Oft wurde das negative angeprangert. Das Essen, die Unterkunft oder die schlechte Erreichbarkeit der Sehenswürdigkeiten.
Patricia verdrehte die Augen „Was denken diese Leute wo sie Urlaub machen; in der Toskana?“ Sagte sie auf khmer zu Hannes. Eine Frau, wie Hannes an der Unterhaltung mit ihrem Mann gehört hatte und offensichtlich aus Frankreich kam, schaute die ganze Zeit zu Patricia. Sie beobachtet sie regelrecht – wenn auch nicht provokant.

Es war 16.45 Uhr und bei einem Ehepaar mit ostdeutschem Dialekt fing die Hektik an, weil die Fähre noch nicht da sei und diese ja schließlich um 17 Uhr ablegen sollte. Patricia nahm die Hand von Hannes und gab ihm einen Kuss „Nicht hinhören,  ma Chérie, nicht hinhören.“

Der dickliche Mann mit sächsischem Dialekt ging mit strammen Schritt zu dem kleinen Häuschen wo man die Tickets kaufen konnte und sprach in seinem Dialekt mit der jungen Frau. Diese antwortete auf schlechtem englisch und französisch. Wie beide irgendwie und irgendwann auf einen Konsens der Verständigung kommen würden, war Hannes und Patricia nicht zu erklären.
„Wie blöd kann ein Mensch nur sein?“ Dabei fasste Hannes sich an den Kopf.
„Nicht hinhören, ma Chérie.“

In der Ferne sah Hannes ein längliches, circa 15 Meter langes Boot mit einer weiß- roten Bedachungen, ähnlich der Zeltüberdachungen vor dem ODHI Büro, auf die Anlegestelle zu kommen.
Die Frau in dem kleinen Häuschen zeigte mit dem Finger auf das Boot und der dickliche Mann war sichtlich beruhigt.

Ein Teil der Touristengruppe stürmte auf das Boot zu, als ob jeder den besten Platz haben wollte oder Angst hatte, die Fähre würde ohne sie ablegen.
Patricia und Hannes gingen als letzte an Bord und grüßten freundlich den Skipper auf khmer. Dieser lächelte freundlich und sagte, dass sie sich in die erste Reihe setzen könnten, denn je weiter hinten um so lauter wäre es.

Die zehnminütige Überfahrt in dem kleinen Boot war schon extrem laut. Der Zweitakter leistete im Vortrieb und Lautstärke ganze Arbeit. Das Meer war etwas unruhig und so hüpfte das 3  mal 15 Meter lange Boot über das Wasser. Die zwei Kinder vom der Französischen Familie hatten offensichtlich ihren Spaß, wenn die Gicht von den Wellen sie traf.

Der Skipper fragt sie, in welches Hotel sie auf Koh Rong Sanloem möchten. „Uns wurde das Sanloem Beach Resort empfohlen“ antwortete Patricia. „Sehr schön. Da habt ihr das schönste Hotel auf der Insel. Darf ich fragen, warum ihr so gut khmer könnt?“ Patricia erzählte dem Skipper warum sie in Kambodscha seien.
„Solche Menschen brauchen wir sehr dringend.“

Dung legte in Kaoh Rong Sanloem Khnong sein Boot längsseitigen an die Mole und wünschte ihnen einen schönen Aufenthalt auf der Insel.

An der Mole standen Männer mit Schilder auf denen in mehreren Sprachen die Namen der Hotels standen, um die Gäste dort hinzufahren.
Hier trennt sich die Spreu vom Weizen – dachte Hannes zumindest. Bis jetzt wusste das Ehepaar aus Sachsen nicht, dass er Deutscher war und dies sollte auch so bleiben.
Das Paar mit den zwei Kindern aus Frankreich, sie beide, vier Personen aus Italien und das Paar aus Sachsen wurden mit einem Vehikel, dass eine Mischung aus Golfauto und Pickup war, auf die circa 1.500 Meter anderen Seite der Insel gefahren.

Der Eingang zum Sanloem Beach Resort  war sehr Naturbelassen und äußerst gepflegt. Die Eingangshalle war an drei Seiten offen und auch hier sehr viel Holz und Sandstein verbaut. Über dem Gebäude war ein Dach in der Dimension von einem Fußballfeld. Daher konnte der Lobbybereich auch so offen gehalten werden. Die Luft vom Meer brachte eine angenehme frische und auch Sand mit. So war der äußerst schöne Steinfußboden mit Sandstaub bedeckt, was dem Flair von Naturbelassenheit noch einen Punkt mehr gab.
Die Frau an der Rezeption fragte in einem perfekten englich und französisch nach den Namen der Gäste und wies auch gleich die Pagen an, den Gästen ihre Appartements zu zeigen. Sie erklären wann und wo es Frühstück, Mittag- und Abendessen gab. Selbst wer kein englisch oder französisch konnte, hätte ihr bei der sehr freundlichen Erklärung folgen können – bis eben jene zwei Personen aus Sachsen. Sofort fing der dickliche Mann an zu meckern. Seine Frau sagte ihm, dass die Erklärungen der Frau doch verständlich waren. Patricia grinste zu Hannes „Nicht hinhören, ma Chérie.“
Sofort drehte sich die mitte 30-jährige Französin zu ihr um, die schon seit Sihanoukville immer wieder Patricia anschaute „Kommen Sie aus Frankreich?“
Beide nickten ihr zu. Die Frau war sichtlich erfreut, in Kambodscha noch jemand aus Frankreich zu treffen. Sie stelle sich als Nathalie und Pascal Clerc vor.

Hinter der Rezeption eröffnete sich eine Parkähnliche Anlage mit viel Rasen, Palmen und Sandsteinen. Es wurde hier und da ein Rundbogen, eine Mauer oder Gebäude nachgestellt – eine Anlehnung an Angkor. Hannes ging sofort das Herz auf.

Das Paar aus Sachsen wurde von ihrem Pagen nach links zu den Gebäuden geführt und Hannes sprach ein Stoßgebet gen Himmel. Nathalie und Pascal Clerc hatten ihr Appartement 30 Meter vor ihnen und man verabschiedete sich für die nächste Zeit. Denn spätestens beim Abendessen würde man sich wieder treffen.

Wie Maona schon sagte, führte ein 20 Meter langer Holzweg zu ihrem Appartement. Das Haus war ungefähr 40 Quadratmeter groß und ein kompletter Holzbau. Das Dach war mit Tonschindeln gedeckt.
Der Page öffnete die Tür und wünsche ihnen einen schönen Aufenthalt.
Beide sahen in einen Raum, den man als Wohn-Esszimmer beschreiben könnte. Teakholz auf dem Boden und Wände, ein riesiger Ventilator an der Decke und links von der Eingangstür waren Fenstern von der Decke bis auf den Boden. Der Blick auf den Golf von Thailand war atemberaubend. Rechts von dem Raum war ein Bad mit gleichem Teakholz und weißen Fliesen. Der Kontrast von dem dunklen Holz und den Fliesen war wie bei ihnen in ihrem Bad in Thailand.
Das Schlafzimmer war im gleichen Stil wie das Wohnzimmer und hatte auch ein großes Fenster bis auf den Boden. Auch in diesem Raum war ein riesiger Ventilator an der Decke montiert. Zun Schutz gegen Moskitos hing ein riesiges Fliegennetz von der Decke. Man setzte in diesem Resort ganz klar auf eine Naturnahe Bauweise, denn es gab keine Klimaanlage, Pool oder sonstigen Schnickschnack.

Beide standen im Schlafzimmer am Fenster und schauten auf das Kristallklare Wasser direkt unter und vor ihnen. „Prinzessin, ich dachte das Hôtel Eiffel Trocadéro in Paris wäre schon der Hammer gewesen.“ Patricia gab ihm einen Kuss „Dachte ich auch. Hier weden wir nicht das letzte Mal gewesen sein. Ma Chérie, komm, wir gehen duschen. Es wird bald Abendessen geben. Wenn das Essen so ist, wie diese Anlage, lass ich mich auf die Auswahl der Speisen überraschen.“

Nach einer anstrengenden Fahrt von 350 Kilometer war duschen eine Wohltat. Die Liebe und der Sex unter einer Dusche im Golf von Thailand mit Patricia war mal wieder sehr schön.
Patricia räumte nackt den Koffer aus und verstaute die Kleider im Schrank. Hannes kam ins Schlafzimmer und sah durch die letzten Sonnenstrahlen die über das Meer kamen ihren unglaublich schönen Körper.  Der Anblick ihrer Silhouette in dem Gegenlicht war Erotik pur. „Oh Prinzessin, du bist so wunderschön.“ „Merci beaucoup, ma Chérie. Es kommt noch“, mit diesen Worten zog sie ihr rotes Chanel Minikleid ein.

Hand in Hand gingen sie den beleuchteten Steg von ihrem Appartement ans Ufer der Insel. Nun war auch die ganze Anlage in einem leicht gelblichen Licht getaucht. Hier an diesem Ort war das Paradies von Kambodscha. Die Sandsteinmauern, Bögen und Palmen wurden leicht angestrahlt und gaben der Anlage etwas mystisches und romantisches zugleich.

Als Hannes und Patricia in den großen, nach drei Seiten offenen Speisesaal traten, hatten sie alle Blicke der Gäste und Angestellten auf sich. Sie gingen am Buffet vorbei und was sie sahen, war mehr als beeindruckend. Sie beide kannten die Lebensmittelknappheit in Kambodscha – hier war davon nichts zu sehen. Fische, Garnelen, Muscheln, Hummer, Gemüse, Obst und Früchte waren auf 6 Meter Länge sehr schön und aufwändig arrangiert.

Ein Tisch neben Nathalie und Pascal war frei und so setzten sich beide zu ihnen. Sie waren Hannes und Patricia um Welten angenehmer als der Querulant aus Sachsen.
Die beiden Kinder von Nathalie tranken Limonade. Nathalie füllte ihnen nach und nach Wasser ins Glas. Die Limonade in Südostasien konnte man vor süße kaum trinken. Patricia grinste „Nathalie, bestelle doch Wasser mit Melone oder Pitahayastücke. Das schmeckt um Welten besser als dieses süße Zeugs.“ „Gerne. Ich kenne dies nicht.“
Patricia rief einen Kellner und bestellte 6 große Gläser Wasser mit Pitahaya.
Wie zu erwarten, tranken die Kinder, die sechs und acht Jahre alt waren, ihre Gläser in fast einem Zug leer. Patricia grinste und bestellte drei Minuten später gleiches noch einmal.

Gemeinsam ging man an das Buffet und Hannes und Patricia sagten den Franzosen welcher Fisch und Gemüse wie schmeckt.
Beim essen frage Nathalie warum sie beide sich so gut auskennen und auch noch die Sprache konnten. So erzählten sie den Clerc’s warum sie in Kambodscha seien.

Nach dem vorzüglichen Abendessen packte Patricia noch zwei Teller mit Obst und Früchten und saßen mit den Clerc’s auf der großen Terrasse von dem Hauptgebäude.

Patrick und Nathalie erzählten von ihrer ersten Woche Urlaub in Kambodscha und welche Eindrücke sie von diesem Land hatten. Immerhin wussten sie, dass sie nicht in der Toskana waren und es in Asien doch etwas anders sei als Europa. Schade, dass die beiden Herrschaften aus Sachsen dies nicht erkannten.
Hannes merkte das Nathalie ständig etwas sagen wollte, sie wusste offensichtlich nichts wie sie es formulieren könne. „Du Patricia, ich muss dich jetzt doch mal etwas fragen,“ kam es etwas schüchtern von ihr „seit ich dich im Hafen von Sihanoukville sah, bin ich mir sicher dich schon einmal gesehen zu haben. Du hast eine unglaubliche Ähnlichkeit mit einem Model aus der Zeitung. Ich sah vor unserem Urlaub im France Soir Fotos von einer Frau mit dem gleichen Kleid wie du es hast. Die Augen, Figur und selbst die Haarfarbe ist die gleiche. Da du vorhin sagtest, dass ihr in Kambodscha arbeitet, kann dies doch nicht möglich sein.“ „Doch. Ist möglich. Du meinst die Fotos im Jardin du Luxembourg in Paris. Das war ich und mein Mann.“ Die Clerc’s sahen sie Fassungslos an und so erzählten sie wie es durch Ivette zu diesen Fotos gekommen war. Patrick und Nathalie standen die Münder offen. „Wir sitzen hier in Kambodscha mit zwei Personen die den Ordre national du Mérite verliehen bekommen haben. Dies glaubt uns in der Heimat niemand“ sagte Patrick Ehrfürchtig.

Der Abend mit Nathalie und Pascal war sehr angenehm und man hätte sich gerne weiter unterhalten, aber die Kinder wurden langsam müde und die kleine Annick schlief schon auf dem Schoß von ihrem Vater.
Hannes bestelle an der Rezeption noch eine Flasche Reiswein für ihr Appartement.

Mit Patricia saß er auf dem kleinen Balkon von ihrem Appartement und sahen auf das schwarze Meer. Sie hatte ihre Beine auf seinen Oberschenkel liegen.
„Wir haben wieder einen so kleinem Balkon. Weißt du noch, wie wir in Avignon waren?“ Patricia streichelte seinen rechten Arm „Natürlich, ma Chérie. Es war unser erste gemeinsame Nacht und du hast dich sehr galant verhalten. Ich war auf Berührungen von dir vorbereitet und hätte auch irgendwie darauf reagiert. Irgendwann bin ich dann doch eingeschlafen. In den vergangenen vier Jahren sind deine Berührungen immer noch Balsam für meine Seele. In Avignon hatten wir damals Roséwein und Käse – heute Reiswein und Obst. Wo werden wir noch überall auf dieser Welt solche Momente erleben? Komm, nun möchte ich die Momente von Sex mit dir erleben.“

Von Wellen geweckt

Der Wind brachte eine angenehme frische über das Meer. Die weißen Baumwollvorhänge bewegten sich leicht im Wind. Der Blick vom Bett auf das Meer um kurz vor 7 Uhr war faszinierend, grandios und atemberaubend. Beide waren wach und schauten durch das große geöffnete Fenster dem Tag entgegen.

Auf dem Weg zum Frühstücksraum, traten die Clerc’s kurz vor ihnen aus ihrem Appartement und man begrüßte sich herzlich.

Das Frühstück war eine Mischung aus europäischem und asiatischem Essen. Hannes bestelle sich wieder seinen geliebten Reisbrei mit Ingwer, Hähnchenfleisch und Ei. Patrick fragte ihn was dies sei und wie es schmeckte. Auch er und seine Kinder nahmen einen Teller Reisbrei. Der Kaffee war mal wieder mit Instantpulver zubereitet. In Asien tranken die Menschen morgens und auch sonst kaum Kaffee. Die Kinder wollten wieder Wasser mit Pitahaya haben. Hannes sagte, dass diese Frucht mit Vanilleeis noch mal so gut schmecken würde. Er würde später an der Rezeption fragte ob dies zu bestellen sei.

Da es am Morgen noch sehr angenehm war, wurde beschlossen die Insel zu erkunden. An der Rezeption lagen einige Karten von Sehenswürdigkeiten aus und wie man dies erreichen konnte. Nach Osten war ein Leuchtturm eingezeichnet und eine Art Festung. Dies wäre ein schönes Etappenziel und für die Kinder auch nicht all zu anstrengend.

Auf dem Weg zu dem Leuchtturm brachte Patricia den beiden Kindern, Annick und Andro, etwas khmer bei. Nathalie hörte aufmerksam zu und lernte auch einige Wörter.
Links oder auch mal rechts von ihrem Fußweg standen Geschütze mit Maschinengewehre und Haubitzen. Hannes erzählte Pascal, dass diese das Resultat eines noch nicht zustande gekommenen Waffenstillstandsabkommen mit Vietnam sei. „Mit Thailand hat man sich immerhin schon versöhnt.“ Pascal sah ihn völlig irritiert an. So erzählte Hannes ihm die politische Lage von Kambodscha.
„Was du mir erzählt, habe ich nie gewusst!“ „Woher auch? Kambodscha macht Werbung für den Tourismus – was auch wichtig für diese Menschen ist. Die Wirtschaft kommt langsam in Gang und trotzdem sieht man noch überall die Auswirkungen von dem Genozid der Roten Khmer. Du hast gestern Abend erzählt, wo und was ihr in Kambodscha gesehen habt –  dies ist das Kambodscha der Touristen. Wir erleben ein völlig anderes Kambodscha.“

An einer der Haubitzen, die mit einer Plane abgedeckt war, erzählt Hannes den Clerc’s welches Kambodscha sie täglich erlebten und wie sie dagegen ankämpften. Fassungslos hörten Nathalie und Pascal seinen Ausführungen zu.
Patricia beschäftigte die beiden Kinder einige Meter weiter, indem sie ihnen mit einem Stock in den Sand die Buchstaben vom Khmeralphabet schrieb. Was Hannes erzählte, sollten Kinder nicht unbedingt hören. Nathalie kämpfte sichtlich sehr oft mit den Tränen und Pascal sah ihn Fassungslos an. Als Hannes geendet hatte fragte Nathalie, wie sie so etwas aushalten könnten. „In dem wir uns den Luxus gönnen auch mal eine Auszeit zu nehmen. Andere Bilder, andere Landschaften und auch andere Menschen sehen. Wenn wir die Augen schließen sind die alten oder ständige Bilder da. Wir versuchen zu vergessen – ist aber nicht einfach.“

Gegen 11 Uhr wurde es immer wärmer und die Clerc’s waren froh im Hotel zu sein. „Wie haltet ihr diese Hitze aus?“ Fragte Patrick, als sie auf der Terrasse vor deren Appartement saßen. „Hier am Meer ist es doch sehr angenehm. Wo wir in Einsatz sind, siehst du bei Sandsturm keine 20 Meter weit. Du hast überall nur Sand – selbst in der Unterhose“, sagte Hannes.

Pascal wollte vieles von der Arbeit von Hannes wissen und hörte aufmerksam zu. Nathalie und Patricia verstanden sich auch sehr gut. So verbrauchte man die Zeit bis zum Mittagessen mit angenehmen Gesprächen.

Zum Mittagessen gab es wieder eine sehr große Auswahl an Fisch und Hummer.
Bei Hummer kann man sehr viel falsch machen, wenn man nicht weiß wie man diese Krustentiere aufbricht. Patrick und Hannes bestellten sich Hummer. Nathalie, Patricia und die Kinder entschieden sich für Fisch.
Die Frau von der Rezeption kam zu ihren an den Tisch und fragte ob bis jetzt alles zu ihrer Zufriedenheit sei. Dies konnten alle bestätigen. Sie sagte auch, dass sie Vanilleeis besorgt hätte. Hannes bedankte sich dafür und bestellte für die Runde Vanilleeis mit Pitahaya als Nachspeise.
Wie zu erwarten, hätten die Kinder in dieser Kombination von Eis und Frucht baden können.

„Wir sind so dankbar, euch getroffen zu haben. Was wir mit euch seit gestern Abend gelernt haben, ist unglaublich, lehrreich, faszinierend und interessant. Wie lange bleibt ihr hier im Hotel?“ Dabei sah Nathalie zu Patricia. „Bis Donnerstag. Dann geht es zurück nach Thailand.“
„Zurück nach Thailand? Ich stehe jetzt irgendwie auf dem Schlauch.“ Patricia erklärte ihr die komplizierten Umstände von ihrem Leben.
„Wahnsinn! Dies können wir uns gar nicht vorstellen“ sagte Nathalie, als Patricia ihr dies erzählte.“ „Apropos Thailand: wir werden über den Grenzübergang Cham Yeam fahren. Dann noch kurz zu Natthathida die Bestellung absprechen und danach ab nach Hause.“ „Wie du meinst, ma Chérie.“ Auf die fragende Blicke von Nathalie und Pascal sagte Hannes, dass er in Rayong noch schnell ein paar Bagger kaufen müsste.

Am Nachmittag lagen beide vor ihrem Appartement in den Hängematten und genossen den Wind vom Meer. Die frische Briese war wohltuend und so schliefen beide ein.
„Ma Chérie?“ Hannes wurde wach und sah zu Patricia die links von ihm in der Hängematten lag. „Komm, lass uns bis zum Abendessen noch etwas spazieren gehen.“

Da ihr Hotel auf der südlichen Seite der Insel lag, gab es dort wenig Ortschaften. 500 Meter weiter war ein anderes Hotel und das war eigentlich alles an Zivilisation. Sie gingen am Stand unter Palmen nach Westen. Die bewaldeten Hügel von Koh Rong Sanloem mit den Monumentalen Bäumen waren beeindruckend.

Nach gut eineinhalb Stunden Fußmarsch über die Insel kamen ihr Hotel in Sichtweite. Annick kam auf sie zugelaufen und begrüßen sie mit „Suostei.“ Patricia wuschelte ihr die Haare „Oh, du hast es behalten. Schön. Du könnst bald Lehrerin werden und mich unterstützen. Suostei ning thngai – heißt: hallo und guten Tag.“
„Suostei ning…“ „thn – gai“ ergänzte Patricia. „Suostei ning thngai“ wiederholte Annick. „Genau mein Engel. Suostei ning thngai.“
Annick wiederholte dies bis in die Halle wo die Rezeption war. „Suostei ning thngai“ sagte Annick der Frau an der Rezeption. Diese lächelte und gab ein „Suostei ning thngai“ an Annick zurück.
„Suostei ning thngai“ wurde auch der Koch hinter dem Buffet gegrüßt. „Suostei ning thngai“ sagte er und gab Annick ein großes Stück Ananas.
„Du siehst, wenn man eine fremde Sprache kann, sind die Menschen noch viel freundlicher zu einem“ sagte Patricia zu Annick.

Das Buffet war wieder atemberaubend aufgebaut und arrangiert. Hannes wusste gar nicht, was er heute Abend essen sollte. Der Koch empfahl ihm Haisteak mit Koriandersoße. „Das hört sich gut an. Dann mach mir dies bitte.“

Das Ehepaar aus Sachsen stand zwei Meter neben ihm und wusste nicht was es – oder besser er, essen sollte. „Immer dieser Fisch. Was gibt es hier schon zu essen? Fisch, Garnelen und wieder Fisch“ pampte er seine Frau an. Hannes wurde es jetzt doch zu blöd. Die Menschen in dem Hotel bemühten sich so sehr und alles war um das dreifache besser, als er es die letzten Jahre in Kambodscha gesehen hatte. Hannes nahm tief Luft und sah zornig zu dem Mann aus Sachsen „Was erwarten Sie auf einer Inseln in Südostasien? Jägerschnitzel mit Pommes? Dann bleiben Sie in Zukunft in Ihrem Sachsen. Herr Gott nochmal! Das hier ist ja nicht zum Aushalten! In diesem Land verhungern Menschen und Ihnen ist dieses unglaubliche Buffet noch nicht gut genug. Man muss sich für Sie schämen. Auch wenn die Kambodschaner Sie nicht verstehen – genörgel und gemotze versteht man in jeder Sprache.“
Nun war es raus und dies lauter als er es eigentlich wollte. Hannes drehte sich um, um für an den Tisch zu gehen, als er ein leichtes nicken von der Bedienung rechts von ihm wahrnahm. Sie durfte nichts zu den Gästen sagen – er schon.
Als er an den Tisch kam, hatte Patricia sein Worte bereits Nathalie und Pascal übersetzt. „Hast du gut gemacht. Die beiden sind seit fünf Tagen auch dort wo wir sind. Wahrscheinlich haben sie die gleiche Reise gebucht. Auch wenn ich kein deutsch verstehe, verstand ich sein genörgel. Da hast du recht, dies versteht man in jeder Sprache. Ich wusste gar nicht, dass du Deutscher bist“, sagte Pascal.

Mit hochrotem Kopf saß der Mann aus Sachsen schweigend mit seinem gegrillten Fisch an seinem Tisch.

Der Koch brachte sehr gekünzelt das Haisteak an den Tisch und verbeugte sich nach asiatischer Art mehrmals bei ihm. Er fragte ob alles nach ihrer Zufriedenheit sei. Hannes bestätigte dies „Es ist alles super schön hier. Das Essen, die Appartement und der Service sind super. Es tut mir leid, wenn mein Landsmann hier alles schlecht macht.“

Nach dem Abendessen brachte der Koch den Kinder noch eine große Portion Vanilleeis mit Pitahaya. „Suostei ning thngai“ sagte er lächelnd zu Annick.

Mit einem riesigen Teller an Früchte saßen sie mit den Clerc’s auf der großen Terrasse und sprach über dies und das.
Der Koch fragte ob er sich dazu setzten dürfte. Patricia schob sofort einen Stuhl zurück. Natürlich war von Samorn die erste Frage, warum beide so gutes khmer konnten. Patricia erzählte Samorn das gleiche wie einen Tag zuvor schon Nathalie und Pascal. Immer wieder verbeugte er sich vor ihnen und fragte was sie auf der Insel unternehmen wollten. „Nichts. Ausspannen und morgen mal die Insel in die andere Richtung erkunden.“ Patricia sagte ihm, dass sie heute zusammen am Leuchtturm waren.
„Fahrt morgen nach Westen, nach M‘ Pai. Dort ist eine wunderschöne Lagune.“
„Schön, und wie kommen wir dort hin?“ Fragte Hannes. „Wir haben ein paar Motorräder hier am Hotel. Wenn ihr wollt reserviere ich sie für euch.“
Patricia übersetzte den Vorschlag von Samorn ins französische. Nathalie und Pascal waren einverstanden.

Sex on the Beach

Der Morgen war wieder atemberaubend und der Blick auf Kristallklares Wasser war Balsam für die Seele. Patricia legte sich auf ihn und knabbert Hannes am Ohr.
„Ma Chérie“ hauchte sie ihm ins Ohr „lass uns schwimmen gehen – jetzt.“
Patricia zog ihn aus dem Bett und von dem kleinen Balkon sprangen sie nackt die eineinhalb Meter ins Wasser und schwammen morgens vor 7 Uhr im Golf von Thailand.
Nach 10 Minuten schwimmen waren sie in einer kleinen Bucht. Vor ihnen das Meer und hinter ihnen subtropische Wälder.
Nackt lagen sie im warmen Sand und die Wellen deckten sie zu. Patricia rollte sich auf ihn und küsste ihn lange. „Wir hatten schon viel und schönen Sex, aber noch nie an einem Strand.“

Der Gang zum Frühstücksraum war ein anderer als noch am Montag. Alle Angestellte vom Hotel verbeugten sich leicht vor ihnen. Dieses verbeugen war nicht die allgemein bekannte asiatische Art – es war respektvoll. Samorn hatte offensichtlich jedem der Angestellten die Identität von Patricia und Hannes erzählt.

„Das Königspaar kommt. Guten Morgen ihr beiden“ sagte Patrick als beide zu ihnen an den Tisch kamen.
„Patrick, wir sind immer noch die gleichen Menschen wie gestern Abend.“ „Ich weiß. Hannes und Patricia, ihr beide seid unglaublich cool, nett und hilfsbereit. Darf ich fragen wie alt ihr seid?“ „Beide 23.“
Es braucht eine Zeit bis einer der beiden Clerc’s die Sprache fand. „Wow! Wir haben euch um Jahre älter geschätzt. Respekt. Mehr kann ich nicht sagen. In eurem Alter hatte ich noch nicht einmal mal Staatsexsamen“, sagte Nathalie.
„Ich würde jetzt wohl auch noch in Metz Volkswirtschaft und Humanwissenschaft studieren. Nun unterrichte ich Kinder in den Provinzen Svay Rieng oder Prey Veng.“ „Warum oder“ fragte Nathalie.
So erklärte Patricia ihr auch dies noch während dem Frühstück.
„Lefévre School? Wow! Kein Wunder, dass sich die Menschen vor euch verbergen.“
„Quatscht. Das ist die asiatische Art und meine Schulen sind hier nicht bekannt.“
„Dies mag sein. Aber auch ich sah die Verbeugung der Angestellten und diese war bei euch eine andere. Dies könnt ihr auch nicht herunterspielen. Selbst der Mann aus Deutschland hat es bemerkt“, sagte Nathalie.

Mit zwei Motorräder und zwei Motorroller fuhren sie nach dem Frühstück nach M‘ Pai. Patricia hatte Annick vor sich auf ihrem Motorroller sitzen und Nathalie ihren Sohn. Die Männer fuhren die 125er Motorräder. Durch die Kinder auf den Motorroller fuhren sie nicht so schnell. Hannes fuhr links neben Patrick und fing an zu singen:Get your motor runnin‘
Head out on the highway
Looking for adventure
In whatever comes our way“

Pascal lachte und gemeinsam sangen sie

Yeah, darlin‘ gonna make it happen
Take the world in a love embrace
Fire all of your guns at once
And explode into space“

Die Frauen fingen laut an zu lachen und alle sangen: Like a true nature’s child
We were born
Born to be wild
We can climb so high
I never wanna die
Born to be wild
Born to be wild“

Sie fuhren durch den kleinen Ort Kaoh Rong Sanloem Khnong und alle vier sangen lauthalsBorn to be wild.“ Um die nächste KurveBorn to be wild.“ Die Leute an der Straße drehten sich nach ihnen um.

Nach unzähligen „Born to be wild“ singen, kamen sie an die Lagune von M‘ Pai.
Ihre 125 ccm Highway Boliden stellen sie oberhalb der Lagune in den Schatten und gingen 20 Meter hinunter zum Stand. Auch wenn es nur wenige Höhenmeter waren, hatte man von dem schattigen Parkplatz eine grandiose Aussicht über türkisfarbenes Wasser so weit das Auge reichte.

Am Strand der Lagune waren vielleicht 20 Personen. Eine Gruppe Jugendliche hatte 20 Meter weiter am Waldrand drei Zelte stehen. Patricia lachte und gab Hannes einen Kuss.
Arm in Arm gingen sie an dem kleinen Strand entlang und suchten sich einen Platz im Schatten.
Die Kinder wollten unbedingt ins Wasser.
Nach 2 Minuten waren sie alle in dem Badewannen warmen Wasser.
20 Meter im Wasser standen zwei Holzgestelle mit Schaukeln dran. Annick und Andro schaukelten ein wenig um dann mit kindlichem Schwung ins Wasser zu springen. Die Erwachsenen machten natürlich Wettkämpfe wer am weitesten sprang und am höchsten schaukelte.

Die Zeit mit Nathalie, Patrick und den Kindern verging sehr schnell und vom schwimmen, spielen und springen waren alle müde. Hannes hatte auf seiner 125er Höllenmaschine eine große Styropor-Box mit Eiswürfel, Trinkwasser und rote Pitahaya, Mangos und Ananas dabei. Im Schatten schnitt er die Schale von den Früchten ab und schnitt diese dann in Würfelstücke in die Plastikbecher.

Patricia lag mit ihrem Kopf auf seiner Brust und erzählte den Clerc’s wie sie beide sich vor vier Jahren beim campen auf einer Kuhweide kennengelernt hatten. Sie erzählte von dem Haus voller Magie in der Rue Jean Bacchi in Fréjus und von dem unglaublich teuren Saint-Émilion von 1943. Bei den Erzählungen von Patricia hatte Nathalie Tränen in den Augen. „Was für eine Liebe! Ihr habt eine Flasche Wein für 1.000 France getrunken?“ „Ja. Hatten wir. Nathalie, es wäre nicht das Geld gewesen. Ich wollte Peter das Geld geben – es waren die Momente! Dies kann man nie mit Geld bezahlen. Das Licht in unserem Schlafzimmer gibt es kein zweites Mal auf dieser Welt. Selbst Notre-Dame ist dagegen Farblos. Das kleine Haus von Peter ist ein Schloss, Kathedrale und Museum in einem. Der abgebrochene Sandstein links auf der vierten Stufe, das Gemälde von seiner Frau, die Stehlampe im Wohnzimmer rechts in der Ecke….“
„Oder der Brotkorb auf dem Tisch“ , sagte Hannes. „Oder der Brotkorb – genau. Tausende Details in diesem Haus ergeben ein Kunstwerk, wie ich es noch nie gesehen habe.“ „Ich kann mich nur wiederholen: was für eine Liebe.“ Bei den Worten von Nathalie kamen Patricia die Tränen.

Die Sonne kam um die Bäume und es wurde immer wärmer. „Kommt, wir fahren Essen. Wir laden euch“ , sagte Patricia.

Auf dem Rückweg nach Kaoh Rong Sanloem Khnong kamen sie an einer Bambushütte vorbei wo man essen konnte. Es war eine typische Straßenküche wie man diese in Südostasien ständig sah.
„Auch wenn ihr meint hier wäre es schmutzig, dies ist in Südostasien normal. Dafür ist das Essen umso besser.“
Patricia bestelle für alle gegrilltes Hähnchenfleisch, Fleischbällchenspieße von Schwein, Hähnchen, Rind und Fisch. Dann noch Quý Dāu Suppe. Dies ist eine Gemüsesuppe mit so ziemlich allem was es in Kambodscha gibt. Wahlweise kann man noch Fleischbällchen dazu bestellen. Patricia bestelle die Bällchen aus Schweinefleisch. Dann noch eine Schüssel Klebereis und natürlich Papaya Salat. Diesen in Standard und in der europäischen Version – also mit nur einer gestampften Chili.
Bei der europäischen Version von Papaya Salat bliesen Nathalie und Pascal die Backen auf. Patricia grinste breit „Dies essen die Kinder im Kindergarten – also eine sehr humane schärfe. Es ist bei dieser Hitze aber das beste Essen.“ „Wenn dies der Kindergarten ist, will ich nicht wissen was ihr esst“ sagte Patrick mit hochrotem Kopf. „Die Achterbahn“ lachte Hannes.

Nach dem Mittagessen von gut eineinhalb Stunden, tranken sie noch Angkor Beer im Schatten der Bambushütte.
„Und ich dachte immer man sagt: essen wie Gott in Frankreich. Was wir heute alles gegessen haben, war super lecker, Erfahrungsreich und scharf. Ich denke ich kann auch für Nathalie sprechen, wenn ich sage: ihr beide seid super cool und ihr habt uns in eine völlig andere Welt mitgenommen. Gestern und heute haben wir so viel gelernt, gesehen und vielleicht auch verstanden, warum ihr nicht mehr nach Frankreich zurück wollt.“

Der Wald dieser Erde könnte zu einem Bumerang des Lebens werden

Mit der globalen Erwärmung nimmt auch das Wachstum der Bäume tendenziell ab und ihre Sterblichkeitsrate zu. Die Bäume speichern dadurch weniger Kohlenstoff. 

Gleichzeitig gilt: Je höher die Temperatur steigt, desto mehr atmet die Flora (denn nicht nur Bäume produzieren den lebenswichtigen Sauerstoff für das Leben auf der Erde) auf und setzen Kohlenstoff frei. Langfristig kann die globale Erwärmung daher die wesentliche Rolle der Wälder als CO2-Speicher in Frage stellen. Dies ist ein Teufelskreis, an dem viele Forscher sich Gedanken um Lösungen zu machen.

Foto: privat

Zur Zeit bleibt der in Wäldern enthaltene Kohlenstoffvorrat bis zu einer Tagestemperatur von 32°C stabil. Jenseits dieser Schwelle wird dieser Vorrat auf ein Minimum reduziert. Oberhalb dieser Schwelle nimmt der Bestand sehr stark ab. Das Risiko ist immens. Die Forscher am französischen Forschungszentrum CIRAD in Montpellier errechneten, dass die Tropenwälder, die vor allem in Lateinamerika, Afrika und Asien zu finden sind, derzeit das Äquivalent von einem Vierteljahrhundert Kohlendioxid-Emissionen speichern.

Nach den Ozeanen sind die Wälder der zweitgrößte Kohlenstoffspeicher der Welt. Doch die entscheidende Rolle, die sie bisher gespielt haben, ist der globalen Erwärmung ausgeliefert. Wenn die globale Erwärmung nicht unter 2°C gehalten wird, wie im Pariser Klimaabkommen festgelegt, wird die Tagestemperatur in dreiviertel der Tropenwälder 32°C überschreiten. Dies ist die Grenze, die diese Wälder aushalten können.

Zig Milliarden Tonnen CO2

Forscher an den Universitäten von Leeds und Manchester warnt, dass jeder weitere Temperaturanstieg zu schnellen Verlusten von Waldkohlenstoff in den Tropen führen wird. Wird diese Grenze überschritten, besteht die Gefahr, dass die Wälder ihrerseits zu Kohlenstoff-Emittenten, also wie Industriebetriebe welche für den Ausstoß der Emissionen mit verantwortlich sind, umgewandelt. Die grüne Lunge unserer Erde kann sich zu einem Bumerang für alles Leben auf dieser Welt entwickeln.

Jedes weitere Grad an Temperaturanstieg würde 51 Milliarden Tonnen CO2 aus den Tropenwäldern in die Atmosphäre freisetzen. Zum Vergleich: Im Jahr 2019 wurden die weltweiten Kohlendioxid-Emissionen laut Global Carbon Project an der Stanford Universität auf 43,1 Milliarden Tonnen Kohlendioxid geschätzt.

Für diese Studie wurden mehr als eine halbe Million Bäume von zehntausend verschiedenen Arten in 813 tropischen Wäldern in vierundzwanzig Ländern auf der ganzen Welt gemessen.
Die Beobachtung und Ergebnisse dieser Forschung gehen auf die letzten vierzig Jahre zurück.

Das im Mai 2020 von der UNO anlässlich des Welttages der Biodiversität veröffentlichtes Dokument: THE STATE OF THE WORLD, macht auf den Rückgang der weltweiten Wälder aufmerksam.

Seit 1990 sind fast 420 Millionen Hektar Wald verloren gegangen um die Flächen für
andere Nutzungen zu gewinnen.
Obwohl sich die Abholzung in den letzten drei Jahrzehnten verlangsamt hat, gehen immer noch jedes Jahr fast 10 Millionen Hektar für landwirtschaftliche Flächen verloren.
Wissenschaftler bestätigen, dass die Waldzerstörung in einem alarmierenden Tempo fortschreitet und wesentlich zum Verlust der biologischen Vielfalt beiträgt.


Quellen:
– Bruno Hérault, Forscher für Tropenwälder am französischen Forschungszentrum CIRAD, Montpellier
– Global Carbon Project (GCP) der Universität Stanford
– UN Bericht von Mai 2020: THE STATE OF THE WORLD

https://www.google.com/url?sa=t&source=web&rct=j&url=http://www.fao.org/3/ca8642en/ca8642en.pdf&ved=2ahUKEwj7uZfLwr3xAhXDGuwKHQsVAW0QFjAAegQIAxAC&usg=AOvVaw2a-KIugV3UzPZ9sqq7-QJH

Falsche Aussagen sind so alt wie die Menschheit

Foto mit freundlicher Genehmigung von Nadine Koch

Die neuste Internetgeneration – vornehmlich jene die alles in Frage stellen und den Anderen sowieso.
Beliebt sind seit Jahren die Flüchtlinge und hier gezielt die Muslime. Selbst die Fundamentalisten unter den Muslimen, legen den Koran falsch – nach ihrem Empfinden richtig aus.

Warum scheint ein Buch, bei dem die ersten Texte 632 nach Christus, bzw. im Jahre 11 nach Hidschra niedergeschrieben wurden, so von Bedeutung  zu sein?
Ob man nun Bibel, Koran, Tora, Puranas oder Kanjur als die Heilige Schriften annimmt, es sind nur Bücher die in großen Teilen das menschliche miteinander beschreiben.

Beginnen möchte ich mit einigen Falschaussagen der Bibel.
Jedem Christen sind die Heilige Drei Könige bekannt. Fakt ist aber, dass jene weder heilig, noch zu dritt, noch Könige waren. Erwähnt werden sie überhaupt nur im Matthäus-Evangelium. Dort ist aber von „Magiern bzw. Weisen aus dem Osten“ (Magoi) die Rede, nicht von Königen. Auch wird nicht deren Zahl genannt. Einzig die drei Geschenken in Form von: Gold, Weihrauch und Myrrhe.

Darstellung vom letzten Abendmahl aus dem 18. Jahrhundert. Foto: privat. Marienkirche in Danzig

Auf vielen Frühchristliche Darstellungen sind bei der Geburt Jesus zwischen zwei und acht Personen zusehen.
Auch gibt es keine Belege über eine Heiligsprechung an der Grippe von eben jenen Personen.

Gehen wir zurück ins Alte Testament.
Noah sollte von jeder Tierart ein Pärchen mit in die Arche nehmen. Alleine dies ist von der Biologie aus nicht Vorstell- und auch nicht Machbach.
Wer das 1. Buch Mose genauer durchliest, wird feststellen, dass der Autor – Mose war es definitiv nicht, sich widerspricht. Im 1. Buch Mose 6, 19 ff liest man die weithin bekannte Weisung Gottes an Noah, „von allen Tieren, von allem Fleisch, je ein Paar, Männchen und Weibchen“ in die Arche zu bringen. In 1. Mose 7, 2-3 heißt es hingegen: „Von allen reinen Tieren nimm zu dir je sieben, das Männchen und sein Weibchen, von den unreinen Tieren aber je ein Paar, das Männchen und sein Weibchen. Desgleichen von den Vögeln unter dem Himmel je sieben, das Männchen und sein Weibchen, um das Leben zu erhalten auf dem ganzen Erdboden.“

Die Kernfrage an Irrtümer bleibt unsere Zeitrechnung.
Nach den Aussagen der Bibel wurde Jesus im Jahr Null geboren. Da unsere Zeitrechnung bekanntlich mit der Geburt Christus beginnt, könnte man daraus schließen, dass Jesus eigentlich im Jahr Null geboren sein müsste. Allerdings hat es dieses Jahr nie gegeben. Als Jesus in Judäa geboren wurde, galt dort nämlich  die römische Zeitrechnung. Die Römer kannten zwar sprachliche Ausdrücke für „nicht etwas“ (nullum) aber kein Zahlzeichen und keinen eigenen mathematischen Begriff für den Zahlwert Null.
Erst im sechsten Jahrhundert stellte man Berechnungen an, denen zufolge Jesus im Jahr 753 der römischen Zeitrechnung geboren worden sei. Dieses Jahr wurde als Jahr 1 A.D. (Anno Domini = Im Jahr des Herrn) festgelegt. Dabei schlich sich möglicherweise noch ein Rechenfehler von 5 bis 6 Jahren ein. Jesus wurde also vielleicht sogar im Jahre 5 oder 6 vor Christus (Zeitrechnung) geboren.

Ri Butov, Pixabay, 29. Oktober 2021

Die Tora

Tausende Jahre existierten in der jüdischen Welt des religiösen Gelehrtentums die verschiedene Deutungen – wörtliche, rationale, symbolische und mystische – nebeneinander, ohne dass jemandem gesagt wurde, seine Ansicht sei unannehmbar. Heute gewinnt der Kreationismus in vielen Religionen an Boden. Einige christliche Fundamentalisten in den Vereinigten Staaten wollen, dass der Kreationismus in den öffentlichen Schulen parallel zur Evolutionstheorie gelehrt wird. Aber während die Evolutionslehre, mit all ihren Fehlern und Lücken, eine wissenschaftliche Theorie ist, gegründet auf wenigstens einigen beweisbaren Beispielen, ist Kreationismus keine wissenschaftliche Lehre, sondern schlicht eine Frage des Glaubens.

In der den Heiligen Schriften wird oft von dem geknechteten und versklavten Volk Israel geschrieben, dass die Kinder Israels die Pyramiden gebaut haben.
Nach heutigen historischen Erkenntnisse sind die Pyramiden wahrscheinlich älter als 4.500 Jahre. So ginge man früher immer davon aus, dass Sklaven für die Pyramiden unter schrecklichen Bedingungen schuften mussten, so fand man später Hinweise darauf, dass die Arbeiter durchaus gut bezahlt wurden.

manuelaferro, Pixabay, 28. Mai 2019

Buddhistischen Schriften im Kanon

Auch in der Lehre / Religion des Buddhismus gibt es sehr viel widersprüchliche Aussagen. Im Buddhismus ist eines der größten Problem der schier unermesslichen Umfang des Kanons. Die riesige Masse an Textmaterial führt zur Unübersicht und somit zur Willkür des Auslegung. Allein der chinesische Tripitaka enthält, in der neuesten japanischen Ausgabe von 1924-1929, stolze 2920 Werke in immerhin 11.970 Büchern auf insgesamt 80.645 Seiten. Die Gründe für den riesigen Textcorpus liegen in der langen Lehrtätigkeit Buddhas und in der posthumen Zuweisung einer Vielzahl von Textmaterial, vor allem vom Mahayana. Sutren wurden noch über tausend Jahre nach Buddhas Tod verfasst. Die Authentizität von Texten wurde in der Regel nicht in Frage gestellt. Das Wort Buddhas (buddhavacana) galt als die wichtigste und nicht in Zweifel zu ziehende Quelle der Lehre. Daneben wurden jedoch eine Reihe weiterer Quellen wie Weise, Götter und übermenschliche Wesen als legitime Vermittler der Lehre anerkannt.
Die historische Dimension relativierte sich auf diese Weise und ermöglichte eine reichhaltige Textproduktion mit autoritativem Status, deren später Entstehungszeitpunkt keinen Glaubwürdigkeitsverlust darstellte.
Auftretende Kontroversen betrafen
hauptsächlich den Inhalt der Texte und nicht die Frage nach deren Autorität.
Texte wurden selten ausgeschlossen, vielmehr erforderte die Fokussierung auf den Inhalt komplizierte hermeneutische Überlegungen, welche nicht erwünschte Textpassagen doch in gewisser Weise relativierten mussten.

Afshad, Pixabay, 20. Juli 2016

Die falsche Auslegung einer Sure aus dem Koran

„Ihr, die ihr glaubt! Nehmt euch die Juden und Christen nicht zu Freunden! Sie sind einander Freunde. Wer von euch sich ihnen anschließt, der gehört zu ihnen. Siehe, Gott leitet die Frevler nicht recht.“
Hört man diesen Vers, scheint die Aussage klar: Muslime sind dazu angehalten, größtmögliche Distanz zu Juden und Christen zu wahren. Tatsächlich ist das arabische Wort walî, das hier als „Freund“ übersetzt ist, jedoch mehrdeutig und schwer zu fassen; seine Bedeutung war und ist unter muslimischen Exegeten umstritten.

Einig sind sie sich bloß darin, dass es um eine enge persönliche Beziehung geht, die Verbindlichkeiten umfasst. In der Stammesgesellschaft, in der der Koran entstand, waren das zum Beispiel Bündnisverpflichtungen: Ein walî, das war jemand, der im Fall eines Krieges oder einer Blutfehde Beistand leistete oder Lösegeld zahlte.

Viele klassische muslimische Korankommentare gingen in ihren Auslegungen trotzdem weit darüber hinaus. Sie erklärten sehr wohl, man solle generell mit Juden und Christen keine zu freundschaftliche, vertrauensvolle oder intime Beziehung eingehen.

In der Moderne entstand ein breites Spektrum neuer Deutungen. So wurden in Zeiten des Kolonialismus politische Interpretationen populär. Hier wurde der Vers als Verbot der Kollaboration mit den zumeist christlichen Kolonialherren verstanden: „Nehmt euch die Juden und Christen nicht zu Führern!“ lautete ihre Lesart.

Im fundamentalistischen Spektrum hingegen diente der Vers dazu, Forderungen nach radikaler Abgrenzung von allem Nichtmuslimischen zu untermauern. Diese Auslegung beruft sich unter anderem auf den Anlass, zu dem der Vers offenbart worden sein soll.

Der Überlieferung zufolge geschah das während Muhammads Zeit in Medina. Der Vers stellte eine Ermahnung an einen Heuchler dar, der zwar äußerlich Muslim, innerlich aber noch dem Unglauben verhaftet war. Dieser Heuchler soll sich aus Gründen des persönlichen Profits und aus mangelndem Gottvertrauen nicht von seinen jüdischen Bündnispartnern losgesagt haben, obwohl diese mit den Muslimen verfeindet waren.

Fundamentalistische Kommentatoren folgern daraus eine Pflicht zur vollständigen Lossagung von Nichtmuslimen. Allein die Beziehung zu Muslimen sei erlaubt. Wer sich nicht an diesen Grundsatz halte, sei kein Muslim mehr, argumentieren sie.

Man kann den Vers aber auch ganz anders lesen. Dem Offenbarungsanlass zufolge verbietet er das Bündnis mit einer bestimmten Gruppe von Juden, die sich mit den Muslimen im Krieg befand. Ist so eine Situation auf das Zusammenleben in heutigen pluralistischen Gesellschaften überhaupt noch übertragbar? Sind die damaligen Bündnisstrukturen der arabischen Stammesgesellschaft heute nicht obsolet? Hat nicht im Übrigen der Prophet selber Bündnisse mit Nichtmuslimen geschlossen? Erlaubt nicht der Koran an anderer Stelle muslimischen Männern, eine jüdische oder christliche Frau zu heiraten, legitimiert also zweifellos intime Beziehungen?

Gemäß vielen neueren Auslegungen verbietet dieser Vers lediglich ein Schutzverhältnis zu feindseligen nichtmuslimischen Gruppen in einer Kriegssituation. Die Frage der Freundschaft mit Nichtmuslimen, die dem Islam nicht feindselig gegenüberstehen, wird ihnen zufolge demnach gar nicht berührt. Schließlich sage der Koran an anderer Stelle, im 8. Vers der 60. Sure: „Gott verbietet euch nicht, zu denen, die euch nicht der Religion wegen bekämpft und nicht aus euren Häusern vertrieben haben, freundlich zu sein und sie gerecht zu behandeln. Siehe, Gott liebt die, die gerecht handeln.“ Und im 7. Vers der gleichen Sure heißt es: „Vielleicht stiftet Gott ja zwischen euch und zwischen denen unter ihnen, die euch feindselig gesinnt sind, Liebe.“

Quellen – – Professorin Johanna Pink, Islamwissenschaftlerin an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.
– Rabbiner Jeremy Rosen
– Prof. Dr. Franz Martin Wimmer
Institut für Philosophie Universität Wien

Fotos
– privat
– Nadine Koch, 26. Mai 2022
– cocoparisienne, Pixabay, 19. November 2017. Freie kommerzielle Nutzung
Kein Bildnachweis nötig.
– Afshad, Pixabay, 20. Juli 2016.Freie kommerzielle Nutzung. Kein Bildnachweis nötig.
– Ri Butov, Pixabay, 29. Oktober 2021. Freie kommerzielle Nutzung. Kein Bildnachweis nötig.
– manuelaferro, Pixabay, 28. Mai 2019. Freie kommerzielle Nutzung. Kein Bildnachweis nötig.

Die Ethnologie in Afghanistan

Um Afghanistan zu begreifen, muss man sehr weit in der Geschichte zurück gehen und auch die Ethnologie wie auch die Anthropologie in Betracht ziehen.

Was wir in Europa bis Anfang 1990 als Jugoslawien kannten, funktionierte in diesem – ebenfalls Vielvölkerstaat nur, weil man von Grund auf alles an Ethnien bekämpfte. Der Jugoslawien Krieg zeigte, wie verfeinert die Menschen in diesem Staatsgebiet waren. Es endete im Völkermord.

Wenn Afghanistan eine Zukunft haben sollte, kann es nur die Aufteilung des Staatsgebiet zur Folge haben.

Die Probleme in Afghanistan liegen in den vielen Ethnien die in diesem Land leben. Seit Jahrzehnten kämpft jeder gegen jeden. Dies ist und war der Nährboden für den Fundamentalismus, aus den der Terror resultiert.
Auf lange Sicht gesehen, wird es in Afghanistan niemals Frieden geben, solange es ein territoriales Land gibt.
Es muss endlich in Betracht gezogen werden, dass diese Form als Land so nicht existieren kann und wird.

Die Ethnologie in Afghanistan

In der Ethnologie und Anthropologie bezeichnet man als Clan eine Verwandschaftsgruppe, die sich auf einen gemeinsamen Ahn bezieht, ohne dabei jedoch die Abstammung lückenlos herleiten zu können. Eine genauere Definition von Clan, die sich in der englisch- und deutschsprachigen Forschungsliteratur durchgesetzt hat, geht auf den US-amerikanischen Anthropologen George P. Murdock (1897–1985) zurück. Murdock bezeichnet eine Verwandtschaftsgruppe, die gemeinsam auf einem Territorium zusammen lebt, als Clan. Eingeschlossen werden hier die angeheirateten Ehepartner, ausgeschlossen die wegheiratenden. Die Zugehörigkeit wird durch die Patrilinearität bestimmt. Diese Definition trifft auch auf Afghanistan zu.

Die Rolle der Ethnien und Stämme in der afghanischen Staatsbildung und Politik geht auf eine Zeit zurück, als Afghanistan im 18. Jahrhundert im Anschluss an eine neuntägige „Jirga“ gegründet und die Regierung von Ahmad Shah Abdali konstituiert wurde. Der Chronist der afghanischen Geschichte Mir Mohammad Ghobar schrieb, dass diese „Jirga“ sich aus Khans der Gheljaeis, Usbeken, Hazaras, Belutschen und Tajiken zusammensetzte.

Nach der Machtübernahme durch die Paschtunen wurde die Rolle andere Ethnien in der Geschichte Afghanistans unbedeutender. Die Paschtunen versuchten, den neuen Staat alleine zu prägen.
Der deutsche Afghanistan-Experte Conrad Schetter schreibt dazu: „Die herrschende paschtunische Familie, welche durch Britisch Indien an die Macht gekommen war, favorisierte paschtunische Elemente bei ihrem Konzept von Staat und Nation Die Politik der herrschenden Familie setzte die eigenen ethnischen Muster ein, um öffentliche Güter und die Verwaltung unter ihre Kontrolle zu bringen.“
Die nicht-paschtunischen Ethnien, d.h. Tajiken, Hazaras und Uzbeken, verloren allmählich unter dem Druck der herrschenden Ethnie an Einfluss. Der Prozess der „Staats- und Nationsbildung“ beschränkte sich damit auf Aktionen und Reaktionen zwischen der Zentralregierung in Kabul und paschtunischen Stämmen. Aber auch zwischen den paschtunischen Stämmen gab es ständig Kämpfe und politische Rivalitäten.

Der iranische Soziologe Hossein Boshiria schreibt in seinem Dossier: „Die wichtigsten politischen Spannungen ereigneten sich unter paschtunischen Stämmen selbst; insbesondere zwischen Durranis und Barekzais gab es immer politische Rivalitäten.“ Man kann also sagen, dass der Prozess der „Staats- und Nationsbildung“ mit oder ohne Erfolg untrennbar mit der Rolle der Paschtunen in Bezug auf die Zentralregierung im Zusammenhang stand.

Stämme als Hindernis der Staatsbildung

Der italienische Afghanistan-Experte Antonio Giustozzi meint, dass Spannungen zwischen regionalen Fürsten und der Zentralregierung geschichtliche Wurzeln haben. Diese Spannungen lassen sich in verschiedenen Phasen der afghanischen Geschichte beobachten:

Amir Abdul Rahman Khan (Regierungszeit 1880 bis 1901) ist der erste afghanische Herrscher, der große Anstrengungen zur Stärkung der Nation und Errichtung einer Zentralregierung unternahm. Er ging dabei so grausam vor, dass man ihm den Titel „eiserner Emir“ gab. Abdul Rahman Khan siedelte Bevölkerungsteile um und setzte Paschtunen an ihre Stelle. Trotzdem konnte er die Prozesse der Staats- und Nationsbildung nicht vorantreiben, denn einerseits unterdrückte er wichtige afghanische Ethnien, und andererseits gelang es ihm nicht mit den Stammesfürsten der ländlichen Regionen eine produktive Beziehung herzustellen. Barfield schildert diese Situation so:

„Mit der Unterdrückung von Rivalen innerhalb seines Clans, der religiösen Bewegungen und ländlichen Unruhen durch Abdul Rahman Khan, entstand in Afghanistan eine Schicht der ‚politischen Elite‘, die sich zunächst aus wenigen Personen zusammensetzte, aber großen Einfluss durch die Regierung von Abdul Rahman Khan hatte. Da diese Elite ihre ethnischen und ländlichen Bindungen abgelegt hatten, spielten die autonomen regionalen Stammesfürsten eine Vermittlungsrolle zwischen der Kabuler Zentralregierung und dem Volk. Die Loyalität dieser Stammesfürsten basierte auf deren ethnischen, regionalen, religiösen Netzwerken und Stammesrivalitäten. Die Loyalität ihrer Anhänger galt an erster Stelle diesen Stammesführern und erst an zweiter Stelle der Zentralregierung.“

Nach Abdul Rahman Khan versuchte Amanullah Khan mit einer unterschiedlichen Art und sanfter Annäherung den Prozess der Staats- und Nationsbildung voranzutreiben. Er unterdrückte andere Ethnien nicht und schaffte die bis dahin geltende Versklavung der Hazaras ab.

Auch die Anstrengungen Amanullahs blieben ohne Ergebnis. Erschöpft vom Krieg gegen England widmete er sich der Modernisierung Afghanistans. Scheinbar hatte er es aber versäumt, tiefgehende Beziehungen zu Paschtunen herzustellen. Er hat versucht sensible Punkte der paschtunischen Tradition, wie das Verbot der Heirat von Minderjährigen, das Verbot der Polygamie und Bildung für Frauen uvm. zu etablieren. Das war für die Paschtunen ein rotes Tuch. Gerade diese Unzulänglichkeit war ein Grund für das Scheitern der Modernisierung und den Prozess der Staats-und Nationsbildung.

Jules Stewart erklärt beispielsweise, wie die paschtunischen Stämme Amanullah provozierten. Im Dezember 1927 unternahm der König auf Einladung der italienischen Regierung eine Europareise. Er kam im Juni 1928 wieder zurück und begann, inspiriert von seiner Eindrücken, mit neuen Reformen. Die Engländer verteilten indessen ein Bild von Königin Soraya unter den paschtunischen Stämmen; in diesem Bild war sie ohne Kopftuch zu sehen während eines gemeinsamen Essens mit ausländischen Männern, wobei der französische Präsident ihr die Hand küsst. Dies war der Grund, warum Amanullah gleich bei seiner Rückkehr nach Afghanistan mit einer schweren Welle der Unruhe unter den Stämmen und Geistlichen konfrontiert wurde, die ihn am Ende, ein Jahr später, seine Herrschaft kostete.

Die Stammesfürsten kontrollierten unter Amanullah nicht nur ihre eigenen Stämme, sondern übten über einen „Stämmebund“ Einfluss auf das Land aus und widersetzten sich der Modernisierung des Landes. Die „Loya Jirga“ widersetzte sich dem Wunsch Amanullahs das Mindestalter für die Heirat bei Mädchen auf 18 und bei Männern auf 21 festzulegen und die Polygamie abzuschaffen. Die Regierung Amanullahs stand kurz vor dem Sturz. Den beschriebenen Stämmebund bezeichnet Ibn-e Khaldoun als „asabieyeh“. Es ist jene strategische Koalition unter Mitgliedern eines Stammes oder mehrerer Stämme, die sie in einer Krisensituation zusammenbindet. Diese Form des Widerstandes ist alteingesessen und wird immer wieder dann ins Leben gerufen, wenn die Traditionen und Religion gefährdet wird. Im Fall Amanullahs haben sich Stammesführer, Geistliche und Feudalherren bereits 1924 erstmalig in Paghman getroffen, um gegen die Reformen des Königs vorzugehen.

Der Islam in Afghanistan

Islamischer Fundamentalismus, eine rückwärtsgewandte Religiosität und mittelalterliche Denken und Lebensweisen bestimmen häufig das Bild von Afghanistan. Dabei hat das Land mittlerweile eine Verfassung, einen direkt gewählten Präsidenten und ein demokratisch gewähltes Parlament. Trotzdem können sich bestimmte religiöse Kräfte über das Gesetz stellen. Wie groß ist ihr Einfluss? Wie wird der Islam in Afghanistan verstanden?

Am 12. August 2012 musste ein beliebter afghanischer Sänger, Shafiq Monir, sein seit langem geplantes Konzert in der Stadt Herat absagen. Grund war der Aufruf einiger Gelehrter der Stadt, allen voran der
des populären Predigers Sheikh Mojib ar-Rahman Ansari. Ansari wollte das Konzert verhindern, weil er es für unmoralisch hielt. Dem Druck Ansaris und seiner Befürworter folgend, strichen die Behörden das Konzert schließlich. Das ist nicht das erste und wird wohl auch nicht das letzte Mal sein, dass bestimmte religiöse Kräfte in Afghanistan eine eigenwillige Interpretation des Islam vornehmen und sie den anderen aufzwingen. Auch vielen Afghanen diente der Vorfall als Beleg dafür, warum Afghanistan in der allgemeinen Wahrnehmung als ein rückschrittliches und vormodernes Land gilt. Mit Afghanistan werden seit mittlerweile über dreißig Jahren islamischer Fundamentalismus,
rückwärtsgewandte Religiosität und mittelalterliche Denk- und Lebensweisen assoziiert. Es gilt als ein Land, in dem es keine Spur von Zivilität und Zivilisation gibt. Viele können vielleicht den politischen
Anarchismus und die damit einhergehende religiös legitimierte bzw. motivierte Gewalt in der Zeit des Bürgerkrieges bis Ende 2001 noch nachvollziehen; es herrschte letztlich überall im Land Krieg und es
gab keine souveräne Zentralregierung, die für Gesetz und Ordnung sorgen konnte. Inzwischen hat Afghanistan eine mit viel Aufwand verabschiedete Verfassung, einen vom Volk direkt gewählten
Präsidenten und ein demokratisch gewähltes Parlament. Trotzdem können bestimmte religiöse Kräfte sich über das Gesetz stellen, ihre Meinung der Politik aufzwingen und letzten Endes die Souveränität des Staates sabotieren. Wie groß ist der Einfluss religiöser Akteure? Wie wird der Islam in Afghanistan verstanden?

Religiöse Akteure

Religiöse Akteure und insbesondere die offiziellen Träger des Islam, die ‘olama’, haben in der politischen Geschichte Afghanistans immer wieder eine weitreichende Rolle gespielt. Diese Tatsache geht nicht zuletzt darauf zurück, dass sie im Prozess der Meinungsbildung und der politischen Orientierung vieler
Menschen ein wichtiger Faktor sind. Die politische Klasse ist stets darum bemüht gewesen, für ihre Regierungsbeschlüsse und -praktiken die Zustimmung der ‘olama’ zu gewinnen. Die ‘olama’ wurden aber andererseits oft für bestimmte Politiken, die im Grunde mit eindeutigen Anforderungen des Islam nicht konform waren, benutzt. Amir Abdorrahman Khan (1881-1901), der sogenannte Eiserne Emir, konnte seine nationalistische Unterdrückungspolitik beispielsweise im Namen des Islam durchführen. Legitimiert durch Fatwas der ‘olama’ ging er erbarmungslos gegen religiöse und ethnische Minderheiten vor. Unterstützt durch einige ‘olama’ ließ er sogar religiöse Stiftungen in Beschlag nehmen. Dem als Reformkönig geltenden Amanullah (1919-1929) dagegen verweigerten die ‘olama’ ihre Unterstützung. So gelang es ihm nicht, liberale Reformen durchzusetzen.
Nach einer Europareise in Begleitung seiner freizügig gekleideten Frau teilte Amanullah der „Großen Ratsversammlung“ (Loya Jirga) seine Pläne zur Modernisierung des Landes mit. Dazu gehörten das Verbot der Sklaverei, die Religions- und Meinungsfreiheit und die Schulpflicht für Mädchen. Die religiösen Akteure, allen voran der einflussreiche Fazl Omar Mojaddadi, bekannt als Hazrat-e Shur Bazar, lehnten die Reformmaßnahmen ab und bezeichneten sie als nicht islamisch. Der anschließende Volksaufstand gegen Amanullahs Modernisierungsvorhaben führte letztlich zu seinem Sturz. Trotz
derartiger Einflussnahmen wurden ‘olama’ nicht als eine politische Größe, sondern als eine religiöse Instanz angesehen. Die politisch zentrale Bedeutung, die den ‘olama’ in der Zeit des Widerstandes gegen die sowjetische Usurpation und des damit einhergehenden Bürgerkrieges zukam, war allerdings eine ganz neue Erscheinung, die das Selbstverständnis der ‘olama’ und ihr Bild in der Gesellschaft völlig veränderte. Diese neue gesellschaftspolitische Position religiöser Akteure ist u.a. auf die großzügigen finanziellen und militärischen Zuwendungen der Länder zurückzuführen, die die Widerstands- bzw. Bürgerkriegsparteien unterstützten. Die Führung dieser Parteien war zumeist in den Händen religiöser Akteure. Bald beanspruchten die ‘olama’, welche gewohnt religiöse Orientierung der Menschen bestimmten, auch die politische Führung. Während sie vor Kriegsbeginn allgemein auf die Gnade der politischen Klasse angewiesen waren, stellten sie während des Kriegs selbst die
politische Führung dar. Diese Rolle wollen sie auch unter der neuen politischen Ordnung weiter ausüben, solange sie sich nicht als zivile sondern als religiös legitimierte politische Akteure verstehen

Der gelebte Islam in Afghanistan

Wie überall in der islamischen Welt zeichnet sich der Islam in Afghanistan durch eine Vielzahl von heterogenen Prägungen und Eigenheiten aus. Noch vor Kriegsbeginn wurde diese „Kultur der
Ambiguität“ im Alltag gelebt. Trotz aller Diskriminierung lebten auch nichtmuslimische Gemeinschaften
wie Sikhs, Hindus, Juden neben schiitischen und sunnitischen Muslimen. Viele Gelehrte sahen den unterschiedlichen Islamauffassungen und -praxen gelassen entgegen und richteten sich dabei nach der bekannten Tradition des Propheten, dass der Dissens muslimischer Gemeinschaft ein Zeichen der Gottesgnade sei eine Tradition, die in der islamischen Geschichte vielerorts jahrhundertelang praktiziert wurde. Dieser Usus kennzeichnete die sogenannte Blütezeit der muslimischen Kultur (750-1250) mit ihren Zentren wie Bagdad, in denen sich Kunst, Wissenschaft und Forschung glanzvoll entfalten konnten. Schon in der frühislamischen Zeit gab es ganz legitim nebeneinander existierende divergente Lesarten des Korans und damit der Scharia. Diese Tatsache hat bis zum Aufkommen des ideologisierten Islam im 19. Jahrhundert kaum jemanden in der
islamischen Welt gestört. Mehrdeutigkeit sprach nicht gegen eine göttliche Herkunft des Korans oder der Scharia. Wer kann schon behaupten, die Scharia gänzlich zu erfassen? Als Gelehrte hatte man
lediglich den bescheidenen Anspruch, eine eigene Interpretation der Scharia zu präsentieren und nicht die Scharia. Daher hat man die Meinung eines Gelehrten als Ergebnis seiner individuellen wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Scharia, als seinen ijtihad verstanden und nicht als „den einen wahren Islam“. Dementsprechend haben auch die meisten Gelehrten in Afghanistan andere Meinungen und Praktiken respektiert.
Darüber hinaus weist der Islam in Afghanistan mystische Züge auf. Bis zum Aufbruch des Widerstandskampfes gegen die sowjetische Usurpation und des damit einhergehenden Bürgerkrieges hielt der mystische Islam Distanz zur Politik und forderte gemäß seines Selbstverständnisses Toleranz von den Menschen. Erst in der Kriegszeit mischte er sich zunehmend in die Politik ein und kämpfte wie die anderen Strömungen um mehr politischen Einfluss.
Eine der wichtigsten Bruderschaften in Afghanistan stellt die Naqshbandeyya dar. Der Orden geht auf Muhammad Bahaoddin an-Naqshbandi (gestorben 1389) zurück und hat sich zunächst in Zentralasien verbreitet. In Afghanistan hat die Nashbandeyya vor allem unter den Tadschiken der Großstädte, aber auch unter einigen paschtunischen Stämmen im Süden und Südosten ihre Anhänger. Ein weiterer mystischer Orden in Afghanistan ist die Qadereyya. Der Begründer der ebenfalls einflussreichen Bewegung, Abd al-Qader Gilani (gestorben 1166), stammte aus Bagdad. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kam die Bruderschaft nach Afghanistan. Im Gegensatz zu diesen beiden Orden, die vor allem in der Hauptstadt präsent waren, hatte der Chishteyya-Orden seine Anhängerschaft insbesondere in und um Herat, im Westen des Landes. Die Chisteyya wurde von Moinoddin Muhammad Chishti (gestorben 1236) gegründet und hat sich über die Grenzen des heutigen Afghanistans hinaus vor allem auf dem indischen Subkontinent verbreitet.
Viele Menschen haben zwar die ‘olama’ als offizielle Träger des Islam betrachtet, sie hatten aber gleichzeitig ihre Beziehungen zu mystischen Bruderschaften und pflegten in ihrem Alltagsleben deren in der Regel offene Haltung, z.B. zur Musik oder zum Verkehr mit anderen religiösen Gruppen. Man legte ebenfalls viel Wert auf große zumeist mystisch orientierte Dichter. Ihre Gedichte wurden als Interpretation der koranischen Botschaft angesehen, ihre Einstellungen zum Leben und zur Welt wurden besonders geschätzt. Man nahm die Aufforderungen von Hafez (1320-1389) „In diesen beiden
Ausdrücken liegt der Schlüssel zum Frieden im Diesseits und Jenseits“ und „Übe den Freunden gegenüber Großmut und den Feinden gegenüber Toleranz“ genauso ernst wie die Botschaft von Saadi (1190-1283): „Die Kinder Adams sind aus einem Stoff gemacht als Glieder eines Leibs von Gott, dem Herrn, erdacht Sobald ein Leid geschieht nur einem dieser Glieder dann klingt sein Schmerz sogleich in allen wider.“
Auch die Gedichte von Maulana Jalaloddin Balkhi (1207-1273) haben einen großen Platz im Alltagsleben der Menschen gehabt. Maulana sah die Liebe als Hauptkraft des Universums und das Universum als ein harmonisches Ganzes. Sein kultureller Kontext prägte selbstverständlich seine Vorstellungen von Gott, sein Gott kannte aber keine religiösen oder sonstigen Grenzen: „Was soll ich tun, o ihr Muslime? Denn ich kenn‘ mich selber nicht. Weder Christ noch bin ich Jude, und auch Pars und Muslim nicht. Nicht von Osten, nicht von Westen, nicht vom Festland, nicht vom Meer Nicht stamm‘ ich vom Schoß der Erde und nicht aus des Himmels Licht.“
Noch mehr als Hafez und Maulana wird in Afghanistan der große mystische Dichter Abdolqader Bidel Dehlavi (1645-1721) verehrt und gelesen. Er lebte und wirkte im Mogulreich und gehörte dem
Qadereyya-Orden an. Seine Gedichte wurden von vielen Afghanen wie Koranverse rezitiert. Man beschäftigte sich mit ihm und seiner Philosophie in Lesungen und Diskussionsrunden. Eine Abendreihe über ihn unter dem Shab-e Aschoqan Bidel“ ist vielen Afghanen immer noch in Erinnerung geblieben. Der Meister der afghanischen klassischen Musik, Ostad Muhammad Hosain Sarahang (1923-1982), war der bekannteste Interpret der Dichtung von Bidel und sorgte mit seiner faszinierenden Stimme für die Omnipräsenz von Bidels Gedanken im Alltag vieler afghanischer Familien. Bidel wird als Anhänger einer gewissen pantheistischen Philosophie Vahdat al-vojud („Einheit der Existenz“) bezeichnet, der in dem als sehr komplex angesehenen Indischen Dichtungsstil dichtete. Indem er diese komplexe Ausdrucksweise pflegte, machte er doch die Ambiguität des Seins deutlich. „Solange die Einzelnen nicht zueinanderfinden, kann keine Gemeinschaft existieren.“
„Eine Ähre ist keine, wenn die Körner nicht zusammenwachsen.“

Die Kriegszeit

Krieg wurde in vielen Fällen der Religion halber geführt. So spricht man in der Geschichtswissenschaft vom „Religionskrieg“ oder „Glaubenskrieg“ oder auch vom „Konfessionskrieg“. Krieg verändert gleichzeitig den Zugang zur Religion und deren Textgrundlagen. In der Kriegssituation duldet man keine Dissidenten und keinen Zweifel an eigenen, eindeutig formulierten und für absolut richtig gehaltenen Zielen. Auch die Religion soll im Dienste des Krieges und der mit ihm einhergehenden Gewalterscheinungen stehen und sie legitimieren. Auf diese Weise entsteht religiöser Fundamentalismus. So entstand er in der Geschichte des Christentums und so erschien er in der islamischen Geschichte. Der über dreißig Jahre andauernde Kriegszustand in Afghanistan hat kaum Platz fürs Weiterbestehen einer Kultur der Pluralität und Toleranz übrig gelassen. Vielmehr setzte sich ein einseitiges, für eindeutig gehaltenes und damit fundamentalistisches Verständnis des Islam durch.
Bereits im „Jahrzehnt der Verfassung“  1963-1973 haben sich vor allem in Kabul kleine islamistische Kreise gebildet. Ihr vordergründiges Anliegen war die Bekämpfung von marxistisch orientierten Gruppen, die über eine beachtliche Anhängerschaft unter den Studenten verfügten. Sie bezeichneten sich teils als „Jungmuslime“ und teils als
„Islamische Gemeinschaft“ und wurden hauptsächlich von Persönlichkeiten geführt, die an der Al-Azhar-Universität in Kairo ausgebildet worden waren und mit dem Gedankengut der „Muslimbrüder“  vertraut waren. Zu den Führungskadern dieser Gruppen gehörten die Dozenten Gholam Muhammd Neyazi (gest. 1978) und Borhanoddin Rabbani (1940-2011)
und die Studenten Golboddin Hekmatyar (geb. 1947) und Ahmad Shah Massud (1951-2001).
Die drei Letzteren führten später nicht nur die wichtigsten Widerstandsparteien gegen die sowjetischen Truppen, sie lieferten sich auch gegenseitig blutige Kämpfe, die nach dem Rückzug der sowjetischen Armee noch erbitterter weitergeführt wurden. Die Logik des Krieges hat sich mit der Zeit fast aller
religiösen Akteure und der mystischen Bruderschaften bemächtigt. Die herausragende Figur des Naqshbandeyya-Ordens Sebghatollah Mojaddadi (geb. 1925) mit seiner Partei Nationale Rettungsfront und der geistliche Führer des Qadereyya-Ordens Pir Sayyed Ahmad Gailani (geb. 1932) mit seiner Organisation Nationale Islamische Front und die Chishteyya-Bewegung in der Herat-Region waren nicht nur an dem Widerstandskampf beteiligt, sondern auch an den schmutzigen Brüderkriegen der Mujahidin. Die intellektuelle Nahrung der Gruppen waren nicht mehr und konnten auch nicht mehr die Gedichte von Maulana oder Bidel sein, sondern die Gedanken von den fundamentalistischen Vordenkern Sayyid Qutb (1906-1966) und Abu Ala Maududi (1903-1979). Die großzügigen finanziellen und militärischen Mittel, die die Kriegsparteien über Jahrzehnte erhielten, begünstigten und verfestigten die fundamentalistische Auffassung des Islam umso mehr. Fundamentalismus war schließlich der Marktrenner.
Trotz einer einigermaßen demokratisch gewählten und halbwegs funktionierenden Zentralregierung herrscht weiterhin der Kriegszustand in Afghanistan und in den Köpfen einiger religiöser Akteure. Viele Menschen, insbesondere viele junge Männer und Frauen in den Großstädten, wollen dennoch zu einem normalen Leben zurückfinden. Geschäfte, wissenschaftliche Tätigkeiten, künstlerische Aktivitäten und literarisches Schaffen kehren in den Lebensalltag zurück und damit auch eine Kultur der Vielfalt. Wenn man einen Augenblick die kriegerischen Momente, die ebenfalls zum Alltag der Menschen gehören, ausblendet, spürt man in Kabul, in Herat, in Kandahar und in Mazar einen Hauch, einen sehr dünnen Hauch vom Bagdad des 10. Jahrhunderts voller Tüchtigkeit und Pluralität.

Die Ethnien in Afghanistan

Iranische Völker
Über 85 % der Menschen sprechen eine iranische Sprache als Muttersprache und gehören somit einem iranischer Volksgruppen an.

Die größte und einflussreichste Ethnie in Afghanistan sind die Paschtunen, nach denen Afghanistan auch benannt ist. Seit der Abspaltung Afghanistans vom Iran im 18. Jahrhundert prägen die Paschtunen das Land. Historisch waren sie Nomaden, heute sind jedoch die meisten Paschtunen sesshaft, sind aber in viele Stämmen eingeteilt, die bekanntesten sind die Durrani und die Ghilzai, die vor allem im Osten des Landes leben. Auch ein Großteil der Taliban-Bewegung war bzw. ist paschtunisch, weshalb sie in der Region ein schlechtes Bild haben. Deren Sprache, das Paschtu, ist jedoch nicht die häufigste Muttersprache, da mehrere Volksgruppen Persisch sprechen, dazu gehören die Tadschiken, Hazara, Aimaken und Perser.

Tadschiken und Perser machen mit etwa 27 % die zweitgrößte ethnische Gruppe aus, sprechen Persisch und sind genau wie die Paschtunen in der Regel sunnitisch, was sie von den Hazara und den iranischen Persern unterscheidet, es gibt jedoch im Norden und Westen einige schiitische Tadschiken. Der Begriff „Tadschike“ ist in Afghanistan nicht genau definiert, häufig werden alle Sunniten, die Persisch sprechen, als Tadschiken bezeichnet. Die Tadschiken machen die Mehrheit der Stadtbevölkerung aus und beherrschen die Basare. Sie teilen sich in viele Stämmen auf.

Die Hazara sprechen den persischen Dialekt Hazaragi und sind schiitisch. Sie haben eine mongolische Abstammung, man geht davon aus, dass sich mongolische Soldaten nach der Expansion im 13 Jh. in der Region niedergelassen haben und mit der schiitischen, persischen Bevölkerung vermischt haben. Aufgrund der ethnischen Herkunft, Sprache und des schiitischen Glaubens sind sie immer wieder Opfer von Diskriminierung und Gewalt, insbesondere von paschtunischer Seite. Im Bürgerkrieg wurden einige Hazara gezielt von sunnitischen Islamisten getötet. Viele Hazara sind ins Ausland geflüchtet, vor allem in den Iran, nach Pakistan und Europa. In den Zielländern werden sie ebenfalls häufig diskriminiert.

Die Aimaken stellen ebenfalls eine bedeutende persischsprachige Minderheit dar, sind sunnitisch und bezeichnen sich häufig auch als Tadschiken oder Perser. Sie sind ebenfalls in zahlreiche Stämmen aufgeteilt, die im Westen und Zentrum des Landes leben.

Die Belutschen leben im Süden des Landes, sprechen Belutschisch und sind sunnitisch. Viele sehnen sich nach einem belutschischen Nationalstaat mit den Belutschen in Pakistan und im Iran.

Weitere iranische Volksgruppen in Afghanistan sind die Kurden, die etwa 0,6 % der Bevölkerung ausmachen, sowie zahlreiche ostiranische Volksgruppen im Pamirgebirge wie die Wakhi, Sanglechi, Shughni, Ishkamini, Munji oder Tangshewi. Deren Zahlen sind rückläufig, da zu wenig getan wird, um die Sprachen und Kulturen dieser Völker zu erhalten. Einige Sprachen sind gefährdet, da die Menschen persisch oder paschtu annehmen und an ihre Nachkommen weitergeben. Mit dem Aussterben der Sprache ist in der Regel auch die Grundlage der ethnischen Kultur dieser Völker in großer Gefahr.

Die Turkvölker

Die Usbeken sind mit rund 9 % die größte turksprachige Ethnie Afghanistans und leben vor allem im Norden nahe Usbekistan. Afghanistan hat die größte usbekische Bevölkerung nach Usbekistan. Sie sind sunnitisch und in Konflikten mit den Tadschiken verbündet.

Die Turkmenen leben entlang der 
turkmenischen Grenze im Norden des Landes und machen zwischen 3 und 5 % der Bevölkerung aus. Sie sind sunnitisch. Einige Turkmenen, Usbeken, Kirgisen und Tadschiken sind in den 1920er Jahren wegen der stalinistischen Politik und der daraus folgenden Hungersnöte wegen der Zwangskollektivierung nach Afghanistan geflohen. Viele leben direkt an der Grenze zu Turkmenistan und wünschen sich einen Anschluss an Turkmenistan.

In der Provinz Wakhan leben einige 
kirgisische Nomaden, die faktisch von der Außenwelt isoliert sind. Sie sind teilweise ebenfalls Flüchtlinge des Kommunismus nach der russischen Revolution.

Auch gibt es noch zahlreiche weitere kleine turksprachige Gruppen wie die Qizilbasch, Kasachen, Türken oder Afscharen, die nur eine geringe Zahl ausmachen. Sie leben teilweise nomadisch.

Die Sadat werden in Afghanistan als ethnische Gruppe anerkannt.
Die mehrheitlich in Balch und Kundus im Norden und in Nangarhar im Osten lebenden Sayyiden sind sunnitische Muslime, aber es gibt auch einige, darunter in der Provinz Bamiyan, die dem schiitischen Islam angehören. Diese werden oft als Sadat bezeichnet, ein Wort, das traditionell „im nördlichen Hedschas -Gebiet und in Britisch-Indien gleichermaßen auf die Nachfahren von Hasan und Hussein, Söhnen von Ali und Enkeln von Mohammed, angewendet wurde“.

Die dravidischen Brahui machen 0,8 % der Bevölkerung aus und leben vor allem im Süden mit den Belutschen zusammen.

Die Nuristani leben nordwestlich von Kabul. Deren Sprachen: Kati und Ashkun sind zwar indoiranisch, aber weder iranisch noch indoarisch. Es wird behauptet sie seien die direkten Nachfahren der Griechen, die sich während des Indienfeldzugs Alexander des Großen in Nuristan niedergelassen haben. Diese These wird jedoch von verschiedenen Experten angezweifelt. Da sie lange Zeit nicht muslimisch waren, wurden sie früher als Kafiren bezeichnet.

Auch leben in Afghanistan noch zahlreiche kleine indoarische Völker, die zusammen etwa 1,5 % ausmachen. Die Paschai sind die größte Ethnie, weitere sind die: Punjabi, Sindhi, Kohistani, Gujjar und Roma. Die Indoarier, die nicht in den letzten Jahrhunderten eingewandert sind, sprechen dardische Sprachen. Die meisten Indoarier in Afghanistan sind sunnitisch, wobei es auch einige Sikhs und Hindus gibt. Urdu gilt als Lingua Franca der indischen Völker in Afghanistan.

Durch die teilweise verfeindeten Ethnien und Stämme existiert in weiten Teilen der afghanischen Bevölkerung kein Nationalgefühl. Viele Bewohner Afghanistans fühlen sich unterdrückt und möchten nicht als „Afghanen“ bezeichnet werden. Eskaliert ist die Situation, als es elektrische Personalausweise mit dem Eintrag „Nationalität: Afghane“ geben sollte. Ethnische Konflikte spielen eine wichtige Rolle im Bürgerkrieg. Durch die Spaltung des Landes und Sprachprobleme ist eine politische Entwicklung kaum möglich. Daher ist auch ein gemeinsamer Kampf gegen die Taliban schwer möglich.

Viele Volksgruppen, vor allem Hazara und Tadschiken, fühlen sich gegenüber den Paschtunen benachteiligt. Paschtunische Nationalisten versuchen, einen paschtunischen Nationalstaat auf Kosten der Minderheiten aufzubauen Ethnischer Separatismus ist entstanden. Viele Turkmenen möchten ihre Siedlungsgebiete an Turkmenistan anschließen,
Usbeken an Usbekistan. Die Hazara streben nach einem unabhängigen Hazaristan.

Fazit

Afghanistan ist entgegen der herrschenden Auffassung kein stammesorientierter Staat. Vielmehr ist der „Stamm“ nur die „politische Einheit“ eines Teils von Afghanistan und bezieht sich auf die Paschtunen. Nations- und Staatsbildung sind in den vergangenen 100 Jahren in einer Wechselbeziehung zwischen der Zentralregierung und Stämmen aus zwei wesentlichen Gründen misslungen:

a) Der Widerstand der Stämme gegenüber dem „modernen Staat“.
b) Die „ineffiziente“ Politik der Zentralregierungen gegenüber den Stämmen und die mangelnde Verbreitung des Verwaltungsapparates in den Stämmen und ländlichen Regionen.

Um die Nations- und Staatsbildung in Afghanistan zu verwirklichen, müssen alle „politischen Einheiten“ berücksichtigt und in einem weiteren Schritt die Art ihrer Beziehung zut Zentralregierung definiert werden. In der gegenwärtigen Phase, nach 2001, sind im Prozess der Nations- und Staatsbildung zwar auch andere politische Gruppierungen auf die Bühne getreten, die zu verschiedenen Ethnien gehören, d.h aber nicht das sie auch die Interessen ihrer Ethnie vertreten, da sie nicht demokratisch gewählt worden sind. Beispielsweise bedeutet die Präsenz von nicht-paschtunischen Stammesfürsten nicht zwangsläufig, dass sie ihren eigenen Stamm vertreten. Es muss deshalb in Kabul eine politische Struktur entstehen, an der sich in natürlicher Form verschiedene politische Einheiten beteiligen können.

In der jetzigen Situation ist die Macht in Form von „Kontingentierung“ unter bestimmte Personen verteilt worden, und zwar unter der Annahme, dass die jeweiligen Personen einen Stamm repräsentieren. Das führt zur Unterdrückung der politischen Dynamik in den Ethnien und dazu, dass politische Akteure einer Ethnie gezwungen sind, zur Teilnahme an politischen Entscheidungen den Führer des jeweiligen Stammes als Brücke zu nutzen. So muss z. B. eine neu unter den Uzbeken entstandene politische Einheit zu ihrer Bestand- und Beteiligungssicherung auf der politischen Landschaft von General Dostum genehmigt werden. Dostum ist seit den Neunziger Jahren der Anführer der usbekischen Miliz. Nach dem Sturz der Taliban 2001 hat er an Macht gewonnen und ist der Anführer aller Usbeken. Daher muss jeder Usbeke, der sich politisch engagieren will, die Linie Dostums einhalten.

Weiter lässt sich feststellen, dass ein moderner Staat auch moderne Strukturen verlangt. Die Loya Jirga stellt ein Parallelorgan zu anderen Institutionen wie Parlament und Senat dar und verringert deren Einfluss. Darüber hinaus verstärkt sie die Legitimation von Anführern in Stämmen und ländlichen Regionen. Dies wiederum bewirkt eine Stärkung der traditionellen Institutionen und Schwächung des staatlichen Verwaltungsapparates in diesen Regionen. Moderne Institutionen müssen in den zentralen Blickwinkel der Regierung rücken, damit durch ihre Stärkung die politische Struktur rational und effizient gestaltet werden kann.

Quellen
–  Conrad Schetter, Ethnicity and the Politics Reconstruction in Afghanistan. Bonn: Center for Development Studies (ZEF), Universität Bonn.

– Dr. Abbas Poya, Freiburg Institute for Advanced Studies (FRIAS), School of History.

– Dr. Najibullah, Retrieved June 28, 2012, from Afghanistan’s Information Network

– Mohammad Hossein Allafi:Islamistischer Wirrwarr kontra Demokratie?  2014


– Thomas Bauer, Die Kultur der Ambiguität. Eine andere Geschichte des Islams, Berlin 2011

– Thomas Barfield, Afghanistan; A Cultural and Political History. Princeton and Oxford: Princeton University / WordPress

Zur Stellung der Frau im Islam

Photo by: My stealthy freedom

Zur Stellung der Frau im Islam ( kleiner Auszug)

Um es gleich vorweg zu nehmen, ich verurteile KEINE Religion, denn auch Frauenrechte waren in der christlichen Gesellschaft und westlichen Ländern auch lange nicht da, wo sie heute sind.
Nur, leben wir im 21. Jahrhundert und man könnte sich schon mal so langsam von einem überalterten Weltbild befreien.

Photo by Iran Journal from the Facebook Page „Ex-Muslims of North America

In den islamischen Ländern beinhaltet das Familienrecht heute zahlreiche die Frauen diskriminierende Bestimmungen, da das Familienrecht auf einem hierarchischen Rollenverständnis von Mann und Frau basiert. Zwar wurden in den letzten Jahren in diversen muslimischen Ländern verschiedene Reformversuche unternommen. Doch diese wurden von konservativen Kräften oft als Angriff auf das islamische Recht und seine Werte zurückgewiesen, und so bleibt das Familienrecht bis heute Gegenstand kontroverser Debatten um kulturelle, rechtliche und religiöse Identität. Die Islamisierung in Afghanistan, Irak, Iran, Syrien oder Türkei, um nur einige der Länder zu nennen, erschwert eine Reform des Familienrechts und somit auch die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau zusätzlich.

Photo by Iran Journal from the Facebook Page „Ex-Muslims of North America

Familienrecht in islamischen Ländern

Die Ehe im Islam ist ein Vertrag zwischen Mann und Frau. Dieses Verständnis gilt eigentlich auf der ganzen Welt als Ehe; und eine Einwilligung von beiden Seiten ist grundsätzlich erforderlich.
Die Heiratsfähigkeit wird im klassisch-islamischen Recht mit der Pubertät erreicht. Allerdings gibt es verschiedene Ansichten darüber, wann dieses Alter erreicht ist. Das positive Recht kann ein höheres Alter vorsehen. Die Altersschranken vor allem für Mädchen bleiben in vielen islamischen Staaten jedoch tief und geht mitunter auf ein Alter von 10 Jahren der Mädchen aus. Auch wenn das positive Recht ein höheres Heiratsalter vorsieht, bleibt eine Ehe, die bereits zuvor nach islamischem Recht geschlossen wurde, oftmals gültig. Somit bleiben Kinderehen weiterhin möglich. Arrangierte Ehen sind in den Städten und gut florierenden Provinzen der Länder in dem der Islamische Glaube vorherrschend ist, seltener geworden, in ländlichen Gebieten jedoch immer noch oft praktiziert.
In Artikel 16 Absatz 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte steht: Die Ehe darf nur auf Grund der freien und vollen Willenserklärung der zukünftigen Ehegatten geschlossen werden. Zwangsverheiratung ist und bleibt eine Form von Gewalt im Namen der Ehe.
Um es gleich vorweg zu nehmen, Zwangsehen gibt es NICHT nur in de Islamischen Welt. Darauf habe ich in anderen Text auch schon öfter hingewiesen.

Das Familienrecht in islamischen Ländern stützt sich grundsätzlich auf drei Rechtsquellen; das positive Recht, das klassisch-islamische Recht und das Gewohnheitsrecht. Ähnlich anderen Rechtsbereichen wie das Strafrecht wurde das Familienrecht zwar in den letzten Jahren als positives Recht kodifiziert, enthält aber inhaltlich so viele Verweise auf das klassisch-islamische Recht wie kein anderer Rechtsbereich.
In den islamischen Ländern beinhaltet das Familienrecht noch heute zahlreiche diskriminierende Bestimmungen für Mädchen und Frauen, da das Familienrecht auf einem hierarchischen Rollenverständnis von Mann und Frau basiert.

Masih Alinejad, eine der bekanntesten Kämpferinnen für die Frauenrechte im Iran. Photo from Facebook Page

Polygamie in der Religion

Nächstes ist die Polygamie in der Religion des Islams. Ein Mann hat nach dem Koran das Recht, vier Frauen zu heiraten, wenn er fähig ist, sie gleich zu behandeln. Im Zuge der Reformierungsbemühungen haben Ägypten, im Jahr 2000, und Marokko, 2004, Einschränkungen im Familienrecht eingefügt, die zum Beispiel die Einwilligung der ersten Frau verlangen. Ausserdem muss gerichtlich überprüft werden, ob ein Mann die ökonomischen Voraussetzungen erfüllt, um eine polygame Ehe einzugehen. Fraglich bleibt dabei oftmals, ob bei der Einwilligung der ersten Ehefrau eine tatsächliche Wahlmöglichkeit im Hinblick auf die Konsequenzen besteht oder bestanden hat. In der Türkei und in Tunesien ist die Polygamie gesetzlich verboten.
Die umstrittene und viel diskutierte Sure 4:34 des Korans sieht ein Züchtigungsrecht des Ehemannes vor, das er kraft seiner Autorität gegenüber seiner Ehefrau im Falle von Ungehorssam habe. Dies verstößt schon gegen Menschenrechtsverletzungen in den Artikel 1 bis 5 der AEMR ( Allgemeine Erklärung der Menschenrechte).
Entsprechend hat die Ehefrau dem Ehemann gegenüber die Pflicht zum Gehorsam, auch dies verstößt eindeutig gegen Menschenrechte.
Die „Pflichten“ beinhaltet die Führung des Haushalts, die Kindererziehung, aber auch das Ersuchen um Erlaubnis, falls sie arbeiten oder reisen möchte. Falls der Ehemann seinen Pflichten zum Unterhalt nicht nachkommt, kann die Frau ihm ihren Gehorsam verweigern. Dies gilt auch umgekehrt: Kommt die Frau ihren Pflichten nicht nach, ist der Ehemann nicht verpflichtet, für ihren Unterhalt zu sorgen. Auch hier finden wir weiter Verstöße gegen Artikel 18, 19, 22 und 23 der AEMR.
Artikel 6 der AMER ist auch ein oft kontrover geführter Grundsatz von Menschenrechtskonvention. Je nach Land bestehen für Frauen zudem eine Bekleidungsvorschriften oder gar Vorschriften zur Geschlechtersegregation etwa im Bildungsbereich. Teilweise werden Frauen vom öffentlichen Leben bzw. von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen. In Gerichtsverfahren, so etwa bei Zeugenaussagen oder der Bemessung einer Kompensationszahlung, hat eine Frau eine deutlich geringere Position als ein Mann. Oft wiegt ihre Aussage nur halb so viel wie die des Mannes.
Weitere Vorbehalte gegenüber der UN-Frauenrechtskonvention ist
das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau ist von fast allen Staaten weltweit ratifiziert worden. Die meisten islamischen Länder haben jedoch zahlreiche Vorbehalte angebracht bzw. den Vorrang des islamischen Rechts reklamiert, so etwa das Königreich Saudi Arabien wörtlich: «In case of contradiction between any term of the Convention and the norms of islamic law, the Kingdom is not under obligation to observe the contradictory terms of the Convention.» Auch wenn die Zulässigkeit solch genereller Vorbehalte höchst umstritten ist, zeigt sich damit klar der Unwille vieler muslimischen Staaten, den Frauen Rechte einzuräumen, die über das islamische Recht hinausgehen.

Vor der islamischen Revolution von 1979 gab es im Iran keinen staatlich verordneten Kleiderzwang. Photo by Iran Journal

Die Revolution der Frauen

Seit den 1980er Jahren hat sich neben der schon existierenden säkularen feministischen Bewegung in verschiedenen islamischen Ländern eine islamische Frauenrechtsbewegung entwickelt, die versucht, durch Neuinterpretation der religiösen Quellen für eine Gleichstellung von Mann und Frau im Islam zu argumentieren. Eine andere Argumentationsstrategie greift auf ein „goldenes Zeitalter“ im Islam zurück und möchte damit frauenfeindliche Interpretationen und Praktiken als unislamisch darstellen. Dazu gab es erst vom 25. November, der Tag gegen Gewalt an Frauen, bis zum 10. Dezember, dem Tag der Internationalen Menschenrechte, in Afghanistan sehr viele Kundgebungen und Veranstaltungen. Die „Orange Days“ fanden 2019 in 70 Länder der Welt statt. Die Hauptthemen der islamischen Feministinnen beziehen sich auf rechtliche Fragen wie die Gleichstellung der Ehepartner, Zwangsehe, Kinderehe, Scheidung bzw. Verstossung, die männliche Vormundschaft einer Frau und das Sorgerecht, sowie auf Kleidervorschriften der Frau Kopftuch Hijab bzw. Gesichtsschleier Niqab. Auf Fragen zur Sexualität der Frau und insbesondere sexuellen Gehorsam, Gewalt gegen Frauen, wie das Züchtigungsrecht oder die Einbindung von Frauen in religiösen Berufen und in der Moschee, Frau als Vorbeterin, etc.

Im Iran ist es Frauen gesetzlich vorgeschrieben, aufgrund des religiösen Glaubens einen Hidschab zu tragen. Trotzdem begannen Frauen damit, sich dem zu widersetzen. Photo by Iran Journal

Der islamische Feminismus stösst wie der säkulare Feminismus in der islamischen Welt zwar manchmal auf Zustimmung, aber auch vielfach auf Ablehnung. Gerade muslimische Traditionalisten und islamische Fundamentalisten lehnen die Neuinterpretation der religiösen Quellen ab. Unter Umständen werden Vorwürfe wie Verwestlichung und Häresie, also eine verdammende Meinung, gegen islamische Feministinnen angeführt.

Naike Juchem, 28 Dezember 2019

Quellen
– Prof. Dr. Susanne Schröter
– Iran Journal, Women’s rights in Islam
– UN- Frauenrechtskonvention CEDAW 
– Laurel Zwissler, Feminism and Religion: Intersections between Western Activism, Theology and Theory. First published: 16 August 2012
– Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM)

Weiterführender Link

https://www.google.com/url?sa=t&source=web&cd=&ved=2ahUKEwiwoJimqKb6AhWoSvEDHSCbBs0QFnoECAYQAQ&url=https%3A%2F%2Fwww.igfm.de%2Ffrauen-im-iran%2F&usg=AOvVaw3s1tMyAEkRc3ROZz3zia8f

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Früh- bzw. Kinderehen im Iran

Kinderehen sind im Iran legal. Mädchen können ab einem Alter von 13 Jahren, Jungen ab 15 Jahren verheiratet werden. Durch diese rechtlichen Voraussetzungen werden die vor allem in ländlichen Gebieten verbreiteten Kinderehen weiterhin ermöglicht.

Durch islamische Gesetze und von einem seit Jahrzehnten patriarchalisch geführten Regim im Iran, sind Missachtungen, Polygynie und Unterdrückung von Kinder- und Frauenrechte legitim. Eine Gleichberechtigung von Mädchen und Frauen wird damit weitgehend verhindert.

Legalisierung von Früh- bzw. Kinderehe im Iran

Vor der Islamischen Revolution im Jahr 1979 war die Volljährigkeit im Iran für beide Geschlechter bei 18 Jahren angesetzt – was auch der Definition für Volljährigkeit der UN-Kinderrechtskonvention von 1989 entspricht. Seit einer Gesetzesänderung von 1981 sind Mädchen im Iran jedoch schon ab 9 und Jungen mit 15 Jahren volljährig. Dies geht aus Artikel 1210, Absatz 1 des Iranischen Zivilgesetzbuches hervor. Nach deren Festlegung des Alters wird nach dem islamischen Kalender, dem sogenannten Mondkalender gerechnet. Wenn man dies auf den gregorianischen Kalender umrechnet, ergibt sich ein Alter von ca. 8 Jahren und 8 Monaten bzw. 14 Jahren und 7 Monaten.
Diese Herabstufung der Volljährigkeit von iranischen Jungen und Mädchen ist nach der Definition und internationalem Recht zum Schutz der Kinder, ein klarer Verstoß seitens der Mullah-Regierung.

Rechtliche Voraussetzungen

Obwohl der Iran 1994 die internationale Kinderrechtskonvention der UN ratifizierte, wurde festgehalten, dass nationales und islamisches Recht vorgehen sollte. Seit einer Gesetzesänderung des Artikel 1041 in iranischen Zivilgesetzbuch vom 17. Dezember 2000,  können Mädchen und Jungen unter 13 bzw. 15 Jahren nur noch mit der Erlaubnis eines Gerichts verheiratet werden. Nach Artikel 1043 des iranischen Zivilgesetzbuch, ist die Zustimmung des männlichen Vormunds dabei zwingend. Für Jungen ist keine Zustimmung des Vaters nötig. Soll heißen, dass ab einem Alter von 13 Jahren Mädchen ohne Gerichtserlaubnis, der sogenannte «Heiratsreife» verheiratet werden können.

Menschenrechtler:innen kämpfen noch immer für eine Änderung dieser Gesetze.
Die parlamentarische Kommission für Rechts- und Justizfragen im Iran hatte 2019 den Entwurf zur Erhöhung des Heiratsalters für Mädchen auf 16 und für Jungen auf 18 Jahre abgelehnt.
Um jenes patriarchalische Denken der Mullah-Regierung zu verdeutlichen, sieht man daran, dass Mütter oder andere weibliche Familienmitglieder in den Entscheidungsprozess einer Frühehe nicht eingreifen können. Auch die verheirateten Kinder selbst haben kein Mitspracherecht im Vermählungsprozess.

Obwohl die Kinderehe im Iran erst durch die Gesetzesänderung nach der Islamischen Revolution wieder legalisiert wurde, haben zahlreiche Forschungen zu Kinderehe im Iran gezeigt, dass vor allem wirtschaftliche Faktoren wie z.B. niedriges Einkommen pro Kopf und die hohe Inflation Familien dazu bringen, Kinderehen abzuschließen bzw. zu arrangieren und nicht vorwiegend religiöse Gründe, wie häufig vermutet wird. Besonders in ländlichen Regionen führen wirtschaftliche Faktoren zu arrangierten Ehen von Kindern. Mit einfachen Worten: die Kinder weder regelrecht verkauft.

Verankerung der Ungleichheit von Mann und Frau

Das Konzept der Kinderehe im Iran dient vor allem dazu, die patriarchalen Strukturen zu verankern, indem es gesellschaftliche und sexuelle Freiheiten von Frauen unterdrückt und die Ungleichstellung von Mann und Frau reproduziert.

2016 waren über 11% aller verheirateten Frauen im Iran zwischen 10 und 19 Jahren alt, davon 6% unter 15 Jahren. In ländlichen Regionen ist sogar jedes fünfte Mädchen im Alter von 10-19 Jahren bereits verheiratet. Auch regional weist die Rate von Frühehen sehr starke Schwankungen auf. Demnach sind Frühehen in besonders den wirtschaftlich und strukturschwachen Regionen, wie in Zanjan, Sistan und Belutschistan noch häufiger. 

Die negativen Konsequenzen von Frühehen

Ein verheiratetes Kind geht im Iran in den meisten Fällen nicht mehr in die Schule, allgemein sind die Verheirateten mental weniger weit entwickelt daher weniger eigenständig.
Jungen sind traditionell für den Unterhalt der Familie verantwortlich und arbeiten häufig als unterbezahlte Tagelöhne, während die Mädchen für den Haushalt und bald für die Aufsicht der Kinder zuständig sind und zudem auch kranke und ältere Familienmitglieder pflegen müssen.
Die Eheleute, insbesondere die Ehefrauen, bleiben daher auf dem Bildungsniveau stehen, welchen sie bis zum Zeitpunkt der Heirat erreicht haben. Demnach haben die Mädchen einen bedeutend geringeren Bildungsgrad als Mädchen, die zu einem späteren Zeitpunkt heiraten.
Somit sinkt der gesamte Bildungsstand im Iran seit Jahrzehnten. Folglich steigt der Analphabetismus, die Armut und Abhängigkeit ganzer Generationen stetig an.

Nach einer Studie der WHO aus dem Jahr 2016 sind besonders Frauen und Mädchen, die jung heiraten, häufiger Opfer häuslicher Gewalt. Da es im Iran – wie auch in allen anderen muslimischen Ländern,
keine Vorschriften des Altersunterschieds zwischen Mann und Frau gibt, kommt es in den meisten Fällen vor, dass junge Mädchen mit Männern, die um ein Vielfaches älter sind, verheiratet werden. Da die „Ehefrauen“ sehr häufig noch minderjährige Mädchen sind, wird die Praxis der sexuellen Beziehung auch bei Mädchen als eheliche Pflicht betrachtet.

Der Koran genehmigt Kindesmisshandlungen

Wie in allen solcher Fällen des Kindesmissbrauchs, wird an dieser Stelle die Sure 2, Vers 223 aus dem Koran herangezogen.

Eure Frauen sind euch ein Saatfeld. So kommt zu eurem Saatfeld, wann und wie ihr wollt. Doch schickt (Gutes) für euch selbst voraus. Und fürchtet Allah und wisst, dass ihr Ihm begegnen werdet. Und verkünde den Gläubigen frohe Botschaft.

Die Rollenverteilung in einer islamischen Ehe sieht vor, dass die Ehefrau ihrem Mann sexuell gehorsam ist. Dementsprechend kann ein Mann sexuelle Gewalt an Minderjährigen anwenden, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Das Konzept von Vergewaltigung existiert in diesem Kontext nicht, weil jede Art von Geschlechtsverkehr im Rahmen einer Ehe als Ausübung der ehelichen Pflichten gesehen wird.
Die „Erlaubnis‘ der Anwendung von Gewalt gegenüber der eigenen Ehefrau ist nach gängiger Auslegung in Sure 4, Vers 34 wie folgt festgelegt:

Die Männer stehen in Verantwortung für die Frauen wegen dessen, womit Allah die einen von ihnen vor den anderen ausgezeichnet hat und weil sie von ihrem Besitz (für sie) ausgeben. Darum sind die rechtschaffenen Frauen (Allah) demütig ergeben und hüten das zu Verbergende, weil Allah (es) hütet. Und diejenigen, deren Widersetzlichkeit ihr befürchtet, – ermahnt sie, meidet sie im Ehebett und schlagt sie. Wenn sie euch aber gehorchen, dann sucht kein Mittel gegen sie. Allah ist Erhaben und Groß.

Die Risiken von Schwangerschaften in Frühehen

Nach einer WHO-Studie von 2016 zählen Komplikationen während der Schwangerschaft oder Geburt zu den häufigsten Todesursachen bei jungen Frauen unter 19 Jahren. Auch «Kinderschwangerschaften» und Fehlgeburten gehören zu den negativen Auswirkungen von Frühehen, da von verheirateten Mädchen – unabhängig der körperlichen und geistigen Entwicklung, trotzdem erwartet wird, dass sie ihren ehelichen Pflichten nachkommen müssen. Da die körperliche Entwicklung von Mädchen noch gar nicht abgeschlossen ist, sind Schwangerschaften bei minderjährigen ein oft sehr großes Risiko für Baby bzw. Mutter.

Logo der UN Kinderrechtskonvention

Ein Auszug aus den Artikel der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen

Der Iran verstößt mit seinem Zivilgesetzbuch zigfach gegen geltenden Kinder- und Menschenrechte

Artikel 1
«Im Sinne dieses Übereinkommens ist ein Kind jeder Mensch, der das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, soweit die Volljährigkeit nach dem auf das Kind anzuwendenden Recht nicht früher eintritt.»

Das Recht der Islamischen Republik Iran betrachtet neunjährige Mädchen und 15-jährige Jungen bereits als Erwachsene.

Artikel 2 Absatz 1
«Die Vertragsstaaten achten die in diesem Übereinkommen festgelegten Rechte und gewährleisten sie jedem ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Kind ohne jede Diskriminierung, unabhängig von der Rasse, der Hautfarbe, dem Geschlecht, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen, ethnischen oder sozialen Herkunft, des Vermögens, einer Behinderung, der Geburt oder des sonstigen Status der Kindes, seiner Eltern oder seines Vormunds.»

Die vertraglich festgelegten Rechte des Kindes werden durch den Iran systematisch verletzt. Dabei werden Mädchen gegenüber den Jungen durch die massive Herabsetzung der Grenze der Minderjährigkeit auf 15 Jahre zusätzlich schlechter gestellt und diskriminiert.

Artikel 3 Absatz 2
«Die Vertragsstaaten verpflichten sich, dem Kind unter Berücksichtigung der Rechte und Pflichten seiner Eltern, seines Vormunds oder anderer für das Kind gesetzlich verantwortlicher Personen den Schutz und die Fürsorge zu gewährleisten, die zu seinem Wohlergehen notwendig sind; zu diesem Zweck treffen sie alle geeigneten Gesetzgebungs- und Verwaltungsmaßnahmen.»

Vor allem junge Mädchen werden im Iran häufig bereits als Kinder verheiratet, weil wirtschaftliche Umstände die Familie des Kindes dazu zwingen. Diese Möglichkeit besteht aber nur, weil iranisches Recht Kinderehen ausdrücklich erlaubt. Die Islamische Republik verletzt damit ihre Pflicht, eine entsprechende Rechtslage zum Schutz der Kinder herzustellen.

Artikel 4
«Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und sonstigen Maßnahmen zur Verwirklichung der in diesem Übereinkommen anerkannten Rechte. Hinsichtlich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte treffen die Vertragsstaaten derartige Maßnahmen unter Ausschöpfung ihrer verfügbaren Mittel und erforderlichenfalls im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit.»

Der Iran hat durch die gesetzlichen Regelungen zur Ehe von Kindern ganz konkrete Maßnahmen getroffen, die dem Schutz des Kindes entgegenstehen.

Artikel 6 Absatz 2
«Die Vertragsstaaten gewährleisten in größtmöglichem Umfang das Überleben und die Entwicklung des Kindes.»

Die Kinderehe greift in die freie geistige, schulische und teilweise auch körperliche Entwicklung des Kindes ein.

Artikel 12 Absatz 1
«Die Vertragsstaaten sichern dem Kind, das fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, das Recht zu, diese Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äußern, und berücksichtigen die Meinung des Kindes angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife.»

Bei einer Heirat unterhalb des durch die UN-Kinderrechtskonvention festgelegten Alters wird das Kind ohne dessen Willen bzw. ohne dessen bewusste und reflektierte Entscheidung verheiratet.

Artikel 19 Absatz 1
«Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs-, Sozial- und Bildungsmaßnahmen, um das Kind vor jeder Form körperlicher oder geistiger Gewaltanwendung, Schadenszufügung oder Misshandlung, vor Verwahrlosung oder Vernachlässigung, vor schlechter Behandlung oder Ausbeutung einschließlich des sexuellen Missbrauchs zu schützen, solange es sich in der Obhut der Eltern oder eines Elternteils, eines Vormundes oder anderen gesetzlichen Vertreters oder einer anderen Person befindet, die das Kind betreut.»

Kinder in Kinderehen leider häufiger unter Gewalt, insbesondere sexuellem Missbrauch.

Artikel 28
«Die Vertragsstaaten erkennen das Recht des Kindes auf Bildung an.»

Mädchen, die schon als Kinder verheiratet werden, haben oft nach der Hochzeit keinerlei Zugang zu Bildungsmöglichkeiten mehr.

Artikel 34
«Die Vertragsstaaten verpflichten sich, das Kind vor allen Formen sexueller Ausbeutung und sexuellen Missbrauchs zu schützen. Zu diesem Zweck treffen die Vertragsstaaten insbesondere alle geeigneten innerstaatlichen, bilateralen und mehrseitigen Maßnahmen, um zu verhindern, dass Kinder a) zur Beteiligung an rechtswidrigen sexuellen Handlungen verleitet oder gezwungen werden; b) für die Prostitution oder andere rechtswidrige sexuelle Praktiken ausgebeutet werden.»

Mit der Legalisierung von Heirat ab dem 14. Lebensjahr sind insbesondere junge Mädchen nicht vor sexuellem Missbrauch geschützt, sondern vielfach sexueller Gewalt ausgesetzt.

Quellen
– Ahmady, Kameel. 2017. “The Nexus between the Temporary Marriage and Early Child Marriages.” 
– Khadijeh Azimi. Tehran University of Medical Sciences | TUMS · Faculty of Nursing and Midwifery. Master of Science Forensic Midwifery.
– Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM)
– UNICEF. n.d. “Girls’ Education: Introduction”.
– WHO. 2016. “Global health estimates 2015: deaths by cause, age, sex, by country and by region, 2000–2015.”

Bella ciao

Dieses Lied ist eine Hymne, die italienische Partisanen während des Zweiten Weltkriegs im Kampf gegen den Faschismus gesungen haben.
Nun taucht dieses Lied erneut auf. Und es soll – oder muss eine Hymne für die Menschenrechte aller unterdrückten Frauen auf der ganzen Welt und ganz besonders im Iran werden.

So tragisch der Tod von Mahsa Amini auch ist, vielleicht schafft sie es zu einer Kultfigur im Kampf für die Freiheit von Millionen Frauen zu werden.

Ich habe den Text von Bella ciao teilweise aus dem italienischen übersetzt.

O bella ciao, bella ciao, bella ciao ciao
Eines Morgens stand ich auf
Und fand den Eindringling

O partigiano portami via
O bella ciao, bella ciao, bella ciao ciao ciao
O partigiano portami via
Che mi sento di morir, ir, ir-

O Partisan, nimm mich mit
Oh, wunderschönes Bye-Bye, wunderschönes Bye-Bye, wunderschönes Bye-Bye
O Partisan, nimm mich mit
Dass ich Lust habe zu sterben,

O bella ciao, bella ciao, bella ciao ciao ciao
Una mattina mi sono alzato
E ho trovato l’invasor

O bella ciao, bella ciao, bella ciao ciao
Und wenn ich als Partisan sterbe
Du musst mich begraben
Und begrabt mich dort oben in den Bergen
O bella ciao, bella ciao, bella ciao ciao
Und begrabt mich dort oben in den Bergen
Im Schatten einer schönen Blume, Blume

Foto: WordPress

Hexenverfolgung

Hexenverfolgung in Europa ab 1450 bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts und die Gesellschaftliche Spaltung im 21. Jahrhundert

Symbolbild für eine Hexenverbrennung

Nun kann man schon bei der Überschrift die Augenbrauen hoch ziehen und sich fragen, was diese beiden Ereignisse gemeinsam haben. Nun, dies möchte ich jetzt erklären.

Beginnend möchte ich im 14. Jahrhundert mit der wohl berühmteste Hinrichtung der Geschichte: Jeanne d’Arc

Jeanne d’Arc, oder besser als Johanna von Orléans bekannt, starb mit gerade mal 19 Jahren am 30. Mai 1431 auf dem Scheiterhaufen in Rouen, Frankreich. Heute wissen wir, dass 489 Jahre später Jeanne d’Arc heilig gesprochen wurde. Ein Mob lehnte sich damals auf, weil dieser in Jeanne d’Arc eine Hexe sah. Während des Hundertjährigen Krieges verhalf Jeanne d’Arc als Kämpferin bei Orléans dem Dauphin und späteren französischen König Karl VII. zu einem Sieg über England und Burgund. Jeanne war eine unglaublich mutige Frau, die selbst sagte, sie hätte von Gott den Befehl bekommen.
Jeanne’s Mut war den Kleriker unheimlich und zudem war sie noch eine Frau – also wurde ihr ein heimtückischer Prozess gemacht, bei dem das Urteil schon von Beginn an feststand: den Tod auf dem Scheiterhaufen.

In den folgenden Jahren fand bis etwa 1750 die Hexenverfolgungen in Europa statt. Geschätzte drei Millionen Menschen – ein Zehntel, und dies überwiegend Frauen, der damaligen Bevölkerung wurden der Zauberer und Hexerei angeklagt, wobei davon circa 100.000 Menschen hingerichtete wurden.
Als Hexe wurde man schon bezeichnet, wenn man – in diesem Fall Frau, nur ein Muttermal, rötliche Haare oder sich der frühen Wissenschaft in Medizin widmete – oder einfach nicht ins Weltbild des Klerus passte.

Die Gesellschaft wie wir sie heute kennen ist dem der mittelalterlichen und neuzeitlichen Epoche nicht all zu weit entfernt. Heute sind die Hexen: Migranten, Obdachlose oder Muslime.

Hetzjagde gegen diese drei Gruppen der Gesellschaft erleben wir seit Jahrzehnten. Sei es ein bewusstes anzünden von Häuser, öffentliche Hetzjagde gegen Migranten oder am helligsten Tag Parolen wie: „Absaufen lassen“ , auf dem Marktplatz in Erfurt brüllen.

Nun komme ich wieder ins Jahr 1431 zurück.
Sie haben nun die Szenerie der Hexenverfolgungen vor Ihrem geistigen Auge.
Jetzt kommt die Psychologie ins Spiel.

Stellen Sie sich eine Gruppe von circa 20 Personen vor. Ein Moderator sagt Ihnen: „Ich werde zu jedem von euch kommen und euch zuflüstern, ob ihr eine Hexe/Hexer oder ein normaler Mensch seid. Euer Ziel ist es, die größtmögliche Gruppe zu bilden, in der keine Hexe ist. Am Ende bekommt jede Gruppe, in der sich eine Hexe befindet, Punktabzüge.“

Sie stehen also in dieser imaginären Runde und achten selbstverständlich darauf, dass keine Hexe oder Hexer in Ihre Gruppe kommt. Sie kenne nur wenige Leute aus dieser Gruppe und verbinden sich selbstverständlich mit Ihren Bekannten – wissen aber nicht was der Moderator jener Person zu geflüstert hat. Sie denken es zu wissen und halten so bewusst Ihre Gruppe klein.

Nun sollen sich jene Menschen mit Handzeichen zu erkennen geben, die eine Hexe oder Hexer sind. Wer wird sich wohl freiwillig melden? Niemand.

Was möchte ich nun damit sagen?
War irgendjemand in dem damaligen Wahn der Hexenverfolgung wirklich eine Hexe oder Hexer? Oder haben all jene, die an den Scheiterhaufen oder Guillotine standen nur das geglaubt, was man ihnen erzählt hat?“

Nun reflektieren Sie bitte, wie leicht es ist, eine Gemeinschaft zu spalten, um einen Sündenbock an den Pranger zu stellen.
Gerade im World Wide Web ist es unglaublich leicht und schnell in einer Gruppendynamik gegen andere Menschen vorzugehen, um diese zu beleidigen, mobben oder gar bedrohen. Die Geschichte zeigt, wie schnell aus virtuellem Hass realer Aktionismus wird und Menschen öffentlich gejagt, bedroht oder gar ermordet werden.
Angst, Hass und blindes nachlaufen spaltet jede Gemeinschaft und zerstört weit mehr, als es irgendjemandem nützt.

Naike Juchem, 28. Oktober 2022

Ich danke Mandy Neumann für die Grundlage zu diesem Artikel.

Teil I Kapitel 4 Die Erdrotation

Thionville, Frankreich

Die Erdrotation

Abschied für 7500 Minuten

Am Sonntagnachmittag gingen sie mit Cleo an der Mosel spazieren. Es war sehr schwül und ihnen klebten die Kleider wie Frischhaltefolie auf der Haut.
Hannes hielt Cleo mit der linken Hand an der Leine und mit seiner rechten hielt er die kleine zarte Hand von Patricia.
„Ich könnte jetzt mit dir richtig lange duschen.“ „Mon dieu! So ein Satz von dir? Was ist los? Scheint die Sonne zu stark?“
„Patricia, ich mag nicht nach Hause fahren. Die letzte Woche mit dir war wunderschön. Ich hatte tausende Moment erlebt und jeder war schöner als der andere. Eigentlich könnte man diese Woche verfilmen. Wäre doch ein tolles Roadmovie. Von einer Kuhweide an einem saarländischen Stausee an die Côte d’Azur um dort Wein für 1000 France zu trinken und dann von unzähligen Farben geweckt zu werden.“
Patricia sah ihn an und er sah in ihre schöne Augen „Ich habe eine unglaublich tolle Frau ins Herz geschlossen.“
Patricia stellte sich vor ihn und küsste ihn lange „Sei nicht immer so nachdenklich, mon chérie. Alles ist gut. Ich bin bei dir. Ich sehe deine nachdenklichen Augen und frage mich warum.“
Hannes sah zu boden.
„Was ist mit dir los? Ich verstehe dich nicht!“ „Patricia, was gibt es denn da nicht zu verstehen? Du bist überaus attraktiv, klug und hast ein Leben, bei dem ich nicht im Ansatz mithalten kann.“ „Kommt nun wieder diese Leier. Wie ich für dich fühle scheinst du irgendwie ständig zu vergessen. Hannes, was haben deine dumme Argumenten mit meiner Liebe zu tun?“
Hannes sah sie schweigend an.
„Deine Argumente sind dumm und überhaupt nicht gerechtfertigt. Ich habe mich in dich verliebt und es spielt für mich keine Rolle, dass du kein Abitur hast. Ich hatte vor dir einen Freund der, man mag es kaum glauben, Abitur hatte und trotzdem nicht an dich heran kam. Nun lass uns doch nicht ständig darüber diskutieren. Ich liebe dich und Punkt.“ Patricia umarmte ihn fest und gab ihm einen Kuss „Auf immer und ewig. Bœuf stupide.“

In der Ferne hörte er die Kirchenglocken schlagen. Es war 14 Uhr. Könnte er doch nur die Zeit anhalten.
„Man müsste die Zeit jetzt anhalten“ sagte Patricia, die ihren Kopf auf seiner rechten Schulter liegen hatte
„Hab ich schon wieder laut gedacht?“ Patricia sah ihn mit ihren wunderschönen braunen Augen an „Auch wenn ich mich wiederhole, du berührst mich geistig und körperlich.“
Er nahm sie fest in die Arme und fing an zu weinen.
„No chérie, du musst nicht weinen. Es ist heute nur ein Abschied auf Zeit. Allerhöchstens 125 Stunden. 7500 Minuten oder. ..“ „Ja, ist gut. Ich weiß das du Abitur hast.“
Sie boxte ihn gegen den Arm.

Franziska hatte noch Erdbeerkuchen gebacken. Gemeinsam saßen sie im Garten und tranken Kaffee. Es war ein merkwürdiger Moment für Hannes. Er hatte ein flaues Gefühl im Magen, Herzrasen und trotzdem kalte Hände.
Cleo lag dich bei Hannes. Auch er spürte, dass etwas anders war.
Gegen 16.30 Uhr war es soweit, der Abschied von einer Woche die nie vergessen gehen sollte war da. Patricia umarmte ihn ganz fest und sagte immer wieder: ich liebe dich.
„Nun mach es uns nicht noch schwerer als es ohnehin schon ist. In 7500 Minuten bin ich wieder da.“ „Ruf an, wenn du zu Hause bist. Fahr vorsichtig, mon chérie.“


Die Woche schleppt sich hin

Als Hannes in seinem Ort im Nahetal ankam, rief er sofort Patricia an. Das Telefon gab nur ein Freizeichen. „Oui, mon chérie.“ „Hast du neben dem Telefon gesessen?“ „Oui, seit 17.20 Uhr.“ „Mein Auto ist keine Rakete! Ich möchte noch mit meinen Eltern reden. Ich ruf dich später wieder an. Bitte gib mir zwei Stunden; okay?“

Hannes wollte auch endlich seine Erlebnisse der letzten sieben Tage seinen Eltern erzähle.
Nach fast genau zwei Stunden rief er Patricia an. Das Gespräch wollte und wollte nicht enden. Keiner brachte es fertig den Hörer aufzulegen. Um kurz nach Mitternacht siegte die Vernunft über Schmetterlinge im Bauch und Patricia meinte, es wäre Zeit ins Bett zu gehen. Hannes müsste schließlich um 5.30 Uhr aufstehen um auf die Arbeit zu gehen.

Der Montag schien kein Ende zu nehmen und Hannes war froh als er nach Feierabend mit Patricia telefonieren konnte.
Der Dienstag eierte mit der Zeit nur so dahin und der Tag schien kein Ende zu nehmen.
Endlich war Mittwoch und beide hatten wieder bis kurz nach Mitternacht telefoniert.
Der Donnerstag verging wie im Flug und Patricia rechnete ständig bei dem Telefongespräch wie lange sie noch getrennt sind, bis sie ihn in die Arme nehmen konnte.

Thank God, it is Friday.
Er rief nach Thionville an und sagte, dass er gleich losfahren werde. Patricia rechnete schon in Sekunden „Du fährt 115 Kilometer. Bei einer Durchschnitteschwindigkeit von 75 km/h, kommt doch hin – oder? Bei der Berechnung brauchst du eine Stunde und siebenunddreißig Minuten. Dann sind das 5820 Sekunden. Wir sehen uns gleich. Pass auf dich auf. Au revoir. Je t’aime, mon chérie.“

Die 115 Kilometer fuhren sich erstaunlich gut. Hannes raste nicht – fuhr aber zügig.
5 KM Thionville
Stand auf dem Wegweiser an der Landstraße. Noch ein paar Minuten, dann war er da. Oh, wie er sich nach dieser Frau sehnte.
Er sah den Kreisverkehr und bog nach rechts ab. Nach wenigen hundert Metern sah er das Haus. Hannes fuhr die Einfahrt rein und über den Rasen von rechts kam Cleo mit einer Geschwindigkeit von einem Geparden auf das Auto zu gerannt. Hannes öffnete die Fahrertür und binnen Sekunden sah nur noch schwarz.
Ein ausgewachsener Labrador saß ihm auf dem Schoß. Bellte, wedelte mit der Rute und leckte ihm quer übers Gesicht. Cleo sprang auf den Beifahrersitz und während er sich drehte, schug er Hannes seine Rute ins Gesicht. Sofort war der riesige Kopf von Cleo nur wenige Zentimeter von seinem Gesicht entfernt, als dieser meinte mit seiner Zunge nochmals quer über das Gesicht von Hannes zu lecken.

Patricia schimpfe mit Cleo, was dieser völlig ignorierte. Hannes konnte vor so viel Hund sich noch nicht einmal bewegen.
Patricia zerrte Cleo am Halsband aus dem Auto. Also – der Versuch war im Ansatz schon mal da. Einen 34 Kilo schwerer Labrador zieht man nicht eben so aus einem Auto. Schon gar nicht, wenn dieser nicht will. Patricia schimpfe und schimpfe mit Cleo, brachte aber keinen nennenswerte Erfolg.
Hannes streichelte mit der linken Hand den Kopf von Cleo und sprach ruhig mit ihm. Endlich hatte sich der Hund beruhigt, drehte sich auf dem Schoß von Hannes um und klatsche ihm nochmals seine Rute ins Gesicht und sprang auf dem Beifahrersitz. „Cleo, sitz und warte bis ich ausgestiegen bin.“ Cleo machte wieder Anstalten um auf den Schoß von Hannes zu springen.
„Sitz! Asseyez-vous! Cleo.“ Das Machtwort von Hannes wirkte.

Patricia umarmte ihn und gab ihm einen langen Kuss „Mon chérie, ich habe dich so vermisst. Endlich bist du da.“
Hannes ging wie selbstverständlich ins Haus Lefèvre. Franziska kam aus dem Wohnzimmer und strahlte. Sie nahm Hannes in den Arm „Schön das du da bist. Herzlich willkommen. Heute Abend wollen wir Grillen, das Wetter ist super dafür. Ich fahre noch schnell zum Leclerc nach Metz einkaufen.“ „Fleisch braucht du nicht zu kaufen. Ich habe Idar-Obersteiner Schwenkbraten dabei.“
Patricia schaute ihn nun etwas enttäuscht an „Es sollte doch eine Überraschung für dich werden.“ „Patricia, auch du erfüllst mich geistig. Oder du musst dir in Zukunft einen Aluhut aussetzen.“
In wenigen als einer Sekunde gab Patricia ihm einen Boxhieb.
„Während du hier verprügelt wirst, geh ich mal die Holzkohle in den Schuppen holen.“ „Franziska, auch wenn ich hier weit weg von der Heimat bin, Schwenkbraten auf Holzkohle ist eine Todsünde im Hunsrück. Wenn dies raus kommt, werde ich aus der Heimat ausgewiesen.“ „Très bien. Maman, bring die Holzkohle!“ „Du Biest.“
Und schon wieder wurde er von Patricia geboxt.

Hannes machte das Feuer mit richtigem Buchenholz an und nicht mit so einem Firlefanz von Holzkohle.
Patricia brachte Getränke in den Garten und Franziska bereitete den Salat und die Kartoffeln in der Küche vor.
„Mon chérie, ich möchte heute Bier trinken, möchtest du auch eins haben?“ „Gerne.“
Das Bier kam aus dem Elsass. Es war süßer als deutsches Bier – aber lecker.

Der Abend am Feuer war wunderschön. Patricia saß ihm gegenüber und hatte ihre Beine auf seinen Oberschenkel liegen. Er massiert ihr die Füße.
„Am Feuer auf Stühlen zu sitzen, ist schon um vieles angenehmer als auf einem Holzklotz.“ „Oui, das ist es. Mon chérie, was wäre gewesen, wenn wir uns am Bostalsee nicht getroffen hätten? Hätte ich dich jemals getroffen? Ich stelle mir diese Frage seit wir in Avignon waren. Es gibt Zufälle und es gibt bestimmt auch Gottes Fügung, Schicksal oder wie immer man es auch nennen mag. Für mich war es das größte Glück. Deine Verrücktheit mag ich sehr.“ „Ich und verrückt? Wer will einen Banner an ein Flugzeug hängen und über Lothringen fliegen lassen?“
Schon wurde Hannes wieder geboxt. „Siehst du, Franziska, so ist deine Tochter. Sie sagt sie liebt mich und werde ständig von ihr geschlagen.“ „Ich schlage nicht, ich boxe. Da, die haste wieder.“ „Ach, ist schlagen und boxen dann so ähnlich wie angenehm und gut?“
Franziska grinste breit „Ihr Lieben, es war ein angenehmer Abend, mir wird es langsam etwas frisch. Ich geh schlafen. Gute Nacht, ihr beide.“ „Bonne nuit, Maman.“ „Gute Nacht. Hast du gehört, heute hat sie „gute Nacht“ gesagt.“
Patricia verdrehte die Augen, boxe ihn einmal links und rechts und gab ihm einen langen Kuss.

Die Erdrotation

Es war eine sehr schöne Nacht und Patricia
hatte mal wieder bekommen was sie wollte. Der Sex mit ihr war mehr als fantastisch.

Der Morgen erwacht langsam und über den Felder von Thionville und es kamen die ersten Sonnenstrahlen. Hannes sand am Fenster und schaute der Sonne entgegen. Dieses Licht hatte keine tausend Farben, dieses Licht war mit Fréjus nicht im Ansatz zu vergleichen. Trotzdem schaute er der Sonne entgegen wie sie langsam Stück für Stück immer heller wurde.
Die Erdrotation nach Osten war schon beachtlich schnell, wenn man diese sich konzentriert anschaute.
Was ist ein Augenblick? Was ist eine Minute? Warum verging ein Tag an dem man Freude hatte schneller, als ein Tag den man eigentlich aus dem Kalender streichen konnte?

Hannes erschrak als Patricia ihm von hinten die Arme um seinen Taille legte „Mon chérie, an was denkst du schon wieder?“ Sagte sie mit verschlafener Stimme.
„An die Erdrotation.“ „Morgens um halb sechs! Wie wäre es, wenn du an, volo enim vos mode et sexus, denken würdest? Da hätten wir beide etwas davon. Vielleicht bring deine Erdrotation mir noch einen schönen Orgasmus. Komm ins Bett. Allez. Ich will dich.“
Patricia zog Hannes an der Hand ins Bett zurück und fing auch gleich an ihn zu küssen.

Cleo bellte an der Zimmertür. Hannes war nach dem Sex tatsächlich wieder eingeschlafen. So eine Erdrotation ist schon cool, dachte er.
Hannes öffnete die Augen und Patricia war nicht da. Er drehte sich nach rechte und auch dort war sie nicht. Verschlafen ging er zur Tür um zu schauen, warum Cleo so bellte. Hannes drückte die Türklinke nach unten und schon im gleichen Moment flog die Tür auf. Das Holz der Tür knallte ihm mit voller Wucht gegen Kopf und Knie und in Bruchteilen von Sekunden sah er einem ausgewachsenen Labrador auf sich zu springen. Rückwärts taumelnd und noch irgendwie nach Halt suchend, kamen 34 Kilo lebendige Masse auf ihn zu gesprungen. Im fallen dachte er noch an die Erdrotation.

Nach Minuten der stürmischen Begrüßung, konnte er sich endlich unter Cleo befreien und ging ins Bad.
Was war nur los mit ihm? Er schlief sonst nie so lange. Selbst in Anbetracht der Zeit, die er und Patricia nicht geschlafen hatten, geteilt durch die Geschwindigkeit der Erdrotation, diese multiplizieren mit den Küssen von Patricia und subtrahieren von dem gelecke von Cleo, wusste er in diesem Moment nicht, wie viel Uhr es war.

Er brauchte zuerst heißes Wasser um mal wieder klar denken zu können; und wo zum Teufel war Patricia?


Der Fremde in der Küche

Hannes ging in die Küche und muss feststellen, dass dort eine Person am Tisch saß, die er nicht kannte. Ein junger schmaler Mann mit schulterlangen Haaren und leichtem Bartansatz saß am Küchentisch.
„Bon jour, je suis Hannes d’Allemagne“ und reicht dem jungen Mann die Hand über den Tisch.
„Salut, Maurice. Der Bruder.“ „Entschuldigung, wenn ich frage, warum habe ich dich hier noch nicht gesehen?“ „Ich könnte auch gleiche Frage stellen.“ „Très bien! Bevor wir uns im Kreis drehen, nehme ich mir erst mal einen Kaffee. Du auch?“ „Ich bin sechzehn!“ „Stimmt, da trinkt man lieber Alkohol“ sagte Hannes trocken mit einem Augenzwinkern.
Maurice schaute den fremden Mann in T-Shirt und Boxershorts etwas irritiert an. Hannes setzt sich Maurice gegenüber an den Tisch „Wenn du nicht möchtest, dass deine Mutter den Alkohol riecht, wäre es ratsam und angebracht duschen zu gehen und ein gutes Mundwasser zu benutzen. Geht aber auch mit Knoblauch kauen. Kannst du mir bitte sagen, wo Patricia oder deine Mutter ist?“ „Maman ist einkaufen. Tricia, weis ich nicht.“ „Merci beaucoup.“ Maurice ging aus der Küche und drehte sich in der Tür zu Hannes um „Danke für den Tipp.“ „Gerne.“

Hannes war mit Cleo im Garten und lag auf dem Liegestuhl unter dem großen Sonnenschirm.
Maurice kam auf ihn zu „Nochmals danke für den Tipp von vorhin.“ „Nicht dafür.“
Hannes sagte ihm warum er hier sei, wie er seine Schwester getroffen hatte und wie die vorletzte Woche war.
„Cool. Du bist ein cooler Typ.“
Maurice war drei Wochen in einem Ferienlager bei Ostende in Belgien und gestern Abend hätte er mit ein paar Kumpels noch etwas „abgehangen“.

Patricia kam von links um die Hausecke auf die kleine Sitzgruppe im Garten zu. Sie setzte sich im Reitersitz auf den Schoß von Hannes und gab ihm einen dicken Kuss „Na, hat uns die Erdrotation wieder zum Leben erweckt?“ Sie drehte den Kopf nach links zu Maurice „Salut Maurice.“ Maurice grüße seine Schwester, in dem er wortlos die Hand hob.
„Hattest du auch Probleme mit der Erdrotation?“ Fragte sie ihren Bruder. Maurice sah verwirrt zu Patricia und dann zu Hannes.
„Ne, bei ihm war es der Alkohol. Kannst du mir bitte sagen, wo du warst?“ „Oui, beim Bäcker.“ „In Paris?“
Hannes hatte den Satz noch nicht ausgesprochen und wurde schon wieder geboxt.

Hannes kam mit Cleo vom spazieren zurück. Maurice war in der Garage an seiner Yamaha RS 80 am schrauben. Das Moped wollte nicht starten. Hannes schaute sich das Moped an. Er schraubte am Vergaser und reinigte den Kraftstofffilter. Das Moped lief wieder.


Patricia verheimlicht etwas

In der Küche saßen Franziska und Patricia. Es schien dicke Luft zu sein „Weiß er es?“ Waren die letzten Worte von Franziska und zeigte mit dem Kopf auf Hannes, als er über die Terrasse in die Küche ging. Franziska stand auf und verließ die Küche. Hannes wusste nicht was der Grund an dem Verhalten von Franziska war. Wortlos nahm er eine Tasse aus dem Schrank und machte sich einen Kaffee. Mit der Tasse in der Hand stand er an der Anrichte der Küche und sah zu Patricia. Sie sah ihn an und dann aus dem Küchenfenster. Dieses Verhalten an ihr kannte er nicht. Er wartetet auf das was sie ihm bis jetzt offensichtlich verschwiegen hatte. Die Minuten vergingen ohne ein Wort zu sagen. Patricia nahm tief Luft und sah ihn an „Komm, wir müssen reden.“
„Offensichtlich!“

In ihrem Zimmer saßen beide auf der Couch. Patricia hatte ihren Kopf auf seiner rechten Schulter liegen. Mit der linken Hand hielt sie seine Hand fest. Hannes merkte, dass ihr es unglaublich schwer fiel etwas zu sagen.
„Ich hatte dich vor zwei Wochen gefragt, ob du mit mir nach Kambodscha gehen möchtest. Seit ich dich kenne, hat sich bei mir so vieles verändert. Ich spüre, dass ich wieder lebe. Ich bin glücklich. Du machst mich glücklich. Ich möchte nach den Ferien nicht studieren. Ich will Gutes tun und anderen Menschen helfen. So wie du es gerne machen würdest.“ „Patricia, ich kann dir nicht im Ansatz folgen. Was hat studieren mit helfen zu tun? Du kannst nach dem Studium immer noch alles machen was du willst. Verbau dir doch jetzt nicht die Chance für dein Leben. Hilfe wird nach deinem Studium auch noch gebraucht.“ „Je t’aime, mon chérie“ Patricia gab ihm einen langen Kuss.
Hannes sah sie an und sein Blick suchte in ihrem Gesicht nach etwas was noch nicht ausgesprochen war.
Ihre Blicke trafen sich „Du willst mir doch jetzt nicht sagen, dass dies alles war? Auch ohne Abi merke ich, dass da mehr ist.“
Sie schaute zu Boden und verzog den Mund.
„Hast du einen neuen Freund?“
Sofort sah sie ihn mit zusammen gezogenen Augenbrauen böse an und boxte ihn.
„Also war diese Frage schon mal falsch.“

Patricia zog ihn von der Couch in Richtung Bett. Eng umschlungen lag sie neben ihm „Liebst du mich?“ „Was ist das für eine blöde Frage! Natürlich. Ich vermisse dich jetzt schon, wenn ich morgen dieses Haus verlasse. Du bist eine unglaubliche Frau. Ich bin voller Stolz, ein Teil von dir sein zu dürfen. Natürlich habe ich Angst dich zu verlieren. Was ich mit dir und in diesem Haus erlebe, ist eine andere Liga. Du hast bessere, gebildete und vielleicht auch reichere Freunde als ich.“
Patricia setzte sich auf und schaut ihm böse in die Augen „Ist Geld für dich so wichtig?“ „Für mich nicht! Aber wie sehen dies deine Eltern oder deine Freunde? Das hier ist eine Villa! Glaubst du das ich dir diesen Luxus irgendwie, irgendwann bieten kann? Liebe ist toll. Liebe ist schön. Nur die Realität ist auch da! Mein Zimmer in meinem Elternhaus ist kleiner als dein Bad. Du hast Abitur, ich nicht. Du hast eine Figur von einem Model, schau mich an. Über all dies mache ich mir Gedanken. Ich kann kaum schlafen, weil mein Hirn sich ständig damit beschäftigt. Als ich das erstemal dieses Haus sah, wusste ich, dass du eine andere Liga bist. Was meinst du warum ich dich in Avignon nicht berührt habe? Weil deine Welt nicht die meine ist. Ich baute eine Mauer um mich und ich wollte mich nicht in dich verlieben.“ „Oh, mon chérie, dass ist doch alles nicht so! Nur weil wir im Haus von meinen Großeltern wohnen? Nur weil ich Abi habe?“ „Nein, Patricia. Dies ist es nicht alleine. Es ist viel mehr. Ich wollte dich in dem kleinen Motelzimmer berühren und einfach nur festhalten. Ich hatte nie den Gedanken mit dir schlafen zu wollen. Einfach nur festhalten und dich spüren. Ich hatte aber Angst dir zu nahe trete oder Angst vor einer Zurückweisung. Wobei ich nicht weiß, welche Angst größer wäre. Ich wollte diese Momente nicht zerstören und habe dich beim schlafen beobachten. Dies war reinste Erotik für mich. Ich überlegte über Stunden, was diese unglaublich schöne Frau von mir will. Nur ein kurzes Abenteuer mit einem dummen Jungen aus dem Hunsrück an der Côte d’Azur? Ich überlege und kam zu keinem Ergebnis.“
Patricia kamen die Tränen und streichelte seine Wangen „Diese Gedanken quälen dich seit zwei Wochen? Das ist doch alles Unsinn! Ich liebe dich! Dich! Keine Güter oder Schulabschlüsse. Dein Herz, dein Verstand und Charakter sind es, was dich ausmachen. Hannes, ich bin glücklich mit dir und dies nicht nur für ein kleines Abenteuer. Warum willst du dies nicht endlich begreifen? Lass doch dieses Haus und meine Schulbildung aus dem Spiel. Hast du eine solche Angst vor mir?“ „Ich weiß es nicht. Ich glaube es ist mehr die Angst vor Erwartungen die ich nicht erfüllen kann.“ „Welche Erfahrungen? Spinnst du?! Meinst du meine Eltern hätten eine Verfügung über mich erlassen, in der steht, dass ich nur einen Mann mit Studium und mindestens einer viertel Million France auf dem Konto lieben darf?“
Hannes schüttelte den Kopf. Er wollte irgendwie diese Diskussion beenden. Es war schon blöd genug, seine Gedanken auszusprechen.
„Nein. Es tut mir leid. Ich möchte dich nicht verlieren.“
Patricia küsste ihn „Warum solltest du dies? Ich liebe dich! Haben wir dies nun endlich geklärt? Und hoffentlich auch für die Zukunft. Bœuf stupide.“

Teil I Kapitel 1 Die Fahrt ans Meer

Es begann im Sommer 89
Anfang Juli 89 am Bostalsee

Die Fahrt ans Meer

Im Sommer 89 war Hannes mit seiner Clique von 8 Freunden im Alter zwischen 17 und 19 Jahren am saarländischen Bostalsee zelten. Die Clique war gleich der Zahl an Jungen und Mädchen.
In dem Alter war man unbeschwert, wild, verrückt und frei. Die Welt stand ihnen offen und das Abenteuer Leben begann.
Auf einer Kuhweide im Saarland, war man „weit weg“ von dem Elternhaus. Lagerfeuer, Kartoffeln auf dem Feuer und Ravioli aus der Dose standen für Freiheit. Das ein oder andere Bier gab es natürlich auch. Fahrschule wurde gemacht und dabei ein Auto im Wald kaputt gefahren. Es war nur ein Blechschaden, den man in der heimischen Garage reparieren konnte.
Es war eine gesellige Runde mit Freunden und so war es auch nicht verwunderlich, dass eine Gruppe von 6 Mädchen, die in unmittelbarer Nähe zelteten, zu der Clique von Hannes kamen. Nathalie, Yvonne, Laura, Jasmin, Cosima und Patricia kamen aus der Nähe von und aus Thionville. Da in Lothringen auch deutsch gesprochen wurde, gab es so gut wie keine sprachliche Hindernisse.
Am Abend bei Lagerfeuer kam die Romantik und die sehr spontane Idee von Hannes, doch mal am Stand ein Lagerfeuer zu machen.
Hannes war mit seinen 19 Jahren immer schon sehr spontan.
„Morgen Abend könnten wir doch an einem Strand ein Lagerfeuer.“
Anfangs fand jeder die Idee super. Dann doch wieder nicht, weil der Stand am Bostalsee auf der anderen Seite von dem Zeltplatz sei und man nicht wüsste, ob es erlaubt sei dort Feuer zu machen.
„Ich habe mit Strand nicht den Bostalsee gemeint!“
Fragende Blicke aus der Runde.
„Sondern?“ Fragte Martin, einer der Kumpels von Hannes.
„Saint Tropez!“
Große Verwunderung in der Runde.
„Wir haben Ferien, sind nicht gebunden und können doch auch mal etwas verrücktes tun. Frühstücken in Paris direkt an der Seine. Morgens um 7 Uhr mit Cappuccino und Croissant am Ufer der Seine sitzen und bei Port Neuf dem rauschen der Seine lauschen. Im Park von Notre Dame unter den Bäumen sitzen und den Glocken zuhören oder am Strand von Saint Tropez den Sonnenuntergang bei einem Feuer und Gitarre genießen wenn, die Sonne im Meer versinkt und die Abenddämmerung wunderschön das Meer und Himmel in Farben taucht.“ „Hannes, du bist verrückt! Wir können doch nicht spontan nach Südfrankreich fahren und uns dort an den Strand setzen“ sagte Mirko und suchte Beifall in der Gruppe.
„Warum nicht? Muss den immer alles geplant und organisiert sein? Ihr wollt euch frei fühlen und grenzt euch selbst ein.“

Hannes merkte, dass es wenig Sinn machte, seine Idee noch weiter  zu diskutieren und ging er in den angrenzenden Wald, um noch nach Holz für das Lagerfeuer auf einer saarländischen Kuhweide zu suchen. Kurze Zeit später hörte er Schritte hinter sich. Es war Patricia.
„Sag mal, war dies vorhin dein ernst gewesen, was du vorgeschlagen hast?“ „Natürlich. Immer wird nur geredet, wir könnten…, wir sollten…, wir müssten…. Am Ende wird nichts daraus – oder wenn doch,  dann nur halbherzig. Die Jungs und Mädels sind alle super nett und wir sind seit Jahren schon eine Clique. Nur fühle ich mich bei ihnen eingeengt. Eingeengt in mir. In meinem Leben. Die Welt ist riesengroß und wir sitzen am Bostalsee auf einer Kuhweide. Was ist mit Momenten genießen? Dies kann ein Bachlauf sein, in dem sich gurgelnd das Wasser um Steine dreht. Wind der durch Bäume weht, wenn man auf einer Lichtung in den Abendhimmel schaut und die Sterne am Firmament zählt. Momente kosten kein Geld. Natürlich haben wir alle nicht so viel Geld. Die Hälfte von uns ist in der Lehre oder steht vor dem Abitur. Die Welt zu entdecken muss doch nicht teuer sein. Wenn wir uns den Sprit und Maut teilen ist für jeden von uns die Fahrt an die  
Côte d’Azur doch erschwinglich.“ „Wow, ich bin von deinen Worten fasziniert. Die meisten Jungs in deinem alter haben nur Autos, Motorräder oder Mädchen im Kopf. Du redest von Kirchenglocken, Sonnenuntergänge und hast klare Vorstellungen. Was du vorhin gesagt hast, mit dem Feuer am Strand oder Croissant an der Seine zu essen, da sah ich Bilder vor meinen Augen.“ „Patricia, ich weiß nicht ob du dies verstehst, ich will weg. Weg aus mir. Weg aus allen Zwängen und die Welt erleben.“
Patricia nickte ihm zu „Doch Hannes, ich verstehe dies.“
Hannes schaute diese zierliche Französin mit ihren langen hellbraunen Haare und braunen Augen fragend an.
Sie kam drei Schritte auf ihn zu und stand nah vor ihm.„Wenn du wirklich fahren willst, fahre ich mit dir. Raus aus allen Zwängen und die Welt erleben.“
Hannes sah dieser Schönheit in die Augen und wusste nicht, wie er reagieren sollte.
„Lass uns zurück gehen, die anderen warten auf das Brennholz.“
Mit diesem Satz hatte er soeben die Romantik und den Moment zerstört.

„Allons à la mer.“

Der Sonnenaufgang am Bostalsee hatte nun wirklich nichts mit Romantik zu tun. Die Kleider waren klamm, rochen nach kaltem Rauch und das Gras war vom Morgentau feucht und kühl.
Hannes machte Feuer an. Zum Frühstück wollte er sich Rührei mit Speck machen. Er saß auf einem Holzklotz und schaut in die kleinen Flammen, die sich mühsam an dem feuchten Holz zu schaffen machten. Er fühlte sich in diesem Moment so falsch an diesem Ort.
Ein paar Meter weiter hörte er wie ein Reißverschluss von einem Zelt sich öffnete und schaute in die Richtung von wo das Geräusch kam. Er sah 20 Meter weiter die zierliche Figur von Patricia. Als sie ihn sah, winkte sie ihm zu und kam an die Feuerstelle.
„Bonjour, Hannes.“
„Bonjour Patricia.“
Patricia setze sich neben ihn auf einen Holzklotz „Dies hier hat nicht viel gemeinsam, was du gestern Abend gesagt hast. Die Kleider sind klamm und das Gras ist feucht.“ „Habe ich laut gedacht?“
Patricia sah in fragend an „Désolé. Je ne pas comprend. Ich verstehe nicht.“
Hannes sagte ihr, dass er genau diese Worte vor ein paar Minuten dachte.
Patricia lachte und fuhr sich mit den Finger durch ihr leicht gewelltes hellbraunes Haar. Sie war eine sehr attraktive junge Frau mit einem unglaublich schönen Lächeln. „Willst du immer noch zum Strand nach Saint Tropez?“ Fragte sie ihn, als er die Eier zu dem bratenden Speck in die Pfanne gab.
Hannes nickte „Ich will schon, hier will aber keiner mit. Siehst ja selbst, alle schlafen noch. Alleine fahre ich keine tausend Kilometer an die Côte d’Azur. Wofür? Um nackte Füße in den Sand zu stecken, Rotwein mit Sandkörner trinken und dabei dem rauschen des Meeres zuzuhören?“
Patricia nickte bei seinen Worten „Oui, juste pour ça! Genau dafür. Du erzählst so schön, ich habe schon wieder Bilder vor mir. Ich höre das Wasser und schmecke den Wein. Lass uns fahren! Allons à la mer.“ „Patricia, gerne. Sehr gerne. Nur möchte ich nicht das du mit deinen Freundinnen ärger bekommst oder gar von deinen Eltern.“ „Meine Freundinnen sind zu eingegrenzt. Ich bin volljährig. Gerne zeige ich dir meinen Ausweis.“
Hannes nahm die Eier mit Speck aus der Pfanne und gab Patricia einen Plastikteller mit der Hälfte von seinem Frühstück.
„Merci beaucoup“ sagte Patricia und lächelte Hannes an.
Beide saßen auf Holzklötze und schauten beim essen ins Feuer. Patricia lachte auf einmal. Er sah sie an und sie fingerte etwas Gras aus ihrem Mund.
„Immerhin besser als Sand im Rotwein“ sagte er.
„Je ne sais pas. Ich weiß nicht“ sagte sie und lächelte erneut.
„Dann sollten wir es heraus finden.“

Um kurz nach 8 Uhr fuhren Patricia und Hannes mit seinem Auto von der Kuhweide. Sie hatten mit ihren Freunden nochmals über die Idee von Hannes gesprochen und die Diskussion war nicht zielführend. Es war Hannes nach wenigen Minuten schon klar, dass außer hin und her und unsinnigen Argumente niemand seine Idee teilte.
„Weißt du den Weg nach Saint Tropez?“ Fragte Patricia.
Hannes nickte „Immer nach Süden. Richtung Saarbrücken, Metz, an Nancy vorbei und immer geradeaus. Dijon, Lyon und bei Avignon links ab.“ „Très bien. Wenn du über Saarlouis fährst, könnte wir bei mir zu Hause vorbei fahren, andere Kleider mitnehmen und duschen.“ „Volontiers. Mache ich doch gerne.“ „Merci beaucoup, Hannes.“

Das war es also. Patricia wollte auf dem Campingplatz nicht mehr bleiben und fand einen blöden, der sie nun nach Hause fuhr.
Die Fahrt über sprachen sie über dies und das. Wie sie ihre Zukunft sahen oder in welche Länder sie gerne einmal reisen würden.
Sie passierten die Grenze ohne Probleme. Ein Zöllner wollte lediglich die Ausweise sehen und fragte Hannes nach dem Grund des Aufenthaltes in Frankreich. Er würde die junge Frau nach Hause fahren, sagte er dem Zöllner.
Schweigsam fuhr er über die schmale Landstraße Richtung Thionville.
„Ich dachte wir wollten ans Meer fahren,  Lagerfeuer machen und Rotwein trinken“ sagte Patricia und sah ihn vom Beifahrersitz aus an.
„Wollen wir dies wirklich?“ Hannes schaute Patricia an und sah in ihre wunderschöne braunen Augen.
„Oui. So hatte ich es bis eben noch in Erinnerung.“
Hannes nickte stumm. Sehen wir dann, dachte Hannes.

„Wir sind gleich da. Fahr am nächsten Ortsschild rechts rein.“ Patricia lotste ihn durch die Vororte von Thionville. „Nächste Straße links, über den Kreisverkehr dann rechts in die Seitenstraße.“
Dieses Wohngebiet sah anders aus, als jene die bis jetzt rechts und links an den Straßen zu sehen war: ordentlich und sehr gepflegt. Es schien so, als ob hier nur reiche Leute wohnten. Große Häuser und Villen aus der Gründerzeit mit riesigen Gärten und alten Bäumen, Steinmauern mit sehr schönen Eisentore.
„Das nächste Haus auf der rechten Seite“ sagte Patricia.
Hannes sah eine dreistöckige große Villa mit Erker, Winkel und Fachwerk in safrangelb. Drei kleine Türmchen sah er auf dem Dach. Die Hofeinfahrt war mit Basalt Steinen gepflastert und nach zehn Metern wurde es zu einer sehr großen Fläche die fast so breit war wie das Haus. Links und recht der Steinfläche lag ein unglaublich gepflegter Rasen auf dem ein paar große Ahornbäume standen.
„Mein Pilum ist solider als euer Sternum“ sagte Hannes lauter, als er es wollte.
Patricia sah in fragend an „Was?“ „Nichts. Ich habe nur an das Comic von Asterix gedacht.“ „Okay. Du kannst hier rechts parken.“

Hannes war von dieser Villa fasziniert. Er liebte solch alten Häuser mit Bruchsteinen und Fachwerk. Sie gingen die breite Steintreppe hinauf und Patricia klingelte an eine Tür aus Eichenholz, die bestimmt einhundert Jahre alt war und mit Schnitzereien aus dem vergangenen Jahrhundert verziert war. Nach den filigranen Schnitzereien zu urteilen, verdiene der Hausbesitzer sein Geld in der lothringischen Stahlindustrie.
Aus dem Inneren des Hauses kamen Schritte auf die Tür zu. Hannes sah eine Frau, die Mitte vierzig sein konnte. Sie war groß, schlank und mit ihren langen blonden Haaren sah sie sehr attraktiv aus. Unverkennbar war es die Mutter von Patricia.
„Bonjour Madame Lefèvre, je m’appelle Hannes.“ „Bonjour Hannes. Sie können deutsch mit mir reden. Bitte kommen Sie herein.“

Nach einem kleinen Flur trat er in eine Halle, mit einer Wendeltreppe die gute 3 Meter breit war. Die Decke von der Halle war bestimmt 7 Meter hoch. Die dunkelbraune Holztreppe und die eisenoxidrote Tapete gaben der Halle eine unglaubliche Größe.
Patricia erzählt ihrer Mutter, was sie die letzten vier Tage beim campen erlebt hatte, dass sie die coole Clique von Hannes kennengelernt hatten und sonst alles doch sehr langweilig war.
Hannes hörte gar nicht richtig zu. Er konnte gar nicht alles erfassen, was an diesem Haus den Flair ausmachte. War es das  weinrote Chaiselongue neben der Treppe, die Tapete mit den weißen Ornamente, das kunstvolle Holzgeländer mit gleichen filigranen Schnitzereien wie die Eingangstür, der runde Kamin auf der linken Seite der Halle oder von allem etwas.

Frau Lefèvre schob links von der Halle eine weiße Doppeltür mit nordamerikanischen oder kanadischen Ornamente auf und Hannes sah in einen Raum, wie aus dem 18. Jahrhundert. Im Erker stand ein  Chaiselongue mit Streifen in vanille und orange. Die weiße Wand in dem Erker gab dem Ambiente eine unglaubliche Noblesse. Rechts davon stand eine Holztruhe in gebeiztem Eichenholz. Auch hier waren wieder Ornamente aus Nordamerika zu sehen. Ein Tisch von bestimmt 6 Meter Länge und aus gleichem Eichenholz, wie die Truhe stand mittig im Raum. Die Zimmerdecke war gut dreieinhalb Meter hoch. Auch hier waren in den Ecken Ornamente zu sehen. Hannes sah ein Deckengemälde mit dem Bildnis von Kopernikus, wie er in den Sternenhimmel schaute. Die Decke war sehr schönes Kunstwerk, wie Hannes es bis dato nur in Kirchen, Schlösser oder Barocken Gebäude gesehen hatte.

„Kann ich Ihnen etwas anbieten?“
„Hannes?“ Er schaute Patricia fragen an. „Meine Mutter fragte, ob sie dir etwas anbieten kann?“ „Excusez moi s’il vous plait. Non. Merci Madame.“
Patricia sagte dass sie jetzt gerne duschen gehen würde.
Frau Lefèvre bot Hannes einen Stuhl an und setzte sich ihm gegenüber an den großen Eichenholz Tisch.
„Entschuldigen Sie bitte, dass ich eben etwas abwesend war. Ich bin von der Architektur dieses Hauses fasziniert. Das Deckengemälde ist der Hammer.“
„Dankeschön. Das Haus ist von 1850. Der Urgroßvater von meinem Mann baute dieses Haus. Ihr wollt nach Saint Tropez an den Strand fahren und ein Lagerfeuer machen?“
Hannes war wie vor den Kopf geschlagen. Er hätte jetzt mit allem gerechnet, aber nicht damit. Dann meinte Patricia es wirklich ernst.
„Ja, Frau Lefèvre. Beim zelten kam mir spontan diese Idee. Erst fanden alle in der Clique es toll und heute sind wir alleine. Ich hoffe, Sie sind damit einverstanden?“ „Sie machen einen guten und netten Eindruck auf mich. Patricia ist alt genug. Sie kann entscheiden was sie möchte.“
„Darf ich fragen, warum Sie und auch Patricia, ein so gutes deutsch sprechen?“
„Es ist meine Muttersprache. Ich komme aus der Pfalz, henn des pälzich awwer abgeläht un schwätze ehjetzed Hochdeutsch. Ich bin in Annweiler aufgewachsen. Die Liebe hat mich nach Lothringen verschlagen.“ „Annweiler am Trifels. Schön dort. Die Burg ist bekannt durch die Sage der Gefangenschaft von Richard Löwenherz.“
Frau Lefèvre sah respektvoll zu Hannes und nickte leicht mit dem Kopf und auf einmal hatten beide ein Gesprächsthema über die Pfalz, die Blondelsage, der Pfälzer Wald und Wein und natürlich das Hambacher Schloss mit seiner Geschichte zur Gründung der deutschen Demokratie.

Patricia stand in der Tür und unterbrach die angenehme Unterhaltung „Möchtest du dich weiter über Geschichte unterhalten oder vielleicht doch lieber duschen? Immerhin sind es tausend Kilometer bis nach Saint Tropez.“ „Duschen wäre toll. Ich gehe schnell ans Auto meine Tasche holen.“

Roadtrip an die Côte d’Azur

„Mein lieber Mann, du hast meine Mutter schwer beeindruckt“ sagte Patricia, als sie das Auto von Hannes durch die Vororte von Thionville in Richtung Autobahn lenkte.
„Warum denn das? Ich war nur höflich gewesen.“
Patricia sah in kurz an und nickte „Exactement, c’est ça. Genau, das ist es. Du bist irgendwie anders als die Jungs, die ich kenne. Du bist reserviert Frauen gegenüber und hast Contenance. Dies habe ich gestern Abend im Wald schon gemerkt. Du spricht von Romantik, möchtest diese auch und trotzdem baggerst du mich nicht an – noch nicht einmal der Versuch! Bin ich nicht dein Typ?“
Patricia war sehr direkt und Hannes wusste nicht so recht was er ihr antworten sollte.
„Patricia, ich nenne es Anstand. Und doch – du gefällst mir. Sehr sogar! Deine unglaublich schönen Augen, diese Top Figur und dein Lächeln ist zauberhaft. Es ist aber noch so vieles mehr. Was ich denke – sprichst du aus. Was für mich eine Idee war – setzt du um. Und ganz ehrlich, ich dachte vorhin, dass du nur einen blöden gefunden hast, der dich nach Hause fährt.“ „Wow, merci beaucoup. Du hast schöne blau Augen, ich mag deinen Blick. Du gefällst mir und bis noch klug dabei. Schade das du so von mir denkst. Du siehst, ich halte mein Wort und fahre mit dir an die Côte d’Azur. Ich verstehe dich aber auch. Du bist jemand der bedingungslos gibt und am Ende mit Enttäuschungen da steht.“
Die Worte von Patricia brannten ihm in Herz. Genau das war es! „Exactement“ sagte er und schaute aus dem Seitenfenster, damit sie seine Tränen nicht sah.

Die Strecke von Dijon bis nach Lyon hörte nicht auf kürzer zu werden. Patricia schlief nun schon seit eineinhalb Stunden und diese monotone Autobahn hörte und hörte nicht auf. Die Geschwindigkeit zwischen 100 und 140 km/ h reichte völlig aus. Bis sie in Saint Tropez ankämen, wäre es sowieso schon spät am Abend und somit war an Lagerfeuer am Strand nicht mehr zu denken.

Endlich kam die Abfahrt nach Avignon. Nun waren es noch gute 200 Kilometer bis nach Saint Tropez.
Patricia wurde wach und fragte, wo sie den schon wären. Auf dem nächsten Rasthof machten sie eine Pause. Patricia rief zu Hause an und sagte das alles gut sei.
Das Essen auf dem Routier bei Avignon war wirklich das Sprichwort: Essen wie Gott in Frankreich, wert. Eine Vorspeise, Menü mit Salat, Nachtisch, Espresso und eine Karaffe Rosèwein. Zum Abschluss gab es ein Käsebuffet mit mehr als ein Dutzend verschiedenen Sorten.
„Ich möchte hier gar nicht mehr weg. Der Wein ist super lecker und so viele Sorten Käse habe ich noch nicht gegessen.“ „Convenu. Stimmt, lass uns doch für die Nacht hier bleiben. Ich habe unweit vom Routier ein Motel gesehen. Bis wir in Saint Tropez ankommen, ist es schon viel zu spät, um dort noch Feuer zu machen.“
Patricia überrasche Hannes immer mehr. Er macht nur ein Vorschlag und sie setzt diesen sofort in die Tat um.

Das kleine Motel „Aire de Morières“ an der A7 war sehr schön und liebevoll eingerichtet. Hannes wollte gerne zwei Zimmer haben – Patricia nur eins.
Das kleine Zimmer hatte die gleiche Handschrift wie das Motel: Leichte helle Farben, Blumen auf dem Tisch und eine Einrichtung zwischen Moderne und Tradition. Von allem etwas und trotzdem nie zu viel oder kitschig. Sogar ein winzig kleiner Balkon hatte ihr Zimmer.
Hannes stand auf dem Balkon und schaute in die Ferne. Er sah und roch die Provence im Juli.
Es klopfte an der Zimmertür und Patricia öffnete die Tür. Ein untersetzter Mann ende fünfzig, brachte eine Käseplatte und zwei Flaschen Rosèwein auf ihr Zimmer.

Der Mini Balkon reichte gerade für zwei Stühle. Der Käse musste auf den Boden, denn der Beistelltisch vom Bett passte nicht mehr auf den Balkon.
Sie saßen auf diesem Miniatur Balkon und hörten den Grillen zu. Die warme Luft am Abend war angenehm. Die Sterne leuchteten hell und der Mond war abnehmend.
„Ist dies ein solcher Moment wie du ihn dir vorstellst?“ Fagte Patricia.
„Oui, ist es. Vom Bostalsee nach Avignon, um mit einer klugen, schönen und interessanten Frau Wein zu trinken, ist ein Moment der immer bleibt.“ „Ich dachte mehr so an die Grillen, Sterne und Mond.“ „Entschuldigung. Natürlich diese auch.“ Patricia boxte ihn „Hannes du musst dich nicht entschuldigen. Danke für dein Kompliment. Es ist auch für mich ein schöner Moment. Und ja, ich genieße auch den Käse und Wein mit einem klugen, schönen und interessanten Mann.“

An diesem Abend wurde über vieles geredet, gelacht und nachgedacht. Patricia war eine  Frau, wie Hannes es sich wünschte: klug, schön und taff. Ihr langes hellbraunes Haar bewegte sich mit dem Wind. Im Halbschatten der Straßenlaternen, die vom Parkplatz her schienen, sah sie sehr erotisch aus. Alles an ihr war Exotik pur. Ihre Bewegungen, ihre Haltung, ja sogar wie sie in ein Stück Höhlengereiften Käse biss.
Seit Stunden hatte er Gedanken im Kopf, traute sich aber nicht zu fragen. Patricia sah ihn an und irgendwie sagte ihr Blick, dass sie auf seine Fragen wartete.
Jetzt oder nie, sagte er zu sich selbst „Darf ich dich etwas fragen?“ „Oui. Bien sûr. Natürlich.“
Hannes schlug das Herz bis zum Hals „Du bist wunderschön, taff, unglaublich intelligent, vermutlich auch reich. Warum hast du keinen Freund? Die müssten bei euch an der Tür doch Schlange stehen.“
Patricia stellte ihr Weinglas an und sah ihn an „Ich warte auf den richtigen. Ja, ich weiß das ich attraktiv, etwas klug und auch etwas reich bin. Aber all jene die ich kennengelernt hatte, wollten nach kurzer Zeit nur mit mir schlafen oder mit meinem Reichtum angeben. Sie hatten gebalzt wie blöd, mich aber nicht berührt – geistig nicht berührt. Wenn du erzählst, kann ich es sehen sehen und sogar riechen. Du hast mich noch nicht berührt und trotzdem tust du es ständig. Als ich vorhin im Auto etwas geschlafen habe, bekam ich mit wie besorgt du um mich warst. Du hattest das Radio auf ganz leise gestellt und irgendwann auch ausgeschaltet. An der ein oder andere Mautstadion sprachst du sehr leise. Du bist um Menschen besorgt. Du bist ein interessanter und kluger Mann, dies hat auch meine Mutter gesagt. Natürlich macht sich meine Mutter Gedanken, dass ich Sex mit einem mir fremden Mann haben könnte, oder du mir etwas antust. Ich weiß, dass es nicht so ist. Du bist hochanständig, reserviert und zuvorkommend. Ich würde mal sagen, in deinen Beziehungen hatten die Frauen den ersten Schritte getan.“ „Oui. C’est vrai. Du scheinst mich nach den knapp 30 Stunden schon gut zu kennen.“
Patricia zwinkerte ihm zu und grinste.

Von Lavendel- und Pinienduft geweckt

Am nächsten Morgen war Hannes bereits um 6 Uhr wach. Er schaute nach rechts und sah eine wunderschöne Frau im Bett liegen. Leise und mit langsamen Bewegungen stieg er aus dem Bett. Auf Zehenspitzen ging in das kleine Bad und stellte sich unter die Dusche.
Leise ging er durch das Zimmer und öffnete die Tür zu dem Miniatur Balkon. Hannes sah vom dritten Stock des kleinen Motels in die Ferne. Südfrankreich war wunderschön. Die Palmen, die schönen Häuser, die vielen Pinien und die riesigen Felder mit Lavendel gaben ein anderes Panorama als eine Kuhweide im Saarland.
Dies hier war um Welten besser als am Bostalsee auf einer feuchten Wiese zu sitzen. Seine Freunde wussten gar nicht was sie verpassten. Der Duft von Lavendel, Pinien und die Frische vom Morgen kam mit dem Wind von Süden. Mit geschlossenen Augen genoss er jede Sekunde von diesem Moment. Er atmete tief ein und fühlte sich frei.
„Bonjour, Hannes“ sagte Patricia leise zu ihm, als sie hinter ihm stand „Dies ist etwas anderes als am Bostalsee. Keine feuchten Kleider und auch kein Geruch von Rauch. Pinien riechen doch angenehmer.“ Er drehte sich zu ihr um und sah sie in ihrem roten Long Shirt mit zerzausten Haaren. „Ich geh schnell duschen und dann können wir frühstücken.“

Auf der Terrasse von dem Motel saßen sie bei Kaffee, Croissant und Marmelade. Der Wetterbericht im Radio sagte, es würde heute sehr heiß werden. Das Thermometer links an der Wand zeigte um 8.30 Uhr bereits über 20° Celsius an.
„Ich möchte gerne noch ein paar Kleider kaufen. Die die ich dabei habe, war zum zelten gedacht und nicht für Saint Tropez.“ Patricia nickte „Natürlich. Kann ich verstehen.“

Die Welt ist Riesengroß und wunderschön.

Avignon ist eine wunderschöne mittelalterliche Stadt. Die alten Gebäude und Brücken geben der Stadt sehr viel Charme. Der Papstpalast ist alleine durch seine gewaltigen Größe schon sehr imposant. Es ist eines der größten und wichtigsten mittelalterlichen gotischen Gebäude in Europa mit einer faszinierenden Architektur.
Die berühmte Ruinenbrücke Pont Saint-Bénézet, so wie die romanische Cathédrale Notre-Dame des Doms d’Avinnon sind Zeitzeugen einer fast tausend jährigen Baukunst. Das Landei aus dem Hunsrück hatte solche Städte und Gebäude nur in Bücher oder im Fernsehen gesehen. Vor der wunderschöne Kathedrale von Avignon zu stehen und dieses Bauwerk auf sich wirken lassen, war etwas anderes als ein Foto in einem Buch zu betrachten.
„Die Welt ist Riesengroß und wunderschön“ sagte er zu Patricia als sie vor dem Hauptportal der Cathédrale standen.
Durch die Gassen mit ihrem mittelalterlichen Flair ging beide in einige Boutiquen. Patricia suchte Kleider für Hannes aus, die ihr an ihm gefielen. Als seine Garderobe für Saint Tropez gekauft war, schlenderten sie durch malerischen Gassen von Avignon.
Gegenüber vom Papstpalast tranken sie einen Cappuccino vor einem kleinen gemütlichen Café. Patricia saß ihm an dem kleinen quadratischen Tisch gegenüber und Hannes nahm zaghaft die Hand von Patricia.
„Endlich! Wurde auch langsam Zeit“ sie schaute ihn mit ihren schönen braunen Augen an „Hannes, ich weiß das du Angst vor Enttäuschung, Zurückweisung oder Ablehnung hast. Du bist ein Mensch mit einem sehr großen Herz. Diese Menschen werden am meisten enttäuscht. Lass uns nach Saint Tropez fahren. Ich möchte mit dir die Füße in den Sand stecken. Deine schönen blauen Augen haben jetzt ein ganz anderen Glanz.“
Sie gab ihm einen Kuss und streichelte seinen rechten Arm.

Die Fahrt nach Saint Tropez war eine andere, als der Weg von Thionville nach Avignon. Patricia hielt während der Fahrt seine rechte Hand fest und immer wieder legte sie ihren Kopf auf seine Schulter oder streichelte ihn.
„Du bist ein wunderbarer Mensch. Ich kann mich mit dir über so vieles unterhalten. Meine Mutter sieht es genau so. Ich soll dich von ihr Grüßen. Ich hatte vorhin kurz angerufen und gesagt, dass wir bald auf dem Weg nach Saint Tropez sind. Du hast vorgestern gesagt, dass du die Welt erleben willst. Dabei hast du bestimmt nicht an Gebäude und Reisen gedacht.“
„Oui, ich möchte die Welt erleben an der Basis, kein Urlaub auf den Seychellen. Viele Menschen leben in Armut, ohne Bildung, ohne Perspektiven. Die Welt verbessern, verändern und Gutes tun – das ist mein Traum.“ „Oh, là là. Da solltest du doch mal mit meinem Vater reden.“ „Dein Vater?“ Hannes sah erstaunt zu Patricia. „Oui, er ist bei einer Hilfsorganisation und weltweit unterwegs. Er macht das, von dem du träumst.“

Patricia erzählte von der Arbeit ihres Vaters und Hannes kam aus dem staunen nicht mehr heraus. Jedes Wort was sie sagte, zog er in sich auf. Sie erzählte von dem neuesten Einsatz in Kambodscha.
Hannes konnte dies alles gar nicht glauben. Sollte er über Patricia diese Möglichkeit für seinen Traum bekommen?

Ab Font Mourier konnte man schon das azurblaue Meer sehen. Die Fahrt verging wie ihm Flug. Patricia erzählte so viel, dass er nun noch locker tausend Kilometer hätte fahren könnte.
Ab Maleribes führte die Straße oberhalb am Meer vorbei. Links war das Meer und rechts die zerklüfteten Felsen. Eine grandiose Landschaft glitt an seinen Augen vorbei.

Saint Tropez war um diese Jahreszeit mit Touristen überflutet. Am Jachthafen waren alle Parkplätze belegt. Gleiches auch an der Uferpromenade. Etwas außerhalb an einem Coop Markt fand er endlich einen Parkplatz.
Hand in Hand gingen sie durch die Straßen von Saint Tropez zum Strand.
An der Uferpromenade waren die
Straßenkünstler, die für teuer Geld Portraits von den Touristen malten. Sie gingen an den vielen Eisstände und Souvenirläden vorbei.
„Genau wie noch vor Jahren. Es hat sich nichts geändert“ sagte Hannes.
„Du warst schon mal hier?“ „Oui, zweimal. Im Urlaub mit meinen Eltern. Das letzte Mal 1987. Daher kenne ich auch die Strecke. Wir wohnten damals in Saint-Maxime in einer Bungalow Ferienanlage und waren immer am „La Tomata“ Strand“ „Dann lass uns doch dort hinfahren.“

Die dreißig Kilometer nach Saint-Maxime waren schnell gefahren. Durch Saint-Maxime durch und dann noch ca. zehn Minuten bis zum Strand. Als Hannes den Turm von der Rettungswache sah, erzählte er, wie 1984 seine beiden Schwestern mit dem Schlauchboot in Seenot gerieten „An diesem Tag war ein Mistral und das Schlauchboot wurde immer weiter auf das offene Meer getrieben. Ein Eisverkäufer hatte dies bemerkt. Er stelle seine rote Coca-Cola Kühlbox ab und schwamm dem Gummiboot entgegen. Mein Vater war in der Zwischenzeit am Auto und hat das Fernglas geholt. Irgendwann ist dann auch die Seerettung ausgerückt und hat den Eisverkäufer, meine beiden Schwestern und das Gummiboot gerettet.“

Teil I Kapitel 2 Tausend Farben sind auch ein rot

Fréjus. Die Momente vergehen zu schnell

Tausend Farben sind auch ein rot.
„Ich habe von einer wunderschönen Nacht, nicht von Sex, gesprochen.“

Patricia lag eng neben ihm am Strand. Bei einem älteren Franzosen der einen Sonnenschirmverleih am Parkplatz zum Strand betrieb, mietete Patricia einen quietschtgelben Sonnenschirm und eine große Strandmatte.
Sie hatte sich sein großes Badetuch umgelegt und ihr T-Shirt und Minirock gegen einen Bikini getauscht. Als sie ihm sein Handtuch zu warf, sah er ihren fast nackten Körper. Patricia hätte mit ihrer sehr schmalen Figur locker ihr Geld als Model verdienen können.
Sie legte sich auf ihrer linken Seite und stürzte sich mit ihrem Arm auf der Strandmatte ab. Mit ihrer rechten Hand streichelte sie seine Brust.
„Einen Menschen wie dich zu kennen, ist ein großes Geschenk. Du bist aufmerksam, gebildet und sehr nett. Du passt nicht in diese Clique. Die sind alle nicht so reif wie du. Die sehen ihn dir den Clown – den Spaßmacher der mit seinen Slapsticks alle unterhält und zum lachen bringt. Ja, Hannes, du verbreitets Spaß. Deine Freunde sehen aber nicht deine Gedanken.“
Hannes schaute sie mit fragenden Blick an.
„Oui, ich sehe etwas ist in dir. Etwas was du und offensichtlich deine Freunde nicht kennen und vor dem du Angst hast – und dies wahrscheinlich schon dein Leben lang. Du bist bei mir ein völlig anderer Mensch als in der Clique. Ich merkte dies schon, als ich dir in den Wald folgte. Es waren andere Gespräche, ein anderes Verhalten und ein anderer Mensch.“ Patricia hatte recht, mit dem was sie sagte. Hannes suchte Antworten und wusste noch nicht einmal die Fragen.

„Allez Monsieur, baignons-nous dans la mer“ sie zog Hannes hoch und gemeinsam liefen sie ins Meer. Der heiße Sand brannte ihnen an den Fußsohlen.
Das Wasser hatte fast Badewannen Temperatur, trotzdem tat das Wasser bei dieser Hitze gut. Sie schwammen soweit ins Meer, wie Patricia noch stehen konnte. Umgeben vom Mittelmeer umarmte sie Hannes und küsste ihn lange.
Nach einer halben Stunde im Wasser war es Zeit in den Schatten zu gehen. Die Sonne brannte erbarmungslos vom Himmel.
Unter dem quietschtgelben Sonnenschirm cremte er Patricia den Rücken ein und küsste sie auf ihr rechtes Schulterblatt. Hand in Hand lagen sie auf dem Bauch und genossen diesen Augenblick.
Patricia küsste ihn links in den Nacken und Hanner wurde wach „Habe ich geschlafen?“ „Ja. Hast du. Allez Monsieur, lass uns für die Nacht ein Zimmer suchen.“ „In der Hauptsaison in Saint-Maxime? Du bist mutig. Ich denke, außer die Sitze im Auto bei Backofentemperatur wird uns nicht viel übrig bleiben. Dafür hätten wir aber auch Meerblick gratis.“ „Ich bin Französin und keine Touristin. Ich werde schon etwas für uns finden. Wenn nicht, bleibt immer noch das Auto oder der Strand.

Vom Strand fuhr Hannes zurück nach Saint-Maxime. Langsam und immer schauend, wo eine Pension oder Ferienwohnung sein könnte.
Sie hatten über zwanzig mal angehalten und nach einer Unterkunft für die Nacht gefragt. Überall bekamen sie eine Absage. Hannes wollte nicht den ganzen Nachmittag mit der Suche nach einer Unterkunft verbringen. Die Zeit mit Patricia war ihm zu wertvoll. Nach eineinhalb Stunden fragen und suchen wollten beide die Suche aufgeben.
„Noch einen Versuch. Okay? Wenn wir dann nichts finden bleibt dein Auto für diese Nacht unsere Herberge.“
Hannes nickte stumm. Er hatte bei Pension Nummer 15 bereits aufgegeben.
„Fahr bitte hier rechts in die Straße. Ich habe eben einen kleinen Wegweiser zu einer Pension gesehen.“
Hannes fuhr so, wie Patricia es ihm sagte. Langsam fuhr er durch Saut du Loup und schaute auch nach einem Schild, Wegweiser oder was auch immer die Menschen benutzten um auf ihre Herberge aufmerksam zu machen.
„Hannes, rechts rein. Da hinten sehe ich ein Schild.“
Bei dieser minimalen Geschwindigkeit in dem Gassen von Saut du Loup stand die Hitze in dem Wagen. Trotz den geöffneten Scheiben an allen vier Türen war es eine unerträgliche Hitze.
„Arrêtez. Attendez. C’est ici.“
Hannes stoppte den Wagen und Patricia stieg aus. Sie ging die schmale Sandsteintreppe hoch und klopfte an der Tür. Hannes sprach ein Stoßgebet zu Himmel, denn bei dieser Hitze würden sie diese Nacht im Auto oder am Strand kaum schlafen können.
Eine ältere Frau mit blauem Kleid und einem Kopftuch in der gleicher Farbe, sprach mit Patricia. Je länger das Gespräch wurde umso weniger Chancen rechnete sich Hannes aus.
Endlich kam sie die Treppe herunter und wedelte mit einem Stück Papier „Wir haben Glück. Hannes, wir haben Glück! Die Frau gab mir die Adresse von ihrem Schwager. Er hätte Platz in seinem Haus, sei aber in Fréjus.“ „Wow! Wie weit ist Fréjus entfernt?“
Patricia zog die Schultern hoch „Keine Ahnung. Ich denke etwas über 20 Kilometer. Wir müssen Richtung Nizza fahren. Also in die Richtung wo der „La Tomata“ Strand ist.“ Patricia hörte wie Hannes die Luft ausblies. „Was?“ Fragte sie gereizt.
„Wie was? Bist du dir sicher, dass wir dort schlafen können?“ „Mon Dieu, sie hatten es mir doch gesagt. Okay, ich frage sie nochmals. Ist Monsieur dann zufrieden?“ Eine Antwort brauche Hannes nicht zu geben, denn Patricia war bereits aus dem Auto gestiegen.
Sie lief erneut die Treppe hoch und klingelte wieder bei der älteren Dame. Patricia fragte die nette Dame, ob diese ihren Schwager anrufen könnte. Denn sie seien nun schon fast zwei Stunden auf der Suche nach einer Unterkunft für die Nacht.
Beide gingen ins Haus und Hannes stieg aus dem Backofen auf vier Reifen. Es setzte sich auf die Sandsteintreppe und spürte die kühle von der Hauswand – was für eine Wohltat!

Patricia kam aus dem Haus und bedankte sich nochmals bei der Frau für ihre Mühe.
„Allons à Fréjus. Monsieur Hannes. Oder braucht der Herr noch eine schriftliche Bestätigung mit Unterschrift von einem Notar?“

Nun fuhr Patricia den Wagen und Hannes konnte diese grandiose Landschaft der Côte d’Azur genießen.
Patricia musste in Fréjus zweimal nach dem Weg fragen.

Fréjus, Rue Jean Bacchi

An der Adresse angekommen, saß ein älterer Mann mit Baskenmütze vor dem kleinen Steinhaus. Das Haus war übersät mit Blumen in lila, rot, blau und gelb. Die hellblaue Bank war das I-Tüpfelchen vor dem Haus. Patricia stelle sich und Hannes vor. Der alte Mann erhob sich mühsam und sagte „Herzlich willkommen in Fréjus“ – auf deutsch. „Setzt euch bitte. Kommt erst einmal an und dann könnt ihr euer Zimmer sehen.“ Der alte Mann nahm mit seiner Art die Geschwindigkeit aus dem Tag. Es schien, als ob die Zeit still stand.
„Ich habe schon lange kein deutsch gesprochen, verzeiht mir, wenn ich nicht mehr alle Wörter weiß.“
Er erzählte ihnen, dass er aus Königswinter bei Bonn stammte. Nach dem Krieg hatte er hier seine große Liebe gefunden und seit dieser Zeit lebt er in Fréjus.

Diese Umgebung, die Ruhe, das Haus und die Geschichten von dem Mann, waren so angenehm, dass beide sich in die Vergangenheit versetzt fühlten.
Nach über einer Stunde erhob sich der Mann und bat, ihm zu folgen. Es ging die Sandsteintreppe hoch ins Haus. Dort war es angenehm kühl. Ein wunderschöner Steinboden wie in einer Kathedrale lag hinter der Eingangstür. Links sah Hannes einen kleine Raum, der das Wohnzimmer zu sein schien. Rechts fiel der Blick in eine Küche, wie Hannes es noch nie gesehen hatte. Alles war mit unglaublich viel Liebe eingerichtet. Es war Nostalgie pur. Ölbilder hingen an den Wänden. Sie zeigten Landschaften, Personen oder Häuser, die sehr filigran gearbeitet waren und beim betrachten jeden sofort zur Ruhe kommen ließen. Im Haus ging es eine Steintreppe hoch in den ersten Stock, selbst das Geländer war aus Steinen gemauert. Vorbei an zwei Türen aus dunkelbraunem Holz, Vasen auf dem Boden und weiteren Ölbilder, öffnete der Mann eine Tür. Licht fiel durch Buntglasfenster und gab dem Raum das Gefühl, als ob man in einer anderen Zeit sei. Ein dunkelbraunes Holzbett mit Stoffdecke und seitlichem Vorhang, ein kleiner Tisch in der Farbe wie das Bett und zwei Rundsessel mit rotem Polster passten hervorragend zu dem Interior.
„Wow!“ Mehr konnten beide nicht sagen. „Dies wäre euer Zimmer. Seid ihr damit einverstanden?“ „Monsieur, bien sûr. C’est beau! Natürlich, es ist wunderschön!“ „Je sais. Kommt, ich zeige euch das Bad.“
Es überraschte nicht, dass das Bad in Architektur und Interior, wie das gesamte Haus und Zimmer war.
„Wenn ihr nun alleine sein wollt, ich bin unten in der Küche.“

In ihrem Zimmer standen beide wie unter Hypnose und ließen jeden Quadratzentimeter auf sich wirken. Patricia gab Hannes einen Kuss „Solche Momente bleiben immer.“ „Oui, Madame. Solche Momente bleiben für immer“ wiederhole Hannes. „Patricia, ich habe so etwas schönes noch nie gesehen.“
Sie gab ihm einen Kuss „Nicht nur du. Nicht nur du.“

Beide gingen hinunter in die Küche. Der Mann saß am Küchentisch und trank Kaffee „Setzt euch zu mir. Wenn ihr Kaffee wollt, nehmt euch Tassen aus dem rechten Schrank am Herd. Entschuldigt, wenn ich mich nicht so gut bewegen kann.“

Patricia suchte zwei Tassen und setzte sich an den Küchentisch. Der Mann erzählte vom Krieg, von dem Leid und dem Tod seiner Frau. Er lebe alleine in dem Haus, die Kinder seien weit weg und Besuch bekommt er sehr selten. Er fragte nach dem Grund der Reise an die Côte d’Azur. Patricia erzählte ihm von der Idee mit dem Lagerfeuer und Wein am Strand. Der Mann schaute Hannes und Patricia mit seinen wasserblauen Augen an und ein lächeln von ihm machte sein Gesicht noch gütiger und liebenswürdiger als es ohnehin schon war.
„Nun, Feuer um diese Jahreszeit ist verboten – Wein trinken nicht.“ „Jetzt sind wir an der Côte d’Azur und bräuchten noch eine Flasche Wein. Wissen Sie wo wir eine Flasche kaufen können?“ Fagte Patricia. „Mein Kind“ sagte der Alte und nahm die Hand von Patricia „in meinem Keller liegt Wein. Ich war auch so frisch verliebt wie ihr. Wenn es nur an einer Flasche Wein liegen sollte, helfe ich doch gerne. Schau, im Flur ist eine Tür, geh in den Keller und such‘ dir eine Flasche aus. Das Licht ist rechts an der Wand.“
Patricia schaute den Mann fragend an. „Ich bin zu alt für die Stufen. Geh. Du bist ein gutes Kind.“

„Ein Saint-Émilion von 1943! Mein Kind, du weißt was du willst!“

Es dauerte lange bis Patricia aus dem Keller wieder in die Küche war.
„Monsieur? Im Keller liegen Weine aus Bordeaux und dem Piemont die mehr als 50 Jahre alt sind! Ich kann doch keine Flasche nehmen die 1000 Franc kostet! Non! Je ne peux pas faire ça! Non, Monsieur.“ „Deine Schönheit steht deiner Klugheit in nichts nach und du weißt was eine Flasche guter Wein kostet. Ich trinke so viel Wein nicht mehr. Für meine Beerdigung brauche ich den Wein nicht zu lagern. Also geh und nimm, was du heute Abend mit deinem Freund am Strand trinken möchtest – bitte. Hannes, erzähle mir von Deutschland. Wie hat sich Deutschland verändert oder verbessert?“
Hannes erzählte, wie zur Zeit die politische Lage sei und sich vieles in Richtung Osten bewegt. Der kalte Krieg scheint dem Ende zuzugehen. Die Brücken für Frieden seien in alle Richtungen offen und er hoffe, dass alles auch friedlich bleibt. Indem Hannes am erzählte war, sah er, wie der Blick von dem alten Mann an ihm vorbei ging. Hannes drehte sich um und sah Patricia am Türrahmen gelehnt mit einer Flasche Rotwein in der Hand. Was für eine wunderschöne Frau, dachte er. „Monsieur?“ Patricia kam mit der Flasche an den Tisch und zeigte sie dem Mann.
„Ein Saint-Émilion von 1943! Mein Kind, du weißt was du willst. Wenn ich dich um einen weiteren gefallen bitte dürfte. Könntest du für uns kochen? Meine Knochen sind zu alt.“ „Monsieur, j’aimerais beaucoup ça!“ „Merci beaucoup, ihr könnt Peter zu mir sagen. Hannes, würdest du mich nach draußen begleiten, ich möchte noch den Tag vor dem Haus genießen“ an Patricia gerichtet sagte er „Es müsste genügend im Haus sein um ein Abendmahl für einen solch schönen Anlass zuzubereiten.“

Hannes saß mit Peter vor diesem wunderschönen kleinen Haus und genoss die Wärme an diesem späten Nachmittag. Die Luft war vom Meerwasser erfüllt und in der Ferne hörte man die Brandung.
„Halte sie fest. Für immer! Sie liebt dich aus tiefstem Herzen. Ich sah es vorhin, als sie mit der Weinflasche in der Tür stand. Ein solcher Blick ist mehr als Liebe! Meine Louise schaute mich 1951 genau so an. Ich kam aus der Gefangenschaft und wusste nicht mehr wo meine Heimat war. Deutschland war zerbombt. Frankreich lag in Schutt und ganz Europa war zerstört. Zerstört durch Irrsinn und Wahn! Ich sah zu viele Menschen sterben um überhaupt noch weinen zu können. Meine Familie hatte den Krieg nicht überlebt, so war ich ohne Heimat und Halt. Ich wusste nicht wohin ich gehen sollte und bin einfach nur gelaufen. Gelaufen durch Gebiete in denen der Krieg immer noch zu sehen war. Wir hatten ganze Arbeit geleistet! Da drin sind wir Deutsche unschlagbar. Wochenlang bin ich gelaufen. Weg von dem Krieg. Weg von den vielen Toten die ich sah. Weg von der brutalen Zerstörung. Hier in dem Ort saß ich, einige Meter weiter unter einem Baum und heulte. Ich wusste nicht warum. Heimatlos zu sein? Keine Identität zu haben? Das alleine sein oder weil ich die Bilder aus meinem Kopf löschen wollte?“ Hannes hörte Peter aufmerksam und regungslos zu.
„Louise fand mich am Abend und wir hatten die ganze Nacht geredet. Ihr Mann ist im Krieg durch eine deutsche Granate gefallen. Sie hatte keinen Hass auf mich. Als die Sonne langsam aufging, schaute sie mich mit dem gleichen Blick an, wie deine Patricia. Bis zu ihrem Tod vor vier Jahren waren wir zusammen. Wir hatten schlimme Zeiten und auch gute Zeiten in unserer Ehe. Immer hoch und runter, trotzdem bestand unsere Liebe.“
Peter erzählte dies alles, als ob Hannes sein Sohn sei. Einfühlsam, mit Ruhe und im Vertrauen.

Patricia hatte Schmorbraten vom Rind mit Klöße und Rotkraut gemacht und rief die Männer zum essen. Peter bat Patricia noch einmal in den Keller zu gehen um einen Wein auszusuchen. Sie kam mit einer Flasche Pomerol aus dem Jahr 1951 in die Küche.
Der Pomerol passte mit seiner sanften und vollen Frucht, hervorragend zum Schmorbraten. Sie tranken beim Essen einen Wein, der 38 Jahre alt war.
Die Gespräche am Tisch waren sehr angenehm. Peter bedankte sich bei Patricia für ihre Arbeit und sagte, dass sie sich bald auf dem Weg zum Stand machen sollten. Hannes spülte mit Patricia noch das Geschirr. Peter gab ihnen den Haustürschlüssel. Er wäre vermutlich schon im Bett, wenn sie zurück kommen würden.

Moment die immer bleiben werden

Beide ging Hand in Hand die zwanzig Minuten bis zum Strand. Sie gingen durch enge Kopfsteingepflasterte Gassen. Vorbei an Steinhäuser vor denen Leute an Tischen saßen und Wein tranken. Sie sahen in den Altstadtgassen von Fréjus Männer und Frauen sitzen, die das Leben genossen. Es wurde gelacht, geredet und hier und da hörte man Mandoline spielen.

Sie gingen den Boulevard de le Mer entlang und sahen das Mittelmeer vor ihnen liegen. Der Wind vom Meer wehte in den Haaren von Patricia. Er roch ihr Parfüm und war noch nie so verliebt, wie in diesem Augenblick. Was er in den letzten Tagen erlebt hatte, konnte er immer noch nicht glauben. Patricia schaute ihn mit ihren braunen Augen an und er sah, dass sie glücklich war – er war es auch. Diese unglaublich schöne und kluge Frau an seiner Seite machte ihn zum glücklichsten Menschen auf der Welt.

Am Strand rechts vom Jachthafen waren ein paar Gruppen von Jugendlichen. Auch einige Liebespaare saßen im Sand oder hatten die Füße im azurblauen Wasser. Patricia drehte sich nach links und gab ihm einen langen Kuss „Hier. Hier ist unser Platz“ und zog ihn an der Hand in den Sand.
Patricia saß rechts von ihm und gab ihm einen Kuss. Sie streichelte liebevoll seine rechte Wange „Hannes, ich weiß nicht mehr was ich denken soll! Noch nie habe ich jemand getroffen, der so ist wie du. Du hörst zu, du weißt so viel und hast sehr viel Anstand. Ich liebe dich. Ja, ich liebe dich! Meine Mutter ging von Deutschland nach Frankreich und ich mache es umgekehrt. Ist schon verrückt. Wir sitzen an der Côte d’Azur und trinken gleich einen Wein, der mehr als 1000 Franc kostet. Ein solcher Moment wird so schnell nie wieder kommen. Wenn du nicht so empfindest, ldann lasse ich die Flasche zu.“
Hannes griff in den kleinen Rucksack von ihr und holte die zwei Kristallgläser von Peter heraus. Ohne ein Wort zu sagen, entkorkte Patricia den Saint-Émilion von 1943.
Der Wein war trotz seines Alters immer noch fruchtig, leicht süß, nicht zu trocken und hinterließ auf der Zunge und Gaumen ein Feuerwerk an Geschmacksnuancen.

Hannes zog Patricia zu sich und umarmte sie „Ich hoffe das dies kein Traum ist und ich nicht irgendwann erwache und keine Farben mehr sehe. Eine solch schöne und kluge Frau wünscht sich jeder Mann auf dieser Welt. Du kannst sie dir aussuchen. Schöne Männer, reiche und kluge Mä…“
Patricia löste sich aus seinen Armen und sah ihn böse an „Arrêter! Qu’est-ce que ce sera? Stopp! Was wird dies? Ich weiß was ich kann. Oh ja! Ich sitze mit dir nun 1000 Kilometer von dem Ort entfernt, wo du diesem Vorschlag gemacht hast. Ich bin mit dir gefahren, obwohl du dachtest ich suche nur ein Taxi dass mich nach Hause fährt. Ich trinke mit dir einen Wein, den sich andere in ihrem Leben nicht leisten können! Ich sage dir das ich dich liebe und nun kommst du und redest davon, dass ich mir Männer aussuchen kann!“
Patricia war merklich sauer und Hannes tat es leid, dass er ihr seine Gedanken sagte. Er hatte mal wieder ein Rendezvous voll gegen die Wand gefahren.
„Hannes, vielleicht habe ich schon ausgesucht“ Patricia war bei ihren Worten leise und liebevoll. Sie gab ihm einen Kuss „Ein Gespür für ein Rendezvous hast du ganz bestimmt nicht. Monsieur, Monsieur, da müssen wir noch dran arbeiten.“

Sie lagen im Sand an der Côte d’Azur, tranken sündhaft teuren Wein und genossen die Augenblicke. Patricia lag mit ihren Kopf auf seine Brust und schaute in den immer dunkel werdenden Abendhimmel.
„Die Sterne leuchten für uns.“ „Oui, Madame. Je t’aime.“ „Solche Momente werden nie wieder kommen. Hannes, ich liebe dich. Ist noch Wein da?“
Hannes nahm die Flasche aus dem Sand und füllte die Gläser auf.
„Merci beaucoup.“

Tausend Farben sind auch ein rot

Das Licht am Morgen brach sich im Buntglas des Fensters und der Raum schien in unzähligen Farben zu leuchten. Hannes beugte sich zu Patricia und gab ihr einen Kuss. Verschlafen öffnet sie ihre Augen. „Schau.“
Patricia sah dieses einmalige Licht im Raum „Mon dieu, c’est sympa!“ Sie zog Hannes an sich und drückte ihn fest und gab ihm einen Kuss „Merci beaucoup, für die wunderschöne Nacht mit dir.“ Mit diesem Worten stand sie auf und ging ins Bad. Als er das Wasser von der Dusche hörte, klopfte er an und fragte ob er eintreten dürfte.
„Entree. La douche est assez grande.“

Das Wasser lief ihnen vom Kopf an über den Körper und hatte eine angenehme Wärme. Die Sonnenstrahlen zauberten auch im Bad ein Meer aus Farben.
„Lass mich los, ich möchte Frühstück für uns machen. Ich möchte Peter eine Freude bereiten.“ Sie gab Hannes einen Kuss und ging aus der Dusche.

Patricia eilte in großen Schritten die Treppe hinunter und in einem schwungvollen Bogen in die Küche hinein. Sie sah Peter am Tisch sitzen und ihr Elan war auf einen Schlag weg.
„Kind, ich bin alt, da braucht man nicht mehr so viel Schlaf. Komm, setzt dich doch. Der Kaffee ist gleich fertig.“
Es klingelte an der Tür. Der Bäcker brachte ein Korb voll Brot, Brötchen und Croissant. „Mon dieu! Wer soll dies den alles essen?“ „Der Tag ist noch lang, mein Kind. War der Wein gestern Abend gut gewesen?“ „Exzellent. Ich werde Ihnen die Flasche selbstverständlich bezahlen.“
Peter schüttelte langsam den Kopf „Mein Kind, dass letzte Hemd hat keine Taschen. Ich bin durch die Flasche Wein nicht ärmer – sondern reicher geworden. Leben in diesem Haus war schon lange nicht mehr. Du bist Leben. Dein Freund ist Leben. Teilt bitte eure Zeit mit einem alten Mann bei einem guten Frühstück. Mein Kind, wenn ich doch noch um deinen Schwung bitten dürfte, könntest du vor dem Haus das Frühstück herrichten?“

Das Paradies in der Rue Jean Bacchi

Vor dem Haus war es um diese Uhrzeit sehr angenehm. Das Meer brachte frische durch die kleinen Gassen und so schmeckte das Frühstück noch viel besser.
„Ich möchte hier nie wieder weg“ bei diesen Worten sah Patricia Hannes an und hielt seine Hand.
„Warum sind Menschen immer so getrieben? Bleibt doch noch ein paar Tage hier und baut eure junge Liebe auf.“ „Okay Peter, Sie haben gewonnen. Heute ist Donnerstag. Da ist viel Reiseverkehr zurück nach Deutschland, Belgien und Niederlande. Da würden wir wahrscheinlich von Avignon bis Dijon im Stau stehen. Dann bleiben wir bis zum Wochenende.“ Als Patricia geendet hatte, strahlten die Augen von Peter und er nickte ihr zu.
„Ich müsste nur heute nach Hause telefonieren, damit meine Mutter Bescheid weiß.“
Mit einem lächeln nickte Peter ihr zu „Natürlich, mein Kind. Ich habe ein Telefon im Wohnzimmer stehen. Es ist der Raum gegenüber der Küche. Geh – und rufe deine Mutter an.“

Die Männer blieben vor dem Haus sitzen und hörten wie Patricia telefonierte.
„Sie erzählt von dir“ sagte Peter leise und klopfte ihm auf den Oberschenkel und hatte dabei ein sehr verschmitztes lächeln. „Würdest du bitte noch zwei Espresso machen?“ Hannes erhob sich und ging in die Küche. Er schaute noch kurz ins Wohnzimmer und winkte Patricia zu „Sag deiner Mutter liebe Grüße von mir.“

Mit Espresso und zwei Gläser Wasser kam er aus dem Haus und setzte sich auf die wunderschöne Holzbank.
„Peter, ich weiß gar nicht wie ich Ihnen danken kann. Sie sind so großzügig und liebevoll zu uns.“ „Hannes, sag du zu mir. Du bist auch großzügig und liebevoll. Du weißt es nur noch nicht. Glaubst du an Gott?“ Hannes zog die Schultern hoch und verneinte die Frage.
„Schade. Solltest du aber. Ich weiß wir mühen uns ab, kämpfen täglich und erleben Rückschläge. Da verliert man schnell den Glauben. Warum lässt Gott so viel Elend und Unheil zu? Warum ist es kein lieber Gott? Die Bibel ist voll von Schmerz, Trauer und Verzweiflung. Aber auch von Liebe, Sanftmut und Hoffnung. Ihr beide habt euer Leben noch vor euch. Macht etwas daraus.“
Hannes erzählt ihm von seinem Traum „Ich möchte Bildung für Kinder. Bildung ist wichtig für eine bessere Welt. Nur so kann es irgendwann einmal Frieden geben und die Armut bekämpft werde. Ich kenne keinen Krieg, trotzdem lese oder sehe ich täglich so viel darüber. Du hast den Krieg und auch die Folgen erlebt. Nie wieder darf es so etwas in Europa geben! Ich sitze heute in Frankreich. In dem Land, wo auf beiden Seiten der Hass sehr groß war. Ich liebe eine Französin. Wir müssen den Frieden bewahren!“

Ich habe von einer wunderschönen Nacht, nicht von Sex gesprochen

Patricia kam um die Ecke und fragte was sie später kochen sollte und ob es Ziele gäbe, die man heute besuchen könnte.

Hand in Hand gingen sie durch die wunderschöne Altstadt von Fréjus. Mittelalterliche und sogar noch Antike Bauten zeugen von einer langen Geschichte.
In der Rue Candolle saßen sie unweit von einem kleinen Springbrunnen unter der Markisen von einem schönen gemütlichen Café und aßen Pistazieneis mit Pignole. Patricia saß links von ihm und hielt die Hand von Hannes „Ich habe eure Unterhaltung mitgehört. Ich saß auf der Treppe. Hannes, egal was dein Traum ist, ich bin bei dir!“
Hannes sah diese wunderschöne Frau an. Er streichelte ihre Wange und gab ihr einen Kuss „Lass uns jetzt die Zeit genießen und nicht an das denken was in der Zukunft mal sein wird, oder kann.“ „Mon dieu! Wovor hast du Angst? Ich laufe dir nicht weg. Ich habe meiner Mutter erzählt, wie sehr ich mich in dich verliebt habe und das wir Wein von 1943 getrunken haben und ich mit dir eine wunderschöne Nacht erlebt habe!“ „Du… hast… was?!“ „Ich habe von einer wunderschönen Nacht und nicht von Sex gesprochen. Mon dieu!“ Sie verdrehte die Augen und zog ihn unsanft an der Hand zu sich, um ihm einen Kuss zu geben „Mon chérie, je t’aime“ sagte Patricia und umarmte ihn. „Allez, lass uns kaufen gehen. Ich möchte heute Abend richtig toll kochen. Fisch und ganz viel Gemüse. Ist das okay für dich, mon chérie?“

Peter saß mit einer Pfeife im Mund auf der Bank vor seinem Haus. Als er die vielen Tüten mit Obst, Gemüse, Käse und Fisch sah, sagte er „Wer soll dies den alles essen?“ „Der Abend ist noch lang, Monsieur“ und gab Peter einen Kuss auf die Wange.
„Hannes, für Wein ist es noch zu früh. Geh bitte ins Wohnzimmer. Im Schrank steht Pernod.“ Hannes nickte Peter zu und tat was ihm geheißen wurde.
Patricia bereitete in der Küche das Essen zu. Sie hüpfte in der Küche umher, sang und tanzte – oder irgendwie alles zusammen. So genau konnte Hannes es vom Flur aus nicht sehen.
Hannes brauchte noch Wasser und Gläser für den Pernod, so ging er zu ihr in die Küche. Patricia sprang auf ihn zu, küsste ihn links, rechts, umarmte ihn und küsste ihn wieder.
„Wenn du Zeit hast, komm doch bitte mit nach draußen einen Pernod trinken.“ „Oui, Monsieur, Commander“ salutierte sie vor ihm und gab ihm ein klapps auf den Po.

Patricia hatte unglaublich gut gekocht und nach dem Abendessen saßen sie vor dem Haus. Aus der Stadt hörte man die Klänge von einem Akkordeon. Immer wieder hörte man auch Beifall. Wahrscheinlich saß in einer der kleinen Gassen ein Straßenmusikant und eine kleine Traube von Touristen und Einheimischen standen und saßen um ihn.
Auf dem kleinen Holztisch neben der Band standen zwei Flaschen Rosèwein vom Chateau de Cabran aus dem Jahr 1950.
Patricia hatte eine große Platte an verschiedenen Sorten Ziegenkäse und Oliven vorbereitet.
Peter erzählte von seiner großen Liebe und was Louise für ein guter Mensch war.
Die Glocken der Kathedrale Saint-Léonce läuten einen neuen Tag ein und es wurde Zeit ins Bett zu gehen.

Die leichten Sonnenstrahlen des morgens erfüllten den Raum mit einem Spektrum an unzähligen Farben. Patricia lag mit ihrem Kopf auf seiner Brust und schlief noch. Hannes konnte und wollte nicht aufstehen. Sanft streichelte er das wunderschöne Gesicht von Patricia. Seine linke Hand lag auf ihrer Brust und er fühlte ihren Herzschlag. Er sah wie sie im schlaf ruhig atmete.
„Je t’aime ma belle princesse“ sagte er leise und streichelte dabei ihr Haar.
„Je sais“ sagte sie verschlafen und öffnete ihre braunen Augen.

Teil I Kapitel 3 „Chérie, Geographie ist nicht unsere Stärke“

Von Fréjus nach Thionville

„Chérie, Geographie ist nicht unsere Stärke“

Abschied aus Fréjus

Die Zeit in Fréjus ging viel zu schnell vorbei. Momente voller Liebe, Gespräche und Bilder blieben im Herzen.
Peter hatte sich geweigert, auch nur einen Franc anzunehmen. Er war froh, für die Zeit der Gesellschaft und der Abschied fiel ihm schwer.
Hannes musste nächste Woche auch wieder arbeiten gehen, so mussten sie am Samstagvormitag der Rückweg angetreten – wenn es auch jedem sehr weh tat. Patricia wollte die erste hälfte der Strecke fahren. So konnte Hannes die letzten Tage im Kopf noch genießen und musste sich nicht auf den Verkehr konzentrieren. Er schloss die Augen und hing seinen Gedanken und Erinnerungen nach.
Patricia war eine gute Fahrerin, sie fuhr zügig – aber sicher.
„Mon chérie, würdest du mit mir weg gehen?“ „Oui, wohin du willst“ sagte Hannes mit geschlossenen Augen.
„Auch nach Kambodscha?“
Wie vom Blitz getroffen drehte Hannes den Kopf und sah sie mit aufgerissenen Augen fragend an.
„Ich hatte dir doch gesagt, dass mein Vater für eine Hilfsorganisation arbeitet. Er ist in vielen Länder dieser Welt unterwegs und betreut, plant und organisiert Projekte für Wasserbau. Mit dir zusammen würde ich dies machen wollen. Mein Abi habe ich im Frühjahr gemacht und mich an der Uni in Metz eingeschrieben. Ich möchte Eéconomie et administration und Sciences humaines studieren, in Deutschland ist es Volkswirtschaft und Humanwissenschaften. Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich nicht erstmal eine Pause von der Schule machen sollte um etwas nützliches zu tun. Was du gesagt hast, hat mich sehr zum nachdenken gebracht. Du möchtest Kinder und Menschen helfen und Gutes für sie tun!“ „Patricia, ich muss dir etwas erklären. Ich habe kein Abitur und kann demzufolge auch nicht studieren. Ich war der Klassenkasper in der Schule. Ich hatte viel Unsinn gemacht und mich um Schule und lernen nie sonderlich gekümmert. Ich bin nicht so klug wie du.“
Patricia schüttelte den Kopf und sah ihn kurz an, um dann wieder den Blick auf die Autobahn zu richten „Chérie, du bist nicht dumm. Du hast einen brillanten Verstand und kannst unglaublich schnell denken, was spielten da Noten in der Schule noch eine Rolle? Du hast ein großes Wissen über Geschichte, du kannst dich über Themen unterhalten die ich noch nicht einmal weiß – und ich habe Abitur!“ „Ein Zeugnis ist es aber, wie ein Mensch in seinem Leben bewertet wird. Ich habe mir vieles selbst verbockt und das bisschen Wissen, welches ich habe zählt nicht überall.“
Sie sah ihn kurz an „Sehe ich nicht so! Das Herz und Charakter bewertet einen Menschen, nicht eine Zahl auf einem Blatt Papier. Mon chérie, du bist ein ganz besonderer Mensch und ich möchte mein Leben mit dir teilen. Du bist kein Kaspar! Eine Frage: hattest du in der Schule französisch?“ „No, Madame.“ „Und warum sprichst du es dann?“
Treffer! Das hat gesessen. Patricia sah ihn an und nahm seine linke Hand.

Bei Valence fuhr sie auf eine Raststätte. Es war Zeit etwas essen zu gehen.
Das Routier hatte eine große Terrasse mit Sonnenschirmen und einem großen Springbrunnen in der Mitte. Beide setzten sich links neben den Springbrunnen. Der leichten Wind von Süden brachte die Hitze vom Mittelmeer und durch den Springbrunnen kam ein leichter Schleier an kühle durch das Wasser auf sie.
Patricia bestellte für beide Aioli und eine Karaffe Rosèwein.
Hannes fragte Patricia was Aioli sei.
„Aioli sind Fisch-, Fleisch- und Gemüsegerichte aus der Provence, die mit der Knoblauchsoße, der aioli, serviert werden. Ich habe für uns Stockfisch mit Gemüsen bestellt.“ „Klingt lecker. Ich esse gerne Stockfisch.“

Eine junge Kellnerin brachte den Wein und zusätzlich eine Karaffe Wasser. In Frankreich ist es üblich, dass man beim Mittagessen Eau et Vin trinkt. Der kühle fruchtige Wein mit Wasser war bei diesen Temperaturen eine Wohltat.
Patricia saß ihm gegenüber und hielt seine Hände fest „Chérie, mach dir nicht immer so viele Gedanken. Du hast selbst gesagt: lass uns die Zeit jetzt erleben. Wir waren für drei Tage im Paradies und alles was dort passierte war kein Traum!“

Patricia war eine absolute Traumfrau mit Bildung und offensichtlich auch vermögend. Was hatte er den entgegen zu stellen? Ein Junge aus einem Dorf, mit normalen Schulabschluss und einem Beruf im Tiefbau. Er wollte ihr seine Gedanken nicht sagen.
„An was denkst du?“
Hannes schüttelte den Kopf „An nichts. Wir fahren nun aus dem Paradies über die Autobahn zurück in den Alltag.“ „Oui. Die Autobahn brachte mir die große Liebe und die Autobahn ist wie die Liebe, sie geht hoch und runter, über Brücken und nach links und rechts. Sie führt aber immer dem Ziel entgegen. Hannes, ich bin angekommen! Du berührst mich nun auf zweifache Art. Deine körperliche Nähe tut mir gut und der Sex tut mir gut. Geistig erfüllst du mich vom Sonnenaufgang bis die Sterne am Firmament funkeln.“ „Merci beaucoup, für diese Liebeserklärung.“ 

Die junge Kellnerin servierte den gegrillten Stockfisch auf einer großen länglichen Platte. Auf der oberen Seite der Platte war ein Gemüsebouquet von grünen Bohnen, Karotten, Blumenkohl und Rübchen angerichtet.
Nach der Pause mit diesem vorzüglichen Mittagessen fuhr Hannes weiter. Patricia hatte recht, was sie sagte: Die Autobahn geht hoch und runter, über Brücken und nach links und rechts. Ihr linker Arm lag auf seinem Oberschenkel und sie erzählte ihm von der Arbeit ihrers Vaters.

Bei Dijon war ein Wegweiser nach Auxerre und Paris.
„Mon chérie, Croissants morgen um 7 Uhr an der Seine essen, machen wir auch noch“ sagte Patricia, als sie den Wegweiser sah. Hannes nickte stumm. „Ich möchte mir dir noch so vieles erleben. Deine Freunde sprachen immer nur davon. Wir beide hatten in den letzten Tagen solch wunderbare Momente erlebt. Ich danke dir für deine Idee mit dem Lagerfeuer am Strand.“ „Aus dem Lagerfeuer wurde leider nichts.“ „Oui, daraus wurde nichts. C’est vrai. Aber die Zeit bei Peter, den Saint-Émilion, der sehr schöne Sex und dass tausend Farben auch ein rot sein können, kann ich mit dem Umstand leben, dass wir kein Lagerfeuer machen konnten.“ „Ja Patricia, du hast recht. Was wir erlebt hatten, konnten wir uns nicht vorstellen.“ „Oui, mon chérie. Je t’aime.“


Zurück im Alltag

Die ersten Autobahnschilder auf denen Metz stand waren zu sehen. Die Monotonie der A6 war anstrengend und Hannes hatte das Gefühl, sie würden nicht mehr in Thionville ankommen. Er wollte in seinem Herz auch nicht ankommen. Wie sollte eine Liebe auf 120 Kilometer Entfernung bestehen? Er wollte auch diese Gedanken ihr jetzt nicht sagen – noch nicht.
„Chérie, wir sind auf der Autobahn!“ Patricia merkte, dass er immer langsamer fuhr „Mir geht es genau so. Ich möchte auch nicht ankommen!“ „Habe ich schon wieder laut gedacht? “ „Nein. Ich spüre es. Wie ich schon sagte, du berührst mich geistig. Mach dir nicht so viele Gedanken, es wird alles gut. Mon chérie.“

Er fuhr die Straßen durch Thionville, als ob er schon immer dort lebte. Der Kreisverkehr kam. Gleich müsste er abbiegen und dann kam auch schon das Haus. Er fuhr den Weg ans Haus und parkte wie vor Tagen an gleicher Stelle.

Die Mutter von Patricia kam ihnen auf der Steintreppe entgegen und umarmte ihre Tochter. Hannes gab sie die Hand und lächelte. Ihr Gesicht strahlte eine Freundlichkeit aus, wie es auch ihre Tochter hat.
„Bonjour Madame Lefèvre.“„Bonjour Hannes. Sag Franziska zu mir. Kommt rein. Ich habe Kuchen gebacken.“
Franziska ging nach dem eintreten in der Halle nach rechts in die Küche. Auch dieser Raum war mit viel Liebe eingerichtet. Der Tisch war mit buntem Porzellan gedeckt. Der Duft vom Käsekuchen erfüllte den ganzen Raum. „Setzt euch. Der Kuchen braucht noch einem Moment. Ich hatte viel später mit euch gerechnet. Wie war es an der Côte d’Azur?“
Patricia fing bei dem Routier in der Nähe von Avignon an zu erzählen. Hannes hörte nun die Erlebnisse aus ihrer Sicht. Franziska fragte und fragte. Natürlich antwortete Patricia auch sehr detailliert – was Hannes schon sehr peinlich war. Franziska sah ihn oft an und wusste das die Ausführungen ihrer Tochter ihm peinlich waren. Sie nahm seine Hand und sah ihn lächelnd an „Du machst Patricia glücklich!“
Hannes musste raus aus dieser Situation. Er fühlte sich am Küchentisch bei dem Gespräch der Frauen sehr deplatziert. Zumal Franziska und Patricia offensichtlich sehr offen über eben jene Frauenthemen sprachen, die ihm peinlich waren.

Ein schwarzer Labrador kam vom Garten durch die Terrassentür in die Küche. Der Hund begrüßte Patricia und kam dann neugierig zu Hannes.
„Sei vorsichtig, er beißt schon mal: sagte Patricia.
Der schwarze Labrador sah Hannes an und wedelte mit der Rute, er setzte sich und legte seine riesigen Pfoten auf sein linkes Bein.
„Cleo, no! Étre un bon chien“ schimpfte Franziska den Hund.
„Tout va bien – ist alles gut. Ich bin mit einem Schäferhund aufgewachsen.“
Cleo legte den Kopf auf das Bein von Hannes und wollte gestreichelt werden. Hannes kam dieser Aufforderung sehr gerne nach.
„Voulez-vous sortir?“ Bei diesen Worte von Hannes sprang der Hund auf und rannte durch die Terrassetür wieder in den Garten. Hannes folgte Cleo. Gott sei dank kam der Hund, sagte Hannes zu sich selbst als er auf der Wiese war. Cleo wollte spielen und brachte ständig sein Hundespielzeug. Hannes spielte und knuddelte mit Cleo auf dem Rasen.

Patricia kam mit Geschirr für den Kaffee und Kuchen in den Garten. Franziska brachte den Käsekuchen und eine große Thermoskanne. Nun war der Fluchtweg für Peinlichkeiten vollends abgeschnitten.
Zum Glück wurde bei Tisch der Roadtrip nicht mehr angesprochen.


Hammerwerfen mit einem Baum

„Allez, wir gehen mit dem Hund spazieren“ sagte Patricia nach dem sie Kaffee getrunken hatten.
Über den großen Rasen gingen sie rechts am Haus vorbei um auf die Einfahrt zu gelangen.
Als beide um die Hausecke waren, nahm Patricia seine Hand und hielt ihn fest „War es dir vorhin peinlich, was ist zu meiner .
Mutter sagte?“ „Oui! War es. Es ist ja gut, dass du den Sex unter der Dusche nicht erwähnt hast.“ „Oh, hatte ich vergessen“ und knuffte ihm gegen den Arm.
Cleo zog an der Leine wie eine Lokomotive. Als sie die letzten Häuser der nächsten Querstraße erreicht hatten und die Felder und Flure nur noch wenige Meter entfernt waren, machte Hannes die Leine ab und Cleo stürtmte wie eine Rakete los. Er rannte nach links und rechts über die Wiesen. Patricia hakte sich bei Hannes unter und legte ihren Kopf an seine Schulter. Es war ein schöner Moment mit ihr.
„Ich bin glücklich mit dir. Hannes, ich bin so glückliche.“
Er streichelte ihr über den Rücken und gab ihr einen Kuss „Ich auch.“

Cleo brachte ein Stock zu Hannes, wobei Stock etwas untertrieben war. Es war ein zweieinhalb Meter langer Ast von einer Birke. Cleo wollte das Hannes den halben Baum warf, damit er ihn apportieren konnte.
„Nun wirf doch endlich. Cleo hört sonst nicht mehr auf zu nerven.“ „Was meinst du, wie weit ich einen halben Baum werfen kann?“ „Mon dieu! Du stellt dich aber auch an! Mach es wie die Hammerwerfer. Drehen, drehen, drehen und dann weg damit. Du wirst hier auf der Wiese nix kaputt werfen.“ „Na gut.“ Hannes packte den bestimmt 15 Kilo schweren Ast mit beiden Händen und drehte sich zweimal um die eigene Achse und ließ dann in der Drehung das Monstrum los. Die geworfene Entfernung gab doch sehr zu wünschen übrig.
„Va encore! Reicht zwar nicht für Olympia – ist aber ausbaufähig.“
„Dankeschön. Ein Hammer bei Olympia wiegt auch nur die Hälfte.“ „Hab ich nicht gewusst. Siehste – trotz Abitur“
Patricia legte beide Arme um ihn und küsste ihn lange „Bleib bis morgen bei mir. Ich brauche dich.“

Völlig durchgeschwitzt kamen Patricia und Hannes zuhause an. Cleo wollte nicht ins Haus und legte sich im Garten unter einen der Ahornbäume. Franziska lag im Liegestuhl unter einem riesigen Sonnenschirm. Sie winkte ihnen zu „Ich möchte bald das Abendessen machen. Ich dachte an gefüllte Paprika.“ „Maman, attend une minute. Nous voulons prendre une douche rapide.“ „Wir?“ Fagte Hannes leise an Patricia gewandt.
„Wir!“ Mit diesen Worten zog Patricia ihn über die Terrasse in die Küche und dann die Treppe hoch in den zweiten Stock.


Sternbild der Cassiopeia

Patricia öffnete die Tür zu ihrem Zimmer. Ihr Zimmer war so groß wie manche Leute kein Wohnung haben. Ein riesiges halbrundes Bett stand nah dem große Panoramafenster. Der Blick aus dem Fenster war grandios, man sah die Felder und den Wald in der Ferne. Ein Schreibtisch stand links neben dem Fenster, der locker eineinhalb Meter breit und 2 Meter lang war. Ein riesiger Computerbildschirm fiel bei der Dimension von dem Schreibtisch kaum auf. Ein sechstüriger Kleiderschrank, eine Sitzecke mit Couch, ovalen Holztisch und zwei Sessel. Ein Fernseher und Stereoanlage stand in unmittelbarer Nähe der Sitzecke. Regale an zwei Wänden, die voll mit Bücher waren. Die Wände waren in weiß und eisenoxidrot tapeziert. Feinste Eichenholzdielen lagen auf dem Boden. Die Decke war unglaublich hoch und von Stuck, wie der Raum im Erdgeschoss, in diesem er am ersten Tag gesessen hatte.
Das Deckengemälde zeigte den Sternenhimmel der Cassiopaia.
Hannes betrachtet dieses Gemälde lange und sah dann zu Patricia „Das Sternbild der Cassiopeia? Die Königin, die den Zorn der Götter auf sich zog?“
Patricia schüttelte den Kopf „Nein! Also doch. Aber trotzdem nein.“ „Häää?“ „Meine Interpretation ist das Sternbild als sich. Cassiopaia rotiert um den Polarstern, welcher im Zentrum der Sternbewegungen steht und ist ein zirkumpolares Sternenbild. Was so viel heißt, dass ihre Sterne nie untergehen. Cassiopeia ist somit immer irgendwo am Himmel zu finden.“ „Aha. Wow.“ „Ja. Nun ist es gut mit an die Decke schauen, ich möchte mit dir duschen gehen.“

Patricia kramte in einem Sidebord rechts der Wand von ihrem Bett und zog aus zwei Schubladen neue Unterwäsche hervor.
„Nun komm ins Bad. Ich klebe und bin verschwitzt.“ „Auf einmal ist dir dies unangenehm?“ „Mon chérie, hatten wir Sex? No! Kommt aber noch!“ „Bist du immer so direkt?“ „Oui, chérie. Allez, la douche!“ Sagte sie befehlerisch.

Neben dem Sidebord war eine Tür die in das angrenzenden Badezimmer führte, in dem Hannes sich vor Tagen duschte, bevor sie an die Côte d’Azur aufbrachen.
Badezimmer war hierfür auch das falsche Wort – Baderaum oder eineinhalb Zimmerwohnung kam dem schon eher nah. Zwei große halbrunde Panoramafenster, eine Eckbadewanne, ein Spiegelschrank der fast 2 Meter lang war und natürlich zwei Waschbecken. Die Fliesen in diesem Raum waren an zwei Wänden dunkelblau und grau. Dazwischen immer wieder gebeiztes Eichenholz vom Fachwerk. Die beiden anderen Wänden waren in weiß gestrichen und das Fachwerk setzte sich mit seiner dunklen Farbe im Kontrast zum Putz ab.
Die Bodengleiche Dusche war rechteckig und trennte die Dusche mit einer circa zweieinhalb Meter langen Glasplatte vom Rest des Badezimmer ab. So brauchte man keine Tür für die Dusche. Die beiden anderen Duschwände waren mit gleichen Fliesen wie an den beiden anderen Wänden gefliest. Das Fachwerk an der einen Wand der Dusche war durch Glasscheiben geschützt.

Patricia war schon nackt und flutschte in die Duschkabine. Man konnte das Wasser so einstellen, dass es von oben oder von zwei Seite heraus kam. Hannes sah beim ersten mal die ganzen Knöpfe und hatte Mühe, diese so einzustellen, dass überhaupt Wasser kam.

Aus dem, komm-lass-uns-schnell-duschen-gehen, wurde es doch erheblich länger.
Patricia wollte Sex mit ihm in der Dusche und hatte mal wieder ihren Willen durchsetzen können.


Wegbeschreibung in den Keller

In der Küche half Patricia ihrer Mutter den Tisch decken.
„Hannes, würdest du bitte einen Weißwein in den Keller aussuchen gehen?“ Fagte Franziska „An der Treppe vorbei ist links eine Tür, dann rechts durch den Flur, wieder rechts und dann links.“
Mein Gott, war dies nun eine Wegbeschreibung durch einen Ort oder nur zum Keller, dachte er bei sich „Oui, Madame.“
„Findest du den Keller?“ Rief Patricia als er durch die Halle auf besagte Tür zuging. „Wenn ich in einer halben Stunde nicht zurück bin, kannst du mich suchen kommen. Ich könnte ja noch Mehl auf den Boden streuen, dann wird der Rückweg leichter – oder die Suchaktion.“ „Oui, mon chérie.“

Hannes traute seinen Augen nicht, als er durch die Tür neben der Haupttreppe ging.
In diesem Flur war noch eine Treppe im Haus, die man von der Halle überhaupt nicht sah. Dieser Flur und Treppe war nicht so prunkvoll wie die Treppe in der Halle – aber immerhin chic. Diese weitaus schmälere Treppe führte nach oben.
Vor dieser Treppe sah er links eine Tür, dies musste die Tür zum Keller sein. Er trat ein und sah seine Vermutung bestätigt. Vom einem Keller, wie er es kannte, war dieser Raum weit entfernt.
Regale mit Lebensmittel und Getränke standen links der Tür an der Wand. In diesem Raum war eine komplette Küche eingebaut. Hannes schätze das Baujahr von dem Mobiliar der Küche auf Mitte der 60er Jahre. Diese Küche war um einiges größer als jene aus der er eben losgeschickt wurde. Die Türen der Schränke waren in blassrosa und türkis pastell lackiert. Er fühlte sich in die Zeit der Liselotte Pulver Filme zurück versetzt. Bis aus einen riesigen modernen Gefrierschrank glich dieser Raum einem Museum. Selbst die Kücheutensilien waren im Stil dieser Jahre.
Das Regal mit dem Wein war weitaus moderner und stand von der Küche aus gesehen, links an der Wand. Auf sieben Etagen konnten je12 Flaschen Wein gelagert werden. Das Weinregal war über dreiviertel mit den verschiedensten Sorten gefüllt. Er sollte Weißwein bringen. Selbst da blieb die Frage offen nach welchem Wein? Lieblich oder Trocken. Frankreich, Italien oder Deutschland?
„Ene mene muh und getrunken wirst du.“ Er zog einen 84er Riesling-Kabinett aus der Pfalz aus dem Regal. „Yes, that’s right, sagte er beim Anblick von dem Etikett. Es war ein Wein von einem Winzer aus der Nähe von Landau.

Zurück in der Küche zeigte er Franziska das Etikett und fragte, ob dies ihrem Wunsch entspreche.
„Excellent. Guter Wein. Lieblich mit einer leichten Süße. Passt super zum Essen. Ich denke in fünf Minuten ist der Paprika auch fertig.“

Er stand am Küchenfenster und schaute in den Garten, wo Cleo auf dem Rasen lag. Patricia kam in die Küche und stellte sich hinter ihn. Sie legte ihre Arme um seine Taille und ihr Kinn auf seine rechte Schulter. Patricia gab ihm einen Kuss an den Hals und sagte leise „Je t’aime, mon chérie“
Er streichelte mit der linken Hand ihre Wange „Je sais. Je sais.“

Nach dem Abendessen saßen sie zu dritt im Wohnzimmer. Dieser Raum war links neben dem mit der Schiebetür. Auch im Wohnzimmer waren Eichenholzdielen verlegt. Die Wände waren in einem pastellfarbenen mint, weiß und grau
tapeziert. Große Fotos von der Familie, Landschaften und Kunst hingen an den Wänden. Eine große orangefarbene L-Couch mit zwei Sessel und Glastisch stand einer großen modernen Wohnwand gegenüber. Links von dem Sofa war eine circa vier Quadratmeter große Kakteenlandschaft im Stil von Wild West Filmen aufgebaut. Die Landschaft sah aus wie eine Modelleisenbahn Anlage – nur eben ohne Eisenbahn.

Hannes saß mit Patricia auf der Couch. Sie lag der Länge nach auf der Couch und hatte ihren Kopf auf seinem Schoß. Franziska saß beiden im Sessel gegenüber und Cleo lag bei Hannes an den Füßen.
Beim Wein und Snacks hatten sie Gespräche über viele Themen.
„Cleo mag dich. Es wundert mich sehr, dass er bei dir liegt. Er braucht lange bis er zu Fremden kommt“ sagte Franziska.
„Ich bin mit einem Schäferhund aufgewachsen. Wir hatten schon alles mögliche an Tiere im Elternhaus. Nun ist es nur noch eine Volière mit Kanarienvögel und Wellensittiche. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir im Haus keine Tiere hatten.“ „Erzähle uns von deinem Elternhaus“ sagte Patricia.

Hannes erzählte von seinem Elternhaus. Das sein Vater bis vor einigen Jahren immer auswärts gearbeitet hatte und nun bei einer Firma in Idar-Oberstein sei. Zu seinen beiden älteren Schwestern habe er guten Kontakt und trotz deren Partner, das Elternhaus noch groß genug sei.

Es war kurz vor Mitternacht als Franziska sich für die Nacht verabschiedete „Ihr lieben, ich gehe ins Bett. Ich wünsche euch eine angenehme Nacht.“ „Gute Nacht, Franziska.“ „Bonne nuit maman.“


Angenehme oder Gute Nacht

Hannes lag mit dem Rücken auf dem riesigen halbrunden Bett und schaute an die Decke. Es schaute sich das Sternenbild von Cassiopaia an und fragte sich, ob dies ein Foto oder Malerei sei. Die nächtlichen Farben von diesem Himmelsbild waren faszinierend. Von antikblau über blauschwarz, blauanthrazit bis schwarz war so ziemlich alles dabei. Die Sterne hatten unterschiedliche weißtöne oder lichtgelb, blasgelb bis hin zu orange.

Patricia kam in einem roten Negligee aus dem Bad und trug ein Parfüm das ihm die Sinne nahm. Sie setzte sich im Reitersitz auf ihn, beugte sich zu ihm und küsste ihn lange und innig.
„Oh chérie, an was denkst du schon wieder?“ „Zu vieles. Mein Kopf dreht sich seit Tagen um tausend Dinge.“ „Hör doch auf über tausend Dinge zu denken. Es gibt nur zwei Dinge: dich und mich!“ „Oui, du hast recht. Trotzdem kann ich mein Hirn nicht ausschalten wie das Licht.“
Sie küsste und streichelte ihn wieder sehr innig und ihre Berührungen waren erotik pur. Mit einem Ruck setzte sich auf und boxte ihn in die rechte Seite „Du sollst aufhören zu denken!“ „Was meinte deine Mutter vorhin, als sie sagte, sie wünscht uns eine angenehme Nacht?“
Völlig irritiert sah sie ihn an „Was? So sagt man, wenn man ins Bett geht oder sich am Abend verabschiedet.“ „Es ist ein Unterschied, ob ich eine „Angenehme“ oder „Gute“ Nacht wünsche.“
Patricia boxte ihn wieder „Mon dieu! Du hast Probleme! Ich will jetzt mit dir schlafen und dies angenehm und auch gut. Compris?“


Gedanken an Erwartungen

Am Sonntagmorgen um 8 Uhr saß Hannes mit Cleo und einer Tasse Kaffee im Garten. Franziska kam vom Joggen und fragte wo Patricia sei.
„Sie wollte mit dem Fahrrad zum Bäcker fahren.“ „Très bien.“
Franziska setzte sich zu ihm an den Gartentisch und sah ihm in die Augen „Hannes, was ist los mit dir? Seit eurer Ankunft bist du immer so nachdenklich. Jungs in deinem Alter sind nicht so. Schau, wie glücklich meine Tochter mit dir ist.“
„Ich weiß. Seit Avignon hat sie sich verändert. Am Bostalsee war sie ruhig und reserviert – dies ist jetzt nicht negativ gemeint. Seit Avignon ist sie ganz anders, sie ist quirliger, lacht und springt umher. Ich habe Angst dass ich sie enttäusche oder ihre Erwartungen nicht erfülle kann. Ich hatte gestern Abend von mir und meinem Elternhaus erzählt. Dies hier, ist eine ganz andere Liga. Patricia ist eine andere Liga.“
Franziska nahm seine Hand „Das Haus ist schön, da gibt es keinen Zweifel. Es war das Haus von meinen Schwiegereltern. Wir haben es geerbt. Die Unterhaltung ist teuer und für uns auch nicht leicht. Ich bin Lehrerin am Gymnasium in Thionville und verdiene keine Millionen Franc. Es ist doch nur ein Haus, welches auch für uns kleine Familie sehr viel Arbeit macht. Wir haben keine Bediensteten, wie dies noch bei meinen Schwiegereltern war.“ „Daher die andere Treppe und die Küche. Dann waren oben unter dem Dach bestimmt die Zimmer oder Wohnung für das Gesinde.“ Franziska nickte anerkennend „Ich merke, du bist nicht dumm.“ „Merci beaucoup. Ich hab mich schon gewundert, dass es im zweiten Stock nicht weiter geht und von hier sehe ich drei Stockwerke.“ „Ja, du bist nicht dumm. Den einzigen Luxus den wir uns gönnen, ist eine Gartenpflege Firma und zwei Mal die Woche kommt eine Haushaltshilfe. Ich würde dies alleine nicht schaffen. Bernhard ist monatelang in Asien oder Westafrika unterwegs. Hannes, Patricia liebt dich, mehr zählt doch nicht. Du machst auf mich einen klugen, freundlich und sehr netten Eindruck. Ich unterrichte die Oberstufe und glaub mir, denen bist du in deinem Verhalten um Lichtjahre voraus.“

Patricia kam mit einer großen Tüte Croissants und Baguette aus der Küchentür in den Garten „Très bien, wir frühstücken heute im Garten.“ Sie kam um den Tisch, umarmte Hannes von hinten, küsste ihn an den Hals und sagte leise „Danke für die angenehme und gute Nacht.“
Franziska grinste, erhob sich und wollte vor dem Frühstück noch duschen.

„Machst du dies extra?“ Fagte er lauter und genervter als es eigentlich sein sollte. „Was ist denn nun schon wieder, oh Monsieur?“ „Musst du mich so vor deiner Mutter hinstellen?“
In Windeseile kam sie um den Stuhl, sprang ihm auf den Schoß und boxte ihn. Links, rechts, links, rechts, gab ihm einen Kuss und boxte weiter „Ich bin glücklich. Ich liebe dich. Bin verrückt nach dir. Darf ich nicht glücklich sein? Darf ich dich nicht lieben?“ Sie boxte nochmals.
„Doch. Natürlich. Aber musst du der ganzen Welt sagen, dass wir Sex hatten?“
„Oui, mon chérie. Ich würde sogar einen Banner an ein Flugzeug hängen und über Lothringen fliegen lassen: Ich-hatte-eine-angenehme-und-gute-Nacht.“ „Für einen solchen Banner ist Lothringen zu klein.“
Sie küsste ihn „Chérie, Geographie ist nicht unsere Stärke“ sie gab ihm noch einen Kuss, wuschelte seine Haare und ging in die Küche.

Teil I Kapitel 9 Aufbruch nach Kambodscha

„Manchmal wünschte ich, ich könnte in dein Hirn schauen!“


„Same procedures as last night, Miss Patricia?“

Nach Weihnachten fuhren Hannes und Patricia noch nach Deutschland zu seinen Eltern. Die Verabschiedung war, wie zu erwarten, sehr Emotional und Hannes war hin und her gerissen. Zum einen war es ein Abschied für zunächst drei Monate und zum anderen war es eine Ungewissheit in ein völlig neues Leben. Er wollte diesen Schritt gehen und wusste nicht was auf ihn und Patricia in Kambodscha zu kommen wird.

Vom Hunsrück fuhren sie noch in die Pfalz nach Annweiler, um sich auch von Patricia’s Großeltern zu verabschieden. Wie zu erwarten war, hatte die Oma viel geweint und immer wieder gesagt, Patricia sollte sich diesen Schritt doch noch einmal überlegen. Patricia war sichtlich genervt von dem ständig gleichen Thema und so wurde der Aufenthalt in der Pfalz doch erheblich kürzer als sie es eigentlich geplant hatten.

An Silvester wollte Patricia nichts unternehmen. Sie wollte auch auf keine Feier von ihren Freunden gehen. Hannes war es egal, denn es begann nur ein neues Jahr im Kalender. So saßen sie alleine in dem riesigen Haus im Zimmer von Patricia und schauten Fernsehen. Sie lachten Tränen bei „Dinner for one“. „Same procedures as last year, Miss Sophie?“ Patricia kuschelte bei ihm auf der Couch und hatte ihren Kopf auf seinen Beinen liegen.
„Chérie, ich bin die glücklichste Frau auf der Welt! Du bist seit vier Wochen täglich bei mir und kein Tag war wie der andere. Je t’aime pour toujours. Ich will jetzt mir dir schlafen.“ „Same procedures as last night, Miss Patricia?“
Sie boxte ihn.

Am 2. Januar 1990 kamen Franziska und Bernhard aus Fréjus zurück. Sie sahen anders aus – erholter und verliebter. Nun kannten auch sie die Magie von diesem wunderschönen Haus in der Rue Jean Bacchi. Dieses Haus hatte Magie auf eine besondere Weise, die man nicht erklären und schon gar nicht begreifen konnte. Eigentlich waren es nur aufeinander gesetzte Steine und trotzdem etwas ganz Besonderes. In einem solchen Haus zu leben, wäre sehr schön. Kinder sehen, wie sie in einer solchen Umgebung aufwachsen und morgens von den schönsten Farben dieser Welt geweckt würden. Kinder. Wird Hannes jemals Kinder haben? Wird er jemals das Glück spüren, wie es ist Vater zu sein? Ist die Leukämie von der Mutter genetisch übertragbar? Könnte er so etwas für sein Kind verantworten? Er wusste es nicht. Diese Fragen war schon seit einiger Zeit in seinen Gedanken. Wird die Forschung und Medizin in ein paar Jahren so weit sein, um Leukämie einzudämmen? Wie viele Silvester wird er mit Patricia noch zusammen erleben können? Diese Gedanken in seinem Kopf waren eine tägliche Achterbahnfahrt und er wusste nicht mit wem er darüber reden könnte.


Die Abschiedsparty

Für den 6. Januar organisierte Hannes eine kleine Abschiedsfeier mit den Freunden von Patricia. Er lud Claude, Cosima und Yvonne ein. Mit ihnen hatte er in den letzten Monaten gerne zu tun. Seit der Entschuldigung von Cosima sah er sie in einem völlig anderen Licht. Ohne Frage war Cosima die schönsten Frau die er jemals getroffen hatte, aber eingebildet oder gar arrogant war sie nicht. Auch Yvonne zeigte sich seit dem Geburtstag von Patricia ihm gegenüber ganz anders. Sie hatte begriffen, dass ein Abitur nicht für den Charakter von einem Menschen steht. Claude wurde seit dem Geburtstag von Patricia zu einem der besten Freunde von Hannes. Claude war Claude: bodenständig, offen und geradeaus. Auch er war über die Freundschaft von Hannes sehr froh und beide konnten sich so einigen Kummer von der Seele reden oder auch schon mal trinken.
Franziska kannte Claude von der Schule und auch die Umstände in seinem Elternhaus. Sie war froh, dass Claude so oft zu ihnen kam und er und Hannes so gute Freunde wurden.

Da sich die Abschiedsparty bei den ehemaligen Schulfreunde herumgesprochen hatte, kamen auch noch Laura, Jasmin, Marco, Benjamin und noch ein halbes Dutzend andere Schulfreund vorbei.
Im Zimmer von Patricia wurde es mit 15 Personen recht eng. Mit Claude schleppe Hannes noch Tische und Stühle vom Gesindestock ins Zimmer.
Die Freunde bewunderten den Weihnachtsbaum und natürlich auch das Bild von Peter. Laura musste natürlich ihren Kommentar zu dem nicht fertigen Bild von sich geben, was Hannes ignorierte. Patricia lies dies nicht so stehen und sagte Laura, dass dieses Bild vollkommen und somit ein einmaliges Kunstwerk sei.
Claude brachte vier Flaschen von dem guten Rosè mit, den beide vor Weihnachten ausgiebig in der Cafeteria im Super Marché getestet hatten.
Claude erzählte den Freunden die Geschichte von der Cafeteria und alle brüllten vor lachen, nur Patricia war not amused. Yvonne nahm Patricia in den Arm „Tricia, nun nimm dies doch nicht so ernst! Die beiden verstehen sich super und wenn sie mal besoffen sind, dann ist das eben so. Wir alle in diesem Raum kennen uns schon seit Jahren und seien wir auch mal ehrlich, wer von uns hatte in diesen Jahren eine solche Freundschaft zu Claude wie es Hannes hat?“
Hannes hielt die Luft an. Wo wird diese Aussage von Yvonne hinführen? Schweigen im Raum.
Yvonne traf es schließlich auf dem Punkt „Muss ein Deutscher uns zeigen, wie Freundschaft sein kann? Ich bin ehrlich zu euch. Ich hatte Hannes im Sommer beim campen getroffen und ein völlig falsches Bild von ihm gehabt. In den letzten Monaten habe ich mich viel mit ihm unterhalten und bin dankbar für diese Zeit. Viele in diesem Raum hatten über Hannes und Patricia geredet – aber nicht mit ihnen.“
Hannes sah an den Gesichter der Gäste wer sich angesprochen fühlte.
Cosima und Claude waren die ersten die nickten.
„Ich stimme Yvonne voll und ganz zu“ sagte Cosima „Ich hatten einen großen Fehler gemacht und dabei fast die Freundschaft zu Patricia aufs Spiel gesetzt. Hannes hätte den wohl größten Grund mich nicht auf diese Party einzuladen und trotzdem tat er es.“ Cosima hatte Tränen in den Augen „Ich wünschte, ich könnte diesen Fehler rückgängig machen.“
Hannes stand vom der Couch auf und ging zu Cosima, die auf einem Küchenstuhl saß und nahm sie in die Arme „Es ist vergessen. Cosima, lass uns nicht an das Vergangene denken.“
Yvonne saß links von Cosima und streichelte Hannes den Arm.

Die Stimmung war nun nicht die von einer Party und Hannes wollte nicht, dass dies so bleibt.
„Leute, ihr seid hier um mit uns eine Party zu feiern und nicht um sich gegenseitig Vorwürfe zu machen. Ich habe in Frankreich neue Freunde gefunden und bin dankbar dafür. Was war, können wir nicht ändern – was kommt schon. In wenigen Tagen werde ich mit Patricia einen Weg gehen, den wir beide nicht kennen. Was uns in Südostasien erwartet wissen wir nicht. Lasst uns nun diese gemeinsame Zeit genießen. Im April sind wir wieder zu Hause und dann haben wir entweder viel gutes oder schlechtes zu erzählen. Claude, ich habe durst.“ „Sofort mein Freund“ und Claude schenkte zwei Gläser Wein ein.

Es wurde ein schöner Nachmittag und Hannes war froh in dieser Runde, dass er nicht mehr als „DER Deutsche“, „DER Andere“ angesehen wurde. Mit Yvonne und Claude saß er lange zusammen und hatte schöne Gespräch mit ihnen. Patricia sprach sehr viel mit Cosima. Hannes wie auch Yvonne merkten dies und Yvonne streichelte das Bein von Hannes und lächelte ihn an „Fehler sind da um zu verzeihen.“
Hannes nickte ihr zu „Ich weiß. Cosima war die Tage hier gewesen und wir haben es geklärt.“

Cosima setzte sich zu der kleinen Gruppe von Claude, Hannes und Yvonne dazu. „Hannes, ich möchte mich noch einmal bei dir bedanken. Yvonne kennt deine Reaktion
mir gegenüber aus dem Super Marché und bin auch ihr dankbar für ihr verzeihen. Du hast eben wieder deinen Charakter gezeigt. Danke dafür.“ „Cosima, du Engel aus dem Orient, Charakter hin oder her, ich möchte keinen Streit haben. Wir sind doch gebildete Menschen, ihr natürlich mehr als ich, und so sollten wir uns auch verzeihen können. Ich bin froh, dass du und Patricia euch ausgesprochen habt. Eine Freundschaft sollte an so etwas nicht kaputt gehen.“
Yvonne nickte ihm zu und Cosima hielt seine Hand „Du sagst immer so kluge Worte. Ich verstehe gar nicht, dass du dich immer so klein machst.“
Claude schenkte Cosima und Yvonne ein Glas Wein ein.
„Schaut euch Claude an. Er passte nicht in eure Klasse, von reichen Eltern, Ärzte, Rechtsanwälte oder Unternehmer. Yvonne hatte es vorhin treffend gesagt, Claude und ich sind Freunde und darauf bin ich sehr stolz. Nicht die Güter bestimmen über einen Menschen, sondern das Herz und Charakter.“ „Ich mag dich auch, du Deutsche Kartoffel. Ich werde dich vermissen! Du warst von Anfang an freundlich, nett und ehrlich zu mir. Auch wenn ich in Frankreich lebe, habe ich wenig Freunde hier. Nun geht einer der besten auch noch weg.“
Hannes sah zu Cosima und Yvonne bei diesen Worten von ihm „Claude, ich bin nicht aus der Welt! Ich komme doch wieder zurück.“ „Mit wem soll ich denn nun Billard spielen oder ein Bier trinken gehen?“
So hatte Hannes die Freundschaft zu Claude noch nie gesehen. Jetzt erst redete er darüber.
„Claude, ich weiß wie es ist, nicht dazuzugehören, nicht so zu sein, wie andere es sind. Du hast dir deine Eltern nicht ausgesucht. Du hast trotzdem dein Abitur gemacht und hast angefangen Geologie zu studieren. Ich habe dies alles nicht. Ich war immer nur der Klassenkasper. Heute würde ich auch vieles anders machen. Ich habe mir vieles selbst verbaut. Nun habe ich eine Chance dies nachzuholen. Ich weiß nicht, was mich in Kambodscha erwartet. Ich werde es sehen. Vielleicht mache ich nur den Handlanger und bin unglücklich über diese Arbeit. Was dann? Komme ich nach drei Monate zurück und gehe wieder nach Deutschland in meinen alten Beruf? Ich gehe nach Kambodscha, weil Patricia nicht studieren möchte und mit ihrem Vater nach Kambodscha geht. Ich sehe dies als eine Chance für mich und gehe mit.“ „Ich dachte immer du möchtest unbedingt nach Kambodscha“ sagte Cosima verwundert.
„Ja, dies ist auch so. Ich will oder möchte Bildung für Kinder. Ja, dies ist mein Traum. Ich kann kein Lehrer werde, dafür müsste ich zum einen Abitur haben und zum anderen studieren. In Länder wo die Bildung nicht all zu hoch ist, bin ich der König unter den Blinden.“
Cosima schüttelte den Kopf „Sag so etwas nicht! Auch wenn wir uns selten gesehen haben, weiß ich, dass du kein Kasper bist und es nie warst. Du redest schon sehr gut französisch und dein Umgang mit Menschen hat Größe!“
Claude und Yvonne nickte anerkennend den Worten von Cosima zu.
„Dankeschön. Ich mag euch alle sehr. Ihr seid gekommen um euch von Patricia und mir zu verabschieden. Von meinen Freunden aus Deutschland kam niemand. Ich habe alles aufgegeben für meine Liebe. Meine Familie, meine Freunde und sogar meine Heimat. Wobei ich meinen Freunden offensichtlich ziemlich egal zu sein scheine.“
Yvonne nahm seine Hand „Du hast Freunde denen du nicht egal bist.“
Cosima und Claude nickten.
„Komm nach Frankreich und lass die Kartoffelesser zurück“ „Claude, habe ich dies nicht schon längst?“
Alle sahen sich wortlos an.
„Ich wurde von euch, den Freunden und Klassenkameraden von Patricia, akzeptiert und trotz ein bisschen geholper sind wir nun Freunde. Ich fand in euch neue Freunde. Mir fällt der Abschied genau so schwer wie euch.“


Die Eifersucht von Patricia

Am späten Abend gingen die Freunde nach Hause. Es war nicht die typischen Verabschiedung von einer Party: Ciao, Tschüss, Au revoir, wir sehen uns Morgen auf ein Bier oder Cappuccino.
Man würde sich längere Zeit nicht sehen. Wenn Hannes nicht mit Patricia nach Kambodscha gehen könnte, wüsste er nicht wie er damit umgehen sollte. Eine Woche waren schon 168 Stunden. Dies mal Monate! Wie wird dieses fremde Land für beide sein? Sie laßen über Kambodscha nur in Bücher oder das was Bernhard oder Stephane erzählten. In vier Tagen würden sie es wissen.

„Braucht der Herr noch eine Aspirin oder ist der Kopf noch klar?“ Patricia lag mit einem atemberaubenden weißen Negligee links neben ihm im Bett.
„Alles gut, Prinzessin.Wir hatten den Wein diesmal nicht alleine getrunken. Du bist eine wunderschöne Frau. Ich kann mich gar nicht satt sehen an dir.“ „Oh, da hab ich ja noch Glück, dass du noch Hunger hast“ sagte sie spitz.
„Was soll dies nun? Nur weil Cosima sich bei mir bedankte? Nur weil ich mit ihr geredet habe? Ja, Herr Gott, sie ist verdammt schön. Ich behaupte, sie ist die schönste Frau in Frankreich – kann auch nicht so sein! Patricia, was nützt ihr diese unglaubliche Schönheit, wenn sie in ihrem Herzen einsam ist?“ Sagte Hannes gereizt.
„Tut mir leid! Ich wollte dich nicht verärgern“ und legte ihren Kopf auf seine Brust und streichelte seinen Bauch.
„Ich wusste nie, dass Claude in mir einen so guten Freund sieht. Was er vorhin sagte, hat mir schon sehr weh getan.“ Patricia sah ihn fragend an.
„Er sagte, dass er mich vermissen würde und das ich für ihn ein guter Kumpel sei. Nun wüsste er nicht mit wem er Billard spielen sollte. Ich werde dies aber noch vor unserem Abflug machen. Ich mag ihn sehr.“ „Tu dies. Er ist dein Freund. Dies ist es was dich von allen anderen Menschen auszeichnet, du kümmerst dich um andere. Dafür liebe ich dich jeden Tag mehr.“


Eine Geschichte über das Leben

Patricia packte die Koffer. Was nimmt man mit? Was braucht man nicht? Es ist gar nicht so leicht einen Koffer für drei Monate zu packen. Natürlich kann man in jedem Land dieser Welt Kleider und Schuhe kaufen, man hat aber auch seine eigene Garderobe – seine Lieblingskleider und Schuhe.
In einem Entwicklungsland erübrigt sich vieles an dem sonst oft schwierigen Fragen. Welche Schuhe zu welchem Oberteil? Welches Hose oder Rock zu diesem oder jenen Oberteil? Hannes fand dies ganz praktisch. Schrank auf, Hose und T-Shirt raus, Schrank zu. Fertig! Frauen denken da anders. In der Zeit wo Patricia ihre Garderobe ausgesucht hatte, hätte er locker 2000 Quadratmetern Rasen mähen können. Sagte er dann etwas von wegen Zeitplan oder man könnte doch endlich mal…, wurde er öfter von ihr geboxt. Ja, so sind die Frauen. Aber wehe man trinkt in der Cafeteria mal Wein. Trotz allem liebte er diese kleine quirlige Person.

Hannes traf sich mit Claude zum Billard spielen in Zentrum von Thionville. Es machte mal wieder sehr viel Spaß, bei Bier, guten Gespräche und einige Partien Billard, die Zeit zu genießen.
„Warum hast du angefangen Geologie zu studieren, hat dies einen bestimmten Grund?“ Fragte Hannes beim Spiel.
„Oui, mein Freund, hat es. Steine reden nicht! Steine ist es egal wer oder was du bist.“
Hannes legte den Queue auf den Billardtisch und schaute Claude fassungslos an „Wer oder was du bist? Claude, was soll das? Du bist ein toller Mensch. Du musstest zu viel alleine machen und hast dein Ziel erreicht. Jetzt erzähle ich dir einen Geschichte. Lass uns setzten, denn es wird etwas länger werden.“

Beide setzten sich an den kleinen Bistrotisch in der Nähe von ihrem Billardtisch.
„Es war im Oktober letzten Jahr“ begann Hannes „Ich traf Cosima in Yutz im Super Marché. Wir kamen ins Gespräch – nichts besonderes allgemeine Dinge eben. Sie ging mit mir durch die Regalreihen und machte mit mir den Einkauf. Danach sind wird in die Cafeteria gegangen. Irgendwann fing sie an über mich und Patricia zu reden. Als sie dann sagte, ich sollte es mir mit Particia überlegen, da sie schließlich Leukämie hat, hätte ich fast in ihr schönes Gesicht hinein geschlagen.“
Claude riss die Augen auf.
„Sie hatte Yvonne am gleichen Abend ein völlig falsches Bild von mir gegeben und diese Unterhaltung mit einer Lüge verbreitet, um mich und Patricia auseinander zu bringen. Als ich dies mitbekommen hatte, war ich böse und auch enttäuscht von ihr. Vor Weihnachten traf ich sie wieder. Ich wollte es klären, geraderücken und aus der Welt schaffen – dies ist mir auch gelungen. Cosima ist mit Abstand die schönste Frau die ich je gesehen habe. In ihrem Herzen ist sie sehr einsam. Natürlich möchte jeder Mann dieser Welt mit ihr schlafen. Nur ist der Sex nicht die Liebe. Ihre unglaubliche Schönheit ist der Preis, weswegen sie einsam ist. Die Männer die Cosima an der Hand halten, geben mit ihr an. Sie prahlen mit einer solchen Schönheit Sex zu haben – oder wünschen es sich. Claude – schau bei all dieser Schönheit von Cosima ihr in die Augen. Beim ersten Blick in diese wunderschönen Augen könntest du auf die Knien fallen. Beim zweiten Blick siehst du es. Auch ihr habt alle ein falsches Bild von ihr. Sie liegt nicht mit jedem Mann im Bett oder lässt sich aushalten wie eine Laura Poyet.“
Claude stand der Mund offen, bei dem was Hannes sagte „Soll dies wahr sein?“ Hannes nickte „Cosima hat iranische Wurzeln, auch wenn sie in Frankreich geboren ist, kann sie nicht dieses freizügige Leben führen, wie viele glauben. Ihr Vater würde sie in den Iran schicken. Und was dort für Sitten sind, muss ich dir nicht erklären.“ „Woher weißt du dies alles?“ „Sie hat es mir gesagt.“
Claude sah ihn immer noch fassungslos an „Dies glaube ich jetzt nicht! Und ich dachte immer sie wickelt jeden Mann um den Finger und bekommt alle Wünsche erfüllt.“
Hannes nickte langsam „So dachte ich auch. Du siehst, es ist nicht so.“ „Jetzt verstehe ich, was sie meintet, als sie sagte, du hättest allen Grund sie zu hassen und jetzt verstehe ich auch die Worte von Yvonne.“ „Genau. Nun mach du dein Ding und studiere die Steine dieser Welt. Und noch etwas – Steine können auch reden.“ Claudes irritierter Blick sprach Bände. „Schau dir Steine genau an. Ihre Form, Farbgebung und Beschaffenheit. Sie sprechen mit dir. Wo ich herkomme gibt es sehr viele Drusen. Jede ist aus dem gleichen Quarz und trotzdem ist jede ein Unikat. Du, ich, Patricia, Cosima wir alle sind gleich und trotzdem Unikate.“ „Danke mein Freund. Danke für deine Worte und Freundschaft.“ „Lass uns noch ein Bier trinken.“


Paris, Charles de Gaulle am 9. Januar 1990

Franziska fuhr mit nach Paris zum Flughafen. Der Flughafen von Luxemburg ist von Thionville nur einen Steinwurf entfernt, machte aber wenig Sinn, denn der Flug von Luxemburg nach Bangkok führte über Paris und man hätte auf dem Charles de Gaulle 7 Stunden Aufenthalt. Von Frankfurt gab es auch Nonstop Flüge nach Bangkok. Es bleibt sich also gleich in welche Richtung man fuhr.

Der Charles de Gaulle ist ein sehr großer Flughafen. Hannes war noch nie geflogen und von daher war für ihn jeder Flughafen groß.
Der Abschied fiel Franziska sichtlich schwer. Wie wird es für sie sein, wenn ihr Mann mal wieder drei Monate weg ist? Ist die Liebe nach so vielen Jahren eine andere? Er wollte dies nie fragen, obwohl es ihn interessierte. Ist die Liebe die gleiche wie bei ihm und Patricia? Er dachte an die Sonntage wenn er nur von Lothringen zurück ins Nahetal fuhr. Wie schlimm die ersten Kilometer für ihn waren. Der Weg nach Hause war irgendwie immer länger, als der Weg zu ihr. Das Raum-Zeit-Kontinuum sollte er doch mal erforschen. Oder das Liebe-Zeit-Kontinuum. Vielleicht wird so etwas ja mal nach ihm benannt? Der Halley’sche Komet wurde ja schließlich auch nach seinem Entdeckter benannt.

Patricia wedelte mit ihrem Pass und Ticket vor ihm herum „Erde an Hannes.Hallo? Wir sollten mal zum Gate gehen. An was hast du mal wieder gedacht.“ „Nix besonderes. An das Raum-Zeit-Kontinuum und den Halley’schen Kometen.“
Sie blieb abrupt stehen und schaute ihn Kopfschüttelnd an „Manchmal wünschte ich, ich könnte in dein Hirn schauen.“
Er gab ihr einen Kuss, legte seinen Arm um ihr Hüfte und ging mit ihr zum Gate.


Auf nach Südostasien

Mit der Thai Air ging es von Paris nach Bangkok in über 11 Stunden.
Hannes konnte noch nie im sitzen schlafen. Was macht man also? Die Magazine die vor ihm im Sitz steckten konnte er schon rückwärts lesen. Das Fernseheprogramm im Flugzeug war nicht das, was einen hohen Stellenwert der Unterhaltung bot. Interessant war eine Dokumentation über die Herstellung von Champagner.
Patricia schief neben ihm. Sie hielt seine Hand fest und sah friedlich und zufrieden aus. Auch Bernhard hatte die Augen geschlossen und schlief.

Die Stewardess fuhr mit einem Wägelchen durch die Reihen. Sie fragte, ob er etwas trinken möchte. Gerne. Eine große Auswahl an Getränke zählte sie auf. Beim Wein sagte er stopp.
Der Rosè war durchaus sehr lecker.
Die nette Dame kam noch öfters mit ihrem Wägelchen vorbei. Irgendwann fragte sie gar nicht mehr nach seinem Wunsch und griff gleich zur Flasche. Sie hätte diese auch eigentlich bei ihm stehen lassen können. Wie gut das Patricia schlief. Irgendwann wurde das Abendessen serviert. Patricia wurde wach. Die überaus nette Stewardess schenkte Hannes Rosè ein, ohne zu fragen. Der Blick von Patricia sprach Bände!


Bangkok, Don Mueang International Airport. Mittwoch, 10. Januar 1990. 6.20 Uhr Ortszeit

Der Don Mueang Airport in Bangkok war ein in die Jahre gekommener Flughafen. Hannes schätze das der Flughafen in den 60er oder frühen 70er Jahren gebaut wurde. Die Plastikstühle in dem Gebäude waren hellrosa und auch sonst wurde viel Plastik in der Flughafenhalle verbaut. Er wurde das Gefühl nicht los, dass ihn alles in diesem Gebäude an die Käse-Igel aus roten und weißen Hartplastik erinnert, welche in den 70er Jahren überaus modern und beliebt waren.
Nachdem sie ihr Gepäck hatten, setzten sich die drei auf eben jene hellrosa Plastikstühle. Nicht nur das die Dinger komisch aussahen – sie waren auch noch unbequem dazu.
Der Weiterflug nach Phnom Penh würde erst in einigen Stunden sein. Mehrere Stunden auf diesem Plastik zu sitzen kam jeder Folter gleich.
„Chérie, lass und doch etwas laufen. Ich kann in einem solchen Folterstuhl nicht sitzen“ sagte Patricia.
Bernhard wollte nicht mit gehen. Er blieb beim Gepäck und las in einen Buch.

Dies also war Asien: rosa Plastikstühle.
In dem riesigen Terminal war es angenehm kühl und Hannes dachte, ist ja gar nicht so schwülheiß wie erwartet – bis die Schiebetür vom Terminal aufging! Sofort schlug ihm eine Schwüle entgegen, die einem die Luft zum atmen nahm. Er sah mit erschrockenen Augen Patricia an, auch ihr blieb für den Moment die Luft weg. Sie zog ihn an der Hand wieder zurück ins Terminal.
„Wir werden uns wohl daran gewöhnen müssen. Lass uns noch die kühle Luft hier drinnen genießen.“
Hand in Hand gingen beide durch das Flughafengebäude.
„Prinzessin, dies hier ist alles unglaublich. Vom Stausee im Saarland nach Fréjus und nun Südostasien. Wir haben in unsere kurzen Liebe schon mehr erlebt, als manche in ihrem ganzen Leben nicht!“ „Oui nous avons. Je ne regrette pas un jour“ sie gab ihm einen Kuss.
„Ich bereue auch keinen einzigen Tag, meine Prinzessin.“

Im Flughafen gab es hier und da kleine Shops wo man essen konnte. Blöd, wenn man kein thai lesen kann. Sie suchten sich etwas aus, was auf dem Foto über der Theke ganz gut aussah und brachten dies dem Koch hinter dem Tresen auch irgendwie bei.
Das Essen war super lecker. Gemüse mit Bambus und Sojasprossen. Dazu Hähnchenfleisch mit Kokosmilch.
Das Landei aus dem Hunsrück in der großen weiten Welt. Er hat es so gewollt. Mit Patricia würde es an jeden Punkt dieser Welt gehen.
Patricia hat ihm mit ihrem Ellbogen an den Arm gestupst und sah Hannes fragen an „Denkst du schon wieder an den Halley’schen Kometen?“ „Non, Prinzessin. Ich denke an dich. An jeden Ort dieser Welt würde ich mit dir gehen. Ich liebe dich mit jeder einzelnen Phase meines Körpers. Komm, lass uns zu deinem Vater gehen. Er muss nicht alleine bleiben“ Hannes gab ihr über den kleinen runden Tisch von dem Bistro einen Kuss.

Sie setzten sich zu Bernhard auf die unbequemen Plastikstühle und schaute den Menschen nach. Urlauber aus Europa die hektisch oder fluchend an ihnen vorbei liefen. Hannes schüttelte den Kopf. Was erwarteten Touristen von einem anderen Land? Jägerschnitzel mit Pommes und das jeder die Sprache, in diesem Fall deutsch, könnte? Ein schon stark genervte Paar setzte sich unmittelbar neben sie und war der Verzweiflung nah. Beide beschimpfen sich gegenseitig.
„Wenn so denen ihr Urlaub weiter geht, ist die Trennung nicht weit“ sagte Hannes auf französisch zu Bernhard und Patricia.


Weiterflug nach Kambodscha

Mit der Air Asia ging es von Bangkok nach Phnom Penh weiter. Der Flug dauerte etwas über eine Stunde. Das Flugzeug war schon in die Jahre gekommen und roch etwas muffig. Das Flugzeug war nur zur hälfte besetzt, so konnten die drei es sich bequem machen und nicht wie Presswurst in der Sitzreihe eingedrückt sitzen.

Der Internationaler Flughafen von Phnom Penh war irgendwie eine Mischung aus Lagerhalle und Plattenbau. Das Terminal war sehr kühl eingerichtet und hatte einen Charme von einer Bahnhofstoilette. Herzlich willkommen in Kambodscha.

Teil 1 Kapitel 8 Weihnachten in Lothringen

Weihnachten in Lothringen. Der Weihnachtsbaum

„Für immer. Mon chérie. Pour toujours!“

Als sie wieder in Thionville ankamen., war die Begrüßung sehr herzlich. Franziska hatte eine zweistöckige Torte gebacken. Natürlich zeigte Patricia sofort das nicht fertige Bild von Peter. Gerade weil es nicht fertig war, war es ein Kunstwerk wie es ein Claude Monet, Gustav Klimt oder Egon Schiele nicht hätten besser malen können. Franziska weinte beim Anblick von diesem Bild.

Im Esszimmer wurde die Verlobung gefeiert. Patricia erzählte wieder von diesem unglaublich schönen kleinen Haus in der 6 Rue Jean Bacchi. Von einem Menü das allen Vorstellungen übertroffen hatte und natürlich von dem Heiratsantrag am Strand mit einer sündhaft teuren Flasche Rotwein vom Chateau Ferriere.

„Wie kamst du auf die Idee mir in Fréjus einen Heiratsantrag zu machen?“ Fragte Patricia.
„Es war mal wieder reiner Zufall. Ich überlege schon lange, wie und wo ich dir einen Antrag machen könnte. Paris unter dem Eiffelturm? Machen viele. Mit der Drehleiter konnte ich auch nicht mehr punkten. Weihnachten oder Silvester auf einer Skihütte in den Alpen kann auch jeder. So fiel mir beim sortieren meiner Unterlagen der kleine Zettel in die Hände, der damals die Schwägerin von Peter dir in Saint-Maxime gegeben hatte. Da wusste ich sofort wo wir wieder hinfahren müssen. Ich hatte zuerst mit deiner Mutter gesprochen. Denn ich hatte Angst oder Bedenken, dass sie uns für zu jung halten würde. Beim Tischtennis sagte mir dein Vater, dass er es auch gut findet und bot mir sein Auto an. Irgendwie mussten wir es so hinbekommen, dass du im Glauben bleibst, ich will nur nach Fréjus fahren, um mit dir Wein zu trinken. Ich rief Peter an und erklärte ihm was ich vor habe. Er kümmerte sich um das Essen. Von dem Bild hatte ich keine Kenntnis.“
Patricia kam um den Tisch, setzte sich auf seinen Schoß, legte ihre Arme um seinen Oberkörper und gab ihm einen Kuss „Für immer. Mon chérie. Pour toujours!“

Hannes rief nach Hause an. Er wollte, dass seine Eltern an oder um Weihnachten nach Thionville kommen sollten. Wie erwartend wurde das Gespräch mit seiner Mutter sehr lange. Ständig erklären zu müssen, dass sie ein völlig falsches Bild von den Lefévre’s hatte, war für Hannes anstrengend und nervend.
Am Abend rief er nochmals an und bat doch bitte um einen Besuch. Sie sagte endlich zu. Der 20. Dezember wäre ein Mittwoch. Da dies vor Weihnachten sei und somit nicht das „Heilige Fest“ stören würde, wäre es ein guter Tag. Für Hannes war es völlig egal – Hauptsache sie kamen.

In dem Moment als er den Hörer auflegte, klingelte das Telefon „Bonjour. Bonne journée à Lefévre, Hannes est au téléphone.“
Es war Cosima. Sie wolle mit Patricia reden.
„Natürlich. Ich verbinde dich. Patricia müsste in ihrem Zimmer sein.“

Hannes ging vom Arbeitszimmer die Treppe hoch zu Patricia. Sie war noch am Telefon als er zu ihr ins Zimmer kam. Das Gespräch war sehr einseitig. Patricia antworte entweder mit einem Wort oder kurzem Satz. Dicke Luft!
Hannes signalisierte ihr, dass er ins Wohnzimmer gehen würde.
Nach gut einer halben Stunde kam sie ins Wohnzimmer und erzählte von dem Gespräch und auch von der letzten Begegnung zwischen Cosima und Hannes im Super Marché.
„Warum hast du mir nichts von eurem Treffen erzählt? Cosima sagte mir wie galant du dich ihr gegenüber verhalten hast und sie lange nachgedacht hatte, wie sie sich bei mir entschuldigen kann.“ „Ich hielt es für nicht so wichtig. Entweder sie weiß was sie falsch gemacht hat oder nicht.“ „Sie möchte heute Abend vorbei kommen.“
Hannes blies die Luft aus „Musst du wissen.“ „Sie kommt gegen 20 Uhr.“

Cosima sah das Bild von Peter über der Couch hängen und war sichtlich gerührt. Das personifizierte Super Model hatte Jeans, einen schwarzen Pullover und High Heels an. Da saß eine der schönsten Frauen aus Frankreich auf der Couch von Patricia und trank mit ihnen einen Weißwein aus der Pfalz. Hannes saß beiden im Sessel gegenüber. Es zeigte irgendwie schon Größe, dass Cosima sich persönlich entschuldigen kam. Als das Gespräch endlich nicht mehr so holperte, wurde sich anderen Themen zugewandt und auch wieder gelacht. So sollte es sein. Streit war nicht gut. Beim Abschied wünschte Cosima ihnen alles gute für die Zukunft.

„So viel Rückgrat hätte ich Cosima nie zugetraut“ sagte Patricia als sie im Bett lagen.
„Ich auch nicht. Ich habe mich in ihr getäuscht. Respekt für ihre Haltung.“ „Sexy ist sie schon – oder?“ Fragte Patricia.
„Oui Mademoiselle. Nur ist Schönheit nicht alles was zählt. Sie ist im Herzen einsam, auch wenn jeder Mann von ihrem Anblick erblasst.“ „Oh, dass hast du aber schön gesagt. Ich erblasse auch gleich. Mon chérie, ich will dich jetzt, hier und sofort.“

Besuch der Eltern in Thionville

Am Morgen des 20.Dezember war Hannes beim Frühstück sehr aufgeregt. Heute würden seine Eltern kommen. Wie wird dieses Treffen der beiden Elternpaare werden? Wie lange werden sie bleiben? Viele Fragen gingen ihm durch den Kopf. Um 14 Uhr wollten sie in Thionville sein. Seinem Vater hat er genau erklärt wie er fahren sollte. Der Zeiger der Uhr ging auf 12 Uhr zu.
Hannes wusste nicht wie er sich beschäftigen sollte. Er lag im Wohnzimmer auf dem Chaiselongue und lernte khmer Vokabeln.
Khgnom = ich
Kon-srey = Frau
Kon-proh = Mann
Peet-srey = Ärztin
Er versuchte die Schrift irgendwie, wenn auch nur annähernd, lesen zu können. Dieses gekrakel sah alles irgendwie gleich aus.
Franziska kam ins Wohnzimmer.
„Hannes, du kannst nicht mit Gewalt alles in den Kopf bekommen! Du hast in der letzten Zeit so viel französisch gelernt, dein Hirn braucht auch mal eine Pause. Hier, trink mit mir ein Latte Macchiato“ sie reichte ihm ein großes Glas Milchkaffee. „Hör auf immer daran zu denken, dass du dumm bist. Das ist Unsinn! Du lernst schneller eine Sprache, die du vor einem halben Jahr noch nicht einmal konntest, als meine Schüler die ab der 5. Klasse anfingen eine Fremdsprache zu lernen.“

Kurz nach 14 Uhr sah er das Auto von seinem Vater in die Einfahrt einbiegen. Dann mal los.
Mit Cleo ging er die große Steintreppe herunter und begrüßte seine Eltern. Natürlich war das Haus sofort ein Blickfang – ging ihm vor sechs Monaten genau so. Durch Cleo war die Begrüßung von seinen Eltern und den Lefèvre’s entspannter. Guter Hund.
Franziska und Bernhard verzichteten gleich auf die Förmlichkeit.
Die Küche ist oft ein neutraler Ort, so nahmen alle erst einmal dort platz.
Bei Espresso, Kaffee und Cappuccino lernte man sich näher kennen. Franziska schaute immer wieder in den Backofen, nicht das der Käsekuchen ein Brikettkuchen wurde. Langsam wurde die Atmosphäre etwas lockerer.
Hannes zeigte seinen Eltern ein Teil von dem Haus. Als sie im Zimmer von Patricia das Bild von Peter sahen, blieb auch ihnen die Luft weg. Patricia erzählte wie es zu diesem Bild gekommen war. In dem Moment kam Franziska die Tür herein und die Eltern von Hannes fingen an zu erzählen, dass sie zweimal in Saint-Maxime im Urlaub waren. Bernhard kam mit Rosèwein in der Hand ins Zimmer und so saß die Gruppe schließlich dort auf der Couch und Sessel. Hannes brachte noch Wasser für seine Mutter, sie trank kaum Alkohol. In dem Gespräch erzählte seine Mutter, dass sie damals in Monaco am Hafen die Treppe herunter gefallen sei und der Souvenirs Teller für die Nachbarn kaputt ging.

Kaffee und Kuchen gab es im Esszimmer. Dort stand noch der riesige Zeitungsartikel über Hannes auf der Staffelei. Voller Stolz erklärte Franziska von dieser Aktion mit dem Feuerwehrauto. Bernhard legte mit dem Bewerbungsgespräch in Reims nach und wie angetan der Direktor, die Personalchefin und auch der Projektleiter für Südostasien von Hannes waren.
Die Eltern von Hannes wussten so vieles noch nicht.

Sein Vater fragte in die Runde, warum ausgerechnet Kambodscha für einen Auslandseinsatz gewählt wurde.
Bernhard beantwortete diese Frage „Kambodscha war fast 100 Jahre französische Kolonie. In dieser Zeit und auch noch heute, ist in der Verwaltung und im Bildungsbereich französisch eine offizielle Sprache. Da die Rote Khmer ein Genozid an über zweieinhalb Millionen Menschen verübte und somit das Land ins Mittelalter katapultierte, wird Hilfe für dieses Land dringend gebraucht. Auf das Embargo der UN hin, kommt dieses Land alleine kaum noch auf die Füße.“

Das erste Treffen war bis jetzt super gelaufen. Es wurde ein doch längerer Tag als eigentlich gedacht. Man war sich sympathisch. Die Eltern von Hannes sahen, wie natürlich, unkompliziert und freundlich Franziska und Bernhard waren. Auch sahen sie, wie Hannes in dieser Familie aufgenommen wurde. Seine Mutter hatte schon ihre Probleme damit, dass der Sohn für so lange weg sei und ob dies auch alles reiflich überlegt wäre.

„Ich weiß wie du denkst“ sagte Bernhard zur Mutter von Hannes „als Patricia mir unterbreitete, dass sie nach Kambodscha gehen möchte, war ich auch nicht gerade erfreut. Ich hätte schon gerne gesehen, dass sie Volkswirtschaft studiert. Ich kann es ihr nicht vorschreiben. Sie ist alt genug. Hannes hat mir vor zweieinhalb Monaten seine Gedanken über die Welt, über Bildung und seine Träume erzählt. Ich war sehr überrascht so etwas von einem jungen Mann zu hören. Gleich am Montag hatte ich seine Worte in unserer Organisation vorgestellt und es war an diesem Montag schon klar, dass er auf jeden Fall diese Chance bei uns bekommen wird“ dabei sah Bernhard zu Hannes „er wusste noch nicht davon – tut mir leid. Ich bin auch in Kambodscha und ein gutes Team von mir ist auch vor Ort. Patricia und Hannes gehen ihren Weg. Wenn wir sie als Eltern begleiten und unterstützen, als zu verbieten oder blockieren, können wir sehr stolz auf sie sein.“
Wow! Was für eine Laudatio, dachte Hannes.
Es kamen nochmals Einwände oder Sorgen von seiner Mutter, wegen der Sprache. Da griff Franziska sofort ein.
„Ich bin Lehrerin am Gymnasium in Thionville und unterrichte die Oberstufe. Ich kenne Hannes nun seit einem halben Jahr und er hat sich unglaublich entwickelt. Am Anfang war er nur in Begleitung von Patricia einkaufen gefahren und hatte sehr oft deutsch gesprochen oder sich kaum ohne Begleitung von ihr aus dem Haus getraut. Seit dem Geburtstag von Patricia hat er sich sehr verändert. Er geht für mich einkaufen, hat Freunde gefunden, ab und an ist er mit unserem Sohn bei der Feuerwehr, und fährt mit dem Rad zum Bäcker. Hannes hat vieles an Sprache gelernt. Ich gab ihm viele Tipps, wie er sich Gedächtnisbrücken baut. Da kann ihm Patricia wenig helfen, denn ihre Muttersprache ist nicht deutsch. Seit Tagen lernt er khmer und ich muss ihn auch schon mal bremsen. Hannes versucht zu viel auf einmal mit Gewalt zu lernen. Ich weiß von seiner Schule und das du als Mutter nicht mehr zu den Elternabende gegangen bist. Du hast dich geschämt, weil er der Klassenkasper war.“
Seine Mutter sah ihn entrüstet, traurig und böse zugleich an. Es war ihr peinlich, dass Franziska dies alles wusste. Dies war auch Franziska in diesem Moment aufgefallen und hatte sofort reagiert.
„Hannes hat mir dies alles erzählt. Er machte sich ständig Gedanken darüber, dass er nicht zu uns und zu Patricia passt. Er hat immer nur gedacht, er ist dumm. Nein! Ist er nicht. Mag sein, dass er immer etwas überspielt hatte. Mag sein, dass er in oder für die Schule faul war, aber dumm ist er ganz bestimmt nicht!“

Nun waren seine Eltern auf eine ungewollte Weise von Franziska kompromittiert worden. Patricia fand sofort die Worte „Am Bostalsee hatte ich in der Clique von ihm einen anderen Hannes gesehen, als einen Tag später. Ja, dass Bild von einem Clown hat er allen gezeigt – mir auch. Als wir an die Côte d’Azur gefahren sind, lernte ich einen Menschen kennen, der Anstand, Bildung und Niveau hat. In Fréjus hatte er ein Gespräch – nein, es waren drei Tage fast nur Gespräche mit Peter geführt, bei denen selbst ich mit Abitur nicht folgen konnte. Hannes braucht kein latein zu können, oder ein mathematisches Genie zu sein“ „Dafür hab ich ja dich“ unterbrach er sie. „Oui“ Patricia gab ihm eine Kuss auf die Wange und sprach weiter „Er hat ein unglaubliches Wissen über Politik und Geschichte. Warum er sich immer so klein macht, versteht niemand hier im Haus.“ „Ja, kommt. Ist jetzt langsam gut. Ihr müsst mich nicht in den Himmel heben und heiliger machen als der Papst. Meine Eltern haben es begriffen, dass es mir zu spät eingefallen ist mehr zu lernen – mir übrigens auch. Lasst uns lieber Abendbrot essen, als über mich zu reden.“

Patricia und Hannes deckten den Tisch im Esszimmer. So hatten beide Elternpaare auch Zeit für sich, um über andere Dinge als Hannes zu sprechen.

Es war schon spät am Abend, als die Eltern von Hannes nach Hause fuhren. Seine Mutter hatte ihn beim Abschied umarmt, dies hat sie die letzten Jahre nicht mehr getan. Sein Vater sagte „Ich bin stolz auf dich.“

Beim abräumen vom Esszimmertisch wurde noch kurz über den Tag gesprochen und alle gingen anschließend zu Bett.

Patricia lag auf ihrer linken Seite und streichelte ihn „Du bist ein guter Mensch. Als Mädchen träumt man immer von der großen Liebe, dem perfekten Mann und einer sorgenfreien Zukunft. Zwei dieser Träume haben sich erfüllt.“ „Patricia, hör auf! Wir wissen nicht was der Morgen bringt. Sich nun Gedanken zu machen, wie was wann wird, kann niemand sagen. Ich weiß nur, dass ich immer für dich da bin. Dieses Versprechen gebe ich dir auch ohne Trauring.“

Der Weihnachtsbaumbegutachter

Am Donnerstag fuhren sie nach Rombas einen Weihnachtsbaum kaufen, auf den 16 Kilometer von Thionville nach Rombas gab es eine wüste Diskussion zwischen Franziska und Patricia, wie denn der Baum aussehen sollte.
„Mach dir nichts daraus, ist jedes Jahr das gleiche“ sagte Bernhard zu Hannes und grinste.

Das Areal von dem Weihnachtsbaum Verkäufer war sehr groß. Auf dem Parkplatz standen viele Pkw und Kleintransporter.
Die kleine Gruppe ging durch die Reihen und suchte den passenden Baum aus. Auf dem Gelände gab es eine unglaubliche Auswahl an Bäumen: Kleine, große und ganz große. Die Sorten der Bäume deckte auch alle Wünsche der Käufer ab.
Nordmanntanne, Blaufichte, Rotfichte, Edeltanne oder Douglasie. Für jeden war etwas dabei – sollte man meinen. Die Diskussion über größte und Art ging bei Franziska und Patricia weiter. Hannes bemerkte, dass es anderen Männer auch so erging.

Zwischen all den Bäumen gab es einen schönen zentralen Platz mit Stehtischen, Lampions und Schwedenfeuer. Eine kleine Holzbube stand am Rand von diesem Plaz, an der es Glühwein, Kaffee und Würstchen zu kaufen gab.
Bernhard und Hannes zogen es vor, bei Glühwein dort auf die beiden Frauen zu warten. Auffällig war, dass gleicher Gedanke mehrere Männer hatten.
Hannes blickte in die Runde und sah Guisberth, den Zugführer von der Feuerwehr. Er winkte ihm zu. Die drei Männer in seiner Gruppe, schauten nach dem, den er eben gegrüßt hatte. Es dauerte nicht lange und die vier Männer kamen zu dem Stehtisch an dem er mit Bernhard stand.

Guisberth reichte beiden die Hand und stellte die drei anderen Männer vor. Seine Kumpels wollten den Mann sehen, über den in ganz Lothringen gesprochen wurde. Hannes gab eine Runde Glühwein aus. Guisberth erzählte am Tisch, wie er Hannes kennengelernt hatte und wie einzigartig diese Aktion war. Er hätte gerne gesehen, dass Hannes in die Feuerwehr gekommen wäre, denn er war öfters bei den sonntäglichen Übungen dabei.
„Guisberth, dieses Thema hatten wir schon. Ich kam gerne zu euch und würde euch auch sehr gerne unterstützen. Aber Kambodscha ist für einen Feuerwehreinsatz doch etwas weit weg.“

Patricia kam an die Holzbube und war am schimpfen, warum ihr Vater und er sich nicht bei der Suche nach einem Weihnachtsbaum beteiligen. Bernhard zog die Schultern hoch und zeigte auf die Tasse Glühwein. Sie schimpfte wieder mit ihrem Vater und mit Hannes sowieso. Guisberth sagte seinen Kumpels, dass dies jene Frau sei, für die es die 20 Meter lange Liebeserklärung gab.
Patricia hatte kurz keinen Plan um was es ging. Sie stellte sich vor und gab den vier Männer die Hand. An Hannes gewendet, fing sie wieder an zu schimpfen, er soll doch endlich mitkommen und einen passenden Baum aussuchen, denn ihr wäre es langsam kalt. Sofort bekam sie von Guisberth eine Tasse Glühwein gereicht. Franziska kam auch noch zu der Gruppe und auch sie bekam einen Glühwein gereicht. Mit Glühwein und Wurst kam man ins Gespräch. Da es sich in Thionville und offensichtlich auch in der Umgebung herum gesprochen hatte, dass Patricia und Hannes mit Bernhard nach Kambodscha gehen würden, war dies eines der zentralen Themen in der Runde.

So gerne Patricia sich auch mit Guisbert und seinen Kumpels unterhielt, es würde doch nun endlich Zeit werden einen Baum auszuwählen, denn nach Weihnachten bräuchte man diesen schließlich nicht mehr.
Franziska hatte ihren Baum, eine Nordmanntanne, schon ausgesucht und blieb mit Bernhard, Guisbert und dessen Freunde am Stehtisch mit Glühwein und Waffeln zurück. Hannes verabschiedete sich von der Gruppe, er müsse jetzt seine Pflichten als Weihnachtsbaumbegutachter nachkommen.

Die Lefèvre Villa hatten sehr hohe Zimmerdecken und von daher brauchte es schon einen Baum der in dem Haus auch wirken. Patricia wollte dieses Jahr ihren eigenen Baum in ihrem Zimmer haben. Also wurden alle Bäume ab 1,80 Meter Höhe begutachtet. Da Franziska eine Nordmanntanne gekauft hatte, wollte Patricia eine andere Sorte haben. Von dem zentralen Platz nach rechts waren alle größeren Bäume zu finden. Blaufichten, Rotfichten, Nordmanntannen und auch Korktannen.
Die Korktannen haben einen sehr intensiven Geruch nach Zitrone. Hannes sah in den Reihen der Korktannen einen Baum herausstechen.
„Prinzessin schau, was hälst du von diesem Baum?“
Patricia sah sich den kugelförmigen Bewuchs und auch die Größe von dem Baum an. Sie ging links um den Baum, rechts um den Baum, dann zwei Meter zurück und schaute wieder von beiden Seiten. Hannes verdrehte bei diesem Gehabe die Augen. Er behielt seine Gedanken, dass es nur eine Baum sei, für sich. Frau Weihnachtsbaum-Oberinspekteurin nickte endlich zustimmend „Très agréable. Sehr schön. Ja, gefällt mir.“
Endlich war der Baum gekauft und am Nachmittag würden die beide Bäume geliefert werden.

Der Baum war das eine, der Schmuck das andere. Im Gesindestock war ein Zimmer mit allerlei Weihnachtsschmuck, Lichterkette und was man noch alles zum dekorieren brauchte. Nun standen die beiden Frauen vor dem nächsten Problem  – die Farbe der Glaskugeln und Baumschmuck. Franziska hatte sich für Terracotta entschieden. Bei Patricia blieb die Frage zwischen rot, silber oder blau. „Schatz, warum nimmst du nicht die Farben von Fréjus?“ Es war ein großer Fehler, dass Hannes dies sagte.
„Oui, c’est ça! Accrochons les couleurs de Fréjus à l’arbre.“ „War zwar nur ein Scherz, aber warum nicht?“

In der Vorweihnachtszeit einkaufen zu gehen fand Hannes nicht lustig. Er konnte Patricia davon überzeugen, dass es besser wäre, sie würden alleine die gewünschten Farben der Glaskugeln kaufen gehen.

Am Nachmittag wurden ihre beide Bäume geliefert und mit tatkräftiger Unterstützung von Maurice schleppte man die Bäume ins Haus. Gemeinsam wurde der Baum von Bernhard und Franziska im Wohnzimmer und der Baum von Hannes und Patricia in ihrem Zimmer aufgestellt. Unter gleichzeitiger Zuhilfenahme von zwei Aluleitern installierte Hannes und Maurice die Lichterketten.

Da Franziska ihren Baumschmuck bereits ausgesucht hatte, konnte der Baum in einem Durchgang gemeinsam geschmückt werden.
Nachdem die Nordmanntanne geschmückt war und von allen Anwesenden für gut befunden wurde, saß man im Wohnzimmer bei Kaffee und schaute sich das Kunstwerk an. Der fast drei Meter hohe Baum machte einen gewaltigen Eindruck im Wohnzimmer.

Die Prinzessin im Türrahmen

Patricia kam mit ihrem Auto in die Einfahrt gebügelt und rief Hannes zu sich.
Im Kofferraum hatte sie eine riesige Kiste mit Glaskugeln, elektrischen Kerzen und sogar Glaskugeln mit Beleuchtung.
„Willst du einen Baum oder den ganzen Wald schmücken?“ Wie zu erwarten wurde er für seine Frage von ihr geboxt.
„Allons au travail. Auf geht’s an die Arbeit“ „Oui Madame.“

Wie nicht anders zu erwarten musste sie bei den Lichterketten noch selbst Hand anlegen. Hannes sah nun keinen Sinn darin ob die Lichterkette zwei Zweige tiefer hing oder nicht. Er ließ Patricia aber in ihrem Tatendrang. Bei einem Baum von 2.50 Höhe, der Körpergröße von Patricia, der Höhe der Leiter und die dann doch zu kurze Arme von Frau Lefèvre, musste Hannes die Lichterkette nach ihren Vorstellungen installieren. Patricia reichte ihm die gekauften Glaskugeln und ging bei jeder dritten Kugel einige Schritte zurück. Kugel höher, weiter nach links, runter, gut. Nächste Kugel nach rechts, tiefer, höher, gut. Bei Kugel Nummer drei was  es das gleiche: links, höher gut. Bei den nächsten Kugeln waren die Kommandos von Patricia gleich: tiefer, höher, links, rechts, gut.
„Hmmm. Hmmm, weiß nicht. Etwas fehlt. Hmmm.“
Hannes traute sich nicht zu fragen was in ihrem klugen Kopf mal wieder für Gedanken waren. Er fand den Baum sehr hübsch geschmückt.
Patricia nahm die Kiste mit dem Dutzend Glaskugeln, die eine Beleuchtung hatten
und verschwand aus ihrem Zimmer.

Im Hobbyraum im Gesindestock nahm sie Ölfarben von ihrer Mutter und bemalte die zwölf Kugeln selbst. Nach fast einer Stunde kam sie in ihr Zimmer zurück und hing die Glaskugeln auf – also Hannes. Mal wieder war es ihr nicht recht und so gab sie wieder ihre Kommandos.
Als der Baum endlich fertig geschmückt war, musste noch einiges an Mobiliar umgestellt werden, denn dies störte das Gesamtbild von dem Baum. Ob die Couch nun 1 oder 1,20 Meter von dem Baum entfernt stand, sah Hannes als etwas übertrieben an, behielt seine Gedanken aber für sich. Natürlich musste das Monstrum an Schreibtisch auch weiter aus dem Wirkungskreis vom Weihnachtsbaum verschoben werden.

Beide standen 4 Meter von dem Baum entfernt und betrachteten ihre Arbeit.
„Wow! Was aus einem einfachen grünen Baum so alles werden kann! Es sind wirklich fast die Farben von Fréjus.“ Patricia nickte „Natürlich hat ein 5 Watt Birnchen nicht die Leuchtkraft wie die Sonne, aber es kommt doch ganz gut.“ Hannes gab ihr einen Kuss „Hast du sehr schön gemacht. Es ist ein sehr schöner Baum.“ „Mon chérie, es ist unser Baum. Unser erstes gemeinsames Weihnachten. Je t’aime, mon coeur.“

Nach dem Abendessen wollte Patricia ihren Eltern die Beleuchtung von dem Weihnachtsbaum zeigen. Hannes ging in den Keller und brachte zwei Flaschen Wein mit auf ihr Zimmer.
Bernhard und Franziska waren überwältigend von ihrer Arbeit. Hannes dimmte das Licht im Raum und die zwölf 5 Watt Birnchen der handgemalte Glaskugeln leuchteten in violett, leicht rot, gelb, indigo und blau.

Bei Wein saßen sie auf der Couch und Sessel und schauten sich dieses Kunstwerk an. Erinnerungen an so vieles kamen hoch. Wie liebevoll Peter sie behandelt hatte und wie froh er war, wieder Menschen in seinem Haus zu haben. Peter war es auch völlig egal, welchen Preis ein Wein aus seinem Keller hatte und wie schön die tiefgründigen Gespräche mit ihm waren. Patricia würden ihm morgen einen Brief schreiben. Seine Gastfreundlichkeit, Güte und Liebe konnte man nicht in Geld bezahlen. Es tat ihr im Herz weh, wenn sie wusste, dass er an Weihnachten alleine in seinem wunderschönen Haus in der 6 Rue Jean Bacchi saß. Als sie geendet hatte, schaute jeder automatisch auf das nicht fertige Bild von Peter. Trotz diesen Farben in ihrem Zimmer kam auf einmal eine Melancholie hoch.
„Die Prinzessin im Türrahmen“ sagte Hannes leise und strich ihr übers Haar.

Beide lagen im Bett und Patricia lag mit ihrem Kopf auf seiner Brust und streichelte sein Gesicht „Mon chérie, an was denkst du immer unermüdlich?“ „An zu vieles Prinzessin, an zu vieles.“ „Rede mit mir.“ „Wie wird Peter wohl Weihnachten verbringen? Alleine am Küchentisch? Wird er an seine Louise denken? Viele Familien auf dieser Welt feiern Weihnachten zusammen und singen

Süßer die Glocken nie klingen,
als zu der Weihnachtszeit,
wie sie gesungen in seliger Nacht.
Glocken mit heiligem Klang,
klingen die Erde entlang…“

Sie sah ihn nachdenklich an.
„Glocken mit heiligem Klang, klingen die Erde entlang. Eine Erde auf der es Habgier, Zank, Folter und Kriege gibt. Schön heilig. Menschen denken in dieser Zeit besonders stark an Gott – oder an Suizid. Menschen sehnen sich nach Frieden und Geborgenheit und sitzen einsam in ihren Wohnungen.“ 
Tränen standen in seinen Augen.
„Warum geht dir dies alles so nah?“ Fragte sie.
„Ich weiß es nicht. Vielleicht weil ich nicht möchte das Menschen einsam sind. Es kommt einfach so in mir hoch. Ich kann nichts dafür. Vielleicht bin ich zu sensibe für diese brutale Welt.“
Sie küsste ihn und streichelte seine Wange „Dies zeichnet dich aus. Dein Herz und Sorgen für andere Menschen ist groß. Denk doch auch mal an dich.“ „Dies ist dann egoistisch.“ „Non! Non mon chérie. Wenn man nur an sich denkt, dann schon. Dies tust du aber nicht. Komm, lass uns schlafen und hör auf zu denken. Du brauchst auch mal Ruhe.“
Sie legte ihren Kopf auf seine Brust und streichelte ihn.

Am Freitagmorgen beim Frühstück, sagte Bernhard, er müsse heute noch in die Firma und würde spät nach Hause kommen.
Hannes saß bei Patricia im Zimmer und lernte khmer. Immer wieder sah er auf dem geschmückten Baum und hoffte, dass Patricia mit diesem hin und her Beschenke recht hatte und er am Sonntag nicht wie doof da stand und kein einziges Geschenk vorzeigen konnte. Sollte er doch mal nach etwas kleines für alle schauen gehen? Dann kam gleich die Frage: was? Für Franziska könnte er Leinwand und Farben kaufen. Da verließen ihn auch schon die Ideen.

Franziska war im Arbeitszimmer und korrigiert Leistungstests von ihren Schülern.
„Salut Franziska, ich hätte mal ne Frage. Wie ist es bei euch mit Weihnachtsgeschenke? Patricia sagte, dass ihr euch zu Weihnachten nichts schenkt.“
Franziska nickte „Stimmt. Du musst wirklich nichts kaufen. Patricia hat schon recht. Wir schenken uns über das Jahr immer mal eine Kleinigkeit. Weihnachten ist bei uns entspannt. Wir gehen in die Kirche und an Heiligabend koche ich und Patricia. Du hast uns mehr beschenkt als es überhaupt möglich ist. Ehrlich.“ Sie nahm ihn in den Arm „Ich bin froh, dass du hier bist.“

Mit seinem khmer Vokabeln kam er auch nicht viel weiter, denn er konnte sich nicht so recht auf die Sache konzentrieren.
– saamnang​ la thngai​ – guten Tag
– aroun​ suostei – guten Morgen
– suostei​ tae​ anak​ sokh​ sabbay​ te – hallo wie geht es dir?
Gab es auch das Wort Weihnachtsbaum in khmer?
– suostei​ tae​ anak​ sokh​ sabbay​ te – heute ist ein warmer Tag.
Was ist, wenn Patricia mir doch etwas zu Weihnachten schenkt? Wo ist sie überhaupt?
– tae khnhom ach rk kariyealy braisanei now tinea? – Wo finde ich eine Post?
War nun baulisa oder braisanei die Post oder Polizei? Gibt es überhaupt Briefkästen in Kambodscha?
Hannes merkte, dass er nicht mehr klar denken konnte und es auch keinen Sinn machten würde noch weiter zu lernen.
Wo zum Teufel war Patricia?

Weinprobe im Super Marché

Hannes beschloss noch Lebensmittel einkaufen zu fahren. Er sagte Franziska Bescheid, dass er nach Yutz zum Super Marché fahren würde.
„Weißt du wo Patricia ist?“ „Sie wolle zu Yvonne fahren.“ „Okay. Dann fahre ich schnell einkaufen. Bis später.“

Wie zu erwarten, war das Einkaufszentrum
an diesem Freitagnachmittag sehr voll. Hannes brauchte länger für den Einkauf als sonst. Gegenüber den Kassen waren verschiedene kleinere Geschäfte. Hannes sah die Werbung von einer Parfümerie. Sollte er für Patricia doch sicherheitshalber eine Kleinigkeit kaufen?
An der Kasse neben ihm stand Claude. Er kaufte für seine Eltern noch etwas für Weihnachten. Sie verabredeten sich in der Cafeteria.

Beim Kaffee hatten beide eine schöne Unterhaltung. Irgendwann meinte Claude, man könnte doch den Wein probieren den er für seinen Vater gekauft hatte. Gute Idee.
Der Rosé war wirklich gut und als Geschenk absolut zu empfehlen. Da man das Weihnachtsgeschenk leer getrunken hatte, kaufte Claude noch drei Flaschen. Eine wollten beide noch trinken. Da die Gespräche mit Claude immer sehr unterhaltsam waren, blieb es nicht bei der zweiten und letzten Flasche.
Aus Anstand zu dem Café bestelle Hannes zwei Latte Macchiato und zwei Stücke Käsekuchen.
Die vierte und definitiv letzte Flasche Wein wurde zu Himbeer-Sahnetorte getrunken.
Beide vergaßen die Zeit und den Trubel. Sie lachte viel und hatten eine schöne Zeit. Claude wurde in den letzten Monaten zu einem richtig guten Kumpel für Hannes. 
Der Rosé war äußerst zu empfehlen und ob nun eine Flasche mehr oder weniger getrunken wurde, war in dem Moment auch egal.

Irgendwann stand Patricia mit den Armen in der Hüfte an ihrem Tisch. Sie schimpfte, wer nun mehr besoffen sei. Keine leichte Frage. Beide gleich viel?
In Anbetracht des Alkoholspiegels der beiden Herren, fuhr Patricia sie nach Hause. Bei den Lefévre’s angekommenen, lachte Franziska über den alkoholisierten Zustand von Hannes. Patricia war irgendwie schlecht gelaunt.

Das Rundbett von Patricia eierte ganz schön. Hannes wollte und musste seinen Rausch ausschlafen. Die fürsorgliche Franziska brachte ihm zwei Aspirin.
Nach zweieinhalb Stunden Schlaf ging es Hannes etwas besser. Duschen und Aspirin wirkten, um einen etwas klaren Kopf zu bekommen.

In der Küche musste der Kaffeevollautomat einen doppelten Espresso zubereiten.
Franziska kam in die Küche und grinste „Na, geht wieder?“ „Noch nicht so richtig. Tut mir leid.“ „Quatscht, du bist jung und mein Gott, dann ist es mal so. Patricia soll sich nicht so anstellen. Claude ist ein guter Junge, er hat nur nicht so viel Halt im Elternhaus.“ „Ok. Ich habe ihn eingeladen. Er wollte am zweiten Weihnachtstag vorbei kommen.“ „Très bien. Bonne idée.“

Der Überraschungsbesuch

Es wurde bereits dunkel als Bernhard nach Hause kam. Die Zimmertür von Patricia stand offen, Hannes lag auf der Couch und versuchte seinen Kopf nicht all zu viel zu bewegen.
Patricia saß im Sessel und hatte ihre Beine auf den von Hannes liegen. Sie lernte khmer und fragte Hannes die Vokabeln ab. Mit immer noch genügend Restalkohol im Blut konnte er kaum seine Muttersprache in ganzen Sätzen sprechen und nun verlangte Patricia noch khmer Vokabel von ihm.
„Blau?“ „Äh, khiev.“
„Grün?“ „Beitong.“ „Beitang!“ Sagte sie streng. „Ja. Frau Lehrerin. Beitang.“
„Rothayon“ „Äh…..“
Patricia zog die Augenbrauen zusammen und verzog den Mund.
„Haus?“ „Äh… Maison“ „Auf khmer, Monsieur.“ „Weiß ich jetzt nicht. Muss du jetzt die Vokabeln abfragen? Ich kann kaum richtig denken.“ „Woran dies wohl liegen mag“ sagte eine gereizte Patricia.

In der Halle hörte er eine Stimme, die er kannte. Konnte nicht sein! Der Alkohol schien ihm doch sehr zugesetzt zu haben.
Im Gleichen Augenblick sah Patricia ihn fragend an „Hast du das auch gehört?“
„Oui., Madame.“
Hannes hörte immer noch die vertraue Stimme. Patricia sah ihn ungläubig an und erhob sich langsam aus dem Sessel. Sie ging zur Zimmertür und lauschte.
„Hannes, dass ist Peter!“ Sie rannte im Sprint die Treppe herunter und Peter genau in die Arme. „Was… wie… Peter… ich verstehe nicht…“ Patricia hatte Tränen in den Augen.
„Dein Vater rief heute Morgen an und lud mich ein. Ich wollte nicht kommen. Deine Mutter hat noch lange mit mir gesprochen. Es sei ihr größter Wunsch für Weihnachten.“ „Papa?… Wie…“ „Mit dem Flugzeug.“
Sie fiel ihrem Vater um den Hals und küsste ihn.
Hannes stand am Absatz der Treppe und war fassungslos. Mit Tränen in den Augen ging er auf Bernhard zu. Hannes konnte nichts sagen.
„Alles gut, mein Sohn. Auch wir Erwachsene können verrückt sein. Ist zwar keine Drehleiter…“ dabei nahm Bernhard ihn in den Arm.
Die Überraschung hatte wirklich eingeschlagen.

Im Wohnzimmer bei Wein und Käse erzählte Peter von den schönen drei Tage, die er im Sommer mit Patricia und Hannes erlebte. Aus der Sicht von Peter hat Hannes dies nie gesehen. Wie stolz er auf die Jugendlichen war. Ihre Höflichkeit ihm gegenüber und die vielen tiefgründigen Gespräche mit ihnen. Er erzählte von seiner großen Liebe und wie er Patricia sah, als sie mit dem Saint-Émilion in der Tür stand. Als Hannes ihn wegen der Verlobung anrief, sagte er sofort zu. Leider sei das Bild nicht fertig geworden.
„Doch Peter, es ist fertig. So wie es ist, ist es vollkommen. Nicht einmal die größten Künstler unsere Zeit hätten es besser malen könnten“ sagte Hannes und hielt die Hand von Peter fest.
„Kommt, lasst uns essen gehen. Ich möchte euch alle einladen.“ „Hannes, dies musst du nicht“ sagte Peter. „Ich weiß. Ich möchte es aber.“

Bernhard fuhr in die Innenstadt von Thionville zu einem griechischen Restaurant. Die Portionen waren riesig und alles war super lecker. Beim Essen fragte Peter, ob er einen Wunsch äußern dürfe. Jeden! Er schaute Patricia an und bat, um den wunderbaren Sauerbraten, den sie vor sechs Monaten bei ihm zu Hause gekocht hatte. Franziska sagte, dass dies kein Problem sei, sie müsste dann Morgen nur noch das Fleisch kaufen gehen. Dies würde Patricia übernehmen, mit Blick zu Hannes „Du trinkst beim Einkaufen zu viel Wein“ und  boxte ihn gegen den Oberarm.

Am Morgen nach dem Frühstück wollte Patricia Peter ihren Weihnachtsbaum zeigen. Mühsam ging Peter mit ihr die Treppe hoch. In ihrem Zimmer angekommen, war er zum einen über die größte des Zimmers beeindruckend und zum anderen über diesen sehr großen Weihnachtsbaum.
„Mein Kind, dass ist wirklich ein sehr schöner Baum. Ein Kunstwerk. Du hast Talent.“
Peter sah sein Bild in einem großen goldenen Holzrahmen und schaute es sich lange an „Schade, dass es nicht fertig wurde.“
Patricia hielt die Hand von Peter „Es ist fertig. Grand-père, c’est prêt. Dein Bild ist ein nicht vollkommenes Kunstwerk und trotzdem vollkommen. Kein Gemälde dieser Welt kann mit diesem Bild mithalten.“ Patricia gab ihm einen Kuss auf die Wange „Kein Gemälde dieser Welt“ wiederholte sie.

Ein Jahr geht zu Ende

Es waren die schönsten Weihnachten für Hannes. Peter feierte mit ihnen Weihnachten und auch ihm tat diese Zeit sehr gut. Es wurde sehr viel gelacht, geredet, gegessen und getrunken. Die drei Tage, die Peter bei ihnen verbrachte, vergingen viel zu schnell.
Auch Bernhard erzählte an Weihnachten von diesem wunderschönen Haus in der Rue Jean Bacchi, wenn er auch nur kurz in dem Haus war, hatte er die Magie von diesem Haus gefühlt.
Peter lud Franziska und Bernhard zu sich ein, was beide auch dankend annahmen, denn Bernhard würde bald für drei Monate wieder weg sein und so entschlossen sie sich über Silvester in Fréjus zu bleiben.

Teil I Kapitel 7 Fréjus

Fréjus im Dezember 89
10. Dezember, 2 Advent

„Prinzessin, der Moment wird nie besser als er jetzt ist.“

In diesem Zimmer, in diesem Bett, hatten sie sich das erste Mal geliebt. Sechs Monat waren vergangen und immer noch war die Liebe und der Sex etwas besonderes. Lange hat es in dieser Nacht gedauert, bis beide eingeschlafen waren.

Der Morgen kam über das Meer. Die Sonnenstrahlen waren nicht mehr so stark wie noch im Juni und trotzdem tauchte das winterliche Licht diesen Raum in Farben. Diesmal war es mehr Violett. Hannes lief ein Schauer über seinen Körper, als er das Spektrum an Farben sah.
Dieses Fenster war wie Magie. Keine noch so schöne Kathedrale auf dieser Welt, hatte ein solches Licht, wie dieses Fenster in der 6 Rue Jean Bacchi in Fréjus.

Er küsse Patricia auf die Stirn „Schatz, schau.“
Patricia öffnete verschlafen ihre schöne Augen „Mon Dieu, ist das schön.“
Lange lagen sie Arm in Arm im Bett und schauten, wie sich jeden Augenblick das Licht veränderte. In einem Moment waren es Farben wie ein Regenbogen, im nächsten Augenblick bläulich, dann indigo und ging dann in ein leichtes gelb über.

Es war Zeit zum Aufstehen. Heute war ein großer Tag. Als sie sich unter der Dusche bei tausend Farben geliebt hatten, gingen sie in die Küche. Peter hatte schon alles vorbereitet. Der große dunkelbraune Tisch war mit Backwaren und Blumen übersät. Feines und edles Porzellan welches bestimmt einhundert Jahre als sein mochte, stand zwischen getrocknetem Lavendel.
„Guten Morgen meine Kinder“ sagte Peter als beide in die Küche kamen. In dem Raum roch es nach frisch gemahlenen Bohnen, Baguette, Käse und Lavendel.
„Peter, du musst dir doch nicht so viel Mühe machen“ sagte Hannes.
„Seht es als einen kleinen Willkommensgruß. Ich wusste, dass ich euch wieder sehen werde. Nur so schnell hätte ich nicht gedacht.“

Das Frühstück an einem solch schönen Tisch war überwältigend. Bei Peter im Haus schien es, als ob die Zeit viel langsamer verging. All diese vielen wunderschöne Kleinigkeiten in dem Haus wirkten wie Balsam auf die Seele. Ob die Blumen am Fenster, der Steinboden, der alte Herd, das ticken der Wanduhr, die Bilder an den Wänden oder nur der alte Brotkorb. Jedes Detail war ein Hochgenuss für das Auge und die Sinne. Hannes konnte dieses Haus zu nichts einordnen, was er bis dahin gesehen hatte. Es war wie ein Museum, ein Schloss oder eine Kathedrale. Von allem etwas und ein Kunstwerk im Ganzen. Dieses Haus hatte eine Seele.

„Und nun wollt ihr zum Strand und Rotwein trinken?“ „Ja, Peter. Ich habe auf dem Weg zu dir, die schönste, klügste und wunderbarste Frau auf dieser Welt lieben gelernt. Was zwischen der Abfahrt von hier vor sechs Monaten und der gestrigen Ankunft passierte, möchte ich festigen. All diese Liebe begann hier. Der Himmel schickte uns zu dir. Peter, ich war noch nie in einem solchen Haus wie in diesem gewesen. Du hattest uns im Sommer ein Zimmer als Herberge gegeben, welches voll mit Magie ist.“
Patricia nahm seine Hand über den Tisch und streichelte sie „Oui, mon chérie. Du bist der Mensch auf den ich mein Leben lang gewartet habe und jedes Detail in diesem Haus ist ein Geschenk vom Himmel.“
Peter lächelte mit seinen wasserblauen Augen Patricia an „Mein Kind, wenn dies ein Geschenke vom Himmel ist, dann ist es für die Ewigkeit. Es ist noch etwas frisch am Meer, wartet noch eine Stunde. Kommt, wir setzen uns vor’s Haus. Dort ist es jetzt sehr angenehm.

Peter hatte recht, die Luft war kühl, aber die Sonne wärmte die Steinwand von seinem Haus, es war mehr als nur vor einem Haus zu sitzen – es war ein Moment voller Magie. Patricia hatte ein großes Kissen im Rücken. Sie lag an der Wand von der Steintreppe und hatte ihre Beine über die von Hannes gelegt. Peter saß ihnen in einem riesigen Flechtsessel gegenüber. Er wollte wissen, warum sie beide nach Kambodscha gehen wollten.
„Hannes hat den Wunsch, diese Welt etwas besser zu machen und Bildung für Kinder und nachhaltige Perspektive für Menschen schaffen, um ihnen eine bessere Zukunft zu geben. Mein Vater arbeitet seit Jahren für eine Hilfsorganisation, welche weltweit im Einsatz ist, um Wasserversorgungen herzustellen. Wasser ist ein Grundrecht der Menschheit. Ich möchte mit Hannes gehen, um ihm seinen Traum zu erfüllen.“
Peter nickte mit dem Kopf und sah beide immer wieder bewundernswert an.
„Bevor ich Hannes getroffen hatte, reifte in mir der Gedanke mit meinem Vater nach Kambodscha zu gehen. Nur, wie hätte ich mich bei dieser Arbeit einbringen können? Ich kann nicht graben – dafür lehren.“ „Du bist ein sehr kluges Kind und gehst deinen Weg und dies mit allen Konsequenzen. Hannes, du hast ein sehr großes Herz und bist liebevoll. Dies hatte ich dir schon im Sommer gesagt. Gott wohnt in dir, du erkennst es nur noch nicht.“

Es ging auf die Mittagszeit zu. Nun wurde es wärmer und beide beschlossen zum Strand zu gehen.
„Ich merke, dass diese Schönheit unruhig wird“ dabei schaute Peter zu Patricia „Geh in den Keller und nimm, was du möchtest.“

Patricia fand im Keller einen Rotwein vom Chateau Ferriere – einen Grand Cru Classé, aus Margaux aus der Region Bordeaux. Das Etikett zeigte die Jahreszahl 1940. Bei dieser Flasche Wein reichten 1000 France bei weitem nicht mehr aus. Patricia zeigte Peter das Etikett „Très bien, mon enfant. Un vin adapté à votre occasion.“
Patricia gab ihm einen Kuss auf die Wange „Merci, grand-père.“

Mit einem kleinen Bastkorb gingen sie Hand in Hand die schmalen Gassen durch die Altstadt von Fréjus hinunter zum Meer.
Es war ein anderes Fréjus als noch im Sommer. Es saßen keine Leute vor ihren Häusern, die sangen, lachten und musizierten. Einige Cafés hatten bereits seit Wochen geschlossen und die Straßen waren leer. Eine schöne antike Stadt lag im Winterschlaf

Am Strand waren nur ein paar ältere Leute, die offensichtlich Urlaub fernab vom großen Trubel machten.
Das Meer war azurblau und etwas unruhig. Vom Meer kam ein kühler Wind und brachte einen frischen salzigen Duft mit sich. Die Wellen brachen sich am Strand. Das Geräusch der Brandung ließ alle anderen Geräusche verklingen.

Auf einer kleinen Decke lagen sie an einem Dezembertag am Strand und hörten den Wellen zu. Beide schauten über das Meer zum Horizont. Dieser Augenblick war für die Ewigkeit.

Patricia entkorkte die Weinflasche. Langsam und behutsam schenkte sie den Wein in die Kristallgläser ein. Sie machte beide Gläser zu einem viertel voll. Der Wein roch leicht nach Boden aus Lehm und Kalk. Nach kurzer Zeit an der Luft und im Glas verändert sich der Geruch nach Wurzeln und Frucht. An der Nase roch man die Trauben und das Barrique. Die Farbe war ein tiefes purpurrot.
Hannes wollte den Wein gar nicht trinken, schon in Anbetracht dessen, dass dieser Wein ein Vermögen kostete.
Sie schauten sich lange in die Augen und hielten die Gläser gegeneinander.
„Für immer“ sagte Patricia und gab ihm einen Kuss.
„Für immer, Prinzessin.“ 
Sie beide hatten Tränen in den Augen als der Wein den Gaumen in einem Hochgenuss aus süße und frucht traf. „Prinzessin, der Moment wird nie besser als er jetzt ist“ Hannes gab ihr einen langen Kuss. Dabei griff er in seine Jeans und zog einen Ring aus der Tasche. Als sie den Ring sah, liefen ihr die Tränen über das Gesicht.
„Patricia Lefèvre, willst du mich heiraten?“ Sie heulte so sehr, dass sie gar nichts sagen konnte. Sie nickte und schluckte immer wieder die Tränen herunter „Oui. oui, je veux t’épouser. Oui, mon chérie. Oui.“


Das Verlobungsessen in der Rue Jean Bacchi

Der Wein war getrunken und viele Tränen waren geflossen. Peter saß mit seiner Pfeife in seinem großen Bastsessel vor dem Haus. Ein paar Meter, bevor beide bei ihm waren erhob sich der alte Mann langsam aus dem Sessel. Er breitete die Arme aus und Patricia ließ sich in seine Arme fallen und heulte.
Peter küsste sie auf die Stirn „Mein Kind, genieße diesen Moment. Bewahre ihn in deinem Herzen“ und streichelte ihr hellbraunes Haar. Peter war ein Fremder und doch wie ein Großvater zu ihnen. Seine Güte, Ruhe und Freundlichkeit waren einmalig.
„Kommt ins Haus. Ihr habt bestimmt Hunger“ sagte er.

In dem Paradies von Küche stand ein Menü, welches einer Tafel in einem Königshaus in nichts nachstand. Eine riesige Platte mit Fisch, Krabben, Muscheln und Gemüse, Rotwein in einem Kristall Dekanter und überall Lavendel und Kerzen, standen auf dem Tisch.

Der Frühstückstisch war schon besonders, was jetzt auf diesem alten Tisch stand, war das tausendfache mehr. Patricia beruhigte sich etwas und konnte wieder anfangen zu denken und fragte Peter „Du hast es gewusst?“ „Ja, mein Kind. Ich habe es gewusst. Hannes rief mich letzte Woche an und sagte mir, was er vor hat. Natürlich sagte ich zu. Es fiel mir heute morgen schwer, mir nichts anmerken zu lassen. Du wolltest zu früh zum Strand. Ich musste dich irgendwie bremsen. Das Essen wäre so früh nicht geliefert worden.“ „Merci, grand-père“ Patricia gab ihm einen Kuss auf die Wange, drehte sich zu Hannes und boxte in „Monsieur, kann es sein, dass meine Eltern es auch wissen?“ Mit einem fragenden und forderten Blick sah sie Hannes an.
„Oui, ma Princesse.“
Sie boxte und umarmte Hannes „Ich wollte meine Eltern anrufen und es ihnen freudig sagen, nun wissen sie es schon.“ „Mein Kind, sie wissen es. Aber doch nicht den Zeitpunkt. Geh und rufe deine Eltern an.“

Patricia ging ins Wohnzimmer und keine 10 Sekunden später schrie sie laut auf. Hannes erschrak sich und stieg sofort vom Stuhl auf und schaute Peter fragend an. „Geh, schau nach ihr.“
Im Wohnzimmer stand ein eineinhalb Quadratmeter großes Bild. Patricia lehnte an einem Türrahmen. Ihr verliebter Blick gab dem Bild eine unglaubliche Weite. Ihre Silhouette war die einer Königin. In der Hand hielt sie eine Flasche Rotwein. So stand Patricia vor sechs Monaten in der Küchentür. Genau so.

Das Bild war so filigran gezeichnet, dass selbst das Etikett von dem Saint-Émilion zu lesen war. Der Türrahmen, Patricia und ein viertel vom Hintergrund waren ausgemalt.
Peter kam ins Wohnzimmer „Ich wusste, dass ihr wieder kommt, nur so schnell habe ich euch nicht erwartet. Das Bild ist noch nicht fertig. Meine Knochen sind zu alt“ „Peter…“ mehr konnte Hannes mit seinen Tränen nicht sagen.
Patricia fiel Peter um den Hals und weinte.
Es dauerte lange bis sie in ganzen Sätzen sprechen konnte „Oh doch Peter. Das Bild ist fertig. Dieses Bild ist vollkommen. Ich weiß gar nicht wie ich dir danken kann.“
„Mein Kind, ich habe dir zu danken. Ich habe so viele Jahre nicht mehr gemalt. Du hast mir wieder Mut gegeben. Du hast mir wieder Leben gegeben.“ „Oh mon grand-père.“


 

Die Kinder von Lidice

Kinder des Krieges

Skulpturen nach Marie Uchytilová Foto: Pixabay

„Sind so kleine Seelen
offen und ganz frei.
Darf man niemals quälen
gehn kaputt dabei.“
(Bettina Wegner)

Die Gräueltaten der NSDAP sind vielen bekannt und es gibt Millionen Fällen, wo Menschen brutal ermordet, Hingerichtete, verhungern, vergewaltigt oder vergast wurden.
Nach wissenschaftlichen Schätzungen zufolge wurden ungefähr 17 Millionen Menschen von Nationalsozialist_innen und ihren Unterstützer_innen ermordet. Diese Zahlen Basis auf Daten die das United States Holocaust Memorial Museum (USHMM) veröffentlicht hat. Die Schätzungen basieren auf Kriegsberichten derjenigen, die die NS-Bevölkerungspolitik umgesetzt haben, sowie auf demographischen Studien zum Bevölkerungsverlust während des Zweiten Weltkriegs, die nach dem Krieg durchgeführt wurden. Die jüngste Schätzung zur Opferzahl der Homosexuellen beruht auf den Forschungen des deutschen Historikers Dr. Alexander Zinn, der zu dieser Opfergruppe zuletzt intensiv geforscht hat.

Ein Teil der Opfer davon wurde in Deutschland selbst ermordet, etwa in Konzentrationslagern, Gefängnissen, bei Pogromen oder in Krankenanstalten wie Bernburg, Hadamar, Hartheim und Sonnenstein. Eine besonders große Zahl an Menschen wurde in Polen und der ehemaligen Sowjetunion ermordet. Hier hatten die Deutschen Vernichtungslager errichtet, in denen unter anderem ein Großteil der jüdischen Opfer umgebracht wurden. Zudem erschossen Einsatzgruppen im rückwärtigen Heeresgebiet viele Zivilisten, die meisten davon Juden. Den Großteil der russischen Kriegsgefangenen ließ die Wehrmacht in Gefangenenlagern verhungern. In der Grafik nicht aufgeführt sind deutsche politische Gegner und Widerstandskämpfer in von den Achsenmächten besetzten Gebieten. Ihre Zahl ist laut USHMM bislang unbestimmt.

Foto: Pixabay

Die Kinder von Lidice

Lidice war bis zum Frühjahr 1942 ein Dorf, nur 22 km von Prag entfernt. 493 Menschen lebten dort in 102 Familienhäusern. Die Männer arbeiteten meistens in den Stahlwerken und Kohlebergwerken im 7 km entfernten Kladno.

Seit März 1939 war Tschechien, wie andere Regionen Europas durch das nationalsozialistische Deutschland besetzt, die Gebiete quasi zu Kolonien degradiert. Im Mai 1942 wurde in Prag ein Attentat auf den Reichsprotektor Böhmen und Mähren, Reinhard Heydrich, verübt. Heydrich starb am 04. Juni 1942. Am 03. Juni entdeckte die Gestapo eine Spur – ein falsch gedeuteter Liebesbrief – die nach Lidice führte. Die Nachforschungen vor Ort ergaben keine Bestätigung des Verdachts, dass die Bewohner von Lidice an dem Attentat beteiligt gewesen wären. Dennoch sollte ein Exempel statuiert werden. Am 09. Juni, am Tag der Beisetzung Heydrichs in Berlin, wurde das Schicksal Lidices in einer Führerbesprechung besiegelt:

Betrifft Ortschaft Liditz, Bezirk Kladno. Am 09.06.1942, um 19:45 Uhr, teilt SS-Gruppenführer K. H. Frank aus Berlin telefonisch mit, dass auf Grund eienr Führerbesprechung die Ortschaft Liditz folgendermaßen zu behandeln ist:

• Alle männlichen Erwachsenen sind zu erschießen.

• alle Frauen sind in ein Konzentrationslager zu überstellen.

• die Kinder sind zu sammeln und, soweit eindeutschungsfähig, an SS-Familien ins Reich zu geben. Der Rest wird einer anderen Erziehung zugeführt.

• die Ortschaft ist niederzubrennen und dem Erdboden gleich zu machen. Die Feuerwehr ist hierbei einzuschalten (…)

Nun möchte ich über ein einzigartiges Projekt der Bildhauerin Marie Uchytilová berichten.
Die Statuengruppe aus Bronze mit dem Namen „Denkmal für die Kinderopfer des Krieges“ erinnert einerseits an das tragische Schicksal der Lidicer Kinder, andererseits an alle Kinderopfer des Zweiten Weltkrieges.
Dank beträchtlicher finanzieller Spenden aus Tschechien und dem Ausland konnte die Statuengruppe aus Bronze in ihrer endgültigen Gestalt im Jahre 2000 auf dem Gelände der Gedenkstätte Lidice enthüllt werden.
Die Statuengruppe stellte Marie Uchytilová nach zwanzig Jahren fortwährender Arbeit im Frühling 1989 fertig. Die ersten drei Statuen goss sie auf eigene Kosten in Bronze. Für die weitere Umsetzung der Kindergruppe konnte sie jedoch nicht mehr fortführen, da sie am 16. November 1989 unerwartet und plötzlich verstarb.

Für die Arbeit an ihrem Lebenswerk studierte Marie Uchytilová Fotos der ermordeten Kinder. Neben der Größe und dem Alter der Kinder versuchte sie, auch ihre Wesensart festzuhalten.
82 überlebensgroße Statuen erinnern an das Schicksal der Lidicer Kinder, die im Vernichtungslager Chelmno starben, das auf dem Gebiet des damaligen Generalgouvernements lag. Nachdem die Kinder als nicht Germanisierung geeignet befunden wurden, fanden sie den Tod in Gaswagen.
Nur neun Lidicer Kindern wurde eine Chance gegeben. Sie wurden in deutsche Familien auf dem Gebiet des Dritten Reichs gegeben. Sieben Kinder unter 12 Monaten wurden in einer Krankenhauseinrichtung in Prag untergebracht.
Nur zwei der sechs Kinder, die Lidicer Frauen nach der Tragödie zur Welt brachten, überlebten das Elend des Krieges. Neugeborene, die das Licht der Welt hinter den Mauern des Konzentrationslagers Ravensbrück erblickten, wurden auf der Stelle ermordet. Nur 17 der 105 Lidicer Kinder kehrten nach dem Krieg nach Hause zurück.

Quelle: Auswärtiges Amt
Fotos: Pixabay

Eine Rose für all die Todesopfer

Ground Zero in New York

Meine Gedanken zum 11. September 2001 und was dieser Tag brachte.

Dieser Tag bleibt vielen Menschen in Erinnerung, da dieser Tag einer der schwärzesten Tage in unserer Geschichte der Neuzeit ist.
Viele Menschen sind gestorben und noch mal so viele haben ihre Angehörigen in wenigen Stunden verloren.
Es gab Telefonate aus einem Flugzeug, die schilderten, dass sie entführt werden.
Es gab Telefonate aus Büros, die die verzweifelte Lage schilderten.
Es gab Filme, die man einem Hollywood Film zuordnen könnte – aber nicht der Realität, als um 8.46 Uhr in New York City, an der Südwestspitze des Bezirks 
Downtown Manhattan, ein Flugzeug in den Nordturm (WTC 1) einschlug.
Etwa 1.300 Menschen in den Stockwerken oberhalb der Einschlagstelle war es unmöglich, zu fliehen. Das Flugzeug hatte alle Treppenhäuser und Aufzugsschächte im Nordturm durchtrennt. Schon wenige Minuten nach dem Crash stürzen sich erste Personen aus Verzweiflung in die Tiefe.
Um 9.03 Uhr flog das zweite Flugzeug im den Südturm des World Trade Center (WTC 2) und 56 Minuten stürzten Tausende Tonnen Stahl und Beton in nur 10 Sekunden ein. Zahlreiche Feuerwehrleute befanden sich zu diesem Zeitpunkt in den Treppenhäusern auf dem Weg nach oben. Über 600 Menschen im und um dieses Gebäude kamen beim diesem Einsturz ums Leben.
Am Ende haben fast 3.000 Menschen ihr Leben verloren; wofür?

Wem hat dieser Sinnlose Terroranschlag etwas genützt? Dem Islam? Einigen Verrückten, die im Namen von Allah die Ungläubigen dieser Welt bestraften wollten? Einem Land das die „Achse des Bösen“ suchte?

Was bleibt nach 9/11 ?

Schutt, Asche, Tod, Trauer und Wut – und diese nicht nur in den USA.
Die USA erklärten ihrem ehemaligen Agenten, Osama bin Laden, den Krieg.
Einen Krieg, der noch viel mehr Leid, Tod und Trauer brachte.
Die USA haben in Afghanistan als Vergeltung das hundertfache an Leid, Not, Zerstörung, Armut und Flucht gebracht, als ein Tag in New York.
7. 300 Tage habe die Menschen in Afghanistan diese Vergeltung gespürt und erleben immer noch Leid, Kummer Not und Tod.

Es gibt in Afghanistan kaum eine Familie die durch diesen Terroranschlag und die folgende Intervention der USA und ihre Alliierten Truppen keinen Vater, Mutter, Onkel, Tante oder Kind verloren haben.
Niemand spricht für diese Menschen. Niemand leutet eine Glocke. Niemand legt Rosen auf ein Grab.

Die Folgen der Intervention der USA nach dem 11. September 2001 für Afghanistan.

Bisher kamen rund 3.600 Koalitionssoldaten ums Leben, darunter 59 Soldaten der Bundeswehr und drei deutsche Polizisten. Die Vereinigten Staaten als größte Truppensteller haben mit etwa 68 Prozent der insgesamt getöteten Soldaten der Koalition die höchsten Verluste zu verzeichnen. Die Anzahl gestorbener afghanischer Soldaten und Aufständischer ist unbekannt. Offizielle Angaben zu zivilen Opfern liegen nur unvollständig vor, Schätzungen sind sehr unterschiedlich:

Professor Marc Herold, von der University of New Hampshire, schätzte im Oktober 2003, dass 3.100 bis 3.600 Zivilisten bei US-Bombardierungen und Special forces attacks ums Leben kamen.

Ende Juli 2008 haben afghanische und internationale Hilfsorganisationen erklärt, dass bis zu diesem Zeitpunkt im Jahr 2008 bereits 2.500 Menschen ums Leben gekommen seien, darunter 1.000 Zivilisten, und dass für zwei Drittel der Opfer Terrorgruppen verantwortlich waren.

Im Juli 2010 veröffentlichten  „Afghan War Diary“ eine Liste von 2004 bis 2009, nach der es 24.155 Tote im Zusammenhang mit dem Krieg und Terror gab.

Im Jahr 2010 wurden laut einem von den Vereinten Nationen und der 
Afghanischen Menschenrechtskommission (AIHRC) herausgegebenen Jahresbericht 2.777 afghanische Zivilisten getötet.

Seit 2003 führten die Taliban Krieg gegen Afghanistan sowie gegen die ISAF Truppen. Dabei richteten sich ungefähr 50 Anschlägen pro Tag gezielt gegen die afghanische Zivilbevölkerung.

Im Jahr 2009 war die Taliban nach Angaben der Vereinten Nationen für über 76 Prozent der Opfer der afghanischen Zivilisten verantwortlich. Die AIHRC nannte die gezielten Anschläge der Taliban gegen die Zivilbevölkerung ein „Kriegsverbrechen“. Religiöse Führer verurteilten die Anschläge der Taliban als Verstoß gegen die islamische Ethik.

Im Jahr 2011 berechnete die 
Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA), 3.021 zivile Opfer. 77 Prozent waren Opfer von dem Terror der Taliban. 14 Prozent starben bei Operationen der NATO und der afghanischen Armee. Bei 8 Prozent war keine Zuordnung möglich. 967 Zivilisten kamen durch Sprengfallen (IED’s) von Terrorgruppen ums Leben, 450 bei Selbstmordanschlägen, 187 bei Luftangriffen und 63 bei nächtlichen Angriffen. Seitdem haben sich die Opferzahlen merklich erhöht.

– im Jahr 2009 starben 5.969 Menschen
– im Jahr 2010 kamen 7.162 Menschen ums Leben.
–  2011 lag die Zahl bei 7.842 Todesopfer.
–  2012: 7.590
–  2013: 8.638
–  2014: 10.535
–  2015: 11.034
–  2016 gibt die UNAMA die Zahl der zivilen Opfer mit 11.418 an (3.498 Todesopfer, 7.920 Verletzte)
– 2017 starben 3.442 Menschen und 7.019 wurden verletzt
– 2018 haben 3.803 Menschen ihr Leben verloren
– 2019 gab es 3.409 Todesopfer
– 2020 waren es 3.035 Tote und 5.785 Verletzte
– in den vergangenen 8 Monate haben bereits 1.659 Menschen ihr Leben verloren  – Tendenz steigend.

Bei den US-Streitkräften, dem mit Abstand größten Truppensteller in Afghanistan, gab es bis einschließlich September 2012 eine Verwundetenzahl von 17.674 Soldaten. Davon waren 12.309 Verwundete Angehörige der US Army, 4.630 Angehörige der Marines, 396 solche der Air Force und 339 solche der Navy.

2010 haben 711 Soldatinnen und Soldaten ihr Leben verloren.
2013 waren es 161 Todesopfer und 2014 noch 66.

Nach einem Quartalsbericht des Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) der US-Regierung für den US-Kongress sind im Krieg in Afghanistan allein von Januar bis zum 28. August 2016 insgesamt 5.523 afghanische Soldaten getötet und 9.665 Soldaten verwundet worden. Zudem kontrollierte der Staat nur 258 von 407 Bezirken. 33  Provinzen waren zu dieser Zeit unter der  Kontrolle oder Einfluss der Taliban.

In Pakistan verloren in diesen Krieg und Terror bis Ende 2020 insgesamt 70.000 Staatsangehörige ihr Leben.
Die pakistanischen Stammesgebiete, die an Afghanistan grenzen, wurden nach  Aussagen des pakistanischen Premiers Imran Khan, verwüstet und die Hälfte der Menschen in diesen Gebieten, etwa 1,5 Millionen Pakistani, sind auf der Flucht.

Mittlerweile gibt es in Afghanistan eineinhalb Millionen Menschen Binnenflüchtlinge. Sie versuchen dem Terror, Hunger und Bomben zu entkommen. Es gibt kein Ort, der sicher ist. Durch viele Überschwemmungen und Hitzewellen haben zweieinhalb Millionen Menschen ihre Existenz verloren. Dreiviertel der Kinder bis 12 Jahre haben Mangelernährung. 46 Prozent der Erwachsene leiden unter den Folgen von Unterernährung. Das Gesundheitssystem steht vor dem Kollaps und der alltägliche Terror durch Al-Qaida, IS oder Taliban haben viele Gesundheits Centren zerstört.
Arbeit gibt es seit Jahren kaum noch. Tagelöhner versuchen irgendwie ihre Familien zu ernähren. Kinder müssen für ein paar Afghanis arbeiten, damit die Familie Mehl und Öl kaufen kann.

All diese Folgen haben Menschen in  Zentalasien ein paar dumme Menschen zu verdanken, die ihren Dschihad gegen die westliche Welt führen zu wollen. Die Verlieren sind die Menschen in der muslimischen Welt.

Quellen
– Afghanischen Menschenrechtskommission (AIHRC)
– Professor Marc Herold, von der University of New Hampshire, USA
– Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR)
– UNAMA

Titelfoto: CNN

Foto: privat

Friedenstag

Tage im Kalender sind nur ein Datum – oft steht dieser Datum aber für etwas besonderes.
Geburt, bestandene Prüfung, Hochzeit oder Tod.
Der 1. September steht in Deutschland für den Friedenstag – dieser ist nicht mit dem UN Weltfriedenstsg am 21. September zu verwechseln.

In der ehemaligen DDR wurde am 1. September 1946 der erste „Weltfriedenstag der Jugend“ begangen.
Jahre später wurde dieser Tag zum „Tag des Friedens“. Es wurde an diesem Tag auf Veranstaltungen zum Weltfrieden aufgerufen.

Weltfrieden

Den Weltfrieden wünschen sich nur verblendete Hippies der 68er Bewegung.
Wirklich?
Jeder Mensch möchte in FRIEDEN leben, den Kriege bringen nur Leid, Tod und Zerstörung.
Aktuell gibt es auf dieser Welt 22 Kriege und 6 sogenannte bewaffnete Konflikte.
Somalia, Demokratische Republik Kongo,
Jemen, Äthiopien, Syrien, in der Sahelzone (Burkina Faso, Tschad, Mauretanien, Mali, Niger) ,Haiti, Ukraine…
Diese Kriege sind alle weit weit weg von unserem Land und schönen Leben. Wen betrifft denn schon Krieg? Es sind die „Schwarzen“, die Muslime und die… Europäer. Die Ukraine liegt geografisch in Europa. „Schwarze“ und Muslime sind die Ukrainer:innen nicht. Eventuell gibt es auch dort eine muslimische Minderheit.

Kriege sind da! Wir sehen die Bilder in den Nachrichten und sind vielleicht etwas empört. Mehr empört ist man, wenn plötzlich dieses „Gesocks“ auch noch zu uns kommt. Wir müssen unsere Grundrechte und Freiheit verteidigen! Also sind wir gegen Menschen die wegen Kriege, Verfolgung und Zerstörung fliehen. Sie können ja gerne fleihen – aber dann doch bitte nicht zu uns!
Laut UN sind im Jahr 2023 unglaubliche
110 Millionen vor Kriege, Verfolgung und Zerstörung auf der Flucht. 110 Millionen Menschen! Also kommen und können diese Zahl von Menschen NIEMALS alle zu uns kommen!
Die meisten Flüchtlinge sind Binnenflüchtlinge – soll heißen, dass diese Menschen in ihrem Land oder auch noch angrenzte Länder auf der Flucht sind.

Mit jedem neuen Mensch, der auf der Flucht ist, wird die Spirale der Armut mehr und der Bildungsstand weniger.
Wenn wir eine Welt des Frieden haben möchten, müssen wir die Armut senken und die Bildung erhöhen. Auch sollte man sich über Umweltschäden bewusst sein, denn dadurch werden auch Menschen zur Flucht gezwungen. Dieser Punkt wird in den nächsten Jahren noch rapide steigen. Da nützt es auch nichts, wenn sich einige Bildungsferne auf Straßen kleben, denn dieses Problem muss man global sehen.
Frieden sichern wäre mal eine Möglichkeit, wenn man sich vor den Werkstoren der Rüstungsindustrie festkleben würde. Dies nur mal kurz für jene, die offensichtlich zu viel Klebstoff eingeatmet haben.

Kein Mensch flieht ohne Grund! Wenn wir als moderne Gesellschaft es schaffen würdem, Frieden zu sichern, hätten wir viele Probleme weniger in unserem Land und schönen Leben.

Wir alle sind Menschen und sehnen uns nach Frieden. Die wenigen Industrieländer dieser Welt exportieren Waffen und importieren Flüchtlinge. Flüchtlinge die wir aber nicht wollen – und wenn es sein muss sogar bekämpfen. Wäre es denn nicht besser, wenn man keine Waffen liefern würde? Waffen gegen Waffen können keinen Frieden bringen.

Es wäre schön, wenn wir am nächsten 1. September ein globales Fest in Frieden feiern könnten.

Naike Juchem, 1. September 2023

Anmerkung: Diese Briefmarke habe ich eingerahmt, weil ich die Geste von Willi Brandt am 07. Dezember 1970 vor dem Ehrenmal des jüdischen Ghettos in Warschau als eine menschliche Würdigung gegen Krieg, Tod und Zerstörung halte.

Transgender Day of Visibility

Heute, am 31. März ist der internationale Tag für die Sichtbarkeit von Menschen mit einer Transidentität.

Autorin: Naike Juchem

Schichtbar oder nicht, ist kein Grund zum feiern – eher zum weinen. In einer Gesellschaft, wo Menschen mit einer Transidentität immer noch als krank und unnormal angesehen werden, und sogar verfolgt und körperliches Leid angetan wird, muss sich endlich etwas ändern.
Kein Mensch kann seine eigene Biologie selbst bestimmen. Es gibt kurz- und weitsichtige Menschen. Genauso wie es dicke, dünne, große und kleine Menschen gibt. In diesem bunten Topf an Vielfältigkeit gibt auch „andere“ Menschen. Menschen welche eine „andere“ sexuelle Orientierung haben, genauso wie eben auch Menschen mit einer Transidentität oder Intergeschlechtlicheidentität.

„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.“

So steht es in Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.

Auch der Artikel 21 des Kapitels „Gleichheit“ der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verbietet die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung.

Die Diskriminierung für Menschen mit einer Transidentität fängt schon beim Staat an. Wenn man sich selbst bewusst geworden ist  eine Transidentität zu haben, muss einen nicht gerade einfachen Weg gehen. Die Transidentität muss von einem Psychologen bestätigt werden. Auch muss man für die nachfolgende Hormontherapie eine Bestätigung haben. Gleiches gilt für die Namens- und Personenstandsänderung. Die Kosten hierfür muss man natürlich selbst tragen.

Menschen mit einer Transisentität haben es zum Teil schwer in der Gesellschaft, weil es von staatlicher Seite kaum bis keine Unterstützung gibt. So bleibt vielen Menschen nur den Kontakt zu Selbsthilfegruppen oder Vereinen zu suchen, die sich diesem Thema angenommen haben.

Foto: Privat

Nun eine kleine Einordnung was Transgender oder Transsexualität ist.

Trans* , Transident, Transsexuelle, Intergeschlechtlich was tun?
Diese oder andere Begriffe sind den meisten schon einmal begegnet. Die genaue Bedeutung, und was diese geschlechtliche Identität mit sich bringt oder was diese bedeutet wissen Trans* Personen selbst am Besten. Den nur der Mensch selbst hat die Hoheit über die Definition seiner/ihrer geschlechtlichen Identität.

Alleine bei der Schreibweise kann man schon den Überblick verlieren. Mit *, mit _, mit -. Ich schreibe in diesem Artikel Transidentität, denn es wird anderen Trans* Menschen sowieso falsch sein.

In unserer Gesellschaft gibt es leider immer noch eine klare und sehr fundamentale Vorstellung von Mann und Frau. Ganz nach dem Motto „Bist du als Mädchen geboren, bist du dein Leben lang eine Frau!“
Jedoch stimmt die eigene Geschlechtsidentität, wie man sich fühlt, nicht immer mit dem biologischen Geschlecht überein. Es gibt innerhalb von Männlichkeit und Weiblichkeit sehr viel dazwischen.
Manche Menschen bezeichnen sich als „nicht-binär“, da sie sich weder in Mann noch Frau wiederfinden. Andere definieren sich als „agender“, da sie generell die Kategorisierung von Männlichkeit und Weiblichkeit als Geschlecht in Frage stellen. Wiederum gibt es andere, die sich als „gender-fluid“ bezeichnen, das bedeutet das die Geschlechtsidentität nicht festgelegt ist und sich aufgrund von Situation oder Empfinden verschieben kann. Um diese kleine Einordnung nicht in eine Enzyklopädie von hunderten an Seiten ausufern zu lassen, belasse ich es dabei. Die Welt von Menschen mit einer Transidentität ist schon schwierig genug und wird in Zeiten von “Genderwahn“ noch verstärkt.

Depressionen oder Leben

Sehr viele Menschen mit einer Transidentität trauen sich nicht an die Öffentlichkeit und leben ihre Gefühle im geheimen aus. Angst vor den Nachbarn, Angst vor der Gesellschaft, Angst vor dem Verlust der Arbeit oder der Existenz lässt diese Menschen in eine Welt abtauchen, in der sie sich selbst sein können. Dadurch kommt die Sozialevereinsammung und sehr schnell geht es in Depressionen bis hin zum Suizid.
Es gibt zum Glück in Deutschland viele Selbsthilfegruppen und Therapeuten für jene Menschen mit einer Transidentität. Nur braucht es auch den Mut diesen ersten Schritt zu gehen. Wer von selbst die Kraft für den ersten Schritt hat, steht am Anfang oft vor vielen verwunderten Blicken oder auch Fragen des Umfeld. Durch erklären, dass man bis zu diesem Zeitpunkt nur eine Rolle gespielt hat und um eben nicht in jene Depressionen hinein zu fallen, nun jener Schritt notwendig ist oder war. Nach dem Outig tritt ein völlig neues Lebensgefühl ein und ab dann fängt die eigentliche “Arbeit“ erst an.
Die Suche nach Therapeuten und Ärzten beginnt. Dies sind rechtliche Grundlagen um überhaupt mit einer Hormontherapie beginnen zu können. Menschen mit einer Transidentität müssen sich vor Krankenkassen, Therapeuten und Gutachter offenbaren um den nächsten Schritt gehen zu können. Personenstandsänderung oder auch geschlechtsangleichende Operationen dauern oft Jahre. Viele Kosten für all dies kommen dann auch noch hinzu und müssen selbst bezahlt werden.

Diskriminierung  durch Gesetze

Das deutsche Transsexuellengesetz (TSG) wurde im Jahre 1980 mit Wirkung ab 1. Januar 1981 unter dem Titel: Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen, verabschiedet und in den letzten Jahren auch immer wieder überarbeitet und angeglichen. Trotzdem sind in dem TSG sehr viele Defizite erkennbar.
Im August 2006 trat das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft, in dem es zum Ziel ist, Diskriminierungen aus ethnischen Gründen, Gründen der Religion oder Weltanschauung, aufgrund einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern und zu beseitigen. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes arbeitet nach dem „horizontalen Ansatz“, das heißt, jeder Diskriminierungsgrund ist gleich wichtig. Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetz steht: Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Soweit die Theorie. Die Praxis ist eine andere. Transgender sind der Willkür von Endokrinologen, Gutachter, Behörden und Krankenkassen ausgeliefert, obwohl es dafür die Gesetzliche Grundlagen gibt, diese aber in fast allen Fällen außer acht gelassen werden.

Viel besser sieht es in Dänemark, Malta, Irland und Norwegen aus, dort ist keine psychologische Begutachtung notwendig, wenn es um die rechtliche Anerkennung der geschlechtlichen Identität in Form von Personenstands- und Namensänderungen geht.

Foto: Privat

Heute ist jeder Transgender

„Das Aufkommen von immer mehr Transgender ist eine Neuzeitliche Mode.“
Dieser Satz ist schon völlig falsch! In der Antike wird schon über Transgender berichtet. In der Bibel steht bei Paulus an die Korinther in 5,17 oder Galater 3,28 wie auch Epheser 4,23-24 schon etwas über Transgender.
Die Kirche war mit einer der Hauptgründe, warum Menschen mit einer Transidentität verpönt, geächtet und verfolgt wurden. Die Gesellschaft hat dies aufgegriffen und weiter geführt. Menschen mit einer Transidentität werden im 21. Jahrhundert immer noch verfolgt, beleidigt, bedroht und sogar ermordet. Schätzungen zufolge wurden in den letzten 11 Jahren weltweit über 3500 Menschen mit einer Transidentität ermordet. Menschen die nicht Gewalttätig, Krank oder Verrückt sind. Die Wissenschaft geht von 1% der Weltbevölkerung aus, die eine Transidentität haben und das Verhältnis von Frau zu Mann, wie auch umgekehrt ist 1:1.

Transgender sind krank

„Transgender sind krank.“ Nein!
Nach dieser Schlussfolgerung wären Linkshänder, Kurz- oder Weitsichtige, oder gar Gehörlose krank.
Kein Mensch kann seine eigene Biologie beeinflussen. Das es zu ungleichmäßigen Geschlechtschromosomen kommt, ist eine Laune der Natur. Es gibt auch Große, Kleine, Dicke, Dünne Menschen und eben auch welche die Transidentitär sind. Es ist kein Verbrechen, keine Phase und erst recht keine Modeerscheinung.

„Trans* sein ist eine sexuelle Orientierung.“ Auch dies ist einer der Vorurteile der Gesellschaft. Es geht um Identität und nicht darum was man liebt.

„Transgener leben am Rand der Gesellschaft.“ Diese Aussage stimmt auch nicht. Menschen mit einer Transidentität leben IN der Gesellschaft, nur fallen diese Menschen nicht auf, oder wollen auch gar nicht auffallen. Transgender spielen keine Rolle wie zum Beispiel Olivia Jones – sie ist eine Travestiekünstlerin.
Transidentitäre Menschen sind in der Politik, bei der Bundeswehr, Lehrer, Selbständige Handwerker, Ingenieure, Models, bei Film und Radio. Also, ganz normale Menschen die ihren Alltag gestalten.
Vielleicht war der nette Mann am Bankschalter vorher eine Frau, oder die freundliche Bedienung im Restaurant ein Mann? Wer weiß es? Es zählt der Mensch einem gegenüber und nicht das Geschlecht.

Welche Möglichkeiten haben Menschen mit einer Transidentität?

Viele Menschen mit einer Transidentität haben bereits aus ihrer Kindheit oder Jugend Erinnerungen daran, dass sie sich nicht mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren können. Dies kann zum Beispiel ein Mädchen sein, das nie mit „typischen“ Mädchendingen spielte oder Mädchenkleidung tragen wollte. Andere Menschen wiederum fühlen sich als etwas „Andersartiges“ oder „Falsches“, da das persönliche Empfinden von Geschlecht nicht mit dem körperlichen Empfinden übereinstimmt.
Ist das persönliche Umfeld nicht auf dieses Thema vorbereitet oder sanktioniert das Ausbrechen aus der vorgesehenen Geschlechterrolle, sprechen transidentitäre
Personen oft jahrelang nicht darüber oder schämen sich dafür. Der Mensch kann solche Gedanken und Gefühle bis zu einem gewissen Grad verdrängen. Erst wenn der Innere Druck so stark wird und es kaum noch ein zurück gibt und die Selbsterkenntnis eine Trans*Person zu sein, erfolgt dies meist über Schlüsselerlebnisse wie zum Beispiel der Kontakt mit geouteten Transgender, einem Film oder Dokumentation aus dem Fernsehen oder der Lektüre eines Buches zum Thema.
Der erste Schritt ist das innere outing, was bedeutet für sich persönlich festzustellen: „Ich bin trans*“ oder „Ich bin eine Frau, ein Mann oder definiere mich dazwischen“. Darauf folgt das äußere Outing, welches die öffentliche Mitteilung der Selbstdefinition im sozialen Umfeld, Schule oder Arbeitsplatz bedeutet sowie Veränderungen im Aussehen und/oder der Kleidung. Hierbei ist es hilfreich mit anderen Transgender ein solches Outing vorzubereiten oder Fachpersonal aus Beratungsstellen als Unterstützung einzubeziehen.

Das soziale Outen ist schließlich das „Ankommen“ und der komplette Wechsel in die gewünschte Identität. Je nachdem wie das soziale Umfeld auf das Thema reagiert oder bereits sensibel ist kann dieser Weg einfach oder auch mit kleinen Stolpersteinen verlaufen. Diese sind jedoch durch eine Vertrauensperson zu meistern und es lohnt sich diesen Weg zu gehen.
Beratungen für dieses Thema gibt es mittlerweile genügend. Queernet, dgti e.V., Bundesverband Trans*. In den ersten Gesprächen merken Betroffene schon, dass sie NICHT alleine sind und oft andere Transgender in der Nähe wohnen.

Naike Juchem, 31. März 2023

Weltfrauentag

Vor 112 Jahren wurde der erste Weltfrauentag gefeiert. Nun, ich mag mir gerade vorstellen welch ausgelassene Stimmung auf den Straßen war, als Horden von Frauen für ihre Gleichberechtigung, Rechte und Anerkennung mit bunten Transparenten und Konfetti durch die Straßen zogen. Weg vom Herd – rein in die Gesellschaft. Gleiche Rechte wie Männer, gleiche Bezahlung wie Männer und gleiches Mitspracherecht in der Gestaltung von Demokratie.

Nun, es war offensichtlich nicht so, denn sonst würde weltweit nicht immer wieder auf eben jene Punkte hingewiesen werden.
Natürlich darf man in den letzten 112 Jahren die Erfolge für Frauen nicht vergessen, aber die negativen Tatsachen auf der anderen Seite der Waagschale sind um ein vielfaches höher.
Frauen erleiden weltweit heute noch Folter.
Gängelungen, Gewalt und Vergewaltigung.  Dies sind nur drei von unzähligen Formen der Folter in China, Nordkorea, Syrien, Türkei, Iran, Afghanistan, Kongo, Ruanda, Sudan, Nigeria, Venezuela, Belarus….
Gewalt an Frauen passiert aber auch in Deutschland, Frankreich, Belgien, Niederlande, USA…. Natürlich ist dies eine andere Form der Gewalt – aber, Gewalt bleibt es so oder so!
Der Mann nimmt sich das Recht heraus, eine Frau als sein Besitz oder Lustobjekt anzusehen. Die Macht über das „schwache“ Geschlecht auszuüben bringt Genugtuung, Befriedigung und Orgasmus. Dieses Denken der Macht geht bis weit in die Antike zurück.
Doch zurück ins 21. Jahrhundert.
Frauen sind immer noch schlechter Bezahlt als Männer. Frauen gibt man öfter keine Vollwertigen Jobs. Frauen kämpfen für ihre Karriere um ein vielfaches mehr als Männer. Eine deutsche Partei hatte vor nicht all zu langer Zeit den Rückkehr zum Herd auf ihren Wahlplakten gefordert.  Das jene Partei sich im eine längst abgeschlossene Epoche zurücksehnt ist allgemein bekannt. Das jene Partei ein nicht gerade positives Bild von Frauen hat, zeigt doch schon deren Gedanken zurück zum Herd und Familie.

Frauen leisten in alle  Kulturen und Religionen unglaubliches und es wird kaum wahrgenommen: Kinder bekommen und erziehen, Haushalt managen und noch den Beruf unterbringen. Frauen kämpfen immer noch für ihre Gleichberechtigung im Job. Frauen engagieren sich in der Gesellschaft, Kirche, Kultur und Politik. Frauen gestalten.

Frauen in der Religion

Frauen erfahren unsägliches Leid in und durch den „Glauben“ von Religionen. Natürlich wird sofort auf den Islam gezeigt. In der katholischen Kirche sind  Frauen heute noch weit von einer Gleichberechtigung entfernt.
Unter Berufung auf die kirchliche Tradition lehnen die römisch-katholische Kirche – die im Übrigen darauf verweist, dass der Priester bei der Heiligen Messe in persona Christi handele und daher männlich sein müsse und dass Frauen daher auch nicht die Homilie der Heiligen Messe halten könnten – die orthodoxe Kirche und die selbständig evangelisch-lutherische Kirche sowie die meisten evangelikalen Gemeinden die Frauenordination ab. Als wesentlicher Grund für die Ablehnung wird der fehlende Auftrag Jesu Christi genannt. Die katholische Kirche sehe sich daher und weder aus der Praxis Jesu noch aus der kirchlichen Tradition heraus ermächtigt, Frauen zum Priesteramt zuzulassen. Sie weist auch darauf hin, dass ihr der Grund, weshalb Jesus keine der Frauen, die ihm nachfolgten und dienten, zu Apostelinnen machte.

Frauen im Isalm

Vor Gott gleichberechtigt, doch der Mann erbt mehr

Männer und Frauen sind vor Gott beide gleich und deshalb auch gleichberechtigt, sagt der Koran. Darin sind sich Islamwissenschaftler einig.

Doch weil Mann und Frau sich körperlich unterscheiden und deshalb verschiedene Stärken und Schwächen haben, hat Gott ihnen laut Koran unterschiedliche Aufgaben zugeteilt. Die Rechte des einen ergeben daher nach der Lehre des Korans auch die Pflichten des anderen und umgekehrt.

Der Mann etwa ist im Islam verpflichtet, allein für den Unterhalt seiner Familie zu sorgen. Er muss sich vor Gott dafür verantworten, dass es seiner Familie gut geht. Wenn eine Frau dagegen durch ihre Arbeit eigenes Geld verdient, braucht sie davon nichts an die Familie abzugeben.

Deshalb werden Männer und Frauen bei der Erbfolge auch unterschiedlich berücksichtigt: Frauen erben nur die Hälfte des Vermögens, das einem Mann zustehen würde, weil er davon auch seine Angehörigen mitversorgen muss.

Die Frau dagegen trägt die Hauptverantwortung für das Wohl der Kinder. Gerade in den ersten Jahren ist sie die wichtigste Person im Leben ihrer Kinder.

Dass eine Mutter ihr Baby stillen soll, wenn sie dazu in der Lage ist, steht ausdrücklich im Koran – und auch, dass sie dafür bei einer Scheidung sogar eine finanzielle Entschädigung von ihrem Exmann einfordern darf (Sure 65:6).

Ein Mann darf laut Koran mehrere Frauen heiraten, muss sie dann aber sowohl finanziell als auch emotional gerecht und gleich behandeln. Frauen dürfen nicht mehrere Männer gleichzeitig haben, aber sie dürfen selbst entscheiden, wann und wen sie heiraten. Und sie haben das Recht, ihren Mann per Ehevertrag davon abzuhalten, weitere Frauen zu heiraten.

Das steht in den Überlieferungen des Propheten Mohammed. Auch eine Scheidung ist erlaubt und darf laut Sure 2:227 von beiden Seiten ausgehen.

Doch im Koran gibt es auch einige Passagen, die manchmal als Beweis der Überlegenheit von Männern gegenüber Frauen ausgelegt werden. Sure 4 spricht zum Beispiel davon, dass die Männer „über den Frauen stehen“, was viele Gelehrte so verstehen, dass die Männer über die Frauen bestimmen dürfen. Und in der gleichen Sure wird den Männern auch erlaubt, „widerspenstige Frauen“ zu ermahnen, sie im Ehebett zu meiden und auch zu schlagen.

Der Alltag von muslimischen Gläubigen wird – wie der von Christen auch – nicht nur von religiösen Texten, sondern auch von jahrhundertealten Traditionen geprägt. Deshalb unterscheiden sich Theorie und Praxis in vielen Lebensbereichen, und viele Frauen werden durch kulturelle Traditionen viel stärker in ihrem Alltagsleben eingeschränkt, als es der Koran vorsieht.

Frauen im Hinduismus

Indien ist ein Land voller Widersprüche. Indien ist Wirtschafts- und Atommacht und unterhält ein ambitioniertes Weltraumprogramm. Frauen sind im modernen Indien als Managerinnen, Ärztinnen, Ministerinnen, Diplomatinnen, Richterinnen oder Journalistinnen aktiv. Schon vier Jahrzehnte bevor in Deutschland mit Angela Merkel erstmals eine Frau als Bundeskanzlerin antrat, wurde Indira Gandhi Regierungschefin Indiens. Dies ist die eine Realität auf dem Subkontinent; doch eine andere lässt Millionen Frauen in Unterdrückung und Sklaverei verharren.
Hindu-Traditionalisten verehren Frauen zwar als dienende Gattinnen und respektieren sie in ihrer Mutterrolle, verweigern ihnen aber die Anerkennung als eigenständige Individuen. Dabei berufen sie sich auf eine Basisschrift der Hindu-Religionen, das Gesetzbuch Manus. Das Werk fußt auf mündlichen Überlieferungen, die von mehreren Autoren zwischen 200 vor und 200 nach Christus zusammengetragen wurden. Die Gebote Manus, die als Wegweiser im Dickicht religiöser, ethischer und sozialer Fragestellungen dienen, haben sich tief in die Psyche der Hindu-Gesellschaft eingebrannt.

Nach Manu ist die Frau schwach, es ist ihre „Natur, dass sie die Männer verdirbt“. Frauen sollen nicht selbständig handeln, nicht einmal in den eigenen vier Wänden. Es gilt das Vormundschaftsprinzip: Das Mädchen wird vom Vater kontrolliert, die Frau vom Gatten, die Witwe von den Söhnen. Einem Ehemann wird göttlicher Status zugesprochen: Die Frau hat den Dienst an ihm als persönlichen Gottesdienst zu verstehen – „auch dann, wenn er keine guten Eigenschaften besitzt“. Nach seinem Tod soll sie fortwährend Trauer tragen.

Religiös mündig kann eine Frau ebenfalls nicht sein, Mädchen werden deshalb von der Upanayana, einer Art Jugendweihe, ausgeschlossen. In der Kastenhierarchie wird die Frau auf der Ebene der Knechte (Sudras) eingruppiert.Die der Frau zugewiesene Rolle der Dienerin wird auch in einer anderen für die Hindu-Religiosität bedeutsamen Schrift, der Bhagavad Gita, hervorgehoben. Die Gita zeigt Wege zur Erlösung auf.

Frauen im Buddhismus

Im Buddhismus sind Frauen und Männer im Alltag oft gleich gestellt. Aber es werden ihnen sehr unterschiedliche Eigenschaften zugesprochen.
Buddhisten sind sich nicht ganz einig, wie sie zu den Rollen von Männern und Frauen stehen. Manche sind der Meinung, Männer stünden auf einem höheren Rang als Frauen. Andere halten davon nichts. Allerdings weisen viele Buddhisten Männern und Frauen unterschiedliche Eigenschaften und Fähigkeiten zu.
Frauen sind danach: weich und fürsorglich. Sie kümmern sich darum, dass alle satt werden und können sich gut auf andere Menschen einstellen und mit ihnen leiden.

Männer sind nach dem buddhistischen Glauben stark und packen gerne mit an. Sie sind hart im Verhandeln,
gleichgültig gegenüber anderen und haben weniger Selbstdisziplin.

Das religiöse Weltbild von Mann und Frau zieht sich so durch alle Weltreligionen.

Frauen und Bildung

Ein großer Unterschied zeigt sich bei der Schulbildung gerade in den islamisch geprägten Ländern.
Laut Koran hat Gott Männern und Frauen gleichermaßen befohlen, sich weiterzubilden. „Das Streben nach Wissen ist eine Pflicht für jeden Muslim, Mann oder Frau“, sagte auch der Prophet Mohammed im 7. Jahrhundert.
Aber tatsächlich bleibt vielen muslimischen Mädchen bis heute eine umfassende Schulausbildung verwehrt. Schließlich bedeutet ein längerer Schulbesuch gerade in ländlichen Gegenden oft, dass die Mädchen in eine andere Stadt ziehen müssten und damit nicht mehr in der Obhut der Familie stünden. Oft schreibt auch die Tradition vor, dass Mädchen nur von Frauen unterrichtet werden dürfen. Deshalb gehen die Mädchen in Ländern wie Afghanistan 
oder Pakistan meist nur einige Jahre zur örtlichen Schule. Danach bleiben sie wieder zu Hause, um der Mutter zu helfen und alles zu lernen, was sie für Haushaltsführung und Kindererziehung wissen müssen, bis sie mit 16 bis 20 Jahren verheiratet werden.
In Afghanistan gibt es zwar ein Gesetz, dass Mädchen erst ab 16 Jahren verheiratet weden dürfen, aber aus der Armut vieler Familien heraus, werden Mädchen bereits mit der Vollendung des 10. Lebensjahr verheiratet. Viele der Stammesältesten berufen sich bei dieser „Eheschließung“ auf Aischa bint Abi Bakr, die als dritte und jüngste der zehn Frauen des islamischen Propheten Mohammed bei jener Eheschließung 10 Jahre alt gewesen sein sollte. Diese „Eheschließung“ war um das Jahr 624 n. Chr.
Fast 1400 Jahre später gibt es nach Schätzungen der UN weltweit 650 Millionen Kinder- Zwangsehen. Auch wenn es mittlerweile einigen AktivistInnen in Malawi, Sudan, Nigeria, Mali, Afghanistan und Pakistan gibt, die erfolgreich Kinderehen annullieren und unter Strafe stellen, sind es leider nur Wassertropfen in einem Meer.

Bildung für Mädchen muss auf der Agenda für eine besser Zukunft ganz oben stehen und dafür müssen Frauen an die Macht um endlich von dem Frauenverachtenden Weltbild aller Religionen Abstand zu bekommen.
In einer Gesellschaft, die Frauen als Dienerinnen des Mannes betrachtet, Söhne verhätschelt und Töchter vernachlässigt, ist es kaum verwunderlich, dass Frauen, die es wagen, den häuslichen Schutzraum zu verlassen, als Freiwild betrachtet werden. Sexuelle Belästigung, Bedrohung und (Gruppen-)Vergewaltigung sind Mittel, um Frauen zu disziplinieren und sie aus dem öffentlichen Raum herauszuhalten. Männliche Machtpositionen sollen so gesichert werden.

Vergewaltigung als Kavaliersdelikt

Spektakuläre Fälle wie die Vergewaltigung und Ermordung einer Studentin in Indien im Jahr 2012 oder Übergriffe auf Touristinnen haben weltweit für Aufsehen gesorgt und in Indien Massenproteste ausgelöst. Vor Gericht gaben die Täter Einblicke in ein – aus westlicher Sicht – abstruses Wertesystem, das Frauen die Schuld an einer Vergewaltigung zuweist.

In Afghanistan ist es durchaus üblich, dass „Ehefrauen“ die keine guten (sexuellen) Qualitäten aufbringen,  von ihren Männern getötet werden und die Männer straffrei bleiben.

In vielen Ländern südlich der Sahara werden täglich Mädchen verschleppt um von Rebellen oder Milizen als „Stimmungsmacher“ der Männerhorden zigfach vergewaltigt und anschließend ermordet zu weden.

In Deutschland gibt es Gerichtsurteile, die nach einer Vergewaltigung der Frau freizüglichkeit vorwerfen.

Der Weltfrauentag steht am 8.März im Zeichen für all diese Gewalt gegen Frauen und es wäre zu wünschen, wenn wir den nächsten Weltfrauentag in Frieden, Gleichberechtigung und Wertschätzung feiern können.

Quellen:
– Dissertation von Manfred Hauke: Die Problematik um das Frauenpriestertum vor dem Hintergrund der Schöpfungs- und Erlösungsordnung.
– Volker Eklkofer: Frauen im Hinduismus
– Religionen-entdecken.de

Fotos:                                                           – Pinterest                               -Worldpress Media

Kapitel 42 Buddha beschützt dich Schwester

Buddha beschützt dich Schwester

Bei der Toyota Niederlassung in Svay Rieng

Am Vormittag wollte Hannes sich um Motorräder und Autos kümmern. Für das Agrarkollektiv brauchten sie in Zukunft auch vernünftige Autos. Da er mit seinem Toyota sehr zufrieden war, fuhr er in die Toyota Niederlassung in Svay Rieng.
Als er mit seinem Umgebauten Land Cruiser Lexus LX vor fuhr, war in der Werkstatt großes staunen. In Kambodscha gab es nur zwei solcher Autos und selbstverständlich hatte der ein oder andere Mechaniker in der Werkstatt das Auto von ihm oder Patricia schon gesehen. Ihre Autos fielen durch die Erhöhung der Karosserie, den vielen Scheinwerfer auf dem Dach und am Kühlergrill im chaotischen Straßenverkehr immer auf.

Ein junger Verkäufer kam sofort vor die Tür und begrüßte ihn auf die bekannte asiatische Art. Hannes verbeugten sich ebenfalls vor dem Mann.
„Guten Tag, wie darf ich Ihnen weiterhelfen? Haben Sie eine Panne oder Reparatur an Ihren Fahrzeug?“ „Nein, alles in Ordnung. Ich bin hier, um mich nach ein paar Autos umzuschauen.“
Da Hannes ein paar Autos sagte, lächelte der Verkäufer und bat ihn mit ihm zu kommen.
„Welche Fahrzeuge suchen Sie?“ „Pickup’s und ein SUV“ sagte Hannes dem Verkäufer.
„Sehr gerne. Folgen Sie mir. Ich denke, wir haben etwas für Sie.“

Auf dem Gelände standen einige Neu- und Gebrauchtfahrzeuge zu verkaufen.
Vom Kleinwagen, Limousine, über Hilux Pickup’s in der SingleCab-Variante und auch als Xtracab-Version, also eine Doppelkabine, bis zum HiAce Minibus war alles vorhanden.
Der Verkäufer ging auf den Hilux Pickup zu.
Da Hannes selbst einem Hilux Doppelkabiner als Firmenauto hatte, wollte er dieses Modell gerne nochmals kaufen.
„Dieses Model hätte ich gerne mit Dieselmotor. Als Aufbau möchte ich keinen Hardtop, sondern Plane haben. Wie viel haben Sie davon zu verkaufen?“
„Wie viele? Nun, 5 dieser Modelle habe ich aktuell, wobei 2 in einer 4×4 Version zur Verfügung stehen.“ Hannes nickte und lächelte „Sehr schön. Dann kaufe ich diese Fahrzeuge jetzt.“
Der junge Verkäufer sah ihn ungläubig an „Ihre Entscheidung ist aber schnell getroffen. Ich kann Ihnen aber gerne noch das neuste Modell: den T100 zeigen.“ „Gerne.“
Im Verkaufsraum standen neue Modelle welches Hannes nicht kannte.
Der Verkäufer ging auf einen roten Pickup zu „Dies ist das neuste Modell. Der T100 ist größer als der Hilux. Seine Ladefläche ist länger und das Auto ist etwas höher in der Karosserie.“
Hannes schaute sich das Auto an. Es gefiel ihm sehr gut.
„Gibt es dieses Modell auch mit einer längeren Kabine?“ „Zur Zeit noch nicht.“ „Nee, es sollten schon bis zu 5 Personen im Fahrzeug platz haben. Was ist dieses für ein Modell. Dies kenne ich nicht.“ Hannes zeigte auf einen roten SUV der links von dem T100 stand.
„Das ist der 4-Runner. Dieses Modell gibt es auch erst seit diesem Jahr auf dem Markt.“
Hannes schaute sich dieses Auto genauer an. Von außen war dieses Modell fast so groß wie sein Land Cruiser. Das Interieur war etwas schlichter gehalten, sonst konnte er keinen Unterschied sehen.
„Worin besteht der Unterschied zu diesem Auto gegen meinen Land Cruiser?“ „Die Motorleistung ist etwas weniger, die Inneneinrichtung ist nicht so luxuriöse wie die im Land Cruiser. Dafür hat dieses Auto eine andere Karosserie und ist noch etwas besser für das Gelände geeignet.“ „Noch besser als mein Auto? Respekt. Dies würde ich gerne mal ausprobieren. Haben Sie dieses Auto zur Vorführung?“
Der Verkäufer bedauerte dies.
„Na ja, macht ja nichts.“ Hannes setzte sich in den Wagen und schaute sich alles sehr genau an. Das Auto hatte ein Automatikgetriebe und zuschaltbaren Allrad-Antrieb mit Differenzialsperre für beide Achsen. Das Platzangebot im Auto war ordentlich. Das Glasschiebedach, wie auch alle Fenster im Fond und Kofferraum waren getönt. Die Ledersitze, Seitenverkleidung und Armlehnen mit roten Applikationen gefielen ihm sehr gut.
Die verstellbare Lenksäule in Neigung und Länge kannte er aus seinem Land Cruiser.
Auf dem Typenschild an der Scheibe sah er, dass dieses Auto einen 3,0 Liter V6 Dieselmotor mit 136 PS hatte.
Hannes rief Maona an und bat sie doch bitte in der nächsten Zeit in die Toyota Niederlassung nach Svay Rieng zu kommen. Er hätte ein Auto für sie.

Im Büro der Niederlassung sagte Hannes, dass er gerne einen Vollservice Vertrag für die Fahrzeuge möchte. Der Verkäufer notierte diesen Wunsch und hatte noch einige Fragen über die Finanzierung der Fahrzeuge. Hannes schüttelte den Kopf „Keine Finanzierung. Ich zahle Bar.“ „Das ist mal eine Ansage. Gut, dann können wir die Kaufverträge fertig machen.“
Der Verkäufer schrieb alle Daten von Hannes auf und fragte nach der Wohnanschrift. Hannes sah den Verkäufer an und zuckte mit den Schultern „Eine Adresse habe ich noch nicht.“
Der Verkäufer sah etwas irritiert zu Hannes. In diesem Moment sah Hannes ein Taxi auf das Gelände der Toyota Niederlassung fahren. Der Verkäufer sah auch aus dem Fenster.
Maona stieg in ihrer gewohnten schnellen athletischen und sehr eleganten Bewegung aus dem Taxi. Hannes sah leicht nach rechts zu dem Verkäufer und grinste kaum erkennbar.
Der Verkäufer sah wieder zu ihm „Entschuldigung. Sie ist eine wunderschöne Frau.“ Hannes grinste breit „Durchaus. Vielleicht kann sie die Frage nach einer Adresse beantworten.“
Fragend sah der Verkäufer zu Hannes, als er sich vor dem Schreibtisch des Verkäufers erhob und zur Bürotür ging. Hannes drehte sich zu dem Verkäufer um „Ich habe sie angerufen, daher ist sie hier.“

Eine Frau vom Autohaus ging im schnellen Schritt auf die verglaste Eingangstür zu und hielt Maona die Tür auf. Maona bedankte sich bei der Frau.

„Hallo Maona, schön, dass du so schnell kommen konntest. Du bist doch auf der Suche nach einem Auto. Ich hätte da etwas für dich.“ Hannes umarmte Maona und streichelte ihren Rücken „Wow, dein Parfum ist der Hammer.“ „Hallo Borsa mneak del mean ko, bei dir muss ja immer alles schnell gehen. Dankeschön. Dies ist Sunflowers von Elizabeth Arden. Was hast du nun wieder in deinem Kopf, was meine Anwesenheit erfordert?“

Hannes zeigte auf den 4-Runner, der rechts von ihnen stand „Was hältst du von diesem Auto?“
Der Verkäufer eilte sofort zu dem Neuwagen und öffnete die Fahrertür und erklärte Maona einiges über dieses Fahrzeug. Maona setzte sich schwungvoll auf den Fahrersitz und schaute sich das Interieur an. Hannes setzte sich auf den Beifahrersitz „Und? Wäre dies ein Auto für dich?“ Maona nickte „Das Auto ist schön und mächtig groß. Zwei Nummern kleiner würde auch reichen. Der Preis ist schon gewaltig für dieses Auto.“ „Mach dir um den Preis mal keine Gedanken. Ich denke, da geht noch einiges. Ich habe eben 5 Pickup’s gekauft.“
Maona sah ihn mit großen Augen an „Du hast was?!“ „Ich hatte vor Wochen bereits gesagt, dass wir für das Agrarkollektiv auch Autos bräuchten. Bis jetzt hat sich niemand darum gekümmert.“ „Wohl wahr. Entschuldigung. Noch ist es dein Geld.“
Hannes sah zu dem Verkäufer „Dieses Auto kommt noch mit auf die Liste. Ich denke, an dem Kaufpreis könnte man noch etwas ändern.“
Der Verkäufer nickte schnell „Natürlich, natürlich.“ „Sehr gut. Dann sollten wir dies festhalten.“

In dem verglasten Büro saßen Maona und Hannes vor dem Schreibtisch des Verkäufers. Bei der erneuten Frage nach der Adresse sah Hannes zu Maona. Sie zog auch die Schultern hoch „Zur Zeit fällt mir nur die Adresse von meinem Onkel ein. Oder hast du eine bessere Idee?“
Hannes schüttelte den Kopf.
Die Frau von dem Autohaus brachte frisches Wasser und Obst ins Büro und verbeugte sich erneut vor Maona.
„Ich bewundere Sie und hoffe, Sie gewinnen die Wahl. Es wird Zeit, dass es Veränderungen gibt.“ „Dankeschön. Dies hoffen viele Bewohner in der Provinz. Wir werden es in 3 Wochen sehen.“
Die Frau sah alle in dem Büro an und wollte etwas sagen, wusste offensichtlich nicht, wie sie es formulieren konnte oder Angst hatte, es auszusprechen.
Schließlich sagte sie „Ich hoffe, mein Stimmzettel kommt in die richtige Hände.“ Die Korruption in dieser Provinz war offenbar vielen Menschen bekannt.

„Dürfte ich einige Fotos von Frau Sokthat in dem neuen Fahrzeug machen? Selbstverständlich können auch Sie mit auf die Fotos.“
Hannes sah den Verkäufer an und schüttelte den Kopf „Ich kann Sie durchaus verstehen. Sie möchten Werbung für die Niederlassung mit Maona machen. Dies ist aber in der jetzigen Situation nicht sonderlich gut. Der derzeitige Gouverneur sucht nach Verfehlungen gegen uns und könnte schnell diese Fotos als Sponsoring – also Korruption im weiteren Sinn gegen uns auslegen.“
Die beiden Angestellten von dem Autohaus nickten Hannes zu.

Hannes erklärte den beiden Angestellten wofür diese Fahrzeuge gebraucht würden und stellte ihnen die Idee von dem Agrarkollektiv vor.
„Große Sache“ sagte der Verkäufer respektvoll, nachdem Hannes geendet hatte.
„Ja. Es wird groß, nachhaltig und gibt vielen Menschen eine Perspektive. Ich bestimme zur Zeit über ein Vermögen von weit über 1 Milliarde Riel. Daher kann ich diese Fahrzeuge auch sofort bezahlen. Ich baue mit einem internationalen Team die Infrastruktur auf, den Rest müssen die Mitglieder in diesem Kollektiv selbst schaffen.“ „Eine Milliarde Riel…“ sagte die Frau leise und sah anerkennend zu Hannes.

Der Anruf vom Fernsehen

Maona saß auf dem Beifahrersitz und fragte, was Hannes heute machen würde.
„Ich fahre zu den anderen an die Felder, damit wir dort weiterkommen. Soll ich dich nach Hause fahren?“ Maona nickte.
Hannes fuhr von der Toyota Niederlassung auf die Hauptstraße, als Maona’s Mobiltelefon klingelte. Nach einiger Zeit sagte sie zu Hannes, er sollte bitte anhalten.
„Du, da war eine Frau vom Fernsehen am Telefon und fragte, ob ich mich mit ihr treffen könnte.“ „Fernsehen ist gut. Kommt darauf an, was die von dir will.“ „Sie fragte, ob wir uns in Rokar treffen könnte.“ „Rokar? Warum nicht hier?“
Maona zog die Schultern hoch „Keine Ahnung. Ich fahre mit einem Taxi dort hin.“ „Quatscht. Ich fahre dich. Ich rufe Asger an und sage ihm, dass ich später komme. Wo sollst du die Frau treffen?“ „Ich rufe sie an und frage.“

Die Armut links und rechts der Straße

Hannes fuhr mit Maona die Nationalstraße 315 in Richtung Norden. Der mächtige Fluss Waikou lag rechts von ihnen. Auch in diesem Teil der Provinz sah man die Armut der Menschen sehr deutlich. An den Reisfelder auf der linken und rechten Seite waren einige Hütten der Reisbauern zu sehen. Verrostetes Wellblech sah man auf dem Dach oder an den Wänden. Die Hütten hatten oft keine Fenster oder wenn, waren es nur rechteckige Aussparungen ohne Scheiben. Die Hütten standen auf Stelzen und unter den Hütten standen hier und da ein paar Bullen. Die Tiere waren für das ziehen der Pflüge in den Reisfeldern vorgesehen. Maurecourt fiel ihm ein. Würde ihm auch ein solches Leben bevorstehen?
Hannes erzählte Maona von der äußerst schwierigen Geburt am Sonntagabend.

Bei Phumi Cham bog er von der Nationalstraße nach links ab. Die Straße war schlagartig in einem schlechteren Zustand und nicht asphaltiert. Der Sand war so trocken, dass Hannes nichts mehr im Rückspiegel sah.
Sie fuhren durch die kleine Ortschaft Kuok Preang und Hannes sah das gleiche Bild wie damals in und um Kampang Rou.
„Maona, hier in diesem Teil der Provinz hast du sehr viel Arbeit. Die Menschen brauchen endlich Perspektiven.“
Sie sah ihn wortlos mit ihren schönen Augen an.
„Ich kann nicht begreifen, warum über UNTAC so wenig Hilfe bei der Bevölkerung ankommt. Warum werden hier keine Wasserleitungen verlegt? Zumindest gibt es Strom für die Menschen. Wenn ich abends durch die Ortschaften fahre, sehe ich oft Kerzenscheine oder Petroleumlampen in den Hütten. Die Leute haben kein Geld, um sich wenigstens etwas Strom für eine Leuchtstoffröhre zu gönnen. Wie soll dieses Land jemals auf die Füße kommen?“ „Borsa mneak del mean ko, ich weiß es nicht. Die Menschen südlich von Svay Rieng profitieren von der Arbeit von dir und ODHI. Ich profitiere von ODHI. Mir ist klar, dass ihr nicht überall sein könnt. Wenn ich Veränderungen für diese Menschen schaffen soll, bräuchte ich Geld, Baumaschinen für die Infrastruktur und Arbeiter. Wo soll ich anfangen? Was soll ich den Menschen sagen? Irgendwann kommt Hilfe zu euch – oder auch nicht. Hannes, ich weiß, wie weh es dir im Herz tut, wir müssen uns der Realität stellen und schauen, dass wir das Beste daraus machen.“

Die Piste nach Rokar führte am Prek Vai Kou Fluss vorbei. Kleine Fischerboote sah man auf dem Wasser und Männer und Frauen, die immer wieder ihre Netze ins Wasser warfen. Auf den Feldern, die mit Wasser überschwemmt waren, zogen Büffel Pflüge über die Reisfelder. Weiter links der Piste sah man brachliegende Flächen oder Felder mit Zuckerrohr. Die wenigen Weizenfelder versprachen auch keine all zu große Ernte.

Die Ortschaft Rokar lag an der Grenze der Provinzen Svay Rieng und Prey Veng. Rokar hatte eine kleine Verwaltung und somit auch einige Läden und eine handvoll Restaurants. Ein paar Touristen verirrten sich hin und wieder in diese Gegend.

Ab der Ortschaft Khai Khvet am Boeng Khnhei See, konnten Touristen eine mehrtägige Reise auf dem Prek Cham zum Wat Samrong buchen. Die nächste Etappe führte von Preaek Chi Phoch über den Prek Vai Kou. Vorbei an Me Sang, wo eine der größten Ruinen von Angkor zu besichtigen war. Weiter Flussabwärts kam die wunderschöne Ompov Sarat Pagode mit ihrem buddhistischen Kloster. In Ponlai konnte man eine riesige Felsmalerei aus dem 11. Jahrhundert bewundern. Bei Prey Banteay war nochmals eine sehr gut erhaltene Ruine von Angkor – der Wat Angkor Par.
All diese Sehenswürdigkeiten waren in der Provinz Prey Veng. Nach der Provinzgrenze war es wie abgeschnitten.

Im Phochniyodthan meattuk

Hannes fand die angegebene Adresse von dem „Phochniyodthan meattuk – Am Wasser Restaurant“ und parkte vor dem großen Holzhaus sein Auto. Er blickte über den Parkplatz und sah bis auf einen alten Pickup und ein Moped sonst kein Fahrzeug stehen.
Das „Phochniyodthan meattuk“ hatte auch schon bessere Zeiten gesehen. Das Hauptgebäude war ein großes Holzhaus mit riesigen Fenstern – ohne Glas. Da der Dach gute 3 Meter über die Wände ging, konnte man auch bei Regen geschützt im Lokal sitzen. Im Haus standen einigen Teakholz Tische und Bänke. Eine lange Theke aus Teakholz und ein Regal in der gleichen Länge mit vielen Ablagen dominierte den Raum. Im Anschluss der Theke war eine große Aussparung in der Wand und man sah in eine große Küche. Das Interieur in diesem Restaurant sah abgetragen und verbraucht aus. Immerhin stammte der Coca-Cola Kühlschrank rechts am Tresen aus eine neueren Zeit. Ein großer Holzventilator an der Decke drehte sich ungleichmäßig und ein Flügel hing etwas weiter runter. Jedes Mal wenn der Flügel an Hannes vorbei kam, brachte dieser etwas frische Luft mit.
Ohne Frage war dieses Restaurant vor Jahren ein sehr schönes Gebäude und durch die größte der Theke und Küche war es wohl auch für viele Besucher ausgelegt.

Eine Mitte 20-jährige Bedienung stand hinter dem Tresen und schaute auf ein Fernsehgerät an der Wand. Eine Quiz-Show war live zu sehen. Der Kandidat wurde von dem Moderator der Show gefragt, wie die Reihenfolge der Planeten in unserem Sonnensystem ist.
„Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun.“
Maona sah Hannes fragend an.
„Der Typ in Fernsehen. Ich gab ihm die Antwort. Schau, er überlegt immer noch.“ Maona schüttelte den Kopf und fragte, ob sie etwas zu essen bestellen könnten. Immerhin hatte Maona so viel Anstand und schüttelte nur ihren Kopf. Patricia hätte ihn geboxt und ihm einen ihrer schlauen Sprüche um die Ohren geschlagen – oder die Speisekarte

Maona fragte, ob sie etwas zu essen bestellen könnten. Die jungen Frau nickte und reichte ihr die Speicherkarte und schaute wieder auf den kleinen Fernseher an der gegenüber liegenden Wand. Hannes schaute auch auf den kleinen Bildschirm und wartete auf die Nächste Frage. Der Show-Kandidat hatte Uranus und Neptun verwechselt und eine Sirene machte: Böööööööph.
Der Show-Master stellte die nächsten Frage. Er wollte wissen wie die Schicht in unserer Atmosphäre heißt, die der Erde am nächsten ist.
„Dies ist die Troposphäre“ sagte Hannes zu der Bedingung. Maona war am lesen der Speisekarte.
Mit je einem „Ping“ wurde eine mögliche Antwort nach dem Single Choice Verfahren eingeblendet.
Ping a) Stratosphäre
Ping b) Mesosphäre
Ping c) Troposphäre
Ping d) Thermosphäre
„Sag ich doch: die Troposphäre. Man, Junge, nimm c oder frag den Telefonjoker.“
Im Hintergrund hörte man die Zeit zicken. Natürlich war die Zeit mit einer mystische Musik hinterlegt. Bei der dritt letzten Sekunde sagte der Kandidat: Stratosphäre. Ein Sirene machte: Böööööööph.

Die junge Bedienung schaute zu Hannes und dann zu Maona. Ihr Blicke wechselt von Maona nach links und wieder zu Maona. Hannes drehte sich nach links, um ihrem Blick zu folgen und sah an der Wand eines der Wahlplakate von Maona hängen. Könnte ein gutes Zeichen sein, dachte er bei sich.

Der Show-Master fragt nun, wie groß der Durchmesser der Erde sei.
Wieder gab es ein Single Choice Auswahlverfahren.
a) 12.742 Kilometer
b) 14.400 Kilometer
c) 14.848 Kilometer
d) 15.112 Kilometer
„Was möchtest du essen? Ich lade dich ein. Wenn du mir schon ein Auto kaufst, kann ich dir wenigstens das Essen spendieren.“ „Ist mir egal. Etwas mit Fisch und Gemüse. Der Durchmesser der Erde ist 12.742 Kilometer.“ „Was?“ „Nichts. Bestelle bitte Fisch.“
Die Sirene machte: Böööööööph.
Der Kandidat wurde immer nervöser, die Kamera schwenkte ins Publikum und wieder zurück zu dem Show-Kandidat.
Maona gab die Bestätigung auf und fragte, ob sie eine der Hütten auf dem Wasser benutzen dürften.

Der Show-Master zog mit Spannung sein nächstes Fragekärtchen heraus. Im Hintergrund leuchtet eine Wand mit bunten Lämpchen auf. Die eingespielte Synthesizer Musik untermalte erneut die Fragen von dem Show-Master. Dieser stellte die nächste Frage: Wo – verläuft – die – internationale – Datumsgrenze?
Hannes verdrehte die Augen und blies die Luft aus. Wie – gut – dass – der – Show – Master – nicht – noch – die – Wörter – Datumsgrenze – und – internationale – ge – tren – nt – hat – te.

a) Zwischen Fidschi und Tahiti
b) Zwischen Tonga und Samoa
„Zwi – schen To – n – ga und Sa – mo – a“ sagte Hannes und musste selbst über sich grinsen. Die Bedienung sah Hannes an und grinste breit. Sie ging vor ihnen durch eine breite Schiebetür auf eine große Terrasse. Auf der Terrasse standen ein paar Sonnenschirme bei denen die Sonne und Monsun einige Spuren hinterlassen hatte. Die Tische und Bänke waren aus dem gleichen Holz, wie das Interieur im Restaurant.

c) Zwischen Timor und Vanuatu
d) Zwischen Neukaledonien und Polynesien

Von der Terrasse aus konnte man sich ein Hausboot, Floß oder wie immer man dies nennen mochte, für ein paar Riel pro Stunde mieten. Auf einer Länge von guten 50 Meter lagen ein Dutzend Flöße. Es gab Flöße in unterschiedlichen Größen, Interieur und wohl auch zu unterscheiden Preisen zu mieten.
Auf mehreren längs liegende Blechfässer waren Teakholz Planken geschraubt. Die Hütten waren mit Strohdächer und Geländer aus Teakholz gebaut. Die Flöße waren an Stahlseilen befestigt und so konnte man diese auch nur in der horizontale Richtung auf das Wasser hinaus ziehen.
Böööööööph

Das Floß, welches sie sich aussuchten, war 5×6 Meter, hatte eine kleine Theke für Getränke oder Speisen. Sogar eine Kühlbox war vorhanden. Rechts davon war eine breite Strandliege aus Teakholz mit dicken Kissen auf dem Boden verschraubt.
Ein größerer Tisch in Form vom einem T stand mittig im hinteren Bereich. Am Tisch standen ein Dutzend Stühle aus Teakholz.
Vor der schönen Teakholz Theke war eine alte Fahrradfelge als Antrieb mit einem Stahlrohr verschweißt. Über dieses „Steuerrad“ drehte sich eine Welle unter dem Boden, wodurch sich ein zweites Seil unter dem Floß aufwickelte. So konnte man mit dieser Technik sich vom Ufer entfernen oder hinfahren.

Die Bedienung brachte einen großen Bottich Eiswürfel für die Kühlbox und die bestellten Getränkedosen. Sie sagte, dass sie rufen werde, wenn das Essen fertig sei.

Hannes drehte an der verbeulten Felge und mühsam entfernt sich das Floß vom Ufer. Da es zwischen Felge und Stahlseil kein Getriebe gab, kurbelte Hannes wie ein Ochse an dem „Steuerrad“.
„Bei Cees würde es einen solchen Pfusch nicht geben. Er hätte ein Getriebe und einen vernünftigen Antrieb gebaut.

Als Hannes das Floß gute 6 Meter vom Ufer bugsiert hatte, meinte er, dass der Abstand nun groß genug sei.
Der Prek Vai Kou war bei weitem nicht das, was er an Flüssen in Kambodscha gesehen hatte, trotzdem war es angenehm auf dem Wasser zu schaukeln und den Wellen nachzuschauen. Hin und wieder kam eine kleine Gischt über die Planken, welche gerade mal 40 Zentimeter über dem Wasser waren.
Beide legten sich auf die breite Holzliege.
„Es ist schon schön hier. Hat etwas von Abenteuerromantik. Gegen Abend ist es bestimmt noch schöner, wenn man die Lampen an der Decke und Pfosten anzünden kann. Schade, dass man überall die Spuren vom Zahn der Zeit sieht“ Hannes öffnete zwei Bierdosen und reichte eine Maona.
Maona prostete ihm zu „Auf uns. Es ist für mich alles kaum zu glauben, wie sich mein Leben durch dich geändert hat. Weißt du, man fragt sich oft, was hat man im Leben falsch gemacht und warum man gewisse Schicksalsschläge vor die Füße geworfen bekommt. Phammm! Und dein Leben ist nicht mehr das was es mal war. Man sucht nach Antworten auf all dies und ist verzweifelt. Man sucht Auswege und kommt nicht weiter. Das Leben rauscht auf einen Abgrund zu und man hat keine Chance zu bremsen. Als Fleischfachverkäuferin mit BWL Studium sitzt man in einer Markthalle und plötzlich schaut dich ein Ausländer von der Ecke an und du schämst dich für diesen Job, für diese Behinderung, für dieses Leben.“ „Maona, lass es! Es war gewesen und du musst dich für nichts auf dieser Welt schämen.“
Maona gab ihm einen Kuss „Du bist ein klasse Mensch. Warum hattest du damals dein Fleisch ausgerechnet bei mir gekauft?“
„Ich gehe nicht nach der Ware, sondern nach den Menschen hinter der Ware. Mir ist schon klar, dass ich diese Welt nicht retten kann – ich kann es nur für einige Leute besser machen. Ob ich jetzt mein Obst, Gemüse oder Fleisch in einem der großen und schönen Einkaufszentren kaufe, oder auf dem Markt bei einer ärmeren Person. In einem Kaufhaus verdienen viele an der Ware, auf dem Markt oft nur eine Familie. Ich ging ohne Stress durch die Markthalle und sah mir die Verkäufer an. Du fielst mir von deiner Art auf. Wie du auf dem Podest gesessen hattest, war sehr elegant. Diese Eleganz hat niemand in der Markthalle. Dann hattest du mit Somphea Schulaufgaben gemacht. Auch dies ist untypisch für eine Markthalle. War es Zufall, Bestimmung oder Schicksal, dass wir uns getroffen hatten? Mir hat die Begegnung mit dir sehr weh getan. Wo wäre ich heute ohne dich? Dies musst du auch mal sehen.“
Maona schüttelte den Kopf „Dann hättest du eine andere Person.“ „Mag sein. Aber eine Geschäftsführerin für meine Idee, eine Kämpferin für Politik und nebenbei noch Spitzenkandidatin für den Gouverneursposten, und noch eine gute Freundin in einer Person zu finden, wird schon sehr sehr schwierig.“ „Auf uns“ sagte Maona und prostete ihm mit ihrer Bierdose nochmals zu.

Die Bedienung rief, dass ihr Essen fertig sei.
Hannes kamen die 6 Meter bis zum Ufer vor, als ob er dieses Floß einmal um den Äquator kurbeln würde.
Die Bedienung brachte das Essen und stelle ein großes Tablett auf den Tisch.
„Ich geh noch schnell auf die Toilette und
bestelle noch ein paar Gedanke, denn ich habe nicht vor, ständig diese Ding hin und her zu kurbeln. Was möchtest du noch trinken?“ „Eistee bitte.“

Als Hannes von der Toilette kamen, sah er einen weißen Mitsubishi Lancer EVO1 auf den Parkplatz fahren. Er bestellte noch 6 Dosen Eistee, 4 Pepsi und 4 Angkor Beer. Er schaute auf den Parkplatz und sah eine schmale Frau mit langen Haaren und mit einem roten T-Shirt und Jeans gekleidet, auf der rechten Seite des Fonds aussteigen. Er schätzte die Frau auf Ende 20. Die Frau hatte eine Ledertasche über ihre Schulter hängen.
Auf der linken Seite des Fonds stieg eine schmale und etwas größere Frau aus. Sie war keine Asiatin, denn ihre Hautfarbe war hell und sie hatte blonde leicht gelockte lange Haare. Mit ihrem weißen Top und Jeans Hotpants sah sie wie eine Model oder Schauspielerin aus.
Vorne stiegen gleichzeitig zwei Männer aus. Der Beifahrer hatte eine normale Größe und Statur. Er konnte um die 40 Jahre sein, und hatte kurz geschnittenes schwarzes Haar. Er war leger in einer hellen Baumwollhose und weißem Hemd gekleidet. Der Fahrer konnte im Alter der blonden Frau sein. Sah sehr durchtrainiert aus und hatte kurz geschnittene Harare. Er trug ein weißes Sport-Shirt von Nike und Jeans. Hannes kam es vor, als ob er diesen Mann schon einmal gesehen hatte. Das Gesicht kam ihm bekannt vor.

Hannes blieb am Tresen stehen und wartete auf die vier Personen, die in diesem Moment die 5 Stufen ins Restaurant hoch kamen. Die Europäische Frau sah mit schnellem Blick zu ihm und schaute sich im Restaurant um.
Die vier Personen machten sonst keine Anstalten ihn zu beachten.
„Suchen Sie Frau Sokthat?“ Fragte Hannes.
Der Mann, der Hannes bekannt vor kam nickte ihm zu „Ja, Wir sind verabredet.“ „Ich weiß. Frau Sokthat ist auf einem Floß auf der anderen Seite des Restaurants.“

In der Quiz-Show saß nun eine Frau von mittleren Alters auf dem Kanzel ähnlichen Stuhl.
Der Show-Master las gerade seine Frage vor.
Hannes trug eine Plastik Coca-Cola Box mit den Getränke.
Welches Element stammt nicht aus der Antike?
a) Erz
b) Schwefel
c) Zink
d) Phosphor
„Es ist d, Phosphor“ sagte Hannes der Bedingung und machte ein Petzauge. Er drehte sich leicht nach links um und bat die Gäste ihm bitte zu folgen.

Die Kandidatin sagte Schwefel.
Böööööööph

Hannes sah die Bedienung an und zog die Schultern hoch „Die würden im Fernsehen besser Fragen, wer Mickey Mouse ist.“

Für eine Revolution muss man auch bereit sein Opfer zu bringen

„Der Fisch ist bald kalt“ rief Maona als er auf die Terrasse trat.
„Entschuldigung Süße, ich habe deinen Besuch dabei. Meine Damen und Herren, diese schöne und hungrige Frau ist Maona Sokthat.“
Maona erhob sich in ihrer schnellen athletischen Bewegung und stellte sich den Herrschaften vor. Die Asiatische Frau stelle sich als Savin Hou-Yeng vor.
„Borey Kimyeat“ sagte der ältere Mann und verbeugte sich mehrmals vor Maona.
„Ich bin Heng Serey Ratana. Meine Frau Aveline Levieux-Ratana.“
Maona verbeugte sich ihm und seiner Frau.
Heng Serey verbeugte sich nochmals vor Maona „Ich freue mich. Es ist mir eine Ehre Kambodschas Power Frau endlich persönlich zu treffen.“
Maona lächelte und verbeugte sich auch wieder vor ihm „Dankeschön. Gleiches kann ich auch sagen.“
Maona scheint diesen Mann wohl auch zu kennen, dachte Hannes und kurbelte das Floß auf das Wasser hinaus.

„Ich möchte euch aber schon gerne den Mann vorstellen, der dafür verantwortlich ist, dass es Kambodschas Power Frau überhaupt gibt: Borsa mneak del mean ko aus Deutschland.“
Ratana kam sofort auf Hannes zu und begrüßte ihn auf die bekannte asiatische Art „Es tut mir leid, dass ich Sie nicht erkannt habe. Ich kenne nur Ihren Namen. Heng Serey, Bonne journée“ und reichte Hannes die Hand. „Bonjour Heng Serey. Hannes. Dies ist mein richtiger Name. Jetzt wo du deinen Namen gesagt hast, weißt ich auch woher ich dich kenne.“
Heng Serey lächelte „Im Fernsehen sieht man anders aus.“

Maona bat die Gäste platz zu nehmen.
Während Hannes sich einen Wolf kurbelte, setzten sich die Fernsehleute Maona gegenüber.
Hannes setzte sich links neben Maona und entschuldigte sich, dass sie beide nun essen würden.
„Lasst euch durch uns nicht stören. Wir sind schon froh, dass wir Maona überhaupt so schnell treffen können“ sagte Heng Serey.
„Wobei sich uns beiden die Frage für dieses Treffen stellt“ sagte Hannes.
Heng Serey nickte ihnen beide zu „Warum wir uns an diesem Ort treffen, hat seine Gründe. Über die innenpolitische Lage von Kambodscha müssen wir euch nichts erzählen. Wir denken auch, dass ihr beide sehr gut informiert seid. Dies ist eigentlich auch der Grund, warum wir uns treffen. Uns ist bekannt, dass ihr einen erheblichen Anteil an der Gründung einer neuen Partei habt. Wir stehen zu euch und wollen euch unterstützen.“
Maona sah fragend in die Runde „Was soll dies für eine Unterstützung sein?“ „Maona, du müsstest ins Fernsehen. Eure Statuten von der Partie sind gut und auch wichtig für die Zukunft von Kambodscha. South hat die Provinz durch seine Korruption an die Wand gefahren“ sagte Heng Serey.
Maona und Hannes nickten zustimmend.
„Nun erklärte mir bitte, wie du eine Wahlwerbung ins Fernsehen bringen möchtest“ Maona sah Heng Serey fragend an. „Wer spricht von Wahlwerbung? Glaubt mir, mein Team, meine Frau und ich machen uns schon länger Gedanken, wie wir es schaffen, dich bekannt zu machen und gleichzeitig South keine Angriffsfläche gegen dich zu bieten. Was bleibt? Nachrichten. Wir berichten über eine neue Partei in der Provinz und schneiden ganz zufällig die Gouverneurswahlen an. Wir sind heute hier, um mit dir darüber zu sprechen.“
Maona sah zu Hannes und dann in die Runde der Gäste „Heng Serey, du bist Journalist und der Sprecher der Hauptnachrichten. Ich möchte keinesfalls, dass du durch mich Ärger bekommst. Politische Einflussnahme, die nicht im Sinne der Regierung ist, sieht man nicht sehr gerne im Fernsehen.“
Heng Serey nickte Maona zu „Da hast du recht. Gerade in Kambodscha ist es ein sehr großes Problem mit der Korruption. Ich möchte euch gerne etwas sagen, was nicht unbedingt jeder in diesem Land wissen muss. Ich gehe auch so weit, um zu sagen, dass ich euch vertrauen kann, denn sonst wäre meine Frau bei diesem Treffen nicht dabei.“
Maona reichte Heng Serey die Hand „Selbstverständlich bleibt alles was wir reden auch in diesem Kreis.“
Hannes nickte Heng Serey zu „Natürlich kannst du uns vertrauen. So wie es aussieht, stehen wir auf der gleichen Seite.“
„Dankeschön. Mit der Machtübernahme der Roten Khmer verlor Kambodscha seine Zukunft – dies wisst auch ihr. Ich hatte 1975 meine Abitur gemacht und meine Eltern sind wenige Tage später mit mir und meinen beiden jüngeren Schwestern nach Vietnam geflohen. Vietnam deshalb, weil wir in Svay Rieng gelebt hatten. Über das UNHCR kamen wir zwei Jahre später als Flüchtlinge nach Frankreich und wurden dem Département Seine-Maritime zugeteilt. Wir kamen in die Stadt Rouen. Da meine Eltern, wie auch meine beiden jüngeren Schwestern und ich französisch an der Schule gelernt hatten, war es für uns sehr schnell möglich aus dem Banleu heraus zu kommen. Ich studierte an Universität in Rouen Medien- und Politische Kommunikation.“
Maona und Hannes hörten Heng Serey aufmerksam zu.
„Im Jahr 1988 ging ich mit Aveline zurück nach Kambodscha. Wir beide konnten und wollten die katastrophale Lage in Kambodscha nicht mehr hinnehmen. Wir beide hatten damals für AFP gearbeitet und so war der Weg zurück nach Kambodscha nicht schwer. Da ihr mich durch die Nachrichten kennt, wisst ihr, dass ich beim TVK arbeite. Aveline ist Korrespondentin für AFP und Reuters.

Hannes musste das eben gehörte verarbeitet. Er stand auf und ging an die Brüstung von dem Floß und schaute auf die Wellen vom Prek Vai Kou. Er nahm mehrmals tief Luft und drehte sich zu der Gruppe am Tisch um. „Heng Serey, mir ist durchaus bewusst, dass TVK der Regierung gehört und Beiträge und Nachrichten, ich nenne es mal: Regierungskonform, gesteuert werden. Nun kommst du mit dieser Idee zu Maona, und willst indirekt über deine Beiträge in Wahl in dieser Provinz eingreifen. Du weißt, welch heißes Eisen dies ist?“
Heng Serey nickte ihm zu „Für eine Revolution muss man auch bereit sein Opfer zu bringen.“ „Bei allem Respekt für deinen Mut und auch den von deinem Team. Aber dies finde ich nicht sehr gut. Es könnte das Ende deiner und eurer Karriere in Kambodscha sein. Ist dir und euch diese Wahl so viel wert?“
„Ja“ sagten alle entschlossen.
„Respekt. Wir alle wissen, dass South und sein Netzwerk an Korruption das Problem in dieser Provinz ist, also muss man South destabilisieren. Eine Möglichkeit wäre die Verschuldung der Provinz seit South Gouverneur ist, öffentlich zu machen. Dies zu beweisen ist das kleinste Problem. Wo wir wieder bei Regierungskonformen Nachrichten wären. South könnte sich heraus winden, in dem er sich auf die schwierige innenpolitische Lage von Kambodscha beruft und ihr hättet nichts erreicht. Auch werden die Behinderungen seitens South gegen meine Arbeit bei ODHI kaum etwas ausrichten.“
Savin Hou-Yeng meldete sich zu Wort „Borsa mneak del mean ko, ich bin Redakteurin bei TVK und habe lange recherchiert, um zu wissen, dass es von South Kontobewegungen über eine chinesische Bank in Phnom Penh gibt. Die Geldzuwendungen von South an Wahlberechtigte Personen in dieser Provinz laufen über mehrere Mittelsmänner So können wir South keinen offiziellen Wahlbetrug nachweisen. Also bleibt nur der Weg über die Bekanntmachung der neuen Partei.“
Hannes sah zu Maona und dann in die Runde am Tisch „Also stimmt es doch. Von den Geldzuwendungen haben wir gehört. Weiß die UNTAC oder CIVPOL darüber Bescheid?“
Savin zog die Schultern hoch.
„Ich habe eine Freundin bei UNTAC. Ihr können wir vertrauen. Im übrigen war auch sie bei der Gründung für ein Agrarkollektiv in dieser Provinz eine tragende Kraft. Sie hatte South gezeigt wo der Hammer hängt und wer hier in Kambodscha zur Zeit das Sagen hat.“
Hannes sprach die Punkte an, die er vor Wochen Ilaria de Rosa bezüglich South unterbreitet hatte. Aveline notierte sich während Hannes sprach, den Namen: Ilaria de Rosa.
„Aveline, du musst dir diesen Namen nicht notierten. Ich werde Ilaria anrufen, wenn wir gemeinsam gegen South vorgehen wollen, sollten wir unsere Verbindungen auch gemeinsam nutzen.“

Hannes erzählte von der Begegnung zwischen Ilaria, Paolo und South im Rathaus von Svay Rieng und welche Position Ilaria bei UNTAC hat.
„Ilaria hatte vor nicht all zu langer Zeit meine Forderungen gegen South bezüglich den brachliegende Flächen und Felder durchgebracht. 200 Grundbücher sind an einem geheimen Ort gelagert und gesichert. Ilaria, Maona und ich kennen diesen Ort. Denn uns allen ist klar, dass South diese Grundbücher zurück haben möchte, um die Preise hoch zu treiben, denn diese Felder sind durch einen – na ja, nicht gerade handelsüblichen Preis von je 1.000 Riel pro Fläche in meinem privaten Besitz. Diese werden natürlich an das Agrarkollektiv übergeben, wenn alles steht. Das Geld für diese Felder wurde an die Krol Kor Salarien Bathamseksaea Grundschule überwiesen. So hatten wir South zweimal vor den Kopf gestoßen.“
„Kennst du South persönlich?“ Fragte Heng Serey.
Hannes nickte und erzählte von den damals schwierigen Verhandlungen über die Grundstücke in Kampang Rou und Khsaetr. „South ist und bleibt ein Wurm. Ich hätte ihm im Frühjahr 1990 die Zähne einschlagen sollen. Ja Leute, beide Grundstücke auf denen die ersten Schulen meiner Frau stehen gehören mir. Ob South dies nach 3 Jahren vergessen hat, oder er nun doch andere Sorgen hat, kann ich euch nicht sagen.“ „Die berühmte Lefévre School“ sagte Aveline respektvoll.

„South ist mehr als ein Wurm“ sagte Maona und blickte in die Runde. „Schaut mich an. Ich bin ein Krüppel geworden und mein Mann ist tot.“ Maona erzählte wie ihr Leben früher war und welche Visionen sie und ihr Mann für eine neue Politik hatten. Sie erzählte von dem tödlichen Verkehrsunfall und blieb bei ihrer Meinung, dass dies ein Terroranschlag von South war. Auch erzählte sie, wie sich ihr Leben nach der Kündigung durch South verändert und gar verschlechtert hatte. Ohne ihren Onkel hätte sie noch nicht einmal ein Obdach gehabt und seit einem Jahr unterrichte sie ihre Tochter selbst, weil sie noch nicht einmal das Schulgeld hat.

Aveline, Savin, Borey und Heng Serey brauchten eine Zeit, bis sie das Leben – oder die Umstände von Maona verarbeitet hatten.
„Maona, was du uns eben erzählt hast, bist du für mich noch viel mehr die Power Frau für Kambodscha. Ich werde dir helfen, diese Wahl zu gewinnen“ sagte Heng Serey.

Hannes setzte sich wieder an den Tisch.
„Wie weit seid ihr über die Gründung von einem Agrarkollektiv in dieser Provinz informiert?“ Dabei sah Hannes jeden der Gäste an. Die Blicke derer sagte ihm, dass sie nichts darüber wussten. So erklärte Hannes seine Gedanken, welche er nun bereits seit über 3 Jahre im Kopf hatte. Auch erwähnte er sein Trockenfeldanbau-Projekt. Denn dies alles gehörte zu seinem Plan: Den Menschen in Kambodscha zu helfen. „Zum einen ist die Partei von Samnang Duong im gleichen Atemzug mit dem Svay Rieng Agro-products Cooprrative und meinem Trockenfeldanbau-Projekt zu nennen. Die Geschäftsführerin ist Maona. In der Geschäftsleitung sind: Yupa Ngampho und Samnang Duong. Ein handvoll Europäer sind im Beirat – ich gehöre auch dazu. Zur Zeit liegt auf einem Konto bei der National Bank of Cambodia eine Summe von weit über 1,7 Million US-Dollar. Das ich diese Summe nicht einfach „spenden“ kann, ist selbstverständlich. Die Kambodschaner müssen auch etwas dafür tun. Dies geht nur, wenn sie einen Teil von ihrem Erlös an das Kollektiv abtreten. Nichts ist umsonst – auch humanitäre Hilfe nicht. So steht es auch in der Satzung vom diesem Kollektiv. Bis dato haben diese Satzung 211 Bauern unterschrieben. Wir möchten die Menschen in diesem Agrarkollektiv und natürlich auch in dieser Provinz gleichstellen. Es gibt Kriegsbedingt oder durch den Genozid sehr viele Menschen, denen einige Gliedmaßen fehlen. Diese Menschen haben in dem jetzigen System keinen Platz in der Gesellschaft. Dies möchten wir ändern. Eine Person mit einem fehlenden Bein oder Arm, kann in unserem Kollektiv Ware verkaufen. So bekommen diese Menschen Lohn für ihre Arbeit und können wieder am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Wir werden dafür noch Verkaufshütten bauen. Alle im gleichen Stil und Farbe. Jeder in der Provinz soll sehen, wer wir sind. Ihr seht, an der Partei von Samnang hängt viel mehr, als nur ein paar Reformen umzusetzen. Natürlich hätten wir mit Maona als Gouverneurin freie Fahrt und könnten viel schneller und wesentlich einfacher auch unsere Ziele erreichen. Ich sagte vorhin, dass wir eine Veränderung in der gesamten Provinz möchten, und nicht nur südlich von Svay Rieng. Also sind unsere Pläne doch erheblich größer. Savin, du hast recherchiert, dass es tatsächlich diese Geldzuwendungen gibt. South würde dies nie tun, wenn er keine nasse Füße bekommen würde – er hat Angst vor Maona und weiß nicht, wer im Hintergrund ist. Wir können mit der Partei nicht mit Geldzuwendungen punkten, denn dieses Geld wird dringend für mein Trockenfeldanbau-Projekt und für das Kollektiv gebracht. Unsere Veränderungen brachen Zeit zum wachsen. Das Geld von South haben die Menschen in ihren Taschen. Somit ist es jetzt schon eine unfaire Wahl. Nun bin ich wieder am Anfang vom Kreis angekommen. Wenn du, Heng Serey, Beiträge über meine Projekte machst, sollten diese mit Maona in Verbindung gebracht werden. Wer das Geld dafür gibt und wer im Hintergrund arbeit, ist den Leuten ziemlich egal. Die Menschen müssen sehen, dass diese Veränderungen von und durch Maona kommen. Somit hast du eine neutrale Berichterstattung und gleichzeitig wird Maona bekannt. Diese Möglichkeit kann und werde ich dir anbieten. Lasst uns darüber mal ein paar Gedanke machen. Ich bräuchte nun eine kleine Pause, denn ich müsste mein Bier weg tragen und zum andern würde ich gerne noch etwas Obst für uns bestellen.“

ព្រះពុទ្ធការពារប្អូនស្រី។
Buddha beschützt dich Schwester

Hannes kurbelte gemeinsam mit dem Kameramann Borey das Floß ans Ufer. Gemeinsam ging es doch erheblich leichter und schneller.
Auf dem Weg zur Toilette schaute Hannes auf das Wahlplakat von Maona und grinste breit. Borey sah ihn fragend an.
„Schau, was dort steht. Dieser Spruch stand bei unserer Ankunft noch nicht auf dem Plakat.“ „Buddha beschützt dich Schwester. Klasse Spruch.“

Am Tresen bestelle Hannes eine große Platte mit Ananas, Pitahaya und Wassermelone.
Er frage die Bedienung ob es möglich wäre eine weitere Liege auf ihr Floß zu stellen, denn diese wäre um ein vielfaches bequemer als die Holzstühle. Die junge Frau nickte „Sie können auch gerne die Nummer 10 nehmen, dort sind mehrere Liegen und auch Hängematte vorhanden.“ „Sehr gerne. Dann tauschen wir.“
Die Bedienung machte sich sofort an die Arbeit ihre Getränke und neue Eiswürfel auf Floß Nummer 10 zu tragen.

Bis die Bestellung und das umräumen
fertig war, ging Hannes an sein Auto und holte noch einige Wahlplakate aus dem Kofferraum.
Heng Serey kam an den Kofferraum „Du hast ne coole Karre.“ „Danke. Kann ich auch bei dir sagen. Der EVO1 ist schon ne Rakete. 250 PS und Allrad-Antrieb. Da geht was. Leider würde mir in dem Gebiet, wo ich im Einsatz bin, dieses Auto selbst mit Allrad nichts nützen. Da kommt selbst mein Auto hin und wieder an seine Grenzen.“

Hannes legte noch einige Plakate von Maona auf den Tresen. Sein Lieblingsplakat von Maona zeigte er Heng Serey und sagte ihm auch, warum er dieses Plakat mochte.
Heng Serey nickte „Sie ist ohne Zweifel eine taffe und sehr schöne Frau. Was sie uns vorhin von sich erzählte, muss man erst einmal verkraften. So viele Stunden neben ihrem toten Mann zu liegen, ist schon eine Hausnummer. Ich wüsste nicht, ob ich dies könnte.“

Der Koch von dem Restaurant trug eine riesige Platte mit Obst an Floß Nummer 10. Die Bedienung hatte noch ein Tablett mit Getränken dabei und stellte die Dosen in die Kühlbox.
Das „Steuerrad“ von Nummer 10 war zumindest eine vernünftige Fahrradfelge und drehte sich auch bedeutet leichter. Floß Nummer 10 war mit Abstand das größte und wohl auch bequemste. Es gab mehrere Liegen, wobei zwei sehr breit und somit für zwei Personen waren. Kleinere Holztische standen neben den Liegen und es gab eine große Fläche, wo man sich bequem setzen oder auch hin legen konnte.

Sie lagen auf den bequemen Liegen auf dem Floß und durch den leichten Wellengang vom Prek Vai Kou kam der Moment wie Urlaubsstimmung vor. Trotz der Mittagshitze war es auf dem Wasser sehr angenehm.

„Hannes? Ich hätte mal eine Frage“ sagte Aveline. „Okay. Welche?“ „Es tut mir leid, ich bekomme keine Verbindung zwischen deinem kambodschanischen Namen und einer Kuh.“ Hannes grinste Aveline an und erzählte ihr, wie er zu diesem Namen kam.
„Unglaublich. Und diese Kuh ist immer bei dir?“ „Ja. Hätte ich heute ein anderes Auto, wäre Sangkhum auch hier. Dieses Rind ist schon sehr eigenartig.“

Maona erzählte von ihrer ersten Begegnung in der Svay Rieng Provincial Hall und wie Hannes der Länge nach auf dem Betonboden aufschlug. „Wenn man Menschen nicht kennt, macht man sich sein eigenes Bild. Ich kannte Hannes nur unter seinem Namen, Borsa mneak del mean ko. Irgendwann stand er vor mir und ich verkaufte ihm Fleisch. Nun bin ich durch ihn Geschäftsführerin für ein Agrarkollektiv und stelle mich zur Wahl für die zukünftige Gouverneurin. Das Leben geht schon merkwürdige Wege.

Hannes stand auf und ging zur Kühlbox um sich ein Bier zu holen. Er reichte Aveline eine Dose Pepsi Cola. Savin wollte Eistee. Borey und Heng Serey sagten bei einem Bier nicht nein.

„Borsa mneak del mean ko, erzähle uns von dir. Wir waren eigentlich der Meinung, Beiträge über Maona und die neue Partei zu filmen, nun muss ich sagen, dass vieles was Maona sagte, wir nicht wussten.

Hannes legte sich in die äußerst bequeme Liege neben Maona und fing im Januar 1990 an zu erzählen. Seine Zuhörer nickten hin und wieder oder schüttelten den Kopf. „Und nun sitzen wir hier auf dem Prek Vai Kou und der kleine Hannes von früher gibt es schon lange nicht mehr. Ich suchte damals Hilfe um weiterzukommen. South war keine Option, dies merkte ich sehr schnell. So kam ich mit dem Militär in Kontakt. Nach einiger Zeit merkte ich, dass ein Major in der Kaserne in Svay Rieng weit mehr als ein Militäroffizier war. Ich war mir aber nicht sicher, wer im Hintergrund in dieser Provinz die Fäden zog. Nach und nach merkte ich, dass viele „seiner“ Gedanken nicht seine waren. Er gab diese lediglich weiter – was in keinster Weise negativ war. Erst durch Maona wusste ich es ganz genau. Nun ist das Resultat eine Partei, bei der Samnang Duong vorsteht und Maona die Spitzenkandidatin ist. Da wir alle wissen, wie South an seiner Macht klebt und wir von Wahlmanipulation ausgehen können, haben ich durch meine Kontakte zur UN und somit zu UNTAC, 4.800 Blauhelmsoldaten und 700 Beamte angefordert. Sie werden als Wahlbeobachter eingesetzt. Auch werden die Stimmzettel an einem geheimen Ort – den ich kenne, ausgezählt und auch dort beobachtet. South weiß noch nichts von diesen Wahlbeobachter und dies soll auch so bleiben. Die Macht vom South ist in dieser Provinz stark und sehr verflochten. Natürlich möchte er sein Schattenimperium behalten. Ihr wisst von Ortschaften wo die Leute etwas Geld von South’s Wasserträger bekommen haben, damit diese ihr Kreuz an der „richtigen“ Stelle machen sollen. In der Region um Kampang Rou hat er keine Chance, denn dort sind wir sehr aktiv und die Blöße seiner Wahlmanipulation wird er sich nicht geben. Was ich euch vorhin über mein Trockenfeldanbau-Projekt gesagt habe, wird eine große Sache, leider sehen es die Menschen in der Provinz Svay Rieng noch nicht. Die Leute in und um Kampang Rou sehen diese Veränderungen seit 3 Jahren. Diese etwas über 1.000 Wahlberechtigte Menschen sind für eine absolut Mehrheit bei der Wahl für Maona viel zu wenig. Über 200 Felder südlich und westlich von Svay Rieng in Richtung Kampang Rou werden optimiert, abgeerntet oder eingesät. Zur Zeit arbeiten dort an den Felder weit über 200 Personen, die zum Teil aus anderen Ortschaften kommen und somit ist Maona diesen Menschen bekannt. Wir werden etwas gegen die Lebensmittelknappheit in diesem Land tun. 100 Tonnen Saatgut sind bereits auf einem Schiff und werden in Kürze im Hafen von Sihanoukville ankommen. Auch sind 5 Container mit Landschaftlichen Maschinen aus Deutschland auf dem Weg nach Kambodscha. Dies alles, was ich eben aufgezählt habe ist bis zu diesem Zeitpunkt mein Eigentum. Unsere Veränderungen werden spürbare Verbesserungen bringen. Wir in diesem Kreis wissen, wie es mit der geringen Bildung auf dem Land aussieht. Also können wir nur die wenigen Menschen erreichen, die für das Agrarkollektiv und ODHI arbeiten, oder wie bereits erwähnt, die Veränderungen in Kampang Rou, Khum Nhour, Khsaetr oder Sama sehen. Selbst die Bergdörfer Samlei, Thmei und Tnaot profitieren von den Veränderungen in der Region. In Thmei steht ein Militärzelt, in dem eine Lehrerin aus dem Team von Patricia die Kinder unterrichtet. Ich habe einen Arbeitsvertrag von UNICEF und sollte eigentlich die Infrastruktur für Schulen errichten. Würde ich gerne tun, wenn über die UN oder UNTAC endlich vernünftiges Geld kommen würde. Bei der letzten Debatte vorige Woche in Phnom Penh wurden 32 Millionen US-Dollar für die Bildung bereitgestellt. Selbst wenn ich für UNICEF Schulen baue, habe ich keine Lehrer. Junge Lehrerinnen und Lehrer wollen in die Städte und nicht in die trostlosen Ortschaften. Die Lehrerinnen und Lehrer, welche hier sind, haben doch kaum eine Perspektive, weil ständig Geld fehlt. Meine Frau und ihr Kollege, Levi Flacks, werden im nächsten Jahr unter anderem für das Bildungsministerium arbeiten. Bei der letzten Debatte im Ministerium wurde die Bildungsreform von Patricia und Levi sehr gut angenommen. Ihr seht, wir machen uns sehr viele Gedanken, wie wir diesem Land noch besser und vor allem schneller helfen können. Und nun bin ich wieder am Anfang vom Kreis. Wie können wir es hinbekommen, dass diese Wahl im Sinne der Demokratie und trotzdem zu unserem Vorteil verläuft? Mal etwas anderes. Es wird immer später und wir sollten uns das Abendessen bestellen. Denn ich denke, wir werden noch ein paar Stunden brauchen, bis wir ein vernünftiges Konzept haben.“

Borey und Heng Serey kurbelten das Floß zurück an Land. Maona bestelle für alle das Abendessen. Suppe, gebratene Fleischspieße vom Huhn, Schwein und Rind, Papayasalat mit Klebereis und Fisch mit Gemüse.
Maona sah nun auch das Wahlplakate mit dem für sie geschriebenen Spruch. Sie fragte die Bedienung nach einem Filzstift und signierte das Plakat. Die anderen Plakate hingen unübersehbar im Restaurant. Sogar eines am großen Coca-Cola Kühlschrank.

Hannes rief Patricia an und sagte ihr, dass er mit Maona in Rokar sei und sie sich keine Sogen machen sollte.
„In Rokar? Was machst du am anderen Ende der Provinz?“ „Gespräche mit einem Fernsehteam. Sie waren in Chong Kal und wir haben uns in der Mitte getroffen.“ „In der Mitte?“ „Dann ist die Mitte eben weiter südlich. Herr Gott nochmal. Tschüss bis heute Abend. Ich liebe dich.“

Unbeschwertes Feiern gegen politische Veränderungen

Das Restaurant füllte sich langsam mit jungen Leuten, einigen Studenten aus Svay Rieng und Arbeiter, die den Tag mit Essen, Getränke und Feiern ausklingen lassen wollten. Maona kam mit Aveline und Savin von der Toilette und wurde von einigen Gästen erkannt. Diese verbeugten sich vor Maona und sagten ihr, dass sie zu ihr stehen würden. Maona ergriff sofort die Gelegenheit und stelle den Gästen ihre Reformen der neuen Politik vor.
Aveline stand neben Hannes und hörte Maona zu. Sie sah ihn an und nickte „Diese Frau hat Temperament“ „Maona ist ein Vulkan und die einzig wahre Option für diese Provinz. Hoffen wir auf das Beste. Der Countdown läuft.“

Um nicht nochmal das Floß zu tauschen, um essen zu können, brachte ein Keller zwei flache Tische auf ihr Floß. Mit den dicken Kissen, konnte man sich auch auf dem Boden bequem machen – was in Südostasien eigentlich auf völlig normal war.
Beim Abendessen wurde in der Gruppe über dieses und jenes gesprochen. Heng Serey hatte politische und gesellschaftliche Ansichten, mit denen er sich in Kambodscha nicht unbedingt Freunde machen würde, wenn diese öffentlich bekannt würden. Gerade er, der für einen Nachrichtensender arbeitet, welcher von der Regierung kontrolliert wurde. Diesen Mut musste man erst einmal haben. Nun wurde Hannes auch klar, warum man sich an diesem abgelegenen Ort traf. Die Entfernung zu den anderen Flößen machte es unmöglich, ihre Diskussionen zu verfolgen oder gar zu hören.
Hannes sah immer mal wieder zu den anderen Flößen und beobachtete die Leute. Sie feierten, lachten oder sangen Karaoke. Auf ihrem Floß wurde über deren Zukunft diskutiert, ohne dass diese jungen Menschen oder Bauern es wussten. Natürlich hatte sich herumgesprochen, wer die Frau auf Floß Nummer 10 war und so schauten hin und wieder einige der Gäste zu ihnen herüber.

Hannes entschuldigte sich und stand auf. Er ging ans Heck, wenn man dies bei einem Floß sagen kann, und rief Ilaria an.
Er fragte sie, ob UNTAC etwas über die indirekten Geldzuwendungen von South wüsste.
„Buona sera Hannes, es gibt Gerüchte darüber. Aber mehr weiß ich auch nicht. Ich bekam Fotos von CIVPOL auf dem ich seinen Anwalt erkannte, der beim Treffen im Rathaus dabei war. Es liegt der Verdacht der Geldwäsche vor. Noch ist alles sehr vage und eben auch nur Vermutungen. Hast du mehr Informationen als ich?“ „Ja. Habe ich. Eine Journalistin von TVK hat recherchiert, dass das Geld über eine chinesische Bank in Phnom Penh transferiert wird und es mehrere Mittelsmänner gäbe. Einen hätten wir ja dann schon.“
Stille in der Leitung. Hannes sah, dass Heng Serey zu ihm schaute.
„Hannes…?“ „Ja?“ „Wenn dies an die Öffentlichkeit kommt, brennt in der Provinz der Baum.“ „Wäre schön, wenn dies möchtest schnell passieren würde.“ „Wie sicher ist deine Quelle?“ „So sicher, dass Heng Serey Ratana seinen Job verlieren würde.“ „Wer ist er?“ „Der Hauptnachrichtensprecher von TVK.“ „Scusi, was hat er damit zu tun?“ „Er sitzt einige Meter von mir entfernt auf einem Floß auf dem Prek Vai Kou. Seine Redakteurin, Frau und Kameramann sind auch hier.“ „Okay. Ich setze mich mit CIVPOL in Verbindung. Ich sage dir Bescheid, wann und wo wir uns treffen.“ „Grazie, Ilaria.“

Hannes setzt sich wieder zu den anderen und nickte.
„Was?“ Fragte Heng Serey. „Ich weiß nun wer einer der Mittelsmänner ist. Es ist South’s Anwalt.“
Savin ließ ihre Gabel fallen und die anderen sahen Hannes an, als ob sie einen Geist sehen würden.
Hannes erzählte von dem Gespräch mit Ilaria und dass sie sich in diesem Augenblick mit CIVPOL in Verbindung setzen würde.
„Lasst mich noch kurz telefonieren. Ich möchte noch einen Freund anrufen, damit auch er im Bild ist. Mal schauen, ob er uns helfen kann.“
Auf die fragende Blicke der anderen sagte Hannes, dass er den Leiter der Weltbank in Kambodscha anrufen werde. „Macht euch keine Gedanken, Coady ist ein Freund von mir. Auch er gehört zu jenen Personen, denen ich – und Maona vertrauen. Coady ist auch auf unserer Seite.“

Diesmal blieb Hannes in der Gruppe sitzen und sagte Coady das gleiche, wie zuvor Ilaria.
„Coady, ich stelle auf Lautsprecher, dann können die anderen dich hören.“ „Guten Abend Maona und Heng Serey. Hallo an die anderen. Was ihr vor habt, ist brandgefährlich – aber wohl die einzige Möglichkeit die bleibt. Öffentlich über die Medien könnt ihr dies nicht tun, denn sonst sind einige von euch sehr schnell den Job los. Es geht nur über CIVPOL und dann über INTERPOL. Ich habe ein paar Kontakte zu INTERPOL und werde die mal in Kenntnis setzen. Hannes? Sag mir bitte Bescheid, wann Ilaria nach Svay Rieng kommt, dann komme ich auch.“ „Danke Coady. Ich melde mich sobald ich etwas weiß. Liebe Grüße an Melanie.“

Heng Serey schüttelte nach dem Telefonat den Kopf und sah Hannes an.
„Was?“ „Es ist unglaublich wen du alles kennst.“ „Tja, der Bagger fahrende Hannes hat auch ein großes Netzwerk. Es gibt keine Organisation in Kambodscha, in der ich keine Freunde oder Unterstützer habe. Leute, die Zeit läuft. Wir sollten uns Gedanken machen, wie wir Maona so schnell wie möglich ins Fernsehen bringen können. Da ihr die Fachleute seid, lasst mal eure Gedanken hören.“ „Welche konkrete Projekte können wir den Zuschauer zeigen?“ Fragte Savin. „Die Wasserräder in Kampang Rou und Khsaetr. Dadurch hat sich die Lebensqualität der Menschen bereits verbessert. Die Schulen meiner Frau. An dem Trockenfeldanbau-Projekt sind wir dran. Genau so an dem Agrarkollektiv. Da bräuchte ich auch noch ein geeignetes Grundstück. In Kampang Rou gibt es einen Laden, wo es keine Plastiktüten gibt. Frauen aus Tanot flechten Körbe. Diese Körbe werden wir in allen unseren Verkaufshütten haben. Zur Zeit gibt es einige Geschäfte in Svay Rieng, die diese Körbe auch benutzen. In Kor An Doeuk, Thkov, Shheu Teal und Kâmpóng Trâbêk werden diese Flechtkörbe bereits seit Jahren eingesetzt. Auch in Chong Kal gibt es mehrere Markt- und Standbetreiber, die diese Körbe für ihre Kunden nutzen. Somit hätten wir auch Umweltschutz im Angebot. Die Lieferung von 100 Tonnen Saatgut und den Landwirtschaftlichen Maschinen können nur angesprochen werden, denn diese werden morgen oder in den nächsten Tagen noch nicht in Kambodscha sein.“
Savin notierte dies alles und schaute auf ihre Notizen „Dies ist doch schon eine ganze Menge. Daraus lässt sich einiges machen. Wir könnten sogar eine richtige Reportage darüber filmen. Oder was meinst du, Heng?“
Heng Serey nickte anerkennend in die Runde „Dann sollten wir ein Drehbuch schreiben.“ „Gut, machen wir uns an die Arbeit. Ich werde mit Savin und Borey schreiben, und Hannes mit Aveline und Heng Serey“ sagte Maona und setzte sich auch gleich zu den beiden auf den Boden.
Aveline, Heng Serey und Hannes machte es sich mit Dosenbier in den Liegen bequem. Hannes stellte ihnen seine Ideen vor, wie und wo er Maona filmen würde. Seine Ideen gefielen den beiden sehr gut. Als Hannes etwas von einer Caterpillar D8N sagte, wussten beide nicht, was er meinte. Also erklärte er, was damals bereits Stacey filmte.
„Bilder von der Basis. Das ist gut“ sagte Heng Serey und klopfte Hannes auf die Schulter.
„Ich hätte noch die Gemüsefelder an Patricia’s Schule im Angebot. Am besten schaut ihr euch dies alles vor Ort an, dann werdet ihr sehen, was ihr alles filmen könnt.“

Das Telefon von Hannes klingelte. Es war Ilaria. „Buona sera Hannes, morgen Nachmittag gegen 16 Uhr bin ich in Svay Rieng. Wo treffen wir uns?“ „In der Schule von Patricia. Dort sind wir sicher. Grazie, für deine Hilfe. Bis morgen.“
Nach dem Telefonat mit Ilaria rief Hannes Coady an und sagte ihm die ungefähre Uhrzeit und Ort.

Es bereits 21 Uhr als beide Teams ein kleines Drehbuch geschrieben hatten, wie und wo sie sich eine Konversation mit Maona vorstellten. Aveline las die Manuskripte vor und es wurde noch besprochen, wie Maona oder Hannes sich dieses oder jenes genau vorstellten. Savin und Borey machten sich Notizen. „Eine Frage: wie willst du Maona in einer Höhe von 20 Meter filmen?“ Fragte Borey. „Wir haben einen Kranbagger auf der Baustelle. Wirst du morgen sehen.“
„Respekt Leute. Nun lasst uns aufbrechen, es war ein sehr langer Tag“ sagte Heng Serey.
Hannes rief noch ins Hotel an und machte drei Zimmer klar.

Kapitel 40 Billard am 10. Breitengrad

Billard am 10. Breitengrad

Nach einem langen Tag in Staub und Hitze, war Hannes froh im Hotel zu sein, um diesen furchtbaren Sand von der Haut zu bekommen.
Unter der Dusche fiel ihm ein, dass er nach nur einem Tag von Claude schon sehr viel verlangte. Hannes konnte sich nach all den Jahren in Südostasien nicht an diesen Sandstaub gewöhnen und er war mit Claude über 7 Stunden in dieser Hitze und Staub.
Patricia stürmte ins Zimmer und rief nach ihm. „Ich bin im Bad.“ „Très bon. J’arrive.“ Und im gleichen Augenblick stand sie im Bad.
Das duschen mit seiner schönen Frau war definitiv das Highlight an diesem Tag. Patricia küsste ihm lange und hielt Hannes fest „Chérie, was bist du wieder so nachdenklich?“ Hannes erzählte ihr von den neusten Problemen mit der Bestimmung der Bodenklassen, der Suche nach einem vernünftigen Areal und die Frage, ob auf den Landwirtschaftlichen Maschinen ein Embargo sei. „Prinzessin, ich werde heute Abend dies mit dem Vorstand von dem Agrarkollektiv auch mal ansprechen. Ich kann und will nicht immer alles alleine machen und denken. Und bei euch so? Was habt ihr heute gemacht?“ „Wir haben eine kleine Bootstour auf dem Tonle Bassac gemacht und wir waren in Bavet an der Grenze auf einem Markt gewesen. Hier in der Provinz gibt es ja nicht all zu viel zu sehen. Lass uns mal schauen, ob wir nicht mal für ein Wochenende nach Kâmpóng Trâbêk kommen. In Phnom Penh oder Siem Reap gibt es ja doch bedeutend mehr zu sehen.“ „Ja, mein Engel. Mal schauen, ob wir dies fürs nächste Wochenende schaffen. Dann könnte ich vielleicht am Montag im Verteidigungsministerium oder bei UNTAC mal fragen, wie ich an die Liegenschaft komme. Und wenn du mit deiner Familie wieder für ein paar Tage nach Koh Rong Sanloem fährst?“ „Könnte ich machen, aber warum willst du nicht mit?“ Hannes gab ihr keine Antwort auf die Frage und küsste sie lange. Patricia streichelte ihn zart und knabberte an seinem Ohr. Das Wasser lief ihnen über ihre Körper und sie lieben sich unter dem lauwarmen Wasser.
„Prinzessin, lass uns fertig werden, sonst kommen wir als letztes ins Restaurant.“ „Chérie, dies ist mir jetzt auch egal. Ich liebe dich und ich brauche dich“ mit diesem Worten zog sie Hannes aus der Dusche in dem kleinem Badezimmer auf das Doppelbett.


Patricia gab ihm einen Kuss „So, nun können wir duschen gehen. Danke für deine Liebe und den schönen Sex.“
Wieder lief das lauwarme Wasser über sie und Hannes wollte sich gar nicht mehr von seiner Frau lösen. „Komm, mon chérie, lass uns fertig werden, sonst kommen wir als letztes ins Restaurant.“ Hannes sah fragend zu Patricia. „Nun habe ich das bekommen, was ich brauchte. Jetzt können wir fahren. Je t’aime, mon chérie.“

Um 18.30 Uhr klopfte Hannes an der Zimmertür von Claude „Salut Claude, wir fahren gleich. Ich möchte mich aber zuerst bei dir entschuldigen. Es tut mir leid, dass ich dich heute über Stunden mit in den Staub und Hitze geschleppt habe.“ „Meine Deutsche Kartoffel. Es ist okay. Das wir nicht in Höhlen sein werde wusste ich. Aber du hattest mich auf den Staub, Sand und Hitze vorbereitet. Ich muss und werde mich an dieses Klima gewöhnen. Andere mussten dies ja auch.“

Als Hannes mit Claude in die Lobby kam, saßen seine Freude bereits in den billigen Sessel und warteten auf sie.
„Hey Chef, wer fährt mit welchem Auto?“ Fragte Asger. Hannes schüttelte den Kopf „Niemand. Ich habe für uns einen Mini-Bus bestellt. Immerhin sind wir 9 Personen und so können wir auch etwas trinken.“ Patricia sah Hannes böse an und boxte ihm fest gegen den Oberarm. „Prinzessin, ich habe wir und nicht ich gesagt.“ Patricia verzog den Mund. Ihr Blick sprach Bände.

Das „Sach ang phoumi yeung“ heißt übersetzt „unser Dorfgrill“. Es ist kein Restaurant der gehobenen Klasse, aber trotzdem sehr schön. Man hat von der großen Terrasse einen wunderschönen Blick auf den Toni Waikou. Dieser See wird von dem Waikou Fluss, welcher schon grandios ist, aber gegen den Mekong nur ein Büchlein darstellt. Der Waikou geht nach dem großen Staudamm in den Bassac über, dort wo am Nachmittag Patricia mit ihrer Familie war.
Im „Sach ang phoumi yeung“ gab es drei Billardtische, die auch in einem vernünftigen Zustand waren. Der große Gastraum waren typisch asiatisch eingerichtet – also mit Teakholz Stühle und Tische, wie auch die Terrasse.

Zu Hannes seinem Erstaunen sah er auf dem Parkplatz vom „Sach ang phoumi yeung“ das Auto von Bourey stehen. Als Major musste er durchaus die Uhr kenne.
Hannes bedankte sich bei Soknea, der Inhaberin von dem Restaurant, dass sie seinem Wunsch nachkommen war. „Borsa mneak del mean ko, für dich immer wieder gerne. Es hat bestimmt seinen Grund, warum du das Restaurant für euch alleine haben möchtet.“ Hannes nickte, lächelte und verbeugte sich vor ihr „Danke Soknea, schreib heute alles auf eine Rechnung.“

Hannes begrüßte Maona, Yupa, Samnang und Bourey herzlich und stellte ihnen Claude vor. Maona verbeugte sich leicht vor Claude „Bonjour Claude, vous êtes le géologue que nous attendons tous avec impatience“ sagte Maona zu Claude. „Merci beaucoup. Es ist schön, dass ich von so vielen Leuten erwarte werde, aber ich bin nur Geologe und kein Zauberer“ sagte er zu Maona und sah fragend zu Hannes. „Maona kann französisch und englisch. Ja Claude, mich hatte sie auch schon überrascht. Maona, die Wahlplakate gefallen mir sehr gut. Ich finde das Plakat, wo man dich vollständig sieht echt klasse. Du gehst mit deiner Behinderung offen um und zeigst deine Kraft und Willen.“ „Findest du? Es gab für dieses Foto so einige Diskussionen.“ Hannes schüttelte den Kopf „Gerade weil du so – leider, bist, ist dieses Foto eine Botschaft an alle Menschen, die eine körperliche Behinderung haben. Du willst für alle Menschen in dieser Provinz die Gouverneurin sein und zeigst denen, dass es egal ist wie man aussieht.“ Bourey nickte Hannes wild zu „Dies habe ich Maona auch gesagt. Wenn wir von Anfang an etwas verstecken, werden wir unglaubwürdig. Nicht jeder in der Provinz kennt Maona und die Umstände ihrer Behinderung.“ Hannes klopfte dem Major auf die Schulter „So sieht es aus.“ „Mit oder ohne Behinderung muss ich diese Wahl erst mal gewinnen.“ Hannes nickte Maona zu „Lass dich an den Felder blicken, wo die Bauern am arbeiten sind. Rede mit ihnen. Zeig ihnen, dass es voran geht und du für diese Reformen stehst. Geh an die Universität und werbe für Lehrer, Kaufleute und Ingenieure. Stelle das Trockenfeld Projekt vor und sag den Studenten um was es geht. Lade sie auf die Baustellen ein oder zu Patricia in die Schule. Wir können Menschen nur erreichen, wenn sie alle diese Veränderungen sehen. Maona, es geht hier mehr als nur um Wahlkampf. Wir von ODHI brauchen fähig Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir können mehr verändern, je mehr Menschen dies wissen und anpacken. Wenn Studenten, die Lehrerin und Lehrer werden wollen, sollen sie wissen, dass wir bereit sind Schulen zu bauen. Mir nützt es wenig, wenn ich für die UN die Infrastruktur aufbauen soll, wenn ich keine Lehrer oder Ingenieure habe. Die jungen Leute wandern nach Phnom Penh ab, und hier stirbt die Provinz aus. Ich weiß von dir, dass es hier in der Provinz mehr als genügend verwaiste Schulen gibt. Warum ist dies so? Weil Suoth die Provinz an die Wand gefahren hat.“ „Ich gebe dir in allem recht. Aber ich kann nicht über Nacht die Fehler und Korruption von South umdrehen. Und warum gehst du nicht mit mir an die Universität?“ Hannes nickte Maona zu „Das du die Fehler von South nicht von heute auf morgen ausbügeln kannst, weiß jeder hier im Raum. Warum ich nicht mit dir gehe? Dies ist ganz einfach, weil ich mal wieder – oder immer noch, einen Berg Probleme habe und mir schlichtweg die Zeit davon läuft. Ich hatte es auch schon zu Samnang gesagt, ihr habt den Vorteil, dass wir Europäer mit unserem Wissen und Equipment hier sind. Wir bleiben im Hintergrund – sind aber da wenn wir gebraucht werden.“


„Na, mein Freund, schon wieder am Arbeiten?“ Hannes drehe sich um und grinste Levi an „Hallo Levi, hallo Clodette, schön, dass ihr da seid. Wie war es in Phnom Penh?“
Am Tisch erklärt Levi den Zuhörer die vergangene Tage im Ministerium. Patricia, Clodette, Hannes, Franziska, Maona, Adelina, Leatitia und Samnang hörten ihm gespannt zu. Am Nebentisch saßen Claude, Maurice und Annabell.
„Über die UN, beziehungsweise UNICEF wurde ich zu der Debatte für die Bildungsreform eingeladen. Es waren circa 250 Delegierten im Ministerium – also keine große Sache. Am Mittwoch wurde von Seiten der UN, UNTAC, UNICEF, UNHCR, sowie Vertreter des Nationalrat und der Interimsverwaltung eine Agenda vorgestellt, welche 74 Punkte umfasst und die in den nächsten 2 Jahren greifen soll. Die komplette Ausfertigung habe ich zu Hause liegen. Und muss sagen, drei Viertel der Kapitel sind das Papier nicht wert, auf welches sie gedruckt wurden. Da ich bei der Delegation der UNICEF saß, lernte ich auch einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennen, die für UNICEF in Kambodscha sind. Am Abend war ich mit gut zwei Dutzend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von UNICEF essen gewesen. Eine Vanessa Lemaire und ein Milan Vandenberghe aus Belgien, sowie eine Romina Ponte aus Italien saßen mit mir an einem Tisch. Hattie auch. Ich soll euch beide herzlich von ihr grüßen. Patricia, kennst du diese Personen?“ Patricia schüttelte den Kopf. „Komisch. Jene Personen wussten sehr genau über dich Bescheid. Ich sprach am Anfang kaum über deine Schulen, trotzdem scheint jeder deinen Name zu kennen. Ich sprach später konkret deine Schule in Kampang Rou, Khsaetr und Chong Kal an. Die Personen waren bestens im Bild. Da du diese Personen nicht kennst, frage ich mich, woher sie so gut informiert waren und sind.“ „Vermutlich von Hattie oder Laureen. Ich weiß es nicht.“ Levi nickte „Ist auch egal. Jedenfalls stellte ich ihnen unsere Ideen und Gedanken für eine neue Bildungsreform vor. Es war unglaublich, wie positiv sie dem zustimmten. Am Donnerstag wurden konkrete Punkte seitens der UNICEF durch die Leiterin in Kambodscha, Frau Laureen Thompson, angesprochen und ausführlich dargestellt. Hannes und Patricia werden diese Projekte bestens bekannt sein. Am Nachmittag wurde die Agenda für die Finanzierung von einem Herrn Anthony Robinson vorgestellt. Die UN würde 32 Millionen US-Dollar dafür ausgeben. Es folgte eine Diskussion von Vertreter der ASEAN Staaten und der UN, woher dieses Geld kommen sollte.“ Hannes nickte „Kommt mir irgendwie bekannt vor. 32 Millionen US-Dollar! Der UNTAC Einsatz ist auf 500 Millionen US-Dollar geplant. So viel zum Thema Bildung.“ Und zu Patricia sagte er „So viel zu meinem Jobangebot bei der UN.“
Levi sprach weiter „Nach dieser schier endlosen Debatte wurden die bis jetzt umgesetzten Bildungs-Projekte angesprochen und dargestellt. Ich bekam Redezeit und habe die Bildungsreform von Patricia und mir vorgestellt. Auch habe ich die neuen Schulprojekte mit dem Anbau von Gemüse, eure Idee mit den kleinen Tafeln für die ärmeren Provinzen den Delegierten vorgestellt. Ein Stab von UNTAC aus Belgier, Italiener, Deutsche und Norweger begrüßten jeden meiner Punkte und stimmte auch sofort dafür. Am Abend war ich mit den Belgier Alice Pierand, Juliette Ulens, Vince Kesteloot und Hugo De Jonghe essen gewesen. Auch sie kannten die Schulen von Patricia in den Provinzen Prey Veng und Oddar Meanchey. Patricia, diese Leute sehen dich als Koryphäe für die Bildung in Kambodscha. Sie alle sind nicht für UNICEF im Einsatz, sondern für UNTAC.“
Franziska‘ s Augen strahlen und sie gab ihrer Tochter einen Kuss auf die Wange.
„Am Freitagmorgen hatte ich Gespräche mit einer Delegation aus Italien, welche für UNTAC in der Provinz Takeo im Einsatz sind. Auch sie waren für unsere Ideen sehr offen, gleiches vom dem Kontingent aus Belgien in den Provinzen Banteay und Battambang. Thailand in der Provinz Meancheay. Und andere Staaten, die in den Provinzen Mondulkiri, Kampong Speu, Sihanoukville und Siem Reap im Einsatz sind. Am Freitag hatte die Interimsverwaltung für Kambodscha unserer Bildungsreform Einstimmig zugestimmt! Zu den abstimmenden Staaten gehörten unter anderem: Pakistan, Polen, Senegal, Thailand, Tunesien und Uruguay. Patricia, ist dir bewusst, wie viele Menschen hinter dir stehen? An den beiden Abende und am Freitagmorgen lud ich die Delegierten nach Kampang Rou ein. Sie sollen und können gerne sehen, was wir leisten.“ Hannes nickte Maona zu „Was ich dir vorhin gesagt habe.“
Patricia saßen für den Augenblick regungslos am Tisch. Diese Nachricht von Levi musste erst mal sacken. Franziska drückte schon eine Weile ihre Tochter fest an sich und streichel ihr über den Kopf und Rücken.
„Natürlich fragten die Delegierten nach dir. Ich sagte, dass du zur Zeit in Thailand seist, weil deine Eltern auf Urlaub hier seien. Im Oktober sind die nächsten Debatten geplant und ich sagte, dass du dann dabei sein wirst.“ „Danke Levi, wir kamen am Freitagnachmittag erst in Kampang Rou an. Da scheinen die Gespräche mit Jean-Luc Dehaene in Paris doch etwas gebracht zu haben. Belgien war im Juni schon sehr gut über meine Arbeit informiert.“ Levi nickte ihr zu „Mit Belgien hast du definitiv einen starken Verbündeten an deiner Seite. Mit Italien, Deutschland und Norwegen auch.“ Patricia schüttelte den Kopf „Levi, du auch. Wir sind Freunde und Kollegen. Du und ihr“ dabei sah Patricia ihre Kolleginnen an „steht für die neue Bildungsreform genau so wie ich.“

Nach dem vorzüglichen Abendessen wurde es im „Sach ang phoumi yeung“ entspannter und jeder kam mit jedem ins Gespräch. Selbst die sonst sehr zurückhaltende Annabell sprach mit Adelina und Leatitia.
Hannes spielte mit Claude Billard. Auch Asger und Cees machten mehrere Spiele. Patricia spielte zusammen mit Leatitia gegen ihre Mutter und Clodette.
Man trank Bier, Cola, Cola-Whisky oder Cocktails. Bei den Spielen kamen immer mal wieder Gespräch über das Agrarkollektiv, das Trockenfeld Projekt oder sonstige politische Themen.
Selbst Maona spielte Billard. Sie stellte sich auf ihre linke Seite einen Stuhl, um sich mit ihrem Oberschenkel darauf zu stürzen, so konnte sie sogar Billard spielen. Hannes sah, dass Rithisak eine Kamera in der Hand hatte. Sehr gut, dachte er. Sehr gut. Und lächelte Rithisak an. Asger und Cees waren so galant, und rückten den Stuhl von Maona mal etwas weiter nach links, rechts oder auf die andere Seite vom Billardtisch.

Annabell stand mit ihrem Freund am Geländer der Terrasse und schauten auf den Toni Waikou See. Hannes hatte 3 Bierflaschen dabei und wollte an diesem Abend auch mal mit ihnen reden.
„Na ihr? Welchen Eindruck habt ihr nach der ersten Wochen von Südostasien?“ „Es ist alles anders, als das was ich kenne. Ich habe mit meinen Eltern nur Urlaub in Europa gemacht. Mal in England und Irland, dann man in Deutschland oder Italien. Was ihr uns in Thailand gezeigt habe, war schon beeindruckend. Kambodscha ist eine völlig andere Welt – aber auch aufregend. Heute waren wir mit Patricia an der Grenze zu Vietnam auf einem Straßenmarkt.“ „Ich weiß. Und eine Bootstour hattet ihr auch gemacht. Wir wollen schon schauen, dass es euch nicht langweilig wird. Wir haben keinen Urlaub.“ Annabell schüttelte den Kopf „Maurice und mir ist durchaus bewusst, dass ihr arbeiten müsst. Auch dies finde ich interessant. Ich hatte gestern in der Schule von Patricia geweint. Hannes, ich konnte mir niemals vorstellen, dass sich Kinder so auf die Schule und vor allem auf ihre Lehrerin freuen. Ich würde sehr gerne einen Tag mit Patricia an ihrer Schule erleben. Auch würde ich mal deine Arbeit sehen wollen.“ Maurice nickte seiner Freundin zu „Ich auch. Ich kenne all dies nur durch Erzählungen von Papa oder auch von dir. Ich würde sehr gerne dein Projekt sehen. Was du uns in Frankreich erzählst hattest, fand ich mega.“ Hannes lächelte beide an „Dankeschön. Euer Wunsch zu erfüllen, ist das wohl kleinste Problem.“ „Hannes?“ Dabei sah Annabell ihn fragend an „Darf ich dir mal eine Frage stellen?“ „Natürlich.“ „Die Frau mit dem einen Bein, ist sie Politikerin? Ich sah heute Plakate von ihr.“ „Ja. Das ist Maona Sokthat. Sie wird die neue Gouverneurin für diese Provinz – was ich und viele andere hoffen. In 3 Wochen wird hier in der Provinz der Gouverneur – oder zum ersten Mal in der Geschichte, eine Gouverneurin gewählt. Die ältere Frau, die bei Franziska sitzt ist die Frau von dem Major in dieser Provinz. Ich gründete für Samnang vor gar nicht all zu langer Zeit eine Partei. Der Major hätte mich gerne in der Politik gesehen. Ich bleibe lieber mit ihm im Hintergrund. Seine politischen Züge in dieser Provinz könnte ihn in Lebensgefahr bringen, wenn es der noch amtierende Gouverneur oder seine korrupten Helfershelfer erfahren. Meine Freundschaft zum Major ist auch für mich eine Gratwanderung. Daher bleiben wir beide im Hintergrund und setzen unsere Schachfiguren ein. Ja, Annabell, wir haben unser Schachspiel aufgebaut und die Uhr tickt. Der Gouverneur von dieser Provinz hat seine Geschütze gegen mich aufgefahren. Und ich habe meine Figuren aufgestellt. Maona ist in diesem Spiel mein König und Samnang der Turm. Sie werden Gouverneur Suoth Schachmatt setzen – was ich hoffe. Major Bourey Duong ist der große Unbekannte in diesem Spiel. South weiß dies nicht und so bin ich seine Zielscheibe. Meine Lebensversicherung ist der Rückhalt vom Militär. Auch wenn wir heute in diesem Restaurant eine geschlossen Gesellschaft sind, werden wir beobachtet – zu unserem Schutz.“ „Wahnsinn! Ich kann dies nicht glauben. Es wird geredet, gelacht und gespielt. Was ist daran zu schützen?“ „Hmmm. In diesem Gebäude sind die führenden Köpfe dieser Provinz und für die Zukunft Kambodschas. Patricia und Levi sind für die Bildungsreform in diesem Land. Genau so wie ihre Kolleginnen. Du hast vor dem Essen gehört was Levi gesagt hat. Maona und Samnang sind eine neue und starke Opposition gegen die Politik und Korruption von Phirun Suoth. Meine Mitarbeiter und ich stehen für einen Aufbau in diesem Land. Yupa, Rithisak, Sylvie und Claude stehen für Veränderungen in diesem Land.. Besser und einfacher kann man uns alle nicht auf dem Silbertablett präsentieren.“ Annabell sah Hannes geschockt an „Und du sagst, du verlegst Wasserrohre.“ „Dies mache ich ja auch und trotzdem wird diese Arbeit nicht gerne gesehen. Die Korruption ist in ihrer Macht und Gier gefährlich.“
Hannes erzählte Annabell und Maurice die komplizierten Zusammenhänge zwischen Korruption, Politik und humanitäre Hilfe.

„Chef! Was ist? Komm, wir spielen noch eine Runde Billard“ rief Asger durch das Halbe Restaurant. „Ihr habt es gehört. Ich weder gebraucht. Und macht euch bitte keine Sorgen. Alles ist gut.“

Hannes ging von der Terrasse ins Restaurant und suchte sich einen optimalen Queue aus und ging an den mittleren Tisch zu Asger.
„Asger, bei deiner Körpergröße musst du aber eineinhalb Meter vom Tisch zurück gehen. Du kommt ja von der Kopfseite vom Tisch an die Taschen auf der gegenüber liegenden Seite, ohne den Queue zu benutzen.“ Alle die um den Tisch oder in der Nähe waren lachten bei den Worten von Hannes. „Cees hatte sich auch nicht beschwert.“ „Der Käseroller kann ja auch kein Billard spielen.“ Cees gab Hannes einen Klaps gegen den Hinterkopf.
Soknea brachte ein typisches asiatisches Holzstäbchen, welches man zum essen benutzt. „Hier, für die Chancengleichheit.“ Yupa kam sofort mit einem zweiten Stäbchen und gab es Hannes „Nun zeigt mal was ihr könnt.“ Das Gelächter war groß und alle riefen: hopp, hopp, hopp.

Asger machte den Anstoß. Der Anstoß der weißen Kugel auf die 15 Objektkugeln war doch etwas dürftig. Die Kugel machte ein leichtes klock. Sonst nichts. „Bravo. Asger, wie soll ich nun mit dem Stäbchen da ran kommen?“ „Wer hat sich über die Körpergröße beschwert? Dann sieh mal zu.“
Cees und Rithisak hoben Hannes in die horizontale und alle Freunde brüllten vor lachen. Mit einem beherzten Stoß mit seinem Stäbchen kullerten ein paar Kugeln immerhin mehrere Zentimeter auseinander. „Super, Chef. Und nun?“ Asger sah zu Cees und Rithisak und alle brüllten vor lachen. Es dauerte sehr lange, bis einer der beiden eine Kugel in einer Tasche hatte. Alle Freunde hatten Tränen in den Augen bei diesem Spiel. Cees und Rithisak hoben bei jedem Stoß von Hannes ihn in die horizontale – selbst wenn die Anstoßkugel an der Bande lag. Hannes hatte endlich die 4 in der linken Tasche eingelocht und Asger meinte, dass Hannes somit das Spiel gewonnen hätte und er nun etwas zu trinken bräuchte.
„Lokalrunde für alle!“ Rief der über 2 Meter große Seebär.

Sonntag, 1. August

Das Display im Wecker zeigte 8:07 und der Kopf von Hannes drehte sich immer noch. Patricia lag nicht im Bett und er hörte sie auch nicht im Bad. Der Anschiss von ihr würde er wohl noch bekommen.
Hannes ging leicht torkelnd ins Bad und brauchte erst mal Wasser. Duschen war eine gute Idee und langsam hörte auch der Kopf auf sich zu drehen.

Im Speisesaal waren zu seinem Erstaunen nur Patricia mit ihrer Familie und Sylvie. „Na, ist Monsieur wieder unter den lebenden?“ Kam es sehr bissig und gereizt von Patricia. Franziska grinste und sagte zu ihrer Tochter „Jetzt lass doch gut sein.“ „Danke Franziska, du verstehst mich. Aspirin hast du nicht zufällig dabei?“ Die Frage nach dem Verbleib von Claude und seinen Kollegen ersparte sich Hannes.

Aneang, eine der Köchinnen vom Hotel, kam an den Tisch und fragte Hannes, was er frühstücken möchte. Hannes wollte seinen geliebten Reisbrei, Spiegeleier mit Toast und Kaffee.
„Was hat Monsieur heute geplant? Oder musst du im Bett bleiben?“ „Meine Güte! Ich habe halt mal etwas getrunken und für dich ist dies der Weltuntergang. Ich werde heute mit Sangkhum spazieren gehen und mir Gedanken machen.“ Patricia legte ihren Kopf zu Seite „Gedanken?“ Hannes nahm tief Luft und musste sich zurück halten „Ja, Gedanken. Gedanken über einen Standort für das Agrarkollektiv, Gedanken über Staudämme, Bodenklassen, Motorräder, Pickup’s, Transport für den Mähdrescher von Sihanoukville nach Svay Rieng und wie ich mein Trockenfeld Projekt auch realisieren kann, um die Kosten so gering wie möglich zu halten. Aber sehr gerne kann sich auch Frau Lefèvre darüber ihren sehr klugen Kopf zerbrechen.“
Jeder am Tisch merkte, dass Hannes sauer war – auch Patricia. Sylvie sagte sofort, dass er die Bodenklassen nicht so überbewertet solle, denn vorher sei ja schließlich auch Getreide auf dem Boden gewachsen. „Hannes, wir ziehen dein Projekt durch. Was bis jetzt schon erreicht wurde, ist eine ganze Menge. Wir haben auf vier Felder bereits Papaya Samen eingesät. Das die Stauden nicht morgen aus dem Boden sprießen, sollte dir bewusst sein.“ Hannes sah wortlos zu Sylvie. „Dein Blick sagt mir, wann man die Papaya ernten kann. Auch auf die Gefahr hin, dass du einen Kollaps bekommst, musst zu zwischen 10 und 14 Monate rechnen, bis die Stauden ausgewachsen sind. Dann braucht es nochmals 5 Monate, bis man die Früchte ernten kann. Es – geht – nicht – schneller!“ Vorrangig ist der Anbau von Gemüse. Da habe ich dir gesagt, dass wir Pak Choi Kohl, Luffa und Goabohnen anpflanzen – was wir auch schon getan haben. Ich weiß, dass du am liebsten nächste Woche ernten möchtest. Ist nur blöd, dass die Saat noch auf einem Schiff ist.“ Hannes schloss seine Augen und nickte Sylvie zu. Sie hatte mit allem recht. Er wollte mal wieder zu viel und dies am besten gleich.
„Chérie, du hast Levi gestern Abend gehört. Wenn die Ernährungskunde in anderen Schulen aufgenommen wird, haben wir hunderte weitere Felder für den Gemüseanbau. Ich weder mich für dieses Schulfach stark machen. Ich rufe Hattie an, dass sie mit den anderen Mitarbeitern von UNICEF sich diese Projekte ansehen und genau so auch umsetzen sollen.“ Patricia streichelte ihm den Arm „Es tut mir leid, dass ich vorhin so grantig zu dir war. Ich vergesse zu oft, welche Probleme du mit all der Arbeit hast.“

Besuch bei Ahtchu in Sama

Um kurz nach 10 Uhr fuhren Patricia und Hannes mit ihren Autos nach Kampang Rou. Da bei ODHI am Sonntag nicht gearbeitet wurde, hatte er Zeit sich um Sangkhum zu kümmern. Patricia fuhr bei Clodette vorbei und nahm sie mit nach Kampang Rou. Sie wollte auch mit Sraleanh spazieren gehen.
Hannes war mit Claude bereits am Stall und entfernten den Mist vom den Rinder. „Wenn ich alles bis jetzt gedacht habe, aber das ich mal Mist schaufeln würde, kam mir nie in den Sinn.“ Hannes lachte „Mir auch nicht.“ „Weißt du, dieser Stall sieht besser aus als viele Häuser die ich hier in dem Ort gesehen habe.“ Hannes nickte Claude zu und erzählte ihm, wie es im Januar 1990 in dem Ort aussah. Mittlerweile waren weit über die Hälfte der Hütten in einem recht vernünftig Zustand.

Die kleine Gruppe kaufte bei Kannitha noch Obst und Trinkwasser für den Spaziergang. Kannitha gab ihnen mehrere ihrer Flechtkörbe mit. So konnte man das Gewicht von dem Wasser, Papaya, Bananen und Mangos aufteilen. Patricia erzählte ihrer Mutter, Bruder, Annabell und Claude wie es zu diesen Flechtkörbe kam und bis wohin diese mittlerweile verkauft wurden.
„Asger scheint ein guter Mensch zu sein“ sagte Annabell. Patricia und Hannes nickten gleichzeitig. „Asger hat auch seine Macken und wir – vor allem ich, hatten vor Jahren keinen guten Start. Dies ist nun schon alles so lange her und auch vergessen. Asger war aber auch damals für uns beide der Halt, den wir junge Vögel brauchten. Er hatte von seinem Geld vieles für die Schule von Patricia gekauft und alle meine Ideen angepackt.“
Hannes erzählte ihnen den Lebenslauf von Asger.
„Er war Seemann?“ Fragte Annabell sehr erstaunt. „Jep. Kaum zu glauben. Ist aber so. Frag mal Sylvie wie es war, als wir mit Eimer das erste Feld mit Gerste eingesät hatten.“
Nach dem Sylvie den anderen diese Aktion sehr bildlich und lustig erzählt hatte, erzählte Hannes noch den Lebenslauf von Cees de Groot.
Maurice nickte nach dem Hannes dies erzählt hatte „Ich habe gestern Abend gesehen, dass er sehr lustig ist.“ „Ja. Der Käseroller hat mich auch schon so einige schlaflose Nächte gekostet. Er ist ein unglaublich guter Handwerker und hat geologisch einiges drauf. Daher ist er auch hier im Team. Cees leitet ein Bauprojekt 500 Kilometer westlich von hier. Ich zeige euch später sein Wasserrad. Das zweite, welches er und Luan gebaut haben, steht an der Schule in Khsaetr. Da kommen wir heute nicht hin, weil ich mit euch nach Sama gehen möchte.“

Auf dem Weg nach Sama gingen nach einiger Zeit Patricia und ihr Bruder etwas hinter der Gruppe und Hannes, wie auch Franziska, sahen, dass beide offensichtlich ernste Gespräche führten.
Ein paar Motorräder und Pickup’s kamen ihnen entgegen oder fuhren an der kleinen Gruppe vorbei. Jeder winkte ihnen zu oder grüßen laut. „Was bedeutet: Borsa mneak?“ Fragte Annabell. „Borsa mneak del mean ko, heißt: der Mann mit der Kuh. Unter diesem Namen bin ich hier in der Region bekannt.“ „Oh! Ich dachte dies heißt: Guten Tag – oder so etwas.“ Hannes grinste Annabell an und schüttelte den Kopf.

„Leute, wir gehen in dem nächsten Ort eine Frau besuchen, der durch eine Mine beide Beine abgerissen wurden. Wenn ihr nicht mit wollte, kann ich dies verstehen“ dabei sah Hannes zu Annabell. „Ist schon in Ordnung.“
Hannes erzählte den anderen wie er im März 1990 Ahtchu getroffen hatte und gab Sangkhum einen Kuss. „Gell, meine Maus, du hast Ahtchu das Leben gerettet“ und gab ihr nochmals einen Kuss. Franziska streichelte Sangkhum „Gutes Mädchen.“

In Sama war es das gleiche Bild wie in Kampang Rou. Die Leute, die an ihren Hütten saßen grüßen die Europäer freundlich oder riefen sie zu sich. Hannes musste immer wieder sagen oder rufen, dass sie Obst und Wasser dabei hatten.

Hannes sah Ahtchu vor ihrer Hütte im Schatten in einem Rollstuhl sitzen. Sie hatte mehrere farbige Stoffballen neben sich auf der Holzbank liegen.
„Suostei tae anak sokh sabbay te, Ahtchu?“ Sagte Hannes und verbeugte sich nach asiatischer Art vor ihr. „Guten Tag Borsa mneak del mean ko, danke, mir geht es gut. Es ist schön, dich wieder zu sehen.“ Hannes verbeugte sich nochmals vor ihr. „Setzt euch doch bitte.“ Ahtchu rief ihre Tochter, dass sie bitte noch die Stühle aus dem Haus bringen sollte. Da Ahtchu nicht über so viele Stühle verfügt – was eigentlich kaum jemand in der armen Region von Kambodscha hat, ging Hannes an zwei andere Hütten und brachte noch 4 Plastikstühle. Pheary kam ihm entgegen gelaufen und trug 2 Stühle. Sie war mittlerweile 13 Jahre und ein recht hübsches Mädchen. An der Hütte verteilten sie die Stühle, so hatten alle 8 Personen Platz, um im Schatten zu sitzen.

Pheary begrüßte Clodette und Patricia. Patricia drücke Pheary an sich. „Thngai la cheatisrleanh robsakhnhom – guten Tag mein Schatz“ sagte Patricia. „Das Mädchen ist bei mir in der Schule‘ sagte Patricia zu den anderen.
„Borsa mneak del mean ko, ich möchte mich für alles bedanken, was du und deine Kollegen für mich getan habt. Das Leben ist um vieles leichter geworden.“ „Ahtchu, dies haben wir alle sehr gerne gemacht. Dürfte ich dein Haus mal sehen?“ Pheary sprang sofort auf und bat Hannes in die Hütte. Diese Hütte hat nicht mehr mit dem Bild zu vergleichen, welches er vor 3 Jahren sah. Das Bett von Ahtchu war gute 50 Zentimeter vom Boden erhöht. So konnte sie besser vom Rollstuhl ins Bett oder auch umgekehrt.
Draußen hörte er, wie Ahtchu mit Patricia sprach und was Asger, Cees und Hannes für sie getan hatten. Clodette übersetzt dies ins französische. Dies war Hannes nicht recht gewesen. Nun wussten sie es eben.
Die typische Hocktoulette gab es in der Hütte auch nicht mehr. Es war eine vernünftige Toilette, wie man diese aus Deutschland kennt. Auch gab es an der Toilette und Dusche verchromte Stangen – wobei Dusche eher ein gemauertes Rechteck mit Fliesen war. In diesem Becken stand das Wasser, welches man sich mit einer Schüssel über den Körper schüttete.
Das bisschen an Möbel in der Hütte war Behindertengerecht gebaut oder stand etwas erhöht. Respekt an Cees und Asger dachte er bei sich und lächelte, als er Pheary ansah.

Als Hannes aus der Hütte kam, hatten Sangkhum und Sraleanh je einen Seidenschal in blau, rot, blau mit weißen Bummeln um den Hals. „Wow! Sangkhum und Sraleanh sehen ja richtig chic aus.“ „Ja. Finde ich auch. Ich schenke euch die Schals.“ Sofort schüttelten Clodette und Hannes die Köpfe. „Ahtchu, die ist sehr lieb gemeint, aber ich werde dir Geld dafür geben“ sagte Clodette. Ahtchu wollte anfangen zu protestieren, da legte Patricia bereits 25.000 Riel auf die Bank. Clodette tat es ihr sofort gleich „Und nun keine Diskussion über das Geld.“
25.000 Riel waren ungefähr 10 Mark. Von diesem Geld konnte Ahtchu und Pheary locker 2 Wochen leben. Ahtchu sah hilfesuchend zu Hannes. „Ahtchu, es ist in Ordnung. Nimm dieses Geld. Ihr braucht es mehr als wir.“ Ahtchu faltete ihre Hände und bedanke sich bei allen.
Da sie bei Kannitha mehr als genügend Obst gekauft hatten, ließ Patricia noch einen Korb bei ihnen, als sie sich von Ahtchu und Pheary verabschiedeten.
„Ich bin so stolz auf meine Kinder“ sagte Franziska als sie aufbrachen und umarmte Patricia und Hannes.

Auf dem „Europa Platz“ zeigte Hannes ihnen das Wasserrad von Cees und Luan und sagte ihnen auch, bis wohin das Wasserrad jenes Wasser in den Leitungen pumpte. Claude sah ihn mit großen Augen an. „Ja, Claude, so ist es. Die Leute in Sama beziehen ihr Wasser von diesem Wasserrad. Kommt, wir kaufen noch etwas bei Kannitha und setzen uns an einer der Hütten in den Schatten. Wollte ihr Schokolade, Chips oder Obst haben?“ Claude, Annabell und Maurice sahen fragend zu Hannes. „Dann kommt mal mit in den Laden von Kannitha und sucht euch etwas aus.“

„Wow!“ Kam es unisono von Annabell und Claude, als sie in dem kleinen Laden von Kannitha standen. „Die Ladeneinrichtung haben meine Jungs gebaut. Das Haus ihr Freund. Er ist zur Zeit in Oddar Meanchey, fast 600 Kilometer entfernt, und baut für Patricia eine weitere Schule. Die Schule in Chong Kal wurde im Frühjahr dieses Jahres fertig. Dhani hatte früher in der Schweiz eine Baufirma. Durch die Insolvenz von einer großen Baufirma, hatte er alles verloren und war Obdachlos. Ich traf in zufällig in Dietikon. Nun ist er hier und leitet mehrere Hochbau Projekte für mich und ODHI. Für Patricia’s Schule wurde auch er vom Französischen Präsidenten ausgezeichnet. Kannitha fragte mich 1990, als der „Europa Platz“ entstand, ob sie ein kleines Geschäft eröffnen dürfte. Patricia kaufte ihr täglich Obst und Gemüse in Svay Rieng. So musste Kannitha nicht erst nach Svay Rieng fahren. Nun hat Kannitha mit Dhani das schönste Haus in Kampang Rou und in der Gegend sowieso. Wenn ihr in den Ortschaften durch die Straßen geht, seht ihr die Häuser oder Hütten der Mitarbeitern von ODHI. Sie alle bekommen ein sehr gutes Gehalt und so hat sich die Infrastruktur in den umliegenden Ortschaften verändert. All dies ist humanitäre Hilfe. Annabell, Maurice, was ich euch gestern Abend über die Sicherheit gesagt habe, trifft hier auf dem Land nicht zu! Alle Menschen sehen und profitieren von der Veränderung. Ihr habe es beim Spaziergang erlebt, wie die Menschen und grüßen oder einladen.“

Die Geburtshelfer

Mit Pepsi, Eiskaffe und Krabbenchips lagen sie am „Europa Platz“ auf dem Boden der Holzhütten. Patricia erzählte ihrer Familie von den Anfängen in Kampang Rou und woher der „Europa Platz“ seinen Namen hat. Annabell, Maurice und Claude hörten ihr aufmerksam und gebannt zu
Hannes hatte seine Augen geschlossen und dachte an die wahrlich turbulente Zeit. Sylvie grinste hin und wieder, denn sie kannte vieles schon von Patricia oder Hannes. Sylvie lag in der Holzhütte, wo Clodette, Hannes und Franziska auf Strohmatten lagen. Sylvie setzte sich wie von einer Tarantel gestochen auf und schlug Hannes gegen den Oberarm „Hast du dies eben auch gehört?“ Hannes nickte „Ja, eine Kuh hat gemuht.“ Sylvie schüttelte den Kopf „Nein! Sie hat geschrien.“ Hannes setzte sich auf und lauschte. Er hörte nichts. „Jetzt. Hörst du?“ Frage Sylvie nach einiger Zeit und sah ihn an. „Ja. Komm, wir gehen schauen was los ist.“ Im nächste Moment war es kein muhen mehr, sondern ein brüllen. Sylvie rannte zum Ausgang vom „Europa Platz“, um an die Weide zu kommen. Hannes rannte ihr hinterher. Als er bei Kannitha um die Ecke lief, sah er, dass die anderen ihnen folgten. An der Kreuzung zur Weide hatte Hannes Sylvie eingeholt und beide rannten die 200 Meter die Piste hoch zur Weide. Eine Kuh schrie fürchterlich und Hannes dachte an einen Unfall.

Er riss das Gatter zur Weide auf und sah oberhalb vom Stall an dem zweiten Baum eine Kuh stehen, die fürchterliche Schmerzen haben musste.
„Die Kuh hält ihren Schwanz waagrecht, Hannes, sie kalbt. Dies ist ein sicheres Zeichen für den Beginn der Geburt. Irgendetwas stimmt nicht, sonst würde die Kuh nicht so schreien.“
Sylvie lief auf die Kuh zu und wenige Meter vor der Kuh ging sie langsam und redete ruhig. Sie gab mit ihrer rechten Hand Zeichen, dass Hannes sich ruhig bewegen sollte. „Schnelle Bewegungen sind in dieser Phase Stress für die Kühe. Geh langsam und rede ruhig mit ihr. Hannes sagte der Kuh auf khmer, dass alles gut sei, sie ruhig bleiben sollte und sie Hilfe bekommen würde. „Stell dich vor sie. Sie kennt dich. Sie soll dich sehen. Rede weiter.“ Hannes tat was Sylvie ihm auftrug.
Sylvie ging langsam um die Kuh herum. Sie streichelte die Kuh und fühlte mit ihren Händen an ihrem Bauch „Hannes, das Kalb liegt falsch im Mutterbauch.“ „Was?!“

Mittlerweile waren die anderen auch auf der Weide und Sylvie sagte auch ihnen, dass sie sich langsam bewegen sollten, oder auf Abstand bleiben.
„Bei einer Geburt ist die Stellung der Wirbelsäule bei der Mutter ein guter Bezugspunkt. Eine obere Stellung bedeutet, dass der Rücken des Kalbes zum Rücken der Mutter liegt. Hier sehe ich dies nicht. Dieses Kalb liegt mit den Beinen nach oben. Hannes, dass Kalb kann so nicht geboren werden. Wir müssen das Kalb drehen.“ „Was immer du sagst.“
Sylvie schaute sich die Scheide, den Rücken und Bauch der Mutterkuh an „Verdammt. Dies wird heikel. Wir brauchen Wasser – lauwarm am besten. Tücher und Seile.“ „Im Stall sind Eimer, für das Futter. Seile habe ich keine.“ „Okay. Bringt die Eimer aus dem Stall – schnell. Patricia, ich brauche Tücher, Seile, Margarine oder irgendetwas was ich als Gleitmittel benutzen kann. Seife reichte auch und davon mehr als eine.“ Patricia nickte und rannte zu Kannitha.

Claude und Maurice brachten die 4 Eimer, die im Stall an einer Wand hingen. „Sind das alle?“ Hannes nickte. „Wir brauchen mehr. Die Kuh sollte Fressen und Wasser bekommen. Hannes, wie lange waren wir spazieren gewesen?“ „Keine Ahnung. Wir sind hier gegen 11 Uhr weg. Nun haben wir nach 16 Uhr.“ „Okay. Dann muss der Geburtsvorgang in der Zeit begonnen haben, wo wir weg waren. Mir ist vorhin nicht aufgefallen, dass die Kuh kurz vorm kalben steht.“ Clodette sagte, dass sie wüsste, dass dies eine Mutterkuh sei, aber mehr auch nicht. „Weißt du wie alt die Kuh ist?“ „Nein. Leider nicht.“
Patricia kam mit dem Motorroller von Kannitha auf die Weide gefahren. Sie hatte bis auf Seile alles dabei, was Sylvie sagte.
„Danke, Tricia. Bringt das Wasser. Ich muss die Scheide eincremen.“

Hannes sprach ein Stoßgebet gen Himmel. Zum Glück hatte er vor Jahren die Furche mit den Wasserbremsen gebaut, so hatten Claude und Maurice kurze Wege. Das Wasser aus der Quelle war frisch – und eben auch kühl. Woher sollten sie nun lauwarmes Wasser bekommen?

Mittlerweile kamen einige Bewohner aus Kampang Rou auf die Weide und wollten schauen, was los war. Hannes schickte sie weg, denn zu viel Leute wäre Stress und Aufregung für die Kuh. Er sah Sophearith, der Besitzer der Herde. „Sophearith, wie alt ist die Kuh?“ Fragte Hannes. „Äh, ich schätze 1 Jahr.“ Hannes sagte Sylvie diese Zahl. „Was?! Du liebe Güte! Das ist viel zu früh! Nun siehst du, welche Probleme die Kuh hat“ brüllte Sylvie. Hannes übersetzte ihre Worte und Sophearith stand bewegungslos neben der Kuh und wusste nicht, was er tun sollte.
Die Kuh schrie vor Schmerzen und Hannes streichelte sie sofort und sprach mit ihr.
„Sylvie, ich fahre einen Gaskocher und Topf besorgen, damit wir das Wasser warm bekommen“ sagte Patricia und lief zum Motorroller.
Sylvie sah Sophearith an und erklärte ihm „Wenn Jungrinder zu früh gedeckten werden, hat man sehr oft das Problem, dass das Kalb nicht durch das Becken der Mutter passt. Hörst du nicht, wie deine Kuh schreit? Das Tier hat unglaubliche Schmerzen! Was ich sehe ist schon schlimm genug. Kannst du das Kalb aus dem Geburtskanal hohlen?“ „Nein, ich habe so etwas noch nie gemacht.“ „Na bravo! Nun liegt das Kalb noch falsch im Mutterbauch. Die Beine von dem Kalb müssen unten sein und der Kopf muss in Richtung dem Geburtskanal liegen. Ich hoffe, dass dies zumindest so ist. Hannes, ich muss einen Kontrollgriff in den Geburtskanal vornehmen. Dazu bräuchte ich lauwarmes Wasser. Ich muss mit meinem Hand oder den Finger zwischen den Kopf und Kreuzdarmbein und zwischen Ellenbogen und Schambein des Beckens kommen. Falls nicht, haben wir ein Problem. Ich kann hier keinen Kaiserschnitt machen.“ „Sylvie, was immer du sagst. Ich tue was ich kann“ sagte Hannes und übersetzte die Worte von Sylvie. Sophearith zog die Schultern hoch. Sylvie nickte und was sie sagte war nicht gerade freundlich „Für Kühe zu halten, braucht es etwas mehr als nur eine Weide und Futter zu geben. Man! Wenn man keine Ahnung hat, sollte man sich keine Tiere anschaffen! Nun muss ich schauen, wie ich beide Tiere retten kann.“ Hannes übersetzte nur einen Teil von Sylvie’s Worte. Sophearith hatte schon genügend Prügel bekommen.
Annabell heulte und alle anderen standen da und wussten nicht, was sie helfen konnten.
„Lasst Sangkhum, Sraleanh oder welche Kühe und Kälber auch immer zu der Kuh, sie soll sehen, dass sie nicht alleine ist.“
Clodette hatte Tränen in den Augen und führte Sraleanh nah an die Kuh heran.

Patricia kam mit einem Gaskocher zwischen ihren Beinen und einem Topf in ihrer linken Hand auf die Weide gefahren. Claude lief sofort zu ihr und schleppte den Gaskocher. „Sylvie, wohin mit dem Ding?“ „10 Meter hinter die Kuh. Wir brauchen Platz.“
Patricia stelle den Topf auf den Gaskocher und Maurice schüttete sofort den Eimer Wasser in den Topf. „Reicht ein Gaskocher?“ Fragte Patricia. „Noch einen wäre super. Das Wasser braucht ewig, bis es warm ist.“ „Sophearith, hast du einen Gaskocher und Topf zu Hause?“ Sophearith nickte Patricia zu. „Los! Beeil dich!“

Jeder auf der Weide schaute auf den Topf und hoffte, dass das Wasser endlich warm werden würde. Sylvie griff immer wieder mit der Hand in den Topf „Wir bräuchten noch Eimer.“ Patricia nickte ihr zu und rannte wieder zum Motorroller.
Sylvie fühlte immer wieder den Bauch der Kuh ab. Sie schaute auf die Scharm von der Kuh und biss sich auf die Lippen.
„Sylvie, was ist los?“ „Hannes, es wird echt knifflig und kompliziert. Traust du dir zu mir zu helfen? Sei ehrlich.“ „Ja. Ich bin da und werde das tun, was du von mir verlangst.“ „Okay. So wie es aussieht, ist das Kalb verkehrt im Mutterbauch. Die Kuh ist zu jung für die Geburt. Wir müssen ihr Becken weiten. Dafür brauche ich dich. Hast du dies verstanden?“ „Ja, ja. Habe ich verstanden und kann mir denken, was ich tun muss.“ „Gut.“
Sylvie fühlte wieder mit ihrer Hand in den Topf „Muss reichen. Schüttet das Wasser in einen Eimer und stellt den nächsten Topf auf.“ Claude schüttete das Wasser in einen Eimer und Sylvie warf ein Stück Seife hinein „Haben wir ein Messer?“ Hannes nickte „Im Stall.“ Und lief sofort das Messer holen.
Mit dem Messer schnitt er kleiner Stücke von der Seife ab und rührte mit seiner Hand das Wasser, bis er merkte, dass sich die Seife auflöste.
Patricia kam mit dem Motorroller und hatte den Gaskocher von Sophearith zwischen ihren Beinen. An ihrem linken Arm hatte sie mehrere Eimer hängen.
Sophearith kam mit seinem Motorrad und hatte den Topf dabei. Maurice füllte sofort den Topf mit Wasser und ging auch gleich nochmal den Eimer füllen. Sylvie tränkte ein Tuch in das Seifenwasser und wisch mit dem Tuch der Kuh an der Scheide vorbei. Dies machte sie mehrmals.
„Sobald das Wasser warm ist, bitte wieder auffüllen. Hannes, ich denke, es könnte reichen. Ich werde jetzt meine Hand in den Geburtskanal stecken und schauen, wie das Kalb liegt. Ich hoffe die Kuh tritt nicht aus. Claude, hilf Hannes die Kuh am Kopf festzuhalten.“

Da Hannes wusste welche Kraft eine Kuh hatte, sagte er Claude, dass er einen festen Stand bräuche. „Okay, fertig?“ Claude und Hannes nickten. Hannes sprach weiter auf die Kuh ein. Die Kuh schrie vor Schmerzen. Sylvie wartete einen Moment „Es können auch ihre Wehen gewesen sein. Okay Jungs, es geht los. Gott im Himmel steh mir bei.“ Was Sylvie in diesem Moment tat war für sie lebensgefährlich. Wenn die Kuh austreten sollte, könnte sie Sylvie töten.
„Ruhig, ruhig, ganz ruhig. Ich schaue nur nach deinem Kind. Ruhig.“

Alle die um die Kuh im sicheren Abstand standen, schauten auf die Kuh. Sylvie’s Sinne waren bis aufs äußere angespannt. „Ich bin im Geburtskanal. Fühle die Füße. Ich kann nicht sagen, ob es sie Vorderfüße oder Hinterfüße sind. Ruhig, ganz ruhig. Ich schaue nach deinem Kind.“ Die Kuh bewegte ihr Hinterteil und Sylvie ging sofort zur Seite. Die Kuh trat nicht aus. „Großer Gott im Himmel, ich brauche noch etwas Zeit.“ Die Kuh schrie erneut. „Ja, es sind deine Wehen. Alles gut. Ruhig, ganz ruhig. Verdammt, ich fühle die Hinterbeine.“

Sylvie zog ihren rechten Arm aus dem Geburtskanal und ging ein paar Schritte von der Kuh weg. „Hast du gut gemacht. Danke, dass du mich nicht getreten hast“ Sylvie streichelte die Kuh und gab ihr einen Kuss. „Hannes, es wird bald dunkel. Ich brauche Licht.“ „Ja, ist gut. Mein Auto hat genügend Licht.“ „Die Geburt kann Stunden dauern.“ „Okay.“ Hannes wählte die Nummer von Asger. „Asger…? Ich brauche dich und Cees in Kampang Rou auf der Weide. Fahrt an den Baucontainer und bringt das Stromaggregat. 200 Meter Kabel, alles an Licht was ihr findet und bringt Seile mit. Auf der Weide ist eine Kuh, die kalbt. Das Kalb liegt verkehrt herum im Mutterbauch. Sylvie tut was sie kann. Beeilt euch.“

Alle saßen in der Nähe der Kuh und hörten Sylvie zu, was sie sagte „Bei einer normalen Geburt kommt das Kalb in der Vorderendlage, also mit den Vorderbeinen zuerst und in gestreckter Haltung zur Welt. Diese Kalb liegt mit den Beinen nach oben und noch gedreht im Mutterbauch. Also wird es mit den Hinterbliebenen zuerst kommen. Da die Mutterkuh das Kalb aber nicht raus pressen kann, weil es dem Kalb dann wahrscheinlich das Genick brechen würde, müssen wir das Kalb raus ziehen. Was ich bis jetzt bei der Mutterkuh von außen gesehen und an ihren Bauch gefühlt habe, ist das Kalb immerhin gestreckt – also muss ich es nur etwas drehen. Es kann auch sein, dass sich während der weiteren Geburt das Kalb dreht und ich müsste es wieder zurück drücken, um es in die richtige Lage zu bringen. Selbst dies ist nicht so einfach, denn ich könnte mit den Klauen von dem Kalb die Gebärmutter verletzen.“

Sylvie stand auf und wischte wieder mit lauwarmen Wasser um die Scheide, Becken und Rücken der Kuh. „Dies mache ich, weil die Scheide und Becken zu eng sind. Kühe sind zwar zwischen 7 und 10 Monaten geschlechtsreif, aber man sollte mindestens eineinhalb Jahre oder gar noch länger warten, bis man eine Kuh decken lässt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Kuh künstlich besamt wurde.“ „Bist du Tierärztin?“ Fragte Annabell. „Nein. Ich bin Agraringenieurin und arbeite für eine Hilfsorganisation in Paris. Ich bin in Kambodscha, weil ich das Dossier von Hannes las und ich ihm bei seinem Trockenfeldanbau Projekt helfen möchte. Darüber schreibe ich auch meine Dissertation.“ „Wow! Und woher weißt du, warum die Kuh diese Probleme hat?“ „Ich bin auf einen Bauernhof aufgewachsen. Meine Brüder führen den Hof weiter. Wir haben über 200 Rinder verschiedener Rassen. Ich war schon als Kind bei Geburten dabei. Als Jugendliche musste ich oder einer meiner Brüder unserem Vater helfen, wenn es Komplikationen bei der Kalbung gab.“ Annabell sah zu der Kuh. Sie wollte etwas sagen, traute sich aber nicht. Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.
„Annabell, mach dir keine Sorgen, ich bin da und Hannes wird mir helfen. Wir bekommen dieses kleine Lebewesen gesund und munter auf die Welt.“
Annabell wischte sich erneut die Tränen weg „Darf ich etwas helfen?“ Sylvie nickte „Ja. Darfst du. Wir müssen ständig das Fleisch um ihre Scheide, ihr Becken und Rücken mit warmen Wasser einreiben. Dies merkt die Kuh und es tut ihr gut. Die Kuh wird zum einen ruhiger, weil sie weniger Schmerzen hat und zum andern werden mit dem Wasser die Muskeln und Haut weicher. Wenn wir sie streicheln und mit ihr reden, beruhigt dies auch.

Asger kam mit einem Affentempo an die Weide gefahren. Cees und er kamen sofort auf sie zugelaufen.
„Danke Jungs. Wir brauchen Licht für die Geburt. Lasst das Stromaggregat auf dem Auto stehen. Ich komme später mit deinem Auto nach Svay Rieng. Wir legen nun das Kabel und verteilen das Licht.“
Claude, Maurice, Franziska und Patricia packten mit an. Sie verteilten im Umkreis von 5 Meter die Lampen und Leuchtstoffröhren. Hannes lief auf den „Europa Platz“ sein Auto holen. Zum einen hatte er auch noch genügend Licht vor dem Auto und auf dem Dach. Zum anderen brauchte sie etwas, um die Kuh mit Seilen festzubinden. Es wäre für die weitere Geburt für Sylvie und Hannes lebensgefährlich, wenn sie hinter der Kuh standen und diese austreten würde.

Am Gatter und Stall standen viele Bewohner aus Kampang Rou und schauten die Weide hoch, was dort vor sich ging. Sophearith ging zu den Männern und Frauen und sagte, dass die Europäer ein Kalb retten würden, welches verkehrt herum im Bauch der Kuh liege und er sehr dankbar für deren Hilfe sei. „Immerhin“ sagte Sylvie, als Hannes ihr dies übersetzt hatte.

Mittlerweile war es 18.30 Uhr und auf der Weide schrie immer wieder die Kuh.
Annabell machte ihre Arbeit sehr zaghaft – aber gewissenhaft. Maurice brachte ihr immer wieder neue Eimer mit lauwarmen Wasser.

„Wenn wir später das Kalb herausziehen, wäre eine Kette besser als ein Seil. Auch wenn sich dies nun brutal anhört, aber eine Kette zieht sich nicht zu. Mit dem Seil könnte ich dem Kalb die Beine abschnüren. Bei der Lage von dem Kalb, wäre es gut, wenn die Kuh liegen würde. Ich müsste aber vorher in den Geburtskanal, um dem Kalb die Seile um die Beine zu legen.“ „Sylvie, welchen Knoten brauchst du?“ Frage Asger. „Einen der hält und sich aber beim ziehen nicht zuzieht.“
Asger nahm ein Seil und legte das Ende über das Seil, legte eine Schlaufe und zog das Seil durch die Öffnung. „So?“ Und reichte Sylvie das Seil. „Ich war Seemann. Ich werde wohl noch ein paar Knoten hinbekommen. Sylvie lächelte und gab Asger einen Kuss „Danke du Seebär.“ „Gerne, Frau Agraringenieurin. Okay, wie willst du die Kuh zum liegen bringen, wenn sie es nicht selbst tut?“ „Mit Seilen lässt sich da schon etwas machen. Es gibt bestimmte Schnürtechniken für die Beine, womit sich die Kuh zum Hinlegen bewegen lässt.“ „Okay. Wir sind da.“ „Danke. Aber ihr alle müsst nicht hier bleiben. Eine Erstgeburt kann mehrere Stunden dauern.“ „Wir bleiben und helfen. Stell dir mal vor, nachher fehlte nur eine helfende Hand“ sagte Claude. „Okay. Danke. Wenn später die Geburt beginnt, und wir das Kalb herausziehen, ziehe nur ich. Ich muss die Wehen abwarten. Wenn die Kuh ihre Wehenpause hat, höre auch ich auf zu ziehen. Einfach mal ziehen und flutsch, das Kalb ist draußen, gibt es nur im Fernsehen. Hannes ist als Geburtshelfer bereit und wird den Geburtsweg mit beiden Händen weiten, während ich versuche das Kalb zu drehe. Ich hätte niemals gedacht, dass ich im dunklen in Kambodscha ein Kalb auf die Welt bringen werde.“ Cees klopfte Sylvie auf die Schulter „Das Leben ist ein Abenteuer.“

Kannitha kam zu ihnen auf die Weide und hatte ein Dutzend Wasserflaschen dabei und erkundigte sich über den Stand bei der Geburt. Patricia sagte ihr, was zuvor Sylvie gesagt hatte. „Soll ich euch Essen vorbeibringen? Ihr könnt nicht über Stunden hier auf der Weide sitzen.“ Bevor jemand antworten konnte, sagte Kannitha, dass sie Klebereis und Papayasalat machen würde.

„Mal eine Frage: packst du das Kalb aus der Kuh zu ziehen?“ Dabei sah Asger die schmale Sylvie an. Sylvie zog die Schultern hoch „Wir werden das Seil um den einen Baum legen und du könntest dann mit mir ziehen. Zum einen ziehen wir dann nicht mit voller Kraft, denn wir könnten das Kalb und die Gebärmutter verletzen. Und zum anderen hätte ich die Gewissheit, dass noch jemand da ist, wenn ich keine Kraft mehr habe.“

Patricia und Hannes standen am Kopf von der Kuh und gaben ihr einen Eimer mit frischem Wasser. Die Kuh hatte Durst und trank auch aus dem gereichten Eimer.

Sylvie legte Seile um die Hinterbeine der Kuh und sagte Asger, er solle diese richtig gut festbinden. Ein Seil legte er um einen Baum, der links von der Kuh stand und das andere Seil befestigte er an der Seilwinde am Auto von Hannes. „Sylvie, würde es auch mit der Seilwinde gehen?“ „Nein, Asger. So schnell kann man die Seilwinde nicht anhalten und wir haben kein Gefühl, wann wir stoppen müssen.“

Es war schon weit nach 22 Uhr, und immer mehr Wehen setzten bei der Kuh ein.
„Okay Jungs und Mädels, versuchen wir es. Ich werde nochmal in den Geburtskanal greifen und schauen, wo das Kalb jetzt ist.“
Sylvie schmierte sich die rechte Hand und Arm mit Naturseife ein und ging auf die Kuh zu. Mit der linken Hand fühlte sie den Bauch der Kuh ab „Bist ein tapferes Mädchen. Ich schaue nochmal nach deinem Kind. Du hast es bald geschafft.“ Sylvie klopfte der Kuh auf ihr Hinterteil und wartet auf die nächste Wehe. „Ruhig, ganz ruhig. Alles ist gut“ dabei klopfte sie immer wieder leicht auf das Hinterteil. „Okay, die Wehe kommt. Es geht los.“
Mit welcher ruhe und Selbstsicherheit Sylvie dies tat, war beachtlich. Sie war wahrlich Profi genug, um zu wissen was sie tat. Sie hatte dies in den vergangenen Stunden mehr als bewiesen.
Levi war auch schon seit über eineinhalb Stunden bei ihnen, denn er machte sich bereits um 19 Uhr Gedanken über den Verbleib seiner Frau.

„Hannes, ich muss das Kalb drehen. Du musst mir jetzt helfen, denn ich brauche beide Arme dafür. Du musst das Becken auseinander drücken. Stellt dich dicht hinter mich. Annabell, wenn du willst, rede mit der Kuh, streichel sie.“
Als alle dies taten, was Sylvie sagte, fragte sie, ob Hannes bereit sei. „Bin ich. Fangen wir an.“ Hannes drückte mit aller Kraft das Becken von der Kuh auseinander und Sylvie glitt mit ihren beiden Arme in die Scheide der Kuh. Hannes musste den Kopf zur Seite halten, denn der Geruch war nicht besonders angenehm.
„Okay. Ich bin am Kalb. Ich habe einem Huf. Wo verdammt ist der andere? Hab ihn.“ Sylvie drehte sich unter Hannes nach rechts weg. Hannes fingen bereits die Arme an zu zittern. „Ich muss nochmal nach greifen“ Sylvie stellte sich wieder, packte das Kalb und drehte sich noch einmal unter Hannes nach rechts weg. Sie zog ihre Arme aus der Kuh und klopfte ihr auf das Hinterteil „Braves Mädchen. Wir haben es bald geschafft. Danke Hannes. So, nun legen wir die Kuh auf ihre linke Seite. Ich habe das Kalb gedreht. Es müsste passen. Asger, gibt mir bitte die zwei Seile.“
Sylvie cremte sich wieder ihren rechten Arm ein und führte nun die Seile in den Geburtskanal. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis Sylvie ihren Arm aus dem Geburtskanal zog.
Dann nahm sie mehrere Seile und band diese an die Vorderfüße der Kuh.
„Nun wird es haarig. Wir müssen die Kuh quasi auf die Knie zwingen und darauf achten, dass sie sich nicht nach rechts Ablegt. Claude, du nimmt dir das Seil an ihrem linken Vorderbein. Cees, du das rechte. Ihr zieht langsam nach hinten, wenn ich es sage. Patricia, Clodette, redet mit der Kuh und drückt sie an ihrer Blesse nach unten. Wenn ihr es nicht schafft, muss Hannes es machen. Alle anderen kommen auf die rechte Seite. Wenn die Kuh in die Knie geht, müsst ihr sie nach links drücken. Bitte nicht am Bauch. Drückt oben unterhalb der Wirbelsäule, am Becken und Hals. Asger, du bis der größte. Du drückst in der Mitte der Wirbelsäule – hier. Okay? Jeder alles verstanden?“ Alle nickten. „Los!‘
Unter muhen, brüllen und mit dem Kopf schlagend, ging die Kuh langsam auf die Knie. „Weiter ziehen, weiter ziehen. Hannes, drück ihr den Kopf nach unten. Weiter ziehen. Drücken und nun alle an der Seite. Weiter, weiter, weiter.“ Langsam ging die Kuh auf die Knie und legt sich ab.
„Halleluja! Danke, Leute. Die Kuh liegt. Lasst sie nun mal etwas ausruhen.“

Annabell machte wieder ihre Arbeit mit dem lauwarmen Wasser weiter. Die anderen saßen auf dem Boden. 20 Meter von ihnen entfernt stand ein Pulk an Menschen und beobachten alles sehr genau. Die Menschen sprachen leise miteinander.

Nach 23 Uhr setzten immer mehr Wehen ein und etwas an Flüssigkeit lief aus der Scheide der Kuh.
„Okay, es geht los. Ich habe je ein Seil an den Beinen von dem Kalb befestigt. Ich muss abwechselnd ziehen, sonst wird das nichts.“ Asger nickte und packte sich die Seile. Sylvie setzte sich auf den Boden und drückte ihre Füßen gegen die Oberschenkel von der Kuh. Ihr Oberkörper war nach vorne gebeugt. Sie legte sich das Seil einmal um die rechte Hand und hielt das Seil mit beiden Händen fest – aber noch nicht auf zug. Die Kuh bekam eine weite Wehe und Sylvie zog mit aller Kraft. Ihr Oberkörper ging immer weiter zurück. „Stopp.“ Asger lies sofort das Seil locker – aber auf zug. „Sehr gut Asger. Wenn die nächste Wehe kommt, machen wir weiter.
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis die nächste Wehe kam. Sylvie war hochkonzentriert. „Los.“ Und wieder machte Sylvie die gleichen Bewegungen wie zuvor. Die nächste Wehe kam. „Los. Annabell, schütte immer wieder lauwarmes Wasser über die Scheide. Du braucht kein Tuch mehr.“
Maurice und Franziska füllten die Eimer voll für Annabell. Claude brachte ständig neues Wasser an die Gaskocher.
Die nächste Wehe kam. „Los.“ Hannes sah den ersten Huf von dem Kalb. Ihm lief der Schweiß nur so über das Gesicht. Er musste ja irgendwie das Becken der Kuh zu sich hoch ziehen.

„Okay, Asger. Nun das andere Seil.“ Sylvie legte sich auch dieses Seil einmal um die Hand und wartete auf die nächste Wehe. „Los.“ Zweimal zog sie und man sah den zweiten Huf. „Asger, wir ziehen noch einmal mit diesen Seil.“ „Okay Chefin.“ „Los.“ Bei diesem zug kam das eine Hinterbein gute 20 Zentimeter zum Vorschein.
Die nächste Wehe kam und auch hier kam das Bein immer weiter raus. „Nochmals dieses Seil.“ Die Wehe kam. „Los.“ Bei diesem zug sah man das Knie von dem Kalb. „Anderes Seil.“ Die Wehen kamen in immer kürzeren Abständen. Auch hier kam das Knie von dem Kalb zum Vorschein.

Nach über einer drei Viertel Stunde war endlich das Becken von dem Kalb zu sehen.
„Hannes, kannst du noch?“ „Eigentlich nicht mehr. Ich habe kaum noch Kraft in den Armen. Aber wir bekommen dieses Kalb auf die Welt.“
„Okay. Wir haben es bald geschafft. Asger, wir müssen jetzt das Kalb in Richtung Euter ziehen.“ Sylvie suchte sich einen anderen Platz auf dem Boden. In dieser Stellung konnte sie aber nicht gegen die Hinterbeine der Kuh drücken, denn dies würde ihr Schmerzen zufügen. Patricia und Franziska setzen sich hinter einander links neben die Kuh, Clodette und Levi taten dies rechts. So konnte Sylvie ihre Füße gegen ihr drücken und hatte etwas mehr halt. Asger hatte nun keinen Baum mehr, den er benutzen konnte. „Versuchen wir es. Zieh nicht zu fest.“ „Alles klar, Chefin.“

Die nächste Wehe kam. „Los. Ziehen, ziehen.“ Das Becken von dem Kalb war frei.
„Braves Mädchen. Wir haben es bald geschafft. Anderes Seil.“ Nach 10 Minuten kam eine weitere Wehe. „Los.“ Bei diesem zug kam der Rücken von dem Kalb zum Vorschein. Sylvie wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Okay. Machen wir eine kurze Pause, die Kuh ist auch erschöpft.“

Hannes verteilte erneut Wasserflaschen. Sylvie lief der Schweiß, als ob sie einen Marathon gelaufen wäre. „Danke, Hannes“ und trank den Halben Liter Wasser fast mit einem zug leer.

„Okay, es geht weiter. Die Wehe wird gleich kommen.“ Jeder sah der Kuh an, dass die nächste Wege bevor stand. „Okay.Los.“ Die Kuh schnaufte, muhte und brüllte. „Los. Weiter, weiter, weiter. Sehr gut. Das andere Seil. Wir haben es gleich geschafft. Los. Ziehen, ziehen, ziehen.“ Man sah den Nacken von dem Kalb.

„Okay. Leute, wir haben es gleich geschafft. Die Kuh erholt sich jetzt. Es geht gleich weiter. Die Zeit schien still zu stehen. Annabell schüttet langsam immer wieder Wasser über das Hinterteil.

Die nächste Wehe kündigte sich an. „Asger, nun ziehen wir mit beiden Seilen. Warte, warte. … Es geht los. … Moment… Los. Ziehen, ziehen, weiter, weiter. Stopp.“ Sylvie ging nochmals mit ihrem Oberkörper nach vorne „Okay, wenn gleich die Wehe kommt, ziehen wir das Kalb heraus.“

Sylvie wischte sich mit ihrem T-Shirt erneut den Schweiß aus dem Gesicht. Sie hielt das Seil auf zug, damit das Kalb nicht vielleicht nochmal ein Stück in den Geburtskanal zurück rutschen konnte.

Die Uhr war schon weit nach Mitternacht.
„Okay, es geht wieder los.“ Die Kuh fing an zu schreien. „Los. Ziehen, ziehen, ziehen.“ Das Kalb rutschte aus dem Geburtskanal auf den Boden. Sofort ließ Sylvie die Seile fallen und rutschte auf ihren Knien zu dem Kalb, um zu schaute, ob es atmete. „Großer Gott im Himmel. Es lebt. Es lebt.“ Sylvie kamen die Tränen. Alle, die auf der Weide standen fingen an zu jubeln oder zu weinen.
Asger nahm Sylvie in die Arme und streichel ihr über den Rücken „Du bist ein gutes Mädchen.“
Jeder umarmte Sylvie und drückte sie fest an sich.
„Kommt, legen wir das Kalb an den Euter“ sagte Sylvie. Asger und Hannes trugen das circa 40 Kilo schwerer Kalb an den Euter der Mutter und sofort fing das Kalb an zu saugen.
„Gutes Mädchen. Du hast ein Kind auf die Welt gebracht“ sagte Sylvie und streichelte der Kuh den Kopf.
Annabell streichelte das Kalb und wischte sie ihre Tränen weg. Mit den Tüchern wischte sie das Fell von dem Kalb sauber.

Hannes entfernte die Seile an den Beinen der Kuh und brachte einen großen Packen Heu aus dem Stall. Patricia hielt den Eimer mit Wasser schräg, damit die Kuh trinken konnte.

Sophearith traute sich näher und stand wie ein geprügelter Hund neben der Kuh.
„Du hättest heute zwei Lebewesen getötet! Denk mal über deine Fehler nach. Ich hoffe, die anderen Kühe sind nicht trächtig“ sagte Sylvie zurecht sehr böse zu Sophearith.

Teil I Kapitel 6 Reims, Fréjus

„Mein Anstand verbietet es, dir jetzt eine Ohrfeige zu geben.“


Wofür Krieg?

In der Nacht von Sonntag auf Montag hatte Hannes kaum geschlafen. Zum einen war es wieder ein wunderbarer Sex mit Patricia und zum anderen war er sehr aufgeregt wegen dem bevorstehenden Vorstellungsgespräch in Reims. Wie sollte er für eine französische Firma arbeiten, wenn sein Wortschatz nur für eine kleine Unterhaltung oder zum Brot kaufen reichte? Selbst mit aller Anstrengung würde er in den nächsten zwei Monate nicht so viel französisch lernen, dass dieses für Gespräche und Diskussionen mit seinen Arbeitskollegen reichte. Franziska war für ihn eine gute Lehrerin und große Hilfe, sie half ihm Gedächtnisbrücken zu bauen wie etwas von deutsch auf französisch gesagt wurde oder wie es im Satzbau der Grammatik richtig war.
Hannes lag wach neben Patricia und konnte sich an ihrem Körper gar nicht satt sehen. Da er nun von den vielen Operationen wusste, sah er jetzt die noch schwachen Narben. Was dieser junge Mensch schon durchgemacht hatte, konnte er sich gar nicht vorstellen. Warum kann ein lieber Gott, so grausam sein? Gibt es überhaupt „Den lieben Gott“? Die Bibel zeigt oft ein anderes Bild. Das Leben zeigt oft ein anderes Bild. Er hatte sich nie Gedanken über Leukämie gemacht – davon gehört schon. Ihm kam nie in den Sinn, wie dieser Kampf geführt wird. Der Krebs oder Leukämie war für ihn weit weg, nun lag diese Krankheit einen halben Meter nackt neben ihm. Wie wird dieses Leben weiter gehen? Er hatte sich entscheiden diesen Weg mit ihr zu gehen. Er hatte es ihrem Vater versprochen und seine Liebeserklärung an eine zwanzig Meter hohe Drehleiter hängen lassen. Wann werden sich der linke und rechte Fahrstreifen von der Autobahn trennen? Hannes war gerade mal 19 Jahre alt und dachte über das Ende vom Leben nach. Kann man dies überhaupt? Darf man dies überhaupt? War man in diesem Alter überhaupt reif für solche Gedanken?
„Mon chérie, je t’aimerai toute ma vie“ sagte er leise und streichelte ihren nackten, zierlichen Körper.

Die Autobahn A4 von Thionville nach Reims fuhr sich gut. Als Hannes den Wegweiser nach Verdun sah, sagte er „Da war ich mit der Schulklasse. Die Soldatenfriedhöfe, das Beinhaus von Douaumont mit Überreste von hunderttausende Soldaten. Wir waren damals auch in den Bunkeranlagen gewesen. Diese Bilder sind heute immer noch im Kopf. Eine Sinnlose Schlacht wurde wegen Irrsinn und Größenwahn geführt. Mit Patricia habe ich schon viel über die Geschichte aus dem ersten Weltkrieg gelernt. Wir waren an vielen Orten der Maginot-Linie. Sahen Bunker, Wehranlagen und Friedhöfe. 1,3 Millionen Franzosen sind im Ersten Weltkrieg gefallen. Fast 10 Millionen in Europa. Wofür? Für Vaterland, Ruhm und Ehre?“ Bernhard und Patricia hörten ihm aufmerksam zu.
„Der Zweite Weltkrieg ist nun 41 Jahre vorbei. Ein Krieg der genau so irrsinnig war und das fünffache an Gefallenen Soldaten und Zivilisten mit sich brachte. Heute sitze ich bei einem Franzosen im Auto, liebe eine Französin und lernt diese Sprache. Krieg kenne ich nur aus Büchern oder Fahrten mit der Schulklasse. Was Peter uns in Fréjus erzählt hatte, tat mir weh – war aber wichtig für mich. Mein Opa hatte nie vom Krieg und der Gefangenschaft in Russland gesprochen. Ich hätte es gerne gehört um zu verstehen was Krieg an Tod, Leid und Flucht bringt. Peter war für drei Tage mein Großvater. Drei Tage um so vieles zu verstehen und begreifen. Nie wieder darf es Krieg geben! Trotzdem lese ich im STERN oder Spiegel über Krieg irgendwo in Südamerika oder Zentralafrika. In der Tagesschau kommen Beiträge aus dem Sudan, Somalia, Palästina oder Israel. Täglich sterben Menschen für einen Irrsinn.“
Bernhard und Patricia nickten bei seinem Worten.
„Vor etwas mehr als drei Jahren gab es in Tschernobyl einen radioaktiven Gau. Ich weiß es heute noch wo ich an diesem Tag war. Einen Tag nach dieser radioaktiven Kettenreaktion, am 27. April 86, es war ein Sonntag und mein Vater hatte gegrillt. Es war ein warmer, sonniger Tag. Meine Schwestern lagen auf der Wiese und hatten sich gesonnt. Das Radio am Grillhaus war eingeschaltet und ständig kamen Nachrichten über dieses Unglück irgendwo in Russland – die Ukraine war russisch, Punkt. Es gab Informationen von Fachleuten wie man sich in Westeuropa nun schützen sollte: Kein Salat von den Feldern essen, Obst und Gemüse gut waschen und so einiges mehr. Blöd nur, dass man einen radioaktiven Fallout nicht sieht und nicht spürt. Krieg? Wer braucht schon Krieg, es reicht wenn ein Atomreaktor explodiert. All diesen Tod mit Waffen, Panzer und Raketen braucht man doch gar nicht. Die Kühltürme von Cattenom sehe ich aus fast jeder Richtung, wenn ich hier her komme. Was ist, wenn dieses Ding auch mal explodiert? Jod Tabletten schlucken? Im Keller ein Loch graben und warten bis nach 30 Jahren die Halbwertzeit sich um was; verringert hat? Plutonium hat eine Halbwertzeit von 24.000 Jahren, so viel Ravioli Dosen kann kein Mensch in den Keller schleppen, um einen atomaren Supergau zu überleben. Wer braucht schon Krieg?“
Bernhard sah ihn von der Fahrerseite aus an und nickte Hannes zu „Mein lieber Hannes, du machst dir viele Gedanken und diese natürlich zurecht. Wir hatten gegen Cattenom protestiert und trotzdem wurde der Reaktor gebaut.“ „Was bei euch Cattenom ist, ist bei uns der Hunsrück. Zwar haben wir kein AKW ums Eck stehen, dafür 96 Cruise-Missile’s. Wir leben in einer atomaren Aufrüstung von Ost und West und diese reicht aus um den Planeten zigfach zu zerstören. Mit der 8. und 9. Schulklasse waren wir damals im Kino den Film „The day after“ schauen. Was bleibt uns nach einem Atomkrieg?“
Patricia saß auf der Rückbank und legte ihre Hand auf seine Schulter.
„Frankreich ist auch eine Atommacht. Wo wollt ihr eure Atomraketen hin schießen? Als NATO Partner ist es sehr unwahrscheinlich auf Deutschland zu feuern. Bleibt nur der Osten. Der Feind kommt aus dem Osten. Warum? Nur weil die Weltpolitik dies so sagt? Ich wohne am Rand vom Hunsrück und noch keine 50 Kilometer weiter sind Mittelstreckenraketen stationiert. Ramstein ist die größte US-Air Base außerhalb der USA. Alleine in Rheinland-Pfalz gibt es 6 US Flugplätze. Bei Morbach ist das größte Munitionslager in Europa. Eine Bombe reicht und Rheinland-Pfalz ist nicht mehr! Es gibt tausende Atomraketen, wie oft wollen wir damit diese Welt zerstören?“
Schweigen und nachdenkliche Blicke von Bernhard und Patricia.
„Es passiert in der nächsten Zeit etwas. Ich weiß nur noch nicht was. Unser Außenminister Genscher fliegt nur noch nach Osten und Westen. Ist der Kalte Krieg vorbei oder stehen wir an einer neuen Stufe der Eskalation?“ „Schatz, du machst dir viele Gedanken über Dinge die du nicht ändern kannst.“ „Patricia, ich weiß. Ich möchte Bildung für Kinder und weiß das ich es nicht ändern kann, allen Menschen lesen und schreiben beizubringen. Ich glaube an das Gute im Menschen und für eine bessere Welt. Warum geht dein Vater in ferne Länder um dort eine Versorgung für Menschen zu verbessern? Warum fahren wir nach Reims? Weil wir an eine bessere Welt glauben.“ „Exactement, mon chérie.“


Das Vorstellungsgespräch bei ODHI in Reims

Bernhard steuerte das Auto durch Reims und Hannes wurde langsam nervöser. Was passiert wenn dies heute nicht klappt? Ist sein Traum dann vorbei?
„Wir sind da“ sagte Bernhard und parkte vor einem vierstöckigen Bürogebäude mit verglaster Front. Am Eingang war eine ganze Armada an Briefkästen mit bestimmt zwanzig Firmenlogos und Namen zu sehen.
Ein Pförtner betätigte den Türöffner und durch ein summen entriegelte die Tür.
Sie grüßten den Mann hinter der halbrunden Theke.
Durch die in anthrazit geflieste Halle ging es nach links zu den Fahrstühlen. Hannes hielt die Hand von Patricia.
„Tout ira bien“ sagte sie zu ihm und gab ihm einen Kuss.
„Ich hoffe es.“
Im dritten Stockwerk öffnete der Fahrstuhl seine Tür. Bernhard ging nach rechts und beide folgten ihm. Am Ende vom Flur standen sie vor einer Milchglastür. Rechts neben der Tür stand auf einem Schild der Name der Organisation.

ODHI
Organisation de développement et de secours pour l’humanité et les infrastructures

Bernhard klingelte und ein Summer ertönte. Hannes schlug das Herz bis zu Hals.
Der Empfang war ein großer weißer Tresen, der dicke graue Teppich und die Holzvertäfelungen zeigen eine Eleganz in diesem Büro. Recht am Fenster stand ein Monstrum von Palme.
Bernhard grüßte die junge Frau am Empfang.
„Ah oui. Vous êtes déjà attendu“ sagte die Anfang dreißig jährige Frau. Wir werden erwartet. Na dann.
Bernhard ging nach links an drei dunkelbraunen Türen vorbei und klopft an der vierten Tür und öffnet diese auch sogleich. Hannes hatte das Gefühl, als ob Patricia ihn in den Raum zerrte.

Ein großer Raum mit einem rechteckigen Tisch von 10 Quadratmeter im gleichen Farbton wie die Türen, stand in der Mitte. Auch hier war der graue schöne Teppichboden verlegt. Am Tisch standen vierzehn Stühle, wovon drei besetzt waren. Zwei Männer und eine Frau erhoben sich. Der erste Mann war Ende fünfzig, untersetzt und hatte einen gepflegten kurzgeschnittenen Vollbart „Bonjour, je suis Jean Grizon. Je suis la directeur.“ „Salut, Nina Dupont. Ich bin für die Personalabteilung zuständig“ sagte sie in einen luxemburgischen Akzent. Nina konnte Mitte dreißig sein und war in Jeans und weißer Bluse gekleidet. Sie hatte fast gleiche Haarlänge und Farbe wie Patricia. Sie hatte eine normale Größe und war sportlich schlank.
Der andere Mann stellte sich als Stephane Dilbert vor. Er konnte im gleichen Alter wie Nina Dupont sein. Stephane war unglaublich groß und sehr schlank. Mit seinen kurzen schwarzen Haaren und Dreitragebart machte er einen sehr gepflegten Eindruck. Auf seinen Jeans trug er ein schwarzes Sakko.

Hannes bemühte sich so viel französisch zu reden wie er konnte. Nina sagte, dass er auch deutsch reden könnte. Sie und Stephane würden ihn verstehen. Bernhard übersetzte die Fragen und Antworten von Monsieur Grizon ins französische, beziehungsweise ins deutsche.

Da am letzten Montag Bernhard und Patricia schon Vorgesprochen hatten, wussten die drei Personen schon einiges über und von Hannes. So brauchte er nicht noch einmal alles zu wiederholen. Die Fragen waren oft persönlicher Natur und Interesse.
Stephane stellten die einzelnen Projekte vor, die ODHI auf zwei Kontinenten unterhielt und betreute. Da waren schon ganz schöne Projekte dabei. Kongo, Sudan, Nigeria und Kambodscha. Stephane zeigte Videos von einzelnen Projekte aus diesen Länder. Hannes war sprachlos bei solchen Bilder. Was für eine Armut und Elend es auf der Welt gab! 
„Du und Patricia wollt euch das wirklich antun?“ Fragte Stephane, als die Videos zu Ende waren.
„Oui Monsieur. Sie kennen meine Einstellung.“ „Deine Einstellung kennen alle hier im Raum. Solche Mitarbeiter brauchen wir.“ Der Puls und Herzschlag von Hannes war kurz vor der Belastungsgrenze. „Bernhard arbeitet schon einige Jahre bei uns, von daher wäre der erste und beste Schritt, dass du in seinem Team anfängst.“ Patricia fiel Hannes um den Hals und ihm kamen die Tränen.
„Ich sagte doch, alles wird gut, mon chérie.“

Im Büro von Nina wurde alles weitere besprochen, was Hannes noch besorgen sollte, welche Versicherung und bei welcher Krankenkasse er sich für die Auslandseinsätze versichern sollte. Die Policen sollte er dann einreichen, diese würde die Organisation bezahlen. Der Arbeitsvertrag war schon vorbereitet, wie auch der Personalbogen. Als Hannes den Personalbogen las, sah er zu Patricia „Du hast diese doch schon alles gewusst.“ Patricia nickte „Bien sûr! Hast dich aber sehr gut geschlagen, mon chérie.“ „Du Biest.“
Patricia gab ihm einen Kuss auf die Wange.
„Letzte Woche waren beide hier gewesen. Patricia und Bernhard haben so viel von dir erzählt, dass es für uns keine Frage war, dich einzustellen. Hannes, wenn alle unserer Mitarbeiter dieses Engagement wie deines hätten, könnten wir noch viel mehr bewegen. Deine Angst wegen der Sprache ist berechtigt. Da wir aber ein internationales Team sind, wird viel in englisch gesprochen. Was deine Schule anbelangt, ist doch erst mal zweitrangig. Wir haben sehr viele Mitarbeiter die auch kein Abitur haben. Nur weil man in der humanitären Hilfe arbeitet oder arbeiten möchte, braucht man kein Abitur oder Studium. Eine Krankenschwester bei Ärzte ohne Grenzen braucht dies doch auch nicht. Es zählt die Fachkompetenz und der Wille dieser Person. Patricia sagte mir, dass du in der Schule kein französisch hattest.“ „Oui. C’est vrai, Mademoiselle.“ „Respekt. Dafür hast du das Vorstellungsgespräch sehr gut hin bekommen. Alles andere kommt mit der Zeit. Du hast eine gute Lehrerin an deiner Seite.“
Patricia gab ihm erneut einen Kuss auf die Wange.
Es klopfte an der Tür von Nina. Bernhard und Jean Grizon kamen ins Büro „Na, alles geklärt?“
Nina nickte.
„Gut, dann können wir nun essen gehen“ sagte der Direktor von ODHI.

Das Restaurant war nur wenige hundert Meter vom Büro entfernt. Jean hatte vorab einen Tisch reservieren lassen. Die Gespräche am Tisch waren sehr gut. Stephane erzählte, wie er bei ODHI angefangen hatte, im welchen Ländern er schon war und er dies sehr vermisse. Seine Tochter sei nun vier Jahre alt und aus diesem Grund sei er in der Zentrale nach Reims gewechselt. Er wäre aber immer mal wieder in Westafrika oder Südostasien vor Ort. Es gäbe Mitarbeiter in der Firma, die ihre Familien in ihren Einsatzländer dabei hätten. Die Kinder seien dann auf einem Internat von Internationalen Schulen.
„Ihr werdet sehen, was für tolle Mitarbeiter wir haben. Ihr seid nicht alleine und werdet dies auch nie sein“ Stephane blickte Patricia und Hannes an „Niemand muss in einem Zelt schlafen oder Bohnensuppe aus einem Blecheimer vom Feuer essen. Es gibt Hotels, Appartements oder sogar Häuser für die Mitarbeiter. Wir haben Mitarbeiter, die alle Jahre in ein anderes Land wollen. Diese haben dann meist nur ein Appartement. Dann gibt es Mitarbeiter, die für Jahre in dem Land leben, wo sie im Einsatz sind und haben dort Häuser gekauft oder gemietet.“


Im Super Marché in Yutz

Am Dienstag war Hannes in Yutz im Super Marché einkaufen. Da er oft genug bei den Lefèvre’s war, kaufte er natürlich auch Getränke und Lebensmittel ein. Durch die Gänge schlendernd und mal hier und da etwas in den Einkaufswagen legend, hörte er auf einmal seinen Namen rufen. Durch die Aktion mit dem Feuerwehrauto am Geburtstag von Patricia wurde er in der Region zu einer kleinen Berühmtheit und so wurde er hier und da von völlig fremden Menschen gegrüßt. Hannes war mittlerweile beim Bäcker, Metzger oder auch im Super Marché bekannt. Er ging auch schon mal mit Maurice ins Feuerwehrhaus auf ein Bier oder zwei. Er lernen immer öfter neue Menschen kennen und fühlte sich immer mehr zu Hause. Mit Claude waren Patricia und er auch schon oft Billard spielen oder Bier trinken gewesen.
Die Stimme die er jetzt hörte kam ihm sehr bekannt vor. Er drehte sich um und sah am Anfang von dem Regalgang Cosima stehen. Mit ihren Hüftlangen pechschwarzen Haare, Stretch Jeans und weißer Bluse, war sie die personifizierte Frau für jedes Modelabel. Sie küsste ihn links und rechts auf die Wange und fragte, ob er mit ihr einen Kaffee trinken möchte? Ungern, dachte er bei sich. „Volontiers. Gerne doch“ sagte er aus Anstand zu ihr. „Ich mache noch schnell den Einkauf fertig, dann können wir einen Kaffee trinken gehen.“
Cosima begleitete ihn durch die Regale und sie sprachen über belangloses.

In der kleinen Cafeteria nahmen sie an einem runden Tisch platz.
„Dein Geschenk zu Patricia’s Geburtstag war der Knaller. Alle Welt hat deine Liebeserklärung gesehen.“ „Dankeschön. Beschränke es auf Lothringen.“ „Über dich wird hier sehr viel geredet – nur gutes! Ich hatte dich im Sommer am Bostalsee gar nicht so eingeschätzt.“ „Siehste mal. Der Clown den du gesehen hast, gibt es nicht mehr.“ „Non, du warst kein Clown. Du hattest nur eine verrückte Idee mit guten Gedanken. Du hattest auf einer Kuhweide von Romantik gesprochen. Ich bin ehrlich zu dir und dachte, es seien nur Texte. Heute weiß ich, dass es nichr so war.“ „Dankeschön. Jeder von euch hätte mitfahren können. Weißt du, Cosima, die Jungs und Mädels aus der Clique wollen so viel und scheitern schon bei dem ersten Schritt. Patricia war die einzige die sofort zugesagt hatte, natürlich dachte ich in dem Moment, als ich ihr Elternhaus sah, sie wollte nur ein billiges Taxi haben um von der Kuhweide zu kommen.“
Cosima nickte „Patricia hatte es dort überhaupt nicht gefallen. Sie wollte nach Hause.“ „Würde ich so nicht sagen. Sie wollte etwas erleben. Mal eine andere Frage: wie lange habt ihr dort noch gecampt?“ Cosima schüttelte den Kopf „Wir sind am Nachmittag abgereist.“ „War mir klar.“
Cosima sah ihn verwundert an.
„Was hattet ihr erwartet? Campen ist wie ein Hotel?“ „Ja und nein.“
Hannes verzog die Augen „soll heißen?“ „Ja – soll heißen: dass offensichtlich Laura und Jasmin das Wort campen und den daraus resultierenden Mangel an sanitäre und elektrische Versorgungseinrichtungen nicht bewusst war.“
Hannes nickte „Ich hatte am Rande so etwas mitbekommen. Und nun machst du die beiden dafür verantwortlich?“ Dabei sah er Cosima mit geneigtem Kopf fragend an.
„Deine Augen sagen mir, dass du mich auch zu dieser Kategorie zählst.“ Hannes nickte stumm.
„Hannes, auch wenn du mich als den Engel aus dem Orient bezeichnest, der Engel kennt auch ein Leben ohne Strom und mit Plumsklo. Meinst du bei unseren Verwandten im Iran gibt es überall Wasserhähne aus Gold?“
Hannes nahm tief Luft und wusste nicht was er jetzt sagen sollte.
„Wir sind jedes Jahr in den Iran in Urlaub geflogen und wie es sich für eine Familie gehört, haben wir natürlich auch bei den Verwandten geschlafen. Ich kenne durchgelegene Matratzen und muffige Räume. Somit ist nun auch das Nein beantwortet. Ich glaube Laura und Jasmin hatten eine völlig falsche Vorstellung von diesem Trip. Schöne Kerle am Lagerfeuer und jeden Abend mit einem anderen bumsen.“
Hannes zog die Augenbrauen hoch. „Glaubst du, dass Töcher von einem Bauunternehmer oder Professor für Medizin brav sind? Hannes, in welcher Welt lebst du? Wenn ich mich so benehmen würde, wie die beiden, hätte ich Hausarrest bis zum Ende meines Studiums und da spielt die Volljährigkeit keine Rolle oder schlimmer noch: mein Vater könnte mich in den Iran zu seiner Schwester schicken. Nathalie, Patricia, Yvonne und ich sind das krasse Gegenteil von denen. Kannst du mir jetzt glauben oder nicht. Auch dir es an Patricia’s Geburtstag nicht entgangen, wie peinlich Laura und Jasmin sind.“
Hannes verzog dem Mund. Was Cosima sagte stimmte schon. Mit Yvonne hatte er sich schon öfters unterhalten und fand sie auch sehr nett. Was Laura und Jasmin anging, naja – auf solche Menschen konnte er sehr gerne verzichten.
Hannes sah, dass Cosima am denken war und wartete auf das was sie sagen wollte.
„Du liebst Patricia sehr.“
Hannes nickte „Oui Mademoiselle. So sehr, dass es in den Zeitungen stand.“
Sie streichelte ihm am Arm „Hannes, du weißt schon das sie krank ist. Wie soll das mit euch weiter gehen? Der Krebs wird zurück kommen und dann hast du ein Pflegefall.“
Hannes fühlte sich in diesem Moment als ob ihm jemand den Boden unter den Füßen weg gezogen hatte. Er sah diese wunderschöne Frau an und musste sich beherrschen.
Er nahm tief Luft und bemühte sich, nicht zu schreien „Cosima, mein Anstand verbietet es, dir hier und jetzt eine Ohrfeige zu geben“ sagte er noch sehr gefasst. Hannes erhob sich wortlos und ging aus der Cafeteria.

Freitag, 10. November 89 im Nahetal

Der Tag war trotz der niedrigen Temperatur sehr schön. Patricia war dieses Wochenende bei Hannes im Nahetal. Eng umschlungen saßen sie auf einer Bank am Waldrand und schauten ins Tal. Der Herbst hatte die Blätter der Bäume in unzählige Farben verwandelt und die Sonne schien ihnen ins Gesicht. Patricia hatten ihren Kopf auf seiner linken Schulter liegen und hielt mit ihrer rechten Hand seine linke Hand fest.
„Mon chérie, ich bin Gott dankbar für jeden Tag mit dir. Deine Nähe tut mir so unendlich gut. Deine Liebe lässt so vieles vergessen. Bald sind wir täglich zusammen. Dann trennen uns keine 115 Kilometer mehr. Oh, chérie.“ „Oui, Madame. Je t’aime.“ „Dein französisch wird auch immer besser. Du warst und bist nicht dumm. Für mich warst du niemals ein Clown. Was du sagst, bringt andere zum Nachdenken. Deine Worte treffen immer auf den Punkt.“ „Wow! Merci beaucoup.“ „Dies meine ich. Du redest ohne darüber nachzudenken in französisch.“ „Komm Schatz, wir gehen noch einkaufen. Ich koche heute Abend für uns.“
Patricia setzte sich aufrecht hin und sah Hannes an „Apropos Einkauf: was war letzte Woche im Super Marché?“ „Wenn du die Unterhaltung mit Cosima meinst, hatte sie viel Glück das ich ihr keine gescheuert habe.“
Patricia zog die Augenbrauen hoch „Wie? Ich hörte das du sie beleidigt hast.“ Hannes drehte sich wie vom Blitz getroffen zu ihr um und sah Patricia ungläubig an „Sag … sag das noch einmal!“ „Yvonne rief mich gestern Abend an und sagte, du hättest Cosima im Super Marché getroffen und sie zu einem Kaffee eingeladen. Du hättest sie angebaggert und sie dir einen Korb gegeben. Darauf hättest du sie mit nicht schönen Worten beleidigt.“
Was er von Patricia hörte, war nicht im Ansatz wahr. Er erzählte ihr wie es wirklich war und das er bei dem letzten Satz von Cosima noch die Beherrschung über sich hatte, grenzte an ein Wunder.
„Cosima war schon immer eifersüchtig. Dies hätte ich ihr aber nie zugetraut. Ich dachte wir sind Freundinnen. Ich konnte auch nicht glauben, was Yvonne mir sagte.“ „Mir tut dies genauso weh wie dir. Ich hatte mich mit Cosima vernünftig unterhalten und gefragt wie lange sie noch auf dem Campingplatz waren. Cosima sagte, dass sie am gleichen Tag abgereist sind.“
Patricia nickte „Stimmt. Es gab schon zwei Tage zuvor Zoff mit Laura und Jasmin. Die beiden können extrem zickig sein. Hast du an meinem Geburtstag erlebt.“
„Dies hatte Cosima mir auch so gesagt und ich hatte dies auch bestätigt. Auch weiß ich von Claude so einiges über die Damen.“
Patricia schüttelte den Kopf „Bitte behalte dies für dich. Es wissen schon zu viele von deren Alkoholexzessen und Drogen auf Sexpartys.“ „Patricia, wenn ihr Freundinnen seid, solltet ihr es denen auch mal sagen und nicht schweigen. Und mal ganz ehrlich, ich möchte die beiden nicht auf meinem Geburtstag haben.“
Patricia verzog den Mund und zog die Schultern hoch „Was sollten Cosima, Yvonne oder ich denen sagen? Wenn wir etwas gesagt hatten, war der Zoff da. Beide sind alt genug um zu wissen was sie tun – oder auch nicht. Ich hatte im Zelt von Laura ein paar bunte Pillen gefunden – und dies waren keine Antibabypillen. Aus diesem Grund wollte ich auch weg. Zum Glück. Im Grunde ist Laura für unsere Liebe verantwortlich. Und um auch noch dir den Rest zu erzählen, was soll ich sagen? Wir kennen uns von der 5. Klasse an. Beide waren nicht so, wie sie heute sind. Gut, Laura war schon immer eine verzogene neureiche Göre. Wir sind die einzigen, die sie vielleicht noch auf den Boden bringen können. Jasmin ist auf Laura’s Zug aufgesprungen. Das Resultat hast du an meinem Geburtstag gesehen.“
Patricia sah ihn traurig an.
„Die typischen verlorenen Seelen.“ „Oui.“

Im Nachbarort gingen sie im Supermarkt einkaufen. Hannes wollte „Schlabberkappes“, ein Spitzkohlgericht aus dem Hunsrück, kochen. Patricia hatte bei dem Wort „Schlabberkappes“ ihre Probleme mit der Aussprache.

Im Elternhaus von Hannes war Patricia gerne gesehen. Diese kleine quirlige Person aus Lothringen hatte eine liebenswert Art an sich, die seinem Vater sehr gut gefiel. Im Wohnzimmer redete sein Vater mit ihr und sagte, dass jener Teil von Rheinland-Pfalz nach dem Krieg französisches Protektorat war. Er suchte sogar Fotos, auf denen man an den Autos französische Nummernschilder sah. Ja, auch französisch sprach sein Vater: Chaiselongue, Trottoir, Portmonee…. Hannes hätte brüllen können vor lachen, als er deren Unterhaltung im Wohnzimmer hörte.
Es war schön anzusehen, wie sein Vater Patricia ins Herz geschlossen hatte.
In der Anfangszeit ihrer Beziehung, erzählte Hannes von den Lefèvre’s und deren Haus. Es war schon anzumerken, dass seine Eltern – vielmehr seine Mutter, wie auch seine Schwestern der Meinung waren, dass dies nie gut gehen würde. Hannes dachte anfangs auch so. Das ein Haus oder Villa nichts über Menschen, deren Herz und Charakter aussagte, hatte sich längst bewiesen.
Nachdem Hannes den „Schlabberkappes“ gekocht und alle gegessen hatten, gingen er mit Patricia in das Highlight im Ort: „Die Grott“ – die Dorfdisco der 80er. Eigentlich hieß das Lokal „Blaue Grotte“ und war seit den 50er Jahren ein Ausflugs- und Tanzlokal. Die Eltern von Hannes waren früher auch dort gewesen.
„Die Grott“ war ein großer Saal der mit Pappmaché an Decke und Wänden verkleidet war, und wie die Blaue Grotte auf Capri aussehen sollte. Da auch Vorsprünge, Stalaktiten und Stalagmiten eingearbeitet waren, war dies eine Anlehnung an das Kupferbergwerk im Ort. Es war Kult am Wochenende in „Die Grott“ zu gehen. Ende der 70er kam der große Disco Boom auf und so wurden Lichtstrahler, Discokugel und DJ Pult eingebaut. Mitte der 80er Jahre war es in diesem Lokal so voll, dass man zeitweise hätte nicht umfallen können.
Wenn Patricia bei ihren Freunden von dieser Disco erzählte, hatte jeder große Augen gemacht. Natürlich war dies alles mal liebevoll eingebaut und hatte auch seinen Reiz – es blieb trotzdem eine Dorfdisco.

Da das Elternhaus von Hannes in einer Sackgasse stand und diese Straße auch noch etwas schmal war, mussten öfters Autos wie bei einem Bildschuppspuzzle hin und her gefahren werden. So war es völlig normal, dass im Esszimmer auf einer Ablage alle Schlüssel von den Autos lagen, die nicht in die zwei Garagen passten. Im Elternhaus von Hannes wohnten auch noch seine beiden Schwestern und deren Freund, bzw. Mann. Mit 5 Autos in einem Haus, wurde es auf der kleinen Straße mitunter recht eng. Wenn Patricia bei ihm war, kam ihr Auto noch hinzu.

Patricia weckte Hannes am frühen Sonntagmorgen und war völlig aufgelöst „Mein Auto wurde geklaut!“ „Ach Schatz, niemand klaut hier im Ort ein Auto.“ „Es steht nicht mehr auf der Straße!“ „Ja, dann ist es weg.“
Patricia hörte nicht auf sich Sorgen um ihr Auto zu machen, bis Hannes sich endlich anzog, um das Auto zu suchen.
In der Garage wurde er fündig.
Sein Vater hatte „mal eben“ nach dem Auto geschaut. Zündkerzen, Keilriemen, Ölwechsel, Handbremsseil und die Vorderachse neue Bremsbeläge eingebaut. Ach ja, Scheibenwischer auch erneuert.
So war sein Vater. Nicht lange reden – machen. Da er von Beruf Maschinenschlosser war und an allen möglichen Baumaschinen auf seiner Arbeit schraubte und reparierte, war natürlich auch zu Hause alles an Autozubehör und Werkzeug in der Garage.


Freitag, 24. November 89
Aufbruch in ein neues Leben

Hannes hatte seinen Job gekündigt und nahm noch seinem Resturlaub in Anspruch. Im neuen Jahr würde für ihn ein ganz neuer Lebensabschnitt beginnen. In diesem Jahr hatte er noch etwas besonderes vor. Nur wusste er noch nicht, wie er es anstellen sollte. Hannes sortierte alle seine Papiere die er im nächsten Jahr brauchte. In einem Ordner waren Vollmachten für sein Vater für die Bank und Versicherung. Ob er sein Auto verkaufen oder nur abmelden wollte, wusste er noch nicht. Vorsorglich ließ er alles weiterlaufen wie gehabt, denn er wusste nicht ob die humanitäre Hilfe nicht zu einem Alptraum werden würde und er in drei Monaten zurück kommen würde. Von seiner Firma hatte er die Zusage bekommen, dass er jederzeit dort wieder anfangen könnte. Der zweite Chef der Firma, und sein Vorgesetzter, bedauerte seine Kündigung und war auf der anderen Seite stolz auf die Entscheidung von Hannes.
Zwischen all seinem Chaos an Papiere und Ordner fiel ihm ein kleiner Zettel in die Hand. Handschriftlich stand eine Adresse darauf geschrieben. Lange schaute er dieses kleine Zettelchen an. Danke Gott!

Es wurde Zeit auf widerstehen zu sagen. Auf widerstehen von zu Hause, von Freunde und der Heimat. Heimat ist da, wo man sich wohlfühlt. Hannes fühlte sich in Lothringen wohl. Seit fast einem halben Jahr war er fast jedes Wochenende in Thionville. Er hatte dort Freunde gefunden, seine große Liebe und eine Familie, die ihn wie einen Sohn aufgenommen hatte.
Die letzten Monate waren eine unglaubliche Zeit, wie er es sich niemals hätte vorstellen können. Aus einer spontane Idee oder Verrücktheit heraus, lernte er die unglaublichste Frau seines Lebens kennen.

In der kleinen Küche saß Hannes mit seiner Mutter beim Mittagessen. Er sah ihr an, dass sie traurig war. Er wollte nicht nochmals seinen Schritt erklären, es würde sich auch beim hundertsten mal an seiner Entscheidung nichts ändern.
Die Küchenuhr zeigte 13.37 Uhr.
„Mama, ich muss fahren. Ich soll vor 14 Uhr noch zu Jürgen in die Praxis kommen. Ich bekomme heute meine letzte Impfung.“

Hannes stellte seinen Koffer und eine Reisetasche in den Kofferraum von seinem Auto und wurde wehmütig.
Seine Mutter kam ans Auto „Hast du alles?“
Er sah sie an und zog die Schultern hoch „Materiell passt mein Leben in einen Koffer. Die Erinnerungen an so vieles könnte ich gar nicht alle einpacken. Mama, ich stehe vor einem großen Schritt in ein neues Leben. Ob es mir gelingt – weiß ich nicht. Vielleicht bringe ich in drei Monaten einen Koffer an schönen Erinnerung oder einen mit Alpträume zurück. Ich weiß es nicht.“
Seine Mutter sah ihn wortlos an.
„Egal wie es wird und was auf mich zukommt, ich habe mich für diesen Schritt entschlossen und ich bin bereit diesen auch zu gehen. Mit Patricia würde ich an jeden Punkt dieser Welt gehen. Ich liebte diese Frau so sehr, dass ich mein Leben für sie geben würde. Natürlich habe ich mich typisieren gelassen. Es wäre ein Wunder gewesen wenn meine Stammzellen gepasst hätten. Die Menschen spalten Atome, haben Physik neubestimmt und fliegen in den Weltraum. Leukämie bekommen sie nicht in den Griff. Ist die Menschheit wirklich so schlau oder waren die großen Errungenschaften nur Zufälle?“

Um 13.55 Uhr klingelte Hannes an der Haustür von seinem Hausarzt. Über die Gegensprechanlage hörte er die Stimme von Gabi, der Frau vom Doktor „Komm hoch.“
Jürgen war in seinem Arbeitszimmer und stand an einem Bücherregal. Ohne sich umzudrehen sagte er „Ich habe noch zwei gute Bücher von meiner Doktorarbeit gefunden, die schenke ich dir.“ Jürgen drehte sich um und nickte ihm zu „Bist du bereit?“ „Ja, bin ich.“ „Deine neusten Blutwerte sind da. Es ist alles in Ordnung. Cholesterin ist etwas erhöht, aber in Asien geht dieser Wert schnell runter. Wenn irgend etwas sein sollte und du dich nicht gut fühlst oder Fieber bekommen solltest – ruf mich an.“

Die Fahrt von seinem Ort an der Nahe, wo er nun neunzehn Jahre gelebt hatte, nach Thionville war eine andere. Es werden keine 125 Stunde oder 7500 Minuten bis zum Wochenende mehr sein. Ab heute würde er mit Patricia täglich zusammen sein.

Gegen 16 Uhr war er in Thionville angekommen. Franziska war im Arbeitszimmer und bügelte, als er ins Haus kam. Sie sah ihn glücklich an „Hannes, schön das du da bist.“ Sie nahm ihn in die Arme. Franziska wurde in den letzten Wochen wie eine Mutter für ihn. Er konnte mit ihr über sehr vieles reden, sie lernte mit ihm französisch, wäschte und bügelte seine Kleider.
Hannes erzählte ihr, was er dieses Jahr noch vor hatte und ob sie dies für eine gute Idee hielt.
„Hannes! Das freut mich so. Du weißt wie sehr ich dich mag.“ „Wo ist Patricia überhaupt?“ „Sie ist vor zehn Minuten nach Hayange gefahren um Maurice abzuholen. Sein Moped macht mal wieder Stress.“ „Ich schau‘ mir das Ding mal wieder an. Soll ich noch einkaufen fahren?“ „Wäre schön, dann kann ich in Ruhe bügeln und das Abendessen vorbereiten.“ „Ich räume mein Auto noch aus, dann hab ich Platz für den Einkauf.“ „Quatsch, fahr mit meinem Auto. Der Schlüssel liegt im Flur auf dem Sideboard. Bring noch bitte Mineralwasser mit.“


Begegnung mit dem personifizierten Supermodel

Hannes fuhr die paar Kilometer nach Yutz zum Super Marché. In der Obst und Gemüseabteilung sah er die Silhouette von Cosima – dem personifizierten Supermodel. Sollte er sie erfolgreich ignorieren oder ansprechen? Er beließ es bei erfolgreich ignorieren. Drei Regalgänge weiter konnte er sie nicht mehr mit ignorieren, denn Cosima kam von links und er von rechts. Als Cosima ihn sah, wusste sie nicht wie sie reagieren sollte.
„Salut Cosima“ „Salut Hannes“ „Cosima, wir sollten etwas klären!“
Sie schaute zu Boden, die Begegnung war ihr offensichtlich sehr peinlich.
„Cosima, ich möchte kein Streit oder Hass. Es war nicht schön, was du Yvonne über mich erzählt hattest. Warum du dies getan hast, erklärt sich mir nicht.“ „Es tut mir sehr leid“ sagte sie leise.
„Cosima, wir können über alles reden, nur mag ich nicht, wenn Lügen über mich verbreitet werden. Mittlerweile bin ich hier bekannt und habe auch Freunde aus der Umgebung.“ „Es tut mir leid.“ „Sagtest du bereits. Bringt uns aber nicht weiter.“
Sie sah ihn an und nahm tief Luft „Ich war eifersüchtig. Auf dich, auf Patricia, auf eigentlich alles. Du hast ihr eine Liebeserklärung gemacht, von der jede Frau nur träumen kann. Du kümmerst dich um sie und gehst sogar mit ihr nach Südostasien.“ „Soll vorkommen, wenn man sich liebt“ sagte er schnippisch.
„Mir hat noch kein Mann so seine Liebe erklärt wie du es geta…“ „Cosima, STOP! Was hat dies mit deinen Lügen über mich zu tun? Ich kann doch nichts dafür, dass du dich nicht geliebt fühlst. Du bist in meinen Augen die schönste Frau in Frankreich. Du kannst alle Männer dieser Welt haben.“
Cosima sah ihn aufrichtig an „Schönes Kompliment, dankeschön. Ich habe gelogen, weil ich wollte das ihr euch trennt.“
Hannes war wie vor den Kopf geschlagen als er dies hörte „Warum?“
„Weil ihr glücklich seid.“
Hannes riss die Augen auf „Weil, … weil wir glücklich sind? Sag mal geht’s noch?! Der einzige der uns trennen kann, ist der Tod. Sei froh, dass du gesund bist.“
Sie sah ihn erschrocken an.
„Wir wissen beide, dass Patricia krank ist und irgendwann … der … der Zeitpunkt kommt…, den wir versuchen täglich auszublenden. Glaub mir, leicht ist es nicht.“
„Hannes…“ hauchte sie und hatte Tränen in den Augen.
„Ich habe mich für Patricia entschieden, als ich von ihrer Krankheit noch nichts wusste. Nun weiß ich es und bleibe trotz – oder wegen dem bei ihr.“ „Du hast eine solche Stärke in dir.“ „Danke. Cosima, ich mag dich. Ich hatte dich auch falsch eingeschätzt, dies gebe ich zu. Bei unserer letzten Unterhaltung hattest du mir ein Bild von dir gezeigt, dass ich nicht kannte. Ich habe dich in die gleiche Schublade gesteckt wie Laura und Jasmin. Dies tut mir leid und dafür entschuldige ich mich auch. Patricia hatte mir bestätigt, dass du definitiv nicht so bist wie die beiden Schnäpfen. Wie schon gesagt, ich mag dich und ich schätze die Unterhaltungen mit dir. Nur hast du beim letzte viertel der Unterhaltung gelogen und du hast mich schlecht gemacht.“
Cosima senkte ihren Blick und nickte.
„Hannes, es tut mir leid. Bitte verzeih mir“
Cosima sah ihn an und hatte noch mehr Tränen in den Augen. Ihr tat es wirklich sehr leid und Hannes wollte nun auch nicht weiter auf diesem Fehler herum hacken.
„Cosima, auch du wirst einen Mann finden, der dich von Herzen liebt. Eifersucht bringt dich aber nicht weiter. Es tut dir im Herz genau so weh, wie du anderen weh tust. Lass uns Freunde bleiben und alles was war vergessen.“
Sie sah ihn an und nickte „Danke, danke für deine Worte.“
Hannes nahm sie in die Arme und drücke sie an sich „Ich verstehe dich auch ein Stück weit. Du bist wunderschön, begehrenswert und klug. Die Männer die dich lieben, lieben deine Schönheit. Sie zeigen sich gerne mit dir und führen deine Schönheit anderen vor – nicht aber die Person Cosima Schayani. Liebe, tiefe- oder wahre Liebe, ist dies nicht.“
Cosima nickte langsam „Oui. Tu as raison.“ „Ja, ich weiß, dass ich recht habe. Cosima, dies ist der Preis deiner Schönheit.“
Sie weinte und legten ihren Kopf an seinen. Hannes streichelte ihr über den Rücken und gab ihr einen Kuss.
„Lass uns Freunde bleiben.“ „Oui. Du bist ein wunderbarer Mensch. Patricia hat dich mehr als verdient.“ „Dankeschön. Komm, lass uns Kaffee trinken gehen. Ich lade dich ein. Engel aus dem Orient.“


Auf nach Fréjus

Nach dem Abendessen wollte Bernhard mit Hannes mal wieder Tischtennis spielen. Im dritten Stockwerk vom Haus war genügend Platz für so einiges an Freizeitaktivitäten. Bernhard war beim Tischtennis ein guter Gegner. Mit der Zeit wurde Hannes auch immer besser und so wurden die Partien der beiden immer länger und anstrengender.
Nach dem Spiel saßen sie bei einem Bier auf der Rundcouch in dem Freizeitraum.
„Franziska hat mir erzählt, was du vor hast, finde ich gut – sehr gut sogar. Du kannst mein Auto haben.“ „Dankeschön.“ „Du bist wie ein Sohn für uns. Als Franziska mir im Sommer von dir erzählte, konnte oder wollte ich vieles nicht glauben. In den letzten Wochen konnte ich mich jedes Wochenende davon überzeugen, was Franziska sagte. Mach dir mit Kambodscha nicht so viele Gedanken, es ist alles nicht so schlimm. Du lernst schnell und ich bin ja auch noch da. Mein Team wirst du noch kennenlernen. Sie sind alle in Ordnung – wirst du schon sehen. Wie Stephane schon gesagt hatte, ihr seid nie alleine. Wir lassen niemand im Regen stehen.“ „Im Oktober hatte ich mir in Idar-Oberstein in der Buchhandlung ein Wörterbuch und Reiseführer über Kambodscha gekauft. Ich möchte nicht ganz unvorbereitet nach Kambodscha gehen. Khgnom yul tedj,- ich verstehe nur ein wenig.“ „Très bien. Tu me surprend.“
„Merci beaucoup. Im überraschen bin ich gut.“

„Ach, kommt Monsieur auch mal wieder zu mir?“ Patricia lag auf der Couch in ihrem Zimmer und schaute Fernsehen.
„Salut, Prinzessin. Ich hatte mit deinem Vater Tischtennis gespielt. Du hättest ja auch hoch kommen können.“ „Nein. Ich wollte euch alleine lassen. Hast du Bier getrunken?“ „Oui Madame.“ „Ich hätte Lust auf einen guten Wein.“ „Gut, ich geh eine Flasche in den Keller holen. Rosè?“ „Oui, s’il vous plaît.“

Zusammen kuschelten sie auf der Couch, schauten einen französischen Spielfilm und tranken Wein.
„Bald ist Weihnachten. Ich habe keine Ahnung was ich euch schenken könnte. Immer diese Erwartungen von schenken. Ich schenke dir etwas und du mir, ist doch eigentlich völliger Unsinn.“ „Ich weiß. Wir haben dieses hin und her beschenke seit langem nicht mehr. Als Kinder war es natürlich super und auch schön. Nun feiern wir Weihnachten ganz ruhig. Mit Essen, Kerzen, Weihnachtsbaum und Gemütlichkeit. Also brauchst du dir über Geschenke keine Sorgen zu machen. Ich habe schon das größte Geschenk bekommen. Für mich ist täglich Weihnachten. Da du jetzt auch hier wohnst, noch viel viel mehr.“ „Ich wollte vor oder nach Weihnachten noch einmal nach Hause fahren. Oder sollen wir meine Eltern zu euch einladen?“ „Würden sie kommen?“
„Mein Vater sofort. Bei meiner Mutter bin ich mir nicht sicher. Sie meint ja immer noch, dass ihr etwas „besseres“ seid.“ „Oh mon chérie, nur weil ich Abi habe und in einer Villa wohne?“ „Ich weiß. Lass gut sein. Ich frage sie nochmal. Mehr kann ich nicht tun. Lass uns noch ein Glas Wein trinken.“

Zurück ans Meer

Hannes konnte sich an dieser Frau nicht satt sehen, Patricia lag mal wieder quer im Bett und hatte ein sehr verführerischen Negligee in traupe-rosé an. Behutsam streichelte er ihren zarten Körper. Er wollte sie schlafen lassen und trotzdem berühren.
„Es ist schön, deine Nähe zu spüren. Mach weiter“ sagte Patricia verschlafen.
„Ich wollte dich nicht wecken.“ „Ich weiß. Du bist so fürsorglich zu mir. Das tut der Seele gut. Du tust mir gut.“ „Patricia, ich würde mein Leben für dich geben.“
Sie drehte sich zu ihm um, gab ihm einen Kuss und sagte leise „Ich weiß.“
Patricia umarmte ihn ganz fest und fing an ihn mit ihren zarten Händen zu streicheln. Es war Erotik pur und der Beginn von einem wunderschönen Sex.

Langsam kam das Morgengrauen an diesem Dezembertag. Sie lagen eng und nackt im Bett.
„Patricia, bevor wir nach Kambodscha gehen, würde ich noch mit dir ans Meer fahren.“ „Ans Meer? Im Dezember? Welches Meer meinst du?“ „Du weißt genau welches Meer ich meine. Patricia, ich möchte nochmal zum Anfang zurück.“ „Oui. Lass uns ans Meer fahren“ sagte sie verträumt.

Bei Frühstück sagte Hannes, was sie vorhatten. Ganz überraschend tuend sagte Bernhard „Toll! Ihr könnt mit meinem Auto fahren. Eine so lange Strecke fährt sich mit einem guten Auto doch besser.“ „Papa, c’est très gentil de ta part“ sagte Patricia, sprang auf und umarmte ihren Vater. Er machte ein Augenzwinkern zu Hannes.

Patricia rannte aus der Küche in ihr Zimmer und packte in Rekordzeit eine Reisetasche. Hannes hatte seinen Cappuccino noch nicht getrunken, da stand sie wieder in der Küche.
„Allons-y. Venir. Komm. Los. Genug Kaffee getrunken. Auf ans Meer.“
Das war seine Patricia. Alles sofort, jetzt und gleich. Keine fünf Minuten später fuhr Patricia mit dem BMW von ihren Vater aus der Garage.

„Du musst nicht so rasen. Das Meer läuft nicht weg.“ „Ich möchte gleich nach Fréjus. Wenn ich schneller fahre, sind wir früher da.“ „Nach der Physik und Berechnungsgrundlage von Geschwindigkeit mal Strecke geteilt durch…“
Sie boxte ihm gegen seinen linken Arm.
„Du könntest aber noch schneller fahren, dann schaffen wir vielleicht das Raum-Zeit-Kontinuum zu überwinden und sind gestern schon da.“
Und wieder bekam er eine geboxt. Sie nahm seine Hand und küsste sie „Sind wir verrückt, mon chérie?“ „Nein. Wir sind verliebt, jung und nicht so wie andere.“ „Meinst du, Peter lässt uns wieder bei sich wohnen?“ „Warum nicht? Er hatte sich doch sehr gefreut, dass wir noch zwei Tage bei ihm blieben.“

In etwas über drei Stunden war Patricia bereits bei Màcon – die hälfte der Strecke. Essen wollten sie nichts. Patricia kauften an einer Tankstelle vier Croissants und zwei Dosen Coca-Cola.
Nach dem tanken fuhr Hannes weiter. Er fuhr eine etwas höhere Geschwindigkeit als sie. Patricia wollte so schnell wie möglich nach Fréjus. Diesmal schlief sie nicht. Sie hatte ihren Kopf auf seiner rechten Schulter liegen und redete über dies und das. Erinnerungen von der ersten Fahrt kamen immer wieder hoch. Die Wegweiser mit den Entfernungen nach Marseille und Aix-en-Provence wurden immer weniger. Bald kamen schon Schilder mit der Aufschrift: Fréjus, Cannes, Nizza. Fréjus 35 Kilometer.

In 6 Stunden und 11 Minuten waren sie fast 900 Kilometer „geflogen“.
Hannes lenkte das Auto in die Nachbarstraße von Peter’s Haus.
Patricia zog Hannes an der Hand um die zwei Häuserecken auf das Haus von Peter zu. Sie klingelte und wurde nach 5 Sekunden schon nervös und wollte wieder klingeln.
„Jetzt wartet doch mal. Er ist ein alter Mann.“ „Und wenn er nicht da ist?“
5 Sekunden später klingelte sie wieder. Im Haus hörte man geschimpfe auf französisch. Die Tür bewegte sich langsam und Patricia fiel Peter um den Hals.
„Natürlich. Ich kenne niemand der so viel Wind macht wie du. Hallo mein Kind, komm doch rein. Ach, du bist drin“ er gab ihr einen Kuss auf die Stirn
„Hannes, mein Sohn. Schön dich zu sehen.“
Beide umarmten sich.

In der Küche bei einem Rotwein, der diesmal “nur“ 26 Jahre alt war, unterhielten sich die drei über die Ereignisse der letzten sechs Monate.
„Ja, ich hatte die Liebeserklärung von Hannes gesehen“ sagte Peter.
Beide sahen Peter ungläubig an.
„Es kam im Fernsehen. Bei einem Boulevard Magazin auf France 1. Ihr beide seid Romeo und Julia aus Lothringen.“
Dies hatten beide nicht gewusst, dass seine Liebeserklärung in ganz Frankreich bekannt war.
Der Abend wurde mal wieder spät. Mit guten Gesprächen und noch einer Flasche Wein war es nach Mitternacht, bis alle im Bett waren.

Manege frei für den 16. Trierer Weihnachtscircus 2022

Circus ist International. Circus verbindet Kulturen und Circus ist Kultur.

Manege frei für Robin Orton aus Tschechien

Mit seiner Darbietung als Jongleur zeigt er bravourös sein Können. Es folgt Rola-Rola-Akrobatik auf Rollen und Bretter. Robin balanciert auf übereinandergestapelten Rollen auf einem Brett und steigt dabei noch durch einen Reifen.

Aus einer Rolle und Brett, werden es mehr Rollen und Bretter. Mit jeder weiteren Rolle wird es spektakulärer.

Manege frei für die mehrfach Ausgezeichnete Sheyen Caroli aus Italien

Sheyen ist Kontorsionistin – sie kann ihren Körper in scheinbar unmöglicher Art verbiegen, als ob sie keine Knochen hat.

Der Höhepunkt ihrer Darbietung ist der Schuß mit einem Bogen. Sheyen hält mit dem rechten Bein den Bogen und spannt mit dem linken Fuß die Bogensehne und schafft in dieser Körperhaltung den Pfeil in die Mitte der Zielscheibe zu schießen.

Manege frei für Mr. Jumping

Er wurde erst kürzlich auf dem 22. Internationalen Circusfestival in Warschau ausgezeichneten.

Seine Darbietung an Akrobatik und Clownerie mit und am Trapez wurde von der Fachjury mit Recht in Silber belohnt.

Manege frei für Andrei Bocancea aus Moldawien

Mit seiner Hundeshow zeigt Andrei und seine vier Hunde mit Spaß und Freude ihr Können in der Manege.

Ob rollen, springen oder aufrecht gehen, scheint für seine Hunde kein Problem zu sein.

Manege frei für Viktoria Yudina aus der Ukraine

Viktoria zeigt ihre Poleakrobatik an einer Stange in Perfektion. Poleakrobatik ist längst keine Bewegung mehr, die sich nur in entsprechenden Lokalen mit leicht bekleideten Damen findet.

Weltweite Sportveranstaltungen in diesem Genre brachte es nun auch in den Circus. Die
Bewegungselemnte von Viktoria zeigen Grazie, Körperbeherrschung und Anmut in Perfektion.


Manege frei für Fatime Horvath aus Bulgarien

Fatime präsentiert dem Publikum ihre Katzendressur. Spielerisch und mit Spaß zeigen ihre Katzen ihr Können. Auch wenn es locker aussieht, bedarf es einer langen Dressur mit viel Geduld, denn wir alle wisen, wie eigenwillige Katzen sind.

Fatime’s Katzen balancieren über Zylinder, hangeln sich unter einem Brett von links nach rechts oder springen durch Reifen.

Manege frei für Zdenek Orton Jr aus Tschechien

Zdenek führt dem Publikum seine Darbietung mit Diabolos vor. Schnell und gekonnt fliegen die Diabolos bis unter die Circuskuppel.

Manege frei für Tobias Schandel aus Österreich

Mit seiner Pony-Dressur führt Tobias dem Publikum so einige Kunststücke seiner kleinen Vierbeiner vor. Zurecht wurde er für seine Darbietungen beim internationalen Circus-Nachwuchsfestival in Monte Carlo mit dem silbernen Clown ausgezeichnet.


Manege frei für Rudi Janecek aus Tschechien

Rudi stammt aus einer Circusfamilie, die Preisträger des internationalen Circusfestival von Monte Carlo sind.
Es gibt wohl kaum jemanden auf der Welt, der schneller jonglieren kann an Rudi.

In einer atemberaubenden Geschwindigkeit drehen und fliegen seine Keulen durch die Manege. Das Auge hat kaum eine Chance diese Geschwindigkeit wahrzunehmen. Mit bis zu 7 Keulen zeigt er die Perfektion seiner Jonglage.

Manege frei für die Orton Familie aus Prag

Sie zeigen mit Bravour wie man Musik und Clownerie verbinden kann. Neben der Slapstick Clownerie gibt es auch noch den klassischen Clown.

Die Orton’s präsentieren klassisches und musikalisches Clown-Entrée, welches mittlerweile zu den Raritäten in der Circuswelt gehört.

Manege frei für Yuliia Melnyk und Roman Yastremskyi aus der Ukraine

Die beiden Strapaten-Künstler zeigen
eine Luftakrobatik welche an Anmut und perfekter Körperbeherrschung wohl kaum noch zu übertreffen sind. Jede Drehung und Akrobatik an den Strapaten ist ein Hochgenuss für das Publikum.


Text: Naike Juchem Fotos: Alexandra Westermeyer und Naike Juchem

Impressionen vom 16. Trierer Weihnachtscircus

Weihnachtsgrüße

Foto: unbekannt

Frohe Weihnachten
Joyeux Noël
Merry Christmas
Vrolijk Kerstfeest
God jul
Feliz Natal
Wesołych Świąt

Euch allen Frohe Weihnachten zu wünschen wäre etwas banal. Wir schauen in der Besinnlichen Zeit auf ein Jahr zurück, wie es turbulenter nicht sein könnte.
Die Energiekosten und Lebensmittelpreise gehen seit Monaten durch die Decke und als Grund wird der Krieg in der Ukraine genannt.
Einige Lebensmittel sind nicht mehr lieferbar und als Grund wird der Krieg in der Ukraine genannt.
Baustoffe, Autoteile oder sonstige Dinge sind kaum lieferbar oder erst nach Monaten. Grund wird der Krieg in der Ukraine genannt.

Ein Mikroskopisch keiner Virus geistert auch noch über die Welt und auch hier hören und lesen wir von Irrsinn über Unverständnis bis zu völligem Schwachsinn alles, was man sich nur vorstellen kann.
Immer noch gibt es Gut gegen Böse, Geimpft gegen Ungeimpft, Wissenschaft gegen Schwachsinn. Und wir mittendrin.

Wir erleben im Internet und der Realität einen Hass in einem Ausmaß wie dieser schlimmer nicht sein kann. Wer nicht der gleichen Meinung ist, wird als der Feind angesehen.

Das Internet verkommt mit seinen Sozialen Netzwerken zu einer Verzerrungen der Fakten und Tatsachen. Menschen mobilisierten sich um gegen eine gefühlte beschneidung ihrer Menschenrechte, um ihren Hass und Gewalt öffentlich zu zeigen.

Sogenannte Klimaaktivisten kleben sich auf Straßen fest, um so gegen einen globalen Kollaps zu demontieren. Sie zerstören Kunstwerk und beschädigen fremdes Eigentum. Wo dort ein Protest für die Klimaveränderung zu sehen ist, entzieht sich mir völlig.

Die Welt wächst in ihrer globalität weiter zusammen und entmenschlicht sich im gleichen Augenblick.
Menschen die vor Krieg, Terror, Verfolgung und Armut fliehen, werden an den Grenzen von Europa aufgehalten. Das Boot ist voll. Sorry, geht zurück.
Wohin sollen die Menschen gehen, wenn westliche Regierungen und Geheimdienste an Ausbeutung, Chaos und Rückschritt beteiligt sind?
Dies möchte man in dem heiligen Europa nicht hören und schon gar nicht wissen.

Im April 2020 sagte ich, dass wir nach Corona eine neue Zeitrechnung haben werden. Damals wurde ich ausgelacht. Wenn ich nun die aktuelle finanzielle
Situation vieler Menschen, sind wir auf dem besten Weg dorthin.

Viele Menschen in Mitteleuropa kauften was das Zeug hält. Erst war es Toilettenpapier, Mehr, Hefe und Nudeln. Es folgte ein run auf Tierfutter und Olivenöl. Eine Apokalypse wird prognostiziert und es werden Ängste geschürt. Mit der Angst kann und konnte man schon immer Geld verdienen.
Viel Menschen begreifen nicht, dass eben sie es sind, warum sich die Spirale aus Wahnsinn immer weiter dreht.

Ein turbulentes Jahr geht zu Ende und ich möchte mich bei einigen Menschen bedanken, die zu mir gestanden sind.

Ab Frühjahr wurde ich Opfer von Mobbing und erlebte eine regelrechte Hetzjagd gegen mich. Ihr alle hattete diese Anfeindungen miterlebt, und habt mich in einem ungleichen und unfairer Kampf unterstützt und gestärkt.

Im Juli lief eine beispiellose Suchaktion für Mimi an. Auch hier standen Menschen mit Herz und vor allem Verstand mir tatkräftig zur Seite.
Die Mimi Gruppe ist in den letzten drei Monaten sehr angestiegen und bin dankbar für den Austausch und die Treffen von wunderbaren Menschen. Mit Stolz kann ich sagen, dass ihr alle super tolle Menschen seid und wir eine Gesprächskultur haben, welche man in den Sozialen Netzwerken kaum findet.
Trotzdem erlebe ich immer wieder Anfeindungen, Anzeigen und Beleidigungen gegen mich. Die verrohung macht keinen Halt mehr und aus Neid, Hass und Wut schickt man mir das Veterinäramt und die Polizei. All dies habe ich recht gut weggesteckt.

Ich möchte Menschen sachlich und unterhaltsam informieren. Leider habe ich gemerkt, dass viele für diese Art der Kommunikation nicht bereit sind oder diese gar nicht mehr kennt, weil es sich nur noch um das eigene Ego gedreht wird. Was bekomme ich zurück? Anzeigen, Beleidigungen und Diskussionen die werder zielführend noch inhaltlich etwas bringen.

Ich hoffe, dass das neue Jahr besser wird.

Ich wünsche euch allen eine schöne besinnliche und friedliche Weihnachtszeit.
Bleibt gesund.

Frohe Weihnachten

Naike Juchem, 23. Dezember 2022

Die Sprache der Katzen

Foto: privat

Vier Wege, um zu erkennen, ob Ihre Katze Sie liebt – eine wissenschaftliche Studie von Dr. Emily Blackwell.

Selbst die treuesten Katzenbesitzer fragen sich irgendwann, wenn sie vielleicht mitten in der Nacht schweißgebadet aufwachen, ob ihre Katze sie wirklich liebt. Hundeliebhaber weisen gerne selbstgefällig darauf hin, dass der Hund seit jeher der beste Freund des Menschen ist.

Untersuchungen zeigen jedoch, dass der Ruf der Katze als kaltes und unnahbares Haustier unverdient ist.

Aufgrund ihrer evolutionären Abstammung sind Hauskatzen von Natur aus unabhängiger als Hunde. Die wilden Vorfahren unserer Katzen lebten nicht in sozialen Gruppen, wie es bei Hunden der Fall ist. Im Zuge der Domestizierung entwickelten Katzen jedoch die Fähigkeit, soziale Beziehungen nicht nur zu anderen Katzen, sondern auch zu Menschen aufzubauen.

Auch wenn sie sich nicht wie Hunde auf Menschen verlassen, um sich sicher zu fühlen, zeigen viele Katzen Zuneigung zu ihren Bezugspersonen und scheinen die Gesellschaft ihrer menschlichen Gefährten sehr zu schätzen. Ihre Bindung an den Menschen wird teilweise durch die Erfahrungen beeinflusst, die sie als Kätzchen im Umgang mit Menschen gemacht haben.

Katzen verhalten sich dem Menschen gegenüber genauso wie ihren katzenartigen Freunden gegenüber. Das Geheimnis, ob sich Ihre Katze an Sie gebunden fühlt, liegt also in ihrem Verhalten.

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1. Achten Sie auf den Geruchssinn

Die Fähigkeit, mit anderen Katzen über weite Entfernungen zu kommunizieren, wenn sie nicht mehr physisch anwesend sind, war ein Vorteil ihrer wilden Vorfahren. Unsere Hauskatzen haben sich diesen „Supersinn“ bewahrt und verlassen sich stark auf diese Form der Kommunikation.

Insbesondere nutzen Katzen den Geruchssinn, um Mitglieder ihrer sozialen Gruppe oder Familie zu identifizieren, indem sie ein gemeinsames Duftprofil erstellen. Katzen haben Duftdrüsen an den Flanken, am Kopf und um die Ohren herum und reiben ihren Kopf oft an Menschen und Gegenständen, die ihnen vertraut sind und sie beruhigen.

Reibt Ihre Katze ihren Kopf oder ihre Seite an Ihren Beinen? Das weiche Gefühl, das Sie an Ihren Waden spüren, ist ein großes Kompliment für Ihre Katze, die Sie als Freund erkennt.

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2. Beobachten Sie, wie sie Sie begrüßen

Eines der offensichtlichsten Anzeichen dafür, dass Ihr geliebtes Haustier Sie gern hat, ist die Art und Weise, wie Ihre Katze Sie grüßt. Wenn Katzen Mitglieder ihrer sozialen Gruppe begrüßen, zeigen sie Signale, die auf Freundschaft und den Wunsch nach Annäherung hinweisen. Diese Signale zeigen Katzen auch dem Menschen.

Ein aufrecht gehaltener Schwanz zeigt eine freundliche Absicht (das katzenartige Äquivalent zum Winken) und weist auf Vertrautheit, Vertrauen und Zuneigung hin. Manche Katzen benutzen auch einen aufrechten Schwanz in Form eines Fragezeichens, um jemanden zu begrüßen, den sie mögen, oder um zu signalisieren, dass sie spielen möchten.

Katzen verflechten manchmal ihre Schwänze als Zeichen der Freundschaft, und das menschliche Äquivalent dazu ist, dass sie ihren Schwanz um deine Wade wickeln.

Sich umzudrehen und ihren verletzlichen Unterbauch zu entblößen, ist eine weitere Geste, die zeigt, dass eine Katze Ihnen vollstes Vertrauen entgegenbringt. Katzen bevorzugen es jedoch, am Kopf und im Nackenbereich gestreichelt zu werden, so dass dies in der Regel keine Bitte um eine Bauchstreicheleinheit ist.

Versuche, den Bauch einer Katze zu streicheln, führen oft zu einem hastigen Rückzug oder sogar zu Krallen. Der Zirpen- oder Trillergruß ist ein melodiöses Geräusch, das Katzen machen, wenn sie bevorzugten Personen Hallo sagen. Wenn Ihre Katze also auf diese Weise zu Ihnen singt, können Sie sicher sein, dass sie sich freut, Sie zu sehen.

Das vertraute Gefühl, wenn Ihre Katze Ihre Kniekehlen berührt, kann auch ein Zeichen dafür sein, dass sie eine besonders enge Bindung zu Ihnen empfindet. Der Kopfstoß, die katzenhafte Version des Abklatsches, ist normalerweise den engsten Katzenfreunden und den Menschen vorbehalten, denen die Katze am meisten vertraut.

Foro: privat

3. Achten Sie auf Blinzeln

Möglicherweise signalisiert Ihre Katze ihre Zuneigung auch heimlich durch die Art, wie sie Sie ansieht. Wenn Katzen fremden Menschen oder anderen Katzen, die sie nicht kennen, begegnen, begrüßen sie sie normalerweise mit einem unbewegten Blick. Bei Katzen, zu denen sie eine gute Beziehung haben, blinzeln sie jedoch eher langsam.

Forschungen haben ergeben, dass langsames Blinzeln mit einem positiven emotionalen Zustand verbunden ist und ein Zeichen von Vertrauen, Zufriedenheit und Zuneigung sein kann, ähnlich wie ein menschliches Lächeln. Wenn Sie das Kompliment erwidern möchten, blinzeln Sie und Ihre Katze blinzelt vielleicht zurück. Dies ist eine gute Möglichkeit, eine Bindung zu Ihrer Katze aufzubauen, wenn sie nicht gerne berührt wird.

Leo liegt auf mir. Foto:privat

4. Sie kommen nah heran

Katzen schützen ihren persönlichen Raum sehr und mögen es nicht, wenn ungebetene Gäste in diesen eindringen. Wenn eine Katze Ihnen erlaubt, sich ihr zu nähern, deutet das auf eine enge Bindung hin, vor allem, wenn der Kontakt häufig oder lange andauert.

Wenn sie sich für ein Nickerchen auf Ihrem Schoß zusammenrollt, ist das ein Zeichen für tiefes Vertrauen. Das Ablecken Ihrer Hand oder Ihres Gesichts kann also ein Zeichen der Zuneigung sein, auch wenn sich diese mit Widerhaken besetzten Zungen nicht gerade sanft anfühlen.

Veröffentlicht von Dr. Emily Blackwell, University of Bristol, Großbritannien, 6. September 2022
Foto: privat
 

Nachtwächter Führung durch Stromberg

„Brecht den Krieg ab und stellt die deutschen Feindschaften ein. Die innere Feindschaft richtet uns zugrunde.“

Autorin Naike Juchem

Stromberg, die Stadt der drei Täler, drei Burgen und drei Bäche – der Welsch-, Dörre- und Guldenbach.
Die kleine historische Stadt liegt am südöstlichen Rand des Hunsrücks. Im Westen befindet sich der Soonwald und im Norden der Binger Wald. Stromberg zählt heute circa 3200 Einwohner und die erste Besiedlung wird bereits in der Jungsteinzeit angesehen.

Stromberg liegt an einer historischen Römerstraße die von Bingen nach Trier führte und wurde erstmals im Jahr 1056 erwähnt.

Am 9. Dezember war eine Nachtwächter Führung in Stromberg im Hunsrück. Geführt und in Mundart vorgetragen vom Marianne Wilbert.

Marianne Wilbert führte die kleine Gruppe von circa 20 Besucher sehr ausführlich durch die Geschichte von dem kleinen Ort im Hunsrück.

Geschichte ist sehr interessant, wenn man die Geschichten von Häuser, Plätze – oder gar Luftschutzbunker kennt.
Letzteres war im der Führung nicht enthalten. Dazu später mehr.

Der Start der Führung begann auf dem historischen Marktplatz. Dort steht eine Figur des hl. Jakobus in Pilgertracht. Diese wurde 1780 von dem Mainzer Barockbildhauer Johann Matthäus Eschenbach geschaffen.

Der hl. Jakobus in Pilgertracht auf dem Marktplatz

Über die Marktstraße ging es in die Gerbereistraße zum ehemaligen Forsthaus, wo heute das Heimatmuseum untergebracht ist. Dort kann man mittelalterlicher Relikte und Schriftstücke des 16.-20. Jahrhunderts betrachten.
Das Haus stellt eine komplett eingerichtete Uhrmacherwerkstatt, die »Gute Alte Stube«, Omas Küche, Schlaf- und  Wohnzimmer aus dem frühen 19. Jahrhundert aus.

Altes Forsthaus

Marianne Wilbert erzählte sehr ausführlich von den einst 20 Gerber im Ort und deren Lederherstellung. Bei Bauarbeiten in den 1990er Jahren wurde ein sehr gut erhaltener Gerber-Bottich gefunden, welcher heute in der Straße „Im Zwengel“ steht.

Staatsstraße Nummer 5

An der „Staatsstraße 5“ steht die ehemalige Posthalterei. 1779 wurde dem Stromberger Johann David Sahler vom Fürsten Thurn und Taxis die offizielle Festhalterei verliehen – also eine Poststadion. In dem Bereich von dem Haus wurden die Pferde getauscht oder getränkt.

Im Gasthaus „Zur Post“ konnte man sich von den Strapazen der Reise erholen oder eine Herberge für eine Übernachtung der Weiterreise finden.

Die St. Jakobus Kirche an der Rathausstraße aus dem Jahr 1863 ist im neugotischem Stil nach den Plänen des Kölner Dom-Baumeisters Vinzens Stahts aus behauenem Stromberger Kalkstein errichtet.

Zwischen der „Rathausstraße“ und „Im Zwengel“ sprach Frau Wilbert über die mittelalterliche Fustenburg, oder auch Stromburg genannt. Nach der Legende wurde im Jahre 1574 auf jener Burg der »Deutsche Michel« Hans Michael Elias von Obentraut geboren und auch dort seine Jugend verbraucht haben.
Im Dreißigjährigen Krieg erwarb sich Obentraut als Reitergeneral Achtung und Anerkennung auf dem Schlachtfeld.

Die Stromburg

Er starb am 25.Oktober 1625, auf dänischer Seite kämpfend, in der Schlacht gegen Tilly bei Seelze. Der Überlieferung nach ließ Tilly daraufhin das Gefecht abbrechen und begab sich zu dem sterbenden Obentraut, um dessen Heldenmut ein letztes Mal zu ehren.
Obentraut soll schwerst verletzt mit letzter Kraft gesagt haben: „Brecht den Krieg ab und stellt die deutschen Feindschaften ein. Die innere Feindschaft richtet uns zugrunde.“

Womit nun die Redewendung für Aufrichtigkeit, Ehrenhaft und Tapferkeit für den »Deutschen Michel« geklärt wäre.

Gerber-Bottich

„Im Zwengel“ kamen wir an dem alten Gerber-Bottich aus dem 18. Jahrhundert vorbei, welcher bei Bauarbeiten in den 1990er gefunden wurde.



In der „Schloßstraße“ steht einer der ältesten Häuser von Stromberg.

Luftschutzbunker

Anm. Ich sprach während der kleinem Tour mit verschiedenen Leuten, so auch mit Herr Fuchs, der auch sehr vieles über den Ort wusste und auch sehr viele Chroniken hat.

Auf dem Weg zurück in den Ortskern, sah ich rechts einen Felsen mit einer Tür. Ich dachte an eine Bunkertür. Konnte mir aber nicht erklären, wofür diese Tür sei und ob mein Vermutung richtig war. Wahrscheinlich konnte Herr Fuchs meine Gedanken lesen und erzählte mir, dass er neben diesem Luftschutzbunker wohne und er sich für eine touristische Besichtigung einsetzt. Herr Fuchs sagte mir, dass mit dem Baubeginn erst 1944 begonnen wurde und die Frauen aus dem Ort mit Karren den Abraum aus dem Berg geschafft hätten. Als im Mai 1945 der Krieg zu Ende war, wurde der weiteren Ausbau von dem Bunker eingestellt.

Alles in allem war es eine sehr schöne abendliche Tour zur einen Ort, den ich so nicht kannte.

Naike Juchem, 10. Dezember 2022

Quelle: hunsrueck-nahereisen.de

Happy End der Facetten

Grillabend am 16. Juli

Nun schreibe ich den letzten Bericht über die 16-tägige Odyssee meiner kleinen Mimi.

Als am 30. Juli um 19.25 Uhr Mimi an der Klippe am Breitenstein abstürzte, blieb mir für einen Augenblick das Herz stehen. Durch einen Busch, welcher einen Meter unterhalb der Klippe an einem Felsvorsprung wuchs, sah ich Mimi nicht mehr. Ein Mann, der auf der anderen Seite der Absturzstelle saß, rief mir zu, dass er Mimi sehen würde. Ich rannte zu ihm und sah Mimi im Gebüsch hängen. Ich lief wieder zurück zu der Abladestelle und rief Mimi zu, dass ich da bin. Wie sollte ich zu ihr kommen, ohne selbst abzustützen? Konnte ich es wagen den einen Meter auf den Felsvorsprung zu springen? Wie sollte ich durch das Gebüsch an Mimi kommen?
Der Mann auf der anderen Seite rief, dass Mimi abrutscht. Ich lief wieder zu ihm und sah Mimi am Felsen hängen. Was nun? Wie konnte ich zu Mimi kommen? Was sollte ich tun? Ich rief immer wieder zu Mimi, dass ich da bin. Ich hoffte, sie bleibt dort hängen, bis ich irgendwie Hilfe organisieren konnte. Um kurz nach 19.30 Uhr sah ich, wie Mimi den Kopf nach links drehte und in den Abgrund sah. Dann fiel sie den Fels herunter.

Mimi hängt an der Felswand

Gelähmt von diesem Anblick fragte ich den Mann, wie ich nach unten kommen kann. Er sagte mir, dass es von dem Plateau nach links eine Möglichkeit gäbe. Ich bat ihn mit mir zu kommen, denn ich kannte diese Gegend nicht. Der Mann ging vor und ich mit meiner Hündin Mira hinter. Da ich nur für die Aussicht zu genießen auf das Plateau ging, hatte ich Badelatschen an. Diese erwiesen sich in dem unwegsamen und steilen Gelände als nicht gerade Vorteilhaft – so ging ich über die Hälfte der Strecke zur Absturzstelle barfuß.

Unterhalb vom Breitenstein

Das Gestrüpp wurde immer dichter und wir kamen langsam voran. Der Mann wollte immer wieder aufgeben und ich drängte ihn zum weitergehen. Wir waren noch ungefähr 50 Meter von der Absturzstelle entfernt und querliegende Bäume machten den Weg immer schwieriger. Ich drängte den Mann, dass er doch bitte weiter gehen sollte. Nach weiteren 10 Metern meinte er, dass es nicht mehr weiter gehen würde, ohne selbst in Gefahr zu kommen.
Ich war verzweifelt und rief nach oben, wo ein Mann und eine Frau standen, ob sie an der kleinen Säule stehen würden. Der Mann sagte, dass diese gute 10 Meter weiter nach rechts von ihm sei.
Ich ging barfuß weiter und musste wegen Geröll und Dornen mir einen anderen Weg suchen. Nach 6 weiteren Metern rutschte ich ab und fasste nach einem Baumstamm. Dieser brach ab und ich rutsche mit den Knien einige Meter über Geröll und lose Erde nach unten. Ich wollte und musste zu Mimi. Der Mann sagte, dass es absolut keinen Sinn machen würde weiter zu gehen. Schweren Herzens musste ich die Suche nach Mimi berechnen.

Erschöpft, durstig und blutend saß ich auf der Wiese vom Breitenstein und war hilflos.
Was sollte ich nun tun? Ich kannte niemanden in der Gegend und wusste auch nicht, wie ich an Mimi kommen konnte. In meiner Verzweiflung rief ich die Polizei an und fragte nach Informationen, die mich in irgendeiner Weise unterstützen könnten.
Um 21.30 Uhr kam ein Streifenwagen vorbei und der Polizist sagte mir, dass man von der rechten Seite besser heran kommen könnte. Da es in wenigen Minuten dunkel werden würde, machte ein neuer Rettungsversuch keinen Sinn. Der Polizist gab mir den Tipp, auf einer Facebook Seite von Kirchheim einen Aufruf zu schreiben.

Mit Mira am 2. Juli unterhalb vom Breitenstein. Mira steht gerade. So schräg ist das Gelände.

Um 22.15 Uhr war ich nochmals an der Klippe vom Breitenstein und sah ein Unwetter aufziehen. Meine Gedanken waren bei Mimi und ich fühlte mich nutz- und hilflos.
In jener Nacht schüttete es vom Himmel, was an Regen nur hernieder kommen konnte. Wie geht es in diesem Moment Mimi? Hat sie einen Unterschlupf gefunden? Ist sie verletzt? Lebt sie noch?
Tausend Gedanken ließen mich nicht schlafen.
Am späten Abend schrieb ich auf jener Facebook Seite noch einen Hilfeaufruf.

Eines der vielen Suchplakate

Freitagmorgen kurz vor 5 Uhr

Es regnete immer noch in strömen und ich wartete auf den neuen Tag. Um 5.30 Uhr machte ich mich erneut auf die Suche nach Mimi. Mit zwei Spanngurten und ordentlichen Schuhen machte ich mich auf zur Absturzstelle. Es goss in strömen und war mit 14 °C recht kühl. Ich band die beiden Gurte zusammen und warf diese über die Klippe, um von unten einen Anhaltspunkt zu haben. Das eine Ende band ich der Sitzbank fest und machte mich mit meiner Hündin Mira auf den Weg.

Es war an diesem Morgen sehr diesig und ich wusste nicht, wo der Weg war, den mir der Polizei am Vorabend sagte. 15 Meter von der Sitzbank entfernt dachte ich, dass es dort runter gehen würde. Der Boden war klatschnass und ich rutsche aus. Im letzten Moment sah ich, dass dies nicht der Weg war.
Der Regen hörte nicht auf und viel heller wurde es auch nicht.
Um kurz vor 6 Uhr fand ich dann endlich den Weg, den der Polizist meinte. Im Wald war es um diese Uhr noch recht dunkel und durch den vielen Regen, war der Untergrund sehr rutschig. Meine Gedanken waren bei Mimi und ich musste irgendwie zu ihr – egal wie. Über querliegende Bäume musste ich Mira drüber heben und wenn ich einige Meter nach unten rutsche, rief ich Mira zu mir. Irgendwie mussten wir beide uns zur Absturzstelle schaffen.
Immer wieder rief ich nach Mimi und horchte auf jedes Geräusch. Durch den Regen hörte ich kaum etwas.

Irgendwann nach 7 Uhr zog Nebel auf und ich hatte keine Orientierung an der Felskante, noch im Wald. Wo war diese verfluchte Absturzstelle?
Klatschnass saß ich im Wald und rief immer wieder nach Mimi. Mein Verstand sagte mir, dass ich alleine keine Chance habe, um Mimi zu finden.

Um 8.20 Uhr war ich am Lkw und zog erstmal neue Kleidung an. Ich stelle die Heizung auf 31°C, damit mir wieder warm wurde. Via Internet suchte ich nach Hilfe. Ob nun Feuerwehr, Verbandsgemeinde, Tierrettung, Forst oder auch Tierheim.
Alles brachte mich kaum weiter und der Verzweiflung näher. Irgendwann um 9 Uhr nahm ich den Rat vom Tierheim in Kirchheim an und wählte die 112. Ich erkläre die Situation und wurde schließlich mit der Bergrettung verbunden – also nochmals alles erkläre.
Um 9.30 Uhr kam dann endlich ein Mann von der Bergrettung. Ich erklärte ihm schnell die Situation und ging mit ihm an die Absturzstelle. Der Mann war nicht gerade motiviert viel zu tun und ich der Verzweiflung nah. Es regnete immer noch und ich wusste mir keinen Rat mehr. Der Mann von der Bergrettung sagte zu mir, dass es zu gefährlich sei, die Klippe herunter zu kommen und wenn, dann erst am Samstag – eventuell, und dann würde mich der Einsatz 1000 € kosten. Mit der Aussage, dass der Abgrund hier am tiefsten sei und die Katze sowieso tot sei, fuhr er unverrichtieter Dinge weg und ich war alleine mit meinen Sorgen. Mein Chef wusste von diesem Unfall schon seit dem Vorabend und er sagte, ich soll noch vor Ort bleiben. Was sollte ich bei Regen und alleine viel ausrichten?
Völlig verzweifelt fuhr ich um 11 Uhr vom Breitenstein nach Plochingen zum laden.

Auf den 350 Kilometer bis nach Hause konnte ich mich kaum auf den Verkehr konzentrieren. All meine Gedanken waren bei Mimi und was ich tun könnte. Am Nachmittag rief ich meine Nachbarin an und erzählte ihr von dem Unfall. Sie meinte, ich soll erstmal nach Hause kommen.

Gegen 16 Uhr war ich zu Hause im Hunsrück und erzählte meiner Nachbarin nochmals von dem Unfall. Sie sagte, dass wir morgen nach Mimi suchen werden.
Ich packte alles zusammen, was ich für meine Sicherheit bei einem erneuten Rettungsversuch brauchte. Ich druckte Suchplakat aus und war für den Samstag gerüstet.

Mimi am 28. Juni in Manheim

Erneut eine Nacht ohne Schlaf

Am Samstag, den 2. Juli ging mein Wecker um 4 Uhr an. Ich hatte vor Sorge um Mimi kaum geschlafen. Um kurz nach 5 Uhr fuhr meine 76-jährige Nachbarin und ich zuerst die 60 Kilometer in meine Firma, um die Suchplakate zu laminieren.
Auf dem Weg zum Breitenstein war ich auf alles gefasst. Ich brauchte eine Bestätigung, ob Mimi lebt oder tot ist.

Um 9.30 Uhr kamen wir auf dem Breitenstein an und befestige nochmals zwei Spanngurte an der Sitzbank. Mit Wanderschuhe, Skistöcke und Helm, Beil, Rosenschere, Beil und den Rucksack voll mit Wasser, Tragetasche für Mimi und noch so einiges mehr, machte ich mich mit Mira erneut auf den Weg, um nach Mimi zu suchen. Ich kam mit den Skistöcken erheblich schneller voran und rief immer wieder nach Mimi.
Endlich sah ich mein Zeichen von oberhalb der Klippe und suchte das Gebiet nach Mimi ab. Ich schaffte mich und meinen Hund über querliegende Bäume und schnitt Büsche und kleinere Sträucher ab.

In meiner persönlichen Schutzausrüstung war es unangenehm warm und die vielen Hindernisse durch Glassplitter, Bäume und Geröll machten mir ein vorankommen immer schwieriger. Immer wieder rief und suchte ich nach Mimi. Durch die vielen Glassplitter musste ich noch auf meinen Hund aufpassen. Wir beide kämpften uns immer weiter zur Absturzstelle und ich schaffte sogar den Weg gute 2 Meter über die Absturzstelle. Ich schicke dem Mann von der Bergrettung via zwei Fotos vor Ort. Ich schaffte dies alles ohne Bergrettung, abseilen und 1000 € – dies alles noch mit meinem Hund.

Mein Zeichen für die Absturzstelle

Jeden Quadratmeter unterhalb der Absturzstelle suchte ich nach Mimi ab.
Fast 6 Stunden war ich im Wald und sah bei jedem Schatten und Baumstumpf Mimi. Jedes Geräusch versuchte ich einzuordnen. Höre ich 20 Meter links von mir Mimi? Ich suchte das Gebiet hoch zur Felswand und in den Wald hinunter ab. Weiter nach links komnte Mimi wohl kaum sein; oder doch? Also suchte ich weiter bis ich die Stelle sah, an der ich am Donnerstag war.
Ich entscheid mich für den Rückweg, denn alleine war es unmöglich Mimi in einem so großen Gebiet zu finden.
Mira führte mich den Weg zurück. Ohne sie hätte ich mich verlaufen. Immer wieder setzte ich mich hin und rief und suchte nach Mimi.
Ich suchte die Felswand ab, wo Mimi sein könnte. Wo waren geeinigte Versteckte für sie. Ich musste weiter hoch zur Felswand. Je höher ich ging, umso steiler und lockerer wurde der Boden. Oft rutsche ich aus und fand mich 6 Meter weiter unten nach halt suchend wieder.

Nach 6 Stunden machte es wenig Sinn, alleine weiter zu suchen und so schafften Mira und ich uns zum Anfangspunkt zurück. Erst jetzt sah ich den Wanderweg durch den Wald.
In meiner Verzweiflung hing ich auf dem Wanderweg und auf dem Plateau noch Suchplakat für Mimi auf. Was hätte ich sonst noch tun sollen?
In Bissingen hing ich noch zwei Suchplakat auf und gab eines in der Bäckerei ab.
Ohne eine Spur von Mimi zu haben, fuhr ich mit meiner Nachbarin die 350 Kilometer zurück in den Hunsrück. Meine und unsere Gedanken waren bei Mimi. Mein Chef sagte mir zu, dass er mich für die kommende Woche so einplanen würde, dass ich nochmals zum Breitenstein fahren könnte.

Enttäuscht, niedergeschlagen und verzweifelt kamen wir am Samstag um 21 Uhr zu Hause an.

Sonntag, den 3. Juli

Der Morgen begann so, wie der Abend endete – mit Sorgen und Gedanken an Mimi. Ich war nun 350 Kilometer von ihr entfernt und wusste nicht mehr was ich noch tun sollte oder konnte.
Am Nachmittag fing auf Facebook entlich mein Hilfeaufruf an zu laufen und ich wurde von ein paar User in Tier-Gruppen in und um Kirchheim eingeladen. Durch die vielen Reaktionen musste ich viel zu dem Unfall schreiben und erklären. Gegen Mitternacht bekam ich eine WhatsApp von einem Mann, der mir sehr engagiert vorkam. Ich rief ihn an und er sagte mir, wen er wo kennt und etwas organisieren würde. Es fing endlich an sich etwas zu tun.

Mira und Mimi im Lkw

Montag, 4. Juli

Nach nur eineinhalb Stunden schlaf stand ich auf und musste zur Arbeit. Meine Gedanken an dem frühen Morgen drehten sich nur um Mimi. Ihr Platz im Lkw war leer und mir tat es jedesmal einen Stich ins Herz, wenn ich mich in der Fahrerkabine umschaute.
Via Facebook, Messenger und WhatsApp bekam ich an dem Vormittag mitgeteilt, was wer vor Ort unternehmen würde, um Mimi zu finden. Es waren kleine Hoffnungsschimmer. Natürlich gab es auch jene, die alles irgendwie besser konnten. Von jenen Besserwisser war aber nie einer vor Ort gewesen.
Mir wurden Tipps von Spürhunde gegeben und ich rief jene an, die ich am Freitag oder Samstag entweder schon angerufen hatte oder mir bis dato unbekannt waren. In dem durcheinander von Tipps, Ratschläge und versuche vor Ort Mimi zu finden, wusste ich gar nicht mehr, wen ich schon angerufen hatte. Jedenfalls liefen all diese Tipps und Ratschläge von den Usern ins leere.

Das war Mimi beim Versuch sie einzufangen

Ein Lebenszeichen von Mimi

Via Facebook informierte ich in einigen Gruppen über den Stand der Suchaktion. Ich konnte nur jene Informationen schreiben oder weitergeben, die ich hatte. Einige User meinten mir dumme und Sinnfreie Kommentare oder Nachrichten schreiben zu müssen. Ich war nicht vor Ort und wurde für jene Suchaktion verantwortlich gemacht. Das solche dummen Meinungen für meine aktuelle Situation nicht gerade förmlich waren versteht sich von selbst.
Um 16.45 Uhr bekam ich einen anruf, dass ein Mann mit seinem Hund Mimi in 10 Meter Entfernung sehen würde. Es gab ein Lebenszeichen von ihr. Ich war überglücklich und rief eine Frau an, von der ich wusste, dass sie in Ochsenwang wohnt und bei der Suche dabei war. Was an diesem Abend passiert wusste ich nicht. Ich dachte Mimi sei in Sicherheit. Erst nach 22 Uhr wurde mir mitgeteilt, dass Mimi nicht eingefangen werden konnte. Für mich brach eine Welt zusammen.

Mittwoch, 6. Juli war ich wieder vor Ort

Mittwoch, 6. Juli

An diesem Tag lief irgendwie alles aus dem Ruder. Ich hatte endlich Leute, die vor Ort sein könnten und mir wurde nahegelegt, dass niemand nach Mimi suchen sollte. Viele gut gemeinte Tipps und Ratschläge wurden mir wieder vorgetragen. Ich sagte oder schreib immer, dass Mimi eine Wildkatze ist und sie einen völlig anderen Charakter als eine Hauskatze hat. Offensichtlich wussten andere besser über meine Katze bescheid als ich.
Gegen 18 Uhr war ich endlich vor Ort und ich traf auf dem Parkplatz Tanja und Daniel, die sich an der Suche nach Mimi bereits seit Montag beteiligt hatten. Beide hatten sich zurückgezogen, weil es ja hieß, niemand sollte nach Mimi suchen.
Von der Frau aus Ochsenwang wurde mir die Fundstelle von Mimi gezeigt und was sie nun an Maßnahmen ergreifen würde. Ich stimmte diesen alle zu, weil es nur und ausschließlich um Mimi ging – auch wenn ihre Maßnahmen sich für mich als völliger Schwachsinn darstellte. Vereinbarung von sogenannten K-9 Suchgruppen wurden nicht eingehalten. Es gab für mich mal wieder einen Rückschag und musste neudenken.
Ich sattelte die Zugmaschine ab und fuhr an die Fundstelle, damit Mimi das Motorengeräusch vom Lkw hörte. Bis weit nach Mitternacht ließ ich immer wieder den Motor laufen, in der Hoffnung Mimi würde aus dem Wald kommen.

Plötzlich wurden gegen Nachmittag via Facebook plötzlich Lügen über mich geschrieben. Ich war die zwei vorherigen Tage nicht vor Ort und hatte keinen Einfluss auf das was am Breitenstein unternommen wurde. In all meiner Hoffnung und Verzweiflung musste ich dann noch vieles klarstellen. Ich hatte ja auch sonst keine anderen Probleme, als jenem dummgeschwätz entgegen zu wirken.

Irgendwann gegen 1 Uhr versuchte ich etwas zu schlafen. Ich hatte die Fenstern am Auto offen und hörte jedes Geräusch im Wald. Um kurz vor 2 Uhr schlief ich völlig übermüdet ein.

Mit Mira auf der Suche nach Mimi

Donnerstag, 7. Juli

Um 5 Uhr war ich schon wieder wach und war eine halbe Stunde später im Wald. Ich ging wieder den Weg bis zur Absturzstelle und suchte nach Mimi. Bei jedem Geräusch, Schatten oder Bewegung sah ich Mimi. Ich rief nach ihr und war nach eineinhalb Stunden sehr verzweifelt.
Wo konnte Mimi sein? Ich weiß, dass Mimi nicht all zu weit läuft und suchte den Bereich der Fundstelle ab – leider ohne Erfolg. Enttäuscht, verkalt und niedergeschlagen saß ich im Wald. Was konnte ich nun tun? Wo sollte ich suchen? Mit wem sollte ich suchen?

Tatjana war die erste vom Team

Eine Frau mit einer Katzentasche als Rucksack kam den Wald hoch. Dies musste jene Frau sein, von der ich wusste, dass sie seit Montag bei der Suche aktiv dabei war.
An der Klippe am Breitenstein lernte ich Tatjana kennen. Sie machte einen sehr ruhigen Eindruck und ich sah eine neue Hoffnung, dass wir Mimi finden würden.
Bei der Suche nach Mimi verging die Zeit und ich musste irgendwann auch losfahren. Ich hatte noch eine Tour von Plochingen nach Köln und vom Rheinland zurück nach Allmendingen.
Schweren Herzens musste ich um 11 Uhr die Suche nach Mimi abbrechen, wenn ich am Freitag wieder vor Ort sein wollte.

Die Aussicht vom Breitenstein

Freitag, 8. Juli

Um 18.20 Uhr war ich endlich wieder vor Ort. Ich lernte dann auch eine Frau kennen, die sich als Profi bei der Suche nach vermissten ausgab. Die Frau war mir mit ihren Ratschläge und Charakter sehr unsympathisch. Ich schluckte oft meine Gedanken runter, denn ich war auf deren Hilfe angewiesen.
Gegen 19 Uhr kam Tatjana auf den Parkplatz vom Breitenstein und jene Profi-Such-Frau zeigte mal wieder ihren Charakter. Ohne ein Wort der Verabschiedung fuhr sie weg. Von all den vielen Helfer am Montag und Dienstag blieb Tatjana übrig.
Ich merkte an diesem Abend, dass irgendetwas im Hintergrund lief, was ich noch nicht richtig einordnen konnte. Wie drei der verbleibenden Personen gegen mich ausgespielt wurde, habe ich schon geschrieben.

Das SAR-Mimi Team formiert sich

Samstag, 9. Juli und Sonntag 10. Juli

Da ich nun vor Ort war, konnte ich nun vieles besser organisieren und plötzlich lief die Suchaktion rund. Mich schrieben Menschen persönlich via Messenger an und boten mir ihre hilfe an. Wildkameras wurden besorgt und eine handvoll Menschen machten sich sachlich und ruhig Gedanken, wie wir Mimi finden können.
An diesen beiden Tagen fanden Menschen zu einem Team zusammen, mit denen ein Erfolg nach dem verbleib von Mimi garantiert war. Diese Menschen gaben mir Hoffnung, Unterstützung und Zuversicht.

Kadda druckte Suchplakat aus, besorgte eine Wärmebildkamera und noch eine Wildkamera. Plötzlich hatte ich mehr Kameras, als jene Profi-Such-Frau hatte. Zum krönenden Abschluss ließ jene Profi-Such-Frau ohne mein Wissen ihre drei Kameras abbauen. Mal wieder wurde ich von Menschen enttäuscht, denen ich vertraute.
Am Sonntag machten sich einige aus dem Team auf den Weg, um in Ochsenwang und Bissingen Suchplakat aufzuhängen.

Montag, 11 Juli

Am Vorabend wurde im Team jeder Gedanken und Hinweis besprochen und am Montag durchgeführt. Selbst eine wenig Aussagekräftige Mail von einer Tier-Kommunikations Frau wurde bis zur Ruine Hahenkamm nachgegangen. Mit Kadda und Tatjana durchkämmten wir den Wald unterhalb der Steige zum Breitenstein.
Auf der Ruine Hahenkamm war keine Spur von Mimi.

Auf einem Bauernhof bei Ochsenwang

Um 12.51 Uhr meldet sich eine Frau von einem Bauernhof außerhalb von Ochsenwang. Sie las das Suchplakat und meinte, dass Mimi eventuell bei ihr im Stall sei. Mit dieser Information wuchs neue Hoffnung in mir. Wir drei sofort zu einem der Parkplätze und auf direkten Weg zu dem Bauernhof.
In dem großen Stall aus Heu- und Stohballen war eine Suche nach Mimi schier unmöglich. Also zurück an den Lkw und die Kameras holen. Ich installierte zwei Kameras und stelle Mimis Transporttasche und ein T-Shirt von mir in den Stall.

Tami beim installieren der Wildkamera

Dienstag, 12. Juli

In dieser Nacht schlief ich wieder sehr schlecht und wenig. Sollte Mimi wirklich auf diesem Bauernhof sein?
Die Auswertung der Kameras war ernüchternd, denn die Kameras mussten über verschiedene Parameter eingestellt werden. Dies wussten wir bis dato nicht. Also nochmals einen Tag verloren.
Niedergeschlagen suchten wir an diesem Tag mit Tami, Kadda, Svenja und Tatjana im Wald weiter nach Mimi. Spuren mit einem Handtuch von mir wurden gezogen. Spuren zu Futterstellen mit Thunfischwasser wurden von unterhalb der Klippe bis zum Waldrand gezogen. Auch wurde in und um Ochsenwang nach Mimi gesucht. Bis zu 19 Stunden war ich auf den Beinen.

Wärmebildkamera von der Feuerwehr

Mittwoch, 13. Juli

In der Hoffnung Mimi auf dem Bauernhof zu finden, fuhr ich mit Tami zu dem Hof. Die Auswertung der Kameras war auf dem kleinen Bildschirm sehr schwierig.
Katja brachte ihren Laptop mit und so konnten wir die Fotos besser sehen. Mimi war nicht auf den Fotos. Wieder mal eine Enttäuschung für mich.
Im Team wurde wieder besprochen, was wir noch machen und versuchen können, um Mimi endlich zu finden. Meine Gedanken drehten sich ständig um Mimi. Sie hatte bereits seit 13 Tagen ihre Medikamente gegen ihre Epilepsie nicht bekommen.

Am Nachmittag richteten wir eine Futterstelle mit Mimis Teppich in einem geschützten Teil von einem Garten ein, denn Mira hatte dort seit gestern eine Spur gewittert. Vielleicht war Mimi tatsächlich in diesem Bereich.

Svenja, Mira und ich auf dem Weg nach Bissingen.

Am späten Nachmittag rief ein Mann aus Bissingen an, der sagte, dass in seinem Garten seit ein paar Tagen eine Katze wäre, die Mimi ähnlich sehen würde. Eine neue Spur? Ist es Mimi? Konnte sie soweit weg sein? Hoffnung kam in mir hoch.
Mit Svenja und Mira fuhr ich sofort zu der angegebenen Adresse. Von der Umgebung konnte es für Mimi passen. Also installierte ich eine Kamera unter einem Spielhaus für Kinder und stellte auf Mimis Teppich eine Schale Futter.
Gegen Abend waren Tatjana, Sarah und ich noch durch Ochsenwang gegangen, in der Hoffnung Mimi zu finden.
Über Flurwege gingen wir zurück und suchten in den Gebüsche nach Mimi.
Mit Sarah saß ich an der Klippe und schauten dem Sonnenuntergang entgegen. Ein Mädchen kam mit einem Fahrrad angefahren und schaute sich eines der Suchplakat von Mimi an. Ich fragte, ob es die Katze gesehen hätte. Sie nicht, aber zwei Freunde von ihr. Sarah und ich sprangen sofort auf, um die beiden Jungs zu suchen. Am Lkw fanden wir die beiden Jungs. Sie hatten eine Nachricht geschrieben, dass eine Katze am Orteingang angefahren wurde. Der eine Junge hatte sogar noch ein Foto von der Katze gemacht. Da das Fotos sehr weit aufgenommen wurde, konnten wir die Katze nicht richtig erkennen. Sarah und ich sofort ins Auto, um an die Stelle zu fahren. Wir sahen das Blut auf der Straße und mir stockte der Atem. Ich rannte der Wegbeschreibung der Jungs nach. Irgendwo musste die Katze sein.
Mira spürte sie unter Eternitplatten auf. Ich sah von der Katze sehr wenig. Von der Farbe war es definitiv nicht Mimi. Nur war es diese verletzte Katze oder doch eine andere?
Irgendwie schaffte ich die Katze aus ihrem Versteck zu ziehen und sah in diesem Moment keine äußerlichen Verletzungen. Die Katze wehrt sich und mir kamen die Fotos von dem Mann in den Sinn, den Mimi arg zugerichtet hatte. Ich ließ die Katze los und sah, dass sie an dem linken Hinterbein humpelte. Im Geräteschuppen war ich auf der Suche nach der Katze, die offensichtlich Hilfe brauchte. Es dauerte nicht lange, als der Landwirt mit seinem Sohn auf den Hof stürmten und mich beschimpfte. Alles reden nach der Suche einer verletzten Katze lief bei den beiden ins leere.
Der Landwirt schickte mir sogar am nächsten Morgen die Polizei.

Jedem Hinweis sind wir nachgegangen

Donnerstag, 14. Juli

Die Auswertung der Kamera war ernüchternd – es war nicht Mimi. Was konnte ich nun noch tun?
Geo-Punkte via Google Maps wurden ausgerechnet und wir besprachen im Team, was wir noch machen könnten oder wo wir nochmals nach Mimi suchen sollten.
Also alles wieder von vorne denken. Seit zwei Tagen dachten wir auch schon kriminalistisch, denn das Verhalten von zwei Personen war doch sehr fragwürdig.
Gegen Mittag sprach ich mit meinem Chef und sagte ihm, dass ich ab Montag wieder im Einsatz wäre. Wo sollte ich denn noch nach Mimi suchen und vor allem wie lange? Es tat mit im Herz weh, wenn ich nur an den Montag dachte.

Freitag, 15. Juli

Um 5.30 Uhr saß ich mit meiner Hündin auf einer Wiese in der Nähe der Futterstelle und hoffte auf Mimi. 150 Meter von mir entfernt sah ich eine Katze über das Feld laufen. Sollte es wirklich Mimi sein? Ich schickte Mira los. Die Katze lief vor dem Hund weg und ich rief Mira zurück, denn Mimi läuft vor keinem Hund weg. Was wenn doch? Ich wusste nicht, in welchem Zusand Mimi ist; oder hat sie irgendein Traumata? Also ich der Kaze nach, denn es könnte vielleicht Mimi sein. An einem Haus am Ortsrand verlor ich die Spur von der Katze. Ich redetet mir ein, dass Mimi nicht auf die Heuballen springen kann und sie es somit auch nicht sein konnte – oder doch?

Am frühen Morgen fuhr ich mit dem Lkw vom Breitenstein nach Plochingen zum laden. Es war ein scheißgefühl zu wissen, dass ich wahrscheinlich am Montag ohne Mimi wegfahren muss. Mir kamen die Tränen, als ich die Steige herunter fuhr.

Nach dem laden in Plochingen fuhr ich nach Dettingen und kaufte im REWE noch etwas ein. Ich bekam einen Anruf von einem Jagdpächter. Er hätte heute morgen eine tote Katze auf der Steige abgeholt. Mein Herz setzte für einen Augenblick aus. Auf den 7 Minuten von Dettingen nach Bissingen waren ein Alptraum für mich.

An der angegebenen Adresse in Bissingen wurde mir eine Katze in einer Plastikwanne gezeigt, die nicht Mimi war. Ich war erleichtert und trotzdem über den Tod von einer Katze traurig.
Wo verdammt nochmal ist Mimi?

Am Nachmittag sind wir zu dritt nach Ochsenwang und hatten Suchplakat in der Nachbarschaft verteilt, wo wir Mimi vermuteten. Wir sprachen mit den Leuten, dass sie doch bitte die Augen offen halten sollten.
Wir drei suchten noch eine andere Futterstelle für Mimi, denn wir vermuteten sie in dem Bereich vom Friedhof.

Nach 16 Tagen das erste Foto von Mimi

Happy End am 16. Juli um 6.30 Uhr

Seit 5.30 Uhr war ich wach und überlege, was ich am frühen Morgen noch tun könnte. In 46 Stunden werde ich arbeiten fahren und von Mimi gab es immer noch keine neue Spur.
Was haben wir übersehen? Wo sollten wir suchen und uns auf welches Gebiet konzentrieren? Alle Anstrengungen von uns waren demotivierend, denn es gab keine Erfolge.
Ich überlege, ob ich die Kameras an der eingerichteten Futterstelle überprüfen sollte. Was, wenn auch dort Mimi nicht gesichtet ist?
In meiner Verzweiflung ging ich die Geo-Punkte durch, die in Betracht kommen könnten. Noch war es kühl am Morgen und ich hätte eine bessere Chance Mimi irgendwo anzutreffen.

Nach 16 Tagen ist Mimi völlig erschöpft in ihrer Sicherheit eingeschlafen

Um kurz nach 6.30 Uhr hörte ich, wie eine Frau nach mir rief. Beim dritten rufen sagte sie: „Naike, ich hab deine Katze.“ Mir bleib das Herz stehen. Konnte dies wahr sein?
Ich ging im schnellen Schritt auf die Frau zu und sie wiederholte ihren letzten Satz. Mein Hirn stand auf Null. Nach so vielen Enttäuschungen in den letzten Tagen, was ich auf alles gefasst.
Ich ging auf die Fahrerseite von dem Auto und sah eine Katze auf dem Beifahrersitz auf einer Decke sitzen, die Trockenfutter aß. Es war Mimi! Mir kamen die Tränen und ich dachte, dies kann doch alles nicht wahr sein.
Ich ging auf die Beifahrerseite und öffnete die Tür. „Mimi, ich bin da“ , sagte ich und Mimi sah mich mit ihren großen Augen an. Mit ihrer typischen Schwanzbewegung begrüßte sie mich. Mir liefen immer noch die Tränen über die Wangen, als ich Mimi fest an mich drückte und sie ihre Stirn gegen mein rieb. Sofor setze ich sie in die Fahrerkabine und gab ihr Nassfutter. Der erste Eindruck war, dass sie äußerlich keine Verletzungen hatte und lediglich sehr dünn war. Sie trank auch sofort Wasser.
Mimi hatte sehr viel durst und gleich kam die Angst, ob sie bei ihrer 16-tägigen Odyssee keinen Nierenschaden erlitten hatte.

Ich schickte das erste Foto von Mimi um 6.37 Uhr in unsere WhatsApp Gruppe. Das Team sollte wissen, dass Mimi endlich wieder zuhause war.
Tatjana war die erste, die auf den Breitenstein gerast kam. Tami rief an und konnte es auch nicht glauben. Sie kam kurze Zeit später auf den Breitenstein. Nach und nach trafen alle vom SAR (Search and rescue) Mimi Team ein, um Mimi zu begrüßen oder uns heulend in die Arme fallen.

In den nachfolgenden Stunden fiel von mir ein unglaublicher Druck ab. Nun endlich konnte ich am Montag beruhigt arbeiten fahren.

Der Doktor und das liebe Vieh

Zum Stand der neuen Gebührenverordnung bei Tierärzte, welche seit November 2020 in Kraft getreten ist.

Autorin Naike Juchem

Wer Haustier besitzt, weiß, dass mitunter ein Tierarzt Besuch in der Praxis oder vor Ort nicht immer billig ist. Seit November 2022 wurden die Preise für tierärztliche Leistungen bis das dreifache erhöht. Grund dafür ist die neue Tierärztegebührenordnung von der Bundesregierung. Diese Verordnung regelt, wie viel Geld Tierärzte für ihre Leistungen berechnen dürfen. Seit 23 Jahren hat sich an der Gebührenverordnung für Tierärzte nicht geändert. Dieses Jahr hat der Bundesrat einer Neufassung jener Verordnung zugestimmt. Die Erhöhung sei nach Angaben von dem Deutschen Tierärzte Verband auf die zum einen wirtschaftlichen Gegebenheiten und zum anderen auf neuere Untersuchungsverfahren in der Tiermedizin zurück zu führen. Auch, so nach den Worten des Bundesverband der Tierärzte, soll mit der neuen Verordnung ein Anreiz für die Attraktivität des Berufs und letztlich der Fortbestand vieler Praxen gesichert werden.

Ein einfaches Beispiel an Hundebesitzer zeigt, dass die Kosten bei einer normalen Beratung von 13,47 € (Stand 2020) auf 23,62 € angestiegen sind.
Wenn Katzenhalter früher (Stand 2020) 8,98€ für eine Beratung bezahlt haben, steigt diese nun auf den gleichen Betrag wie Hunde – also 23,62 €

Nun haben sehr viele Menschen meist ein oder zwei Haustiere. Wer nun zum Beispiel ein Pferd hat, muss für eine Allgemeine Untersuchung mit Beratung 30,78 € bezahlen. Die Allgemeine Untersuchung mit Beratung bei kleinen Hauswiederkäuer, wie zum Beispiel Zwergziegen, liegt nun bei 12,34 €.
Auch bei der gewerblichen Haltung von Tieren in der Landwirtschaft steigen die Preise an. Viele Landwirte stehen nun vor neuen Herausforderungen, in der ohnehin schon sehr angespannten Lage.

Nun möchte ich zumindest 3 Paragraphen aus dem Gebührenverzeichnis für tierärztliche Leistungen mit Stand vom 12. Mai 2022 aufzeigen.

Im Anhang kann man sich gerne die 84 Seiten jener Verordnung durchlesen. Des Weiteren kann man sich 32 von insgesamt 1006 Punkten dieses
Gebührenverzeichnisses durchlesen.

§ 1 Grundsatz

(1) Die Gebühren, Entschädigungen, Auslagen und die Entgelte für Arzneimittel und Verbrauchsmaterialien (Vergütungen) für die beruflichen Leistungen der Tierärztinnen und Tierärzte bestimmen sich nach dieser Verordnung, insbesondere nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage. Werden diese Leistungen von juristischen Personen erbracht, gilt Satz 1 entsprechend.

(2) Die im Gebührenverzeichnis aufgeführten Gebührensätze entsprechen dem einfachen Satz. Eine Vereinbarung oder Forderung geringerer Gebühren ist nur in den Fällen des § 5 Absatz 1 zulässig; § 5 Absatz 2 bis 4 bleibt unberührt.

(3) In den im Gebührenverzeichnis aufgeführten Gebührensätzen ist die Umsatzsteuer nicht enthalten.

§ 2 Gebührenhöhe

(1) Die Höhe der einzelnen Gebühr bemisst sich, soweit nichts anderes bestimmt ist, nach dem Einfachen bis Dreifachen des Gebührensatzes. Die Gebühr ist innerhalb dieses Rahmens nach billigem Ermessen und unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles zu bestimmen, insbesondere unter Berück-sichtigung
1. der Schwierigkeit der Leistungen,
2. des Zeitaufwandes,
3. des Zeitpunktes des Erbringens der Leistungen,
4. des Wertes des Tieres und
5. der örtlichen Verhältnisse.

Bemessungskriterien, die bereits in der Leistungsbeschreibung berücksichtigt worden sind, haben hierbei außer Betracht zu bleiben.

(2) Der Zeitpunkt des Erbringens der Leistung ist besonders zu berücksichti-
gen, wenn die Leistung in einem der folgenden Zeiträume erbracht wird:
1. täglich im Zeitraum von 18 Uhr bis 8 Uhr des jeweils folgenden Tages (Nacht),
2. am Wochenende im Zeitraum von freitags 18 Uhr bis 8 Uhr des jeweils folgenden Montags (Wochenende) sowie
3. an gesetzlichen Feiertagen im Zeitraum von 0 Uhr bis 24 Uhr (Feiertag).

Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 gilt nicht, sofern für Leistungen, die bei Nacht, am Wochenende oder an einem Feiertag erbracht werden, in der Anlage besondere Gebühren vorgesehen sind. Satz 1 gilt nicht für Leistungen, die im Rahmen der regulären Sprechstunden, auch nach Vereinbarung, in einer tierärztlichen Praxis, Tierärztlichen Klinik oder sonstigen tierärztlichen Einrichtung erbracht werden.

§ 3 Gebührenhöhe in besonderen Fällen

(1) Gebühren sind nach den einfachen Gebührensätzen des Gebührenverzeichnisses zu berechnen, wenn der Tierhalter tierärztliche Leistungen in Anspruch nimmt


1. auf Grund einer allgemeinen öffentlich-rechtlichen Anordnung oder

2. im Rahmen eines mit öffentlichen Mitteln geförderten Verfahrens, für das eine Kostenvereinbarung zwischen dem Kostenträger und der für den Zuständigkeitsbezirk des Kostenträgers örtlich zuständigen Tierärztekammer getroffen worden ist.
Die Regelungen über die Gebühren für amtstierärztliche Verrichtungen und solche tierärztlichen Leistungen, die eine Tierärztin oder ein Tierarzt in amtlicher Eigenschaft erbringt, bleiben unberührt.

(2) Soweit besondere Schwierigkeiten der tierärztlichen Leistung oder ein erheblicher Zeitaufwand dies rechtfertigen, kann in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 eine höhere Gebühr berechnet werden.

(3) Für Leistungen, die auf Verlangen des Tierhalters bei Nacht, am Wochenende oder an einem Feiertag erbracht werden, erhöhen sich die einfachen Gebührensätze nach Absatz 1 um 100 Prozent und bei landwirtschaftlich genutzten Tieren, die der Erwerbstätigkeit ihres Halters dienen, um 75 Prozent.

Blutabnahme bei Mimi

Grundleistungen

Die Gebühren für Grundleistungen bei landwirtschaftlich genutzten Tieren, die der Erwerbstätigkeit ihres Halters dienen, bemessen sich nach dem Einfachen nachstehender Sätze; dies gilt nicht für Leistungen, die bei Nacht oder am Wochenende jeweils außerhalb der regulären Sprechstunden einer tierärztlichen Praxis, Tierärztlichen Klinik oder sonstigen tierärztlichen Einrichtung sowie an einem Feiertag erbracht werden.

1. Beratung im einzelnen Fall ohne Untersuchung (auch schriftlich oder fernmündlich) 11,26 €

2. Eingehende Anamneseerhebung oder Beratung, das gewöhnliche Maß übersteigend, einschließlich eingehender Vorbereitung, beispielsweise bei Verhaltensstörungen, Physikalischer Therapie und im Rahmen von Naturheilverfahren, z.B. Akupunktur, Homöopathie etc. 30,78 €

3. Dokumentation aufgrund gesetzlicher Vorgaben 11,20 €

4. Allgemeine Untersuchung mit Beratung, Pferd, Hausequiden, Kameliden 30,78 €

5. Allgemeine Untersuchung mit Beratung, Rind 20,54 €

6. Allgemeine Untersuchung mit Beratung, Kalb 17,83 €

7. Allgemeine Untersuchung mit Beratung, kleine Hauswiederkäuer 12,34 €

8. Allgemeine Untersuchung mit Beratung, Ferkel 12,34 €

9. Allgemeine Untersuchung mit Beratung, Mastschwein 15,39 €

10. Allgemeine Untersuchung mit Beratung, Zuchtschwein 20,54 €

11. Allgemeine Untersuchung mit Beratung, Pelztier, Zucht- und Mastkaninchen 23,25 €

12. Allgemeine Untersuchung mit Beratung, Nutzgeflügel 5,14 €

13. Allgemeine Untersuchung mit Beratung, Rassegeflügel, Volierenvögel 11,26 €

14. Allgemeine Untersuchung mit Beratung, Stubenvögel 11,26 €

15. Allgemeine Untersuchung mit Beratung, Großpsittaciden 23,62 €

16. Allgemeine Untersuchung mit Beratung, Hund, Katze, Frettchen 23,62 €

17. Allgemeine Untersuchung mit Beratung, Heimsäugetiere 15,39 €

18. Allgemeine Untersuchung mit Beratung, Reptilien und Amphibien 23,62 €

19. Allgemeine Untersuchung mit Beratung, Fische 24,62 €

20. Allgemeine Untersuchung mit Beratung, nicht domestizierte Tiere 36,94 €

21. Allgemeine Untersuchung ohne Beratung 21,41 €

22. Folgeuntersuchung im selben Behandlungsfall mit Beratung, Pferd, Hausequiden, Kameliden 24,62 €

23. Folgeuntersuchung im selben Behandlungsfall mit Beratung, Rind 10,26 €

24. Folgeuntersuchung im selben Behandlungsfall mit Beratung, Kalb 14,78 €

25. Folgeuntersuchung im selben Behandlungsfall mit Beratung, kleine Hauswiederkäuer 8,21 €

26. Folgeuntersuchung im selben Behandlungsfall mit Beratung, Ferkel 8,21 €

27. Folgeuntersuchung im selben Behandlungsfall mit Beratung, Mastschwein 12,34 €

28. Folgeuntersuchung im selben Behandlungsfall mit Beratung, Zuchtschwein 14,77 €

29. Folgeuntersuchung im selben Behandlungsfall mit Beratung, Pelztier, Zucht- und Mastkaninchen 18,56 €

30. Folgeuntersuchung im selben Behandlungsfall mit Beratung, Nutzgeflügel 4,13 €

31. Folgeuntersuchung im selben Behandlungsfall mit Beratung, Rassegeflügel, Volierenvögel 9,23 €

32. Folgeuntersuchung im selben Behandlungsfall mit Beratung, Stubenvögel 9,20 €

Folgend ist der Link zu dem Aktuellen Gebührenverzeichnis aufgeführten.

https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/Glaeserne-Gesetze/Kabinettfassung/tieraerztegebuehrenordnung-got-kabinett.pdf?__blob=publicationFile&v=5

Naike Juchem, 23. November 2022

Quelle: – http://www.bmel.de
– Bundesverband Praktizierender Tierärzte e.V.
http://www.tieraerzteverband.de
Fotos: privat

Abessinien. Nach Expeditionsberichte von Carlo von Erlanger

Carlo von Erlangers Expeditionsberichte mit Notizen von Frau Dr. Nicole Nieraad-Schalke

Anlässlich der Ingelheimer Sonderausstellung „Alexander von Humboldt – Carlo von Erlanger: Natur im Wandel“ las Noah Reichert Textpassagen aus den spannenden Reiseberichten Carlo von Erlangers. Das kulinarische Event wurde mit einem Menü der Nord- und Ostafrikanischen Küche begleitet.

Ich war am Samstag, den 19. November auf einer Lesung von Noah Reichert in Ingelheim in dem Cafe-Restaurant „Johann in der alten Post“. Die Lesen unter dem Motto „Alexander von Humboldt – Carlo von Erlanger: Natur im Wandel“, welche Federführend unter der Leitung von Frau Dr. Nicole Nieraad-Schalke stand.

Als erstes wurde ich von der Köchin, Anne, herzlich begrüßt. Auch die Inhaberin, Nina Malchus, freute sich, dass ich wieder da war. Immerhin fahre ich 100 Kilometer bis nach Ingelheim. Mira ist schon bekannt und wurde natürlich auch begrüßt.

Carlo von Erlangers Expeditionsberichte mit Notizen von Frau Dr. Nicole Nieraad-Schalke

In dem Event-Raum traf ich Frau Dr. Nicole Nieraad-Schalke und auch sie freute sich, dass ich wieder dabei sei. Mit Konrad, meiner Begleitung am Abend, saß ich mich neben Frau Dr. Nieraad-Schalke und Noah Reichert. Wir hatten auch gleich sehr schöne Gespräche und ich sprach auch die vorherige Lesung und ihre schöne Website an. Ich zeigte ihr Einen Text, den ich zu Mimi geschrieben habe und dass ich dort Textpassagen von ihrer Webseite mit verarbeiten habe. Dies schmeichte sie sehr und konnte den Zusammenhang von Katze und dem Text nicht so recht folgen. Also erklärte ich ihr das Leben von Mimi.

Mimi bei der Lesen zu Texten von Carlo von Erlanger

Im Gespräch kamen wir auf Südostasien und hier speziell auf Thailand und Kambodscha. Ich erzählte ihr von Angkor und Kambodscha. Wenn sie im nächsten Jahr nach Kambodscha in Urlaub möchte, hat sie schon mal einen guten Reiseführer aus den Kapitel von meinem entstehenden Buch. Wir waren dann auch schnell beim du angelangt.

Ein Gruß aus der Küche

Der Abend begann mit einem Gruß aus der Küche. Nicole stellte das Leben von dem Ingelheimer Carlo von Erlanger vor und Noah las die ersten Passagen aus den Expeditionsberichte von Carlo von Erlanger im Jahre 1896 nach Tunesien.

Nach der Lesung wurde ein Couscous-Salat serviert, welches echt klasse schmeckte.

Die nächste Lesung war ein Reisebericht von Carlo von Erlanger in die Sahara. Man konnte sich sehr gut in die damaligen Umstände und Schwierigkeiten hineinversetzen.

Das Hauptmenü: Injera mit Siga Wot,

Das Hauptmenü war Injera mit Siga Wot, ein äthiopisches Rindfleischragout mit
Tikel Gomen (Kartoffel/Kohleintopf) mit Frischkäse und Berbere-Sauce.

Noah Reichert bei der Lesung

Nach diesem vorzügliche Essen las Noah den zweiten und auch längeren Teil der Expedition von Carlo von Erlanger. Jene Expedition führte ihn nach Abessinien – so hieß Äthiopien, mit der Ladefläche von Eritrea früher und zählt zu den ältesten Staaten der Welt. Abessinien entstand bereits 1000 vor Chr. und zählt somit auch heute noch zu dem einzigsten durchgehendsten und unabhängigen Staaten auf dem afrikanischen Kontinent.
Mir hat dieser Teil aus den Expeditionsberichten am besten gefallen, denn Carlo von Erlanger ging bei dieser Expedition auch sehr viel auf die Ethnologie und Anthropologie vom Abessinien ein. Die Geschichte von Abessinien seit der Antike bis ins 20. Jahrhundert ist überaus wechselreich und spannend. Hier gibt das Internet sehr viele gute Artikel über das älteste Land der Welt.

Als Dessert gab es noch Honigbrot mit Datteln und Orangensauce.
Alles in allem war es ein sehr schöner Abend mit fantastischem Essen und sehr angenehmen Gespräche.

Naike Juchem, 20. November 2022

Mimi schläft
Ich kann meinen Hund und auch Katze überall hin mitnehmen. Ich bin stolz auf diese sehr braven Tiere.

In Gedenken an Marius Rindermann

Vor eine Woche bekam ich eine Einladung von einer Freundin von mir, für eine Vorlesung in der Wissenschaftlichen Bibliothek in Trier. Frau Professor em. Christel Baltes-Löhr kenne ich seit 2017 persönlich.
Christel schickte mir wie schon geschrieben eine Einladung für ihre Vorlesung zu ihrem neuen Buch. An diesem Abend würden auch Gedichte von Marius Rindermann vorgetragen werden.

6 Tage habe ich mir den Kopf zerbrochen, woher ich den Namen Rindermann kenne.
Ich wusste, dass ich den Namen schon mehrmals gehört habe. Alles Denken brachte mich nicht weiter.

Heute war ich dann zur Vorlesung in der Wissenschaftlichen Bibliothek. Christel stellte mich Frau Rindermann vor. Noch immer hatte ich keinen Plan. Im Gespräch stellt sich heraus, dass sie in Morbach woht – also 13 Kilometer von mir entfernt.  Es fing an zu dümmern.

Frau Rindermann ist 81 Jahre alt und ist mit ihrem Auto selbst die 40 Kilometer nach Trier gefahren. Da sie nicht wisse, wie sie im Dunkeln nach Hause fahren könnte, bot ich ihr an, dass ich vor ihr herfahren könnte. Ich sagte ihr, wo ich wohne und sie sagte sofort „ich kenne Sie.“
In dem Gespräch viel es mir wie Schuppen von den Augen. Marius war Transgender und beging 2016 Selbstmord.
Mit dieser Erkenntnis wusste ich nun nicht, wie ich seiner Mutter gegenüber treten sollte.

Um kurz nach 19 Uhr begann die Vorlesung. Julius Milde las Gedichte, welche Frau Rindermann Christel für die archivierung gab.

Unerfüllte Sehnsucht

Wie oft on der Nacht
habe ich an dich gedacht!
Ohne dich sehe ich keinen Sinn,
ich wünsche mir mit dir einem Neubeginn!
Wie oft habe ich von dir geträumt,
wie viel Zeit sinnlos versäumt,
wie oft habe ich um dich geweint,
nur in der Hoffnung mir dir vereint.

Was hätte ich darum gegeben,
dich zu halten, mit dir zu leben!
Keiner weiß, was es heißt, alleine zu sein,
wenn keiner kommt in die Einsamkeit herein.
Und aus der Sehnsucht werden Tränen,
nach unerfülltem Suchen aufzuhören.
Doch so stark auch mein Hoffen auf dich ist,
du merkst es nicht.
Es bleibt nur die Einsamkeit
und der Wunsch nach einem Leben zu zweit.

Ich träumte, wir wären in der Ferne

Ich träumte, wir wären in der Ferne,
in einer griechischen Taverne.
Wir saßen da bei rotem Wein,
die blaue Nacht lud uns zum Frohsinn ein.
Der Mond schien groß und hell,
und die Sirtaki spielen schnell.
Ich forderte dich auf zum Tanz
und umschlang dich fast ganz.
Dann wurd’s Zeit, ins Hotel zu gehen
und zärtlich ist es dann geschehen!
Ich fragte:“ Willst du mit mir gehen,
auch des Lebens Feuer verstehen!“
Du sahst es ein und warst bereit,
besser lebt es sich zu zweit.

Leider riss der Wecker mich aus dem schönen Traum,
eine Chance für diesen Traum sah ich kaum.
Mit Liebe hat’s Leben ne andere Polarität.
Bin 28, ist’s für uns zu spät?
Nur die Sehnsucht nach heißer Liebesnacht
hatte mir diesen süßen Traum gebraucht.

Es war in der Ferne,
In einer griechischen Taverne!

Im ewigen Sein von Werden und Vergehen

Im ewigen Sein von Werden und Vergehen,
ist doch etwas vom Sein in der Zeit,
ein fester Kern, der bleibt?
Im Kreise von Werden und Vergehen
will ich einmal auch das Licht sehen!
Und heraus aus dem Moloch von Werdens
und Vergehen
ein fester Teil im Sein als Gottes Wesen eingehen
in des Paradieses Licht!

Lebe den Augenblick

Lebe den Augenblick,
denn er kehrt nie mehr zurück!
Lebe das Leben, so wie es ist,
dann du der Regisseur deines eigenen Lebens bist!
Es ist des Lebens Gunst
oder eine Kunst,
das Leben zu leben im Augenblick,
denn er kehrt nie mehr zurück.

Wind, Wasser, Erde, Feuer

Wind, treibt mich! Wasser, trage mich!
Erde, bedecke mich! Feuer, reinige mich!
Seit ewigen Zeiten,
in unendlichen Weiten,
regieren uns Erde, Feuer,  Wasser,  Luft
von der Wiege bis zur Gruft.
Auch wenn wir meinen, heute ihrere Herr zu sein,
doch hilflos ist der Mensch  ratlos und klein.
Brände, Tornados, Katastrophen, Fluten,
wie oft musste die Menschheit darunter bluten.
Doch gleichzeitig die Faszination
von Lava, Wellen und Feuersturm,
doch sind es Naturgesetze  irdische Sakramente,
von Erdenanfang bis zu ihrem Ende.

Diese Worte las Julius Milde am Abend.

Nach der Veranstaltung gab es noch eine Gesprächsdiskussion zu Christel’s neuem Buch. Als die Lesen offiziell zu Ende war, bildete sich noch eine kleine Gruppe, in der wir schöne Gespräche hatten.
Ich sprach mit Burgel Rindermann über den Freitod von ihrem Sohn und dass ich ihn sehr gerne kennengelernt hätte.

In einer kleinen Gruppe gingen wir in die Stadt noch etwas essen und hatten auch dort angenehme Gespräche über viele Themen.
Burgel Rindermann sagte auf dem Weg zu einem Restaurant, wie sehr sie sich über diese kleine Gruppe freue und das dies auch Marius gefallen würde.

Ich kenne Marius leider nur vom Hörensagen, weiß aber für welche Person Marius sehr viel Gedichte und Texte geschrieben hat, denn ich kenne diese Person. Burgel tat es offensichtlich sehr gut, dass wir uns über diese Person unterhalten konnten.

Es war fast Mitternacht, als wir aus dem kleinen Restaurant in der Innenstadt gegangen sind. Julius und Jyll verabschiedeten sich von uns. Mit Christel und Burgel ging ich zurück zur Wissenschaftlichen Bibliothek, wo uns unsere beider Autos standen.
Ich sprach mit Burgel über die Texte von Marius und fragte, ob ich diese veröffentlichen dürfte. Burgel nahm meinen Arm und sagte „Selbstverständlichkeit darft du die Texte veröffentlichen. Du und Marius hättest euch sehr gut verstanden.“

Einen Abend in Erinnerung an Marius Rindermann

Progrom

Der 9. und 10. November 1938 liegt nun 84 Jahre zurück und viele Menschen in Deutschland wissen oder wollen nicht von jenen zwei Tagen verstehen.


Im November 38 gipfelte der Hass gegen Menschen, welche einen anderen Glauben hatten. Eine andere Herkunft war es in den allermeisten Fällen nicht, denn jene Menschen wurden in Deutschland geboren und dies war ihre Heimat.
Den Hass den die NSDAP über ihre Propaganda in die Köpfen der Menschen brachte, nahm seinen Lauf.

Synagogen, Häuser, Wohnungen und Geschäfte wurden zerstört oder in Brand gesetzt. Die Kristallnacht ging in die Geschichte ein und es war der Beginn der dunkelsten Epoche von Europa und Deutschland sowieso.
Menschen wurden deportiert, gequält und brutal ermordet. Die „ethnische Säuberung“ von Deutschland und Europa begann.

Zerstörte Synagoge in Bensheim

Durch eine Wahn aus Dummheit, Fanatismus und blinden Hass starben bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs geschätzte 70 Millionen Menschen!
Und Europa lag in Schutt und Asche.
Wofür dies alles?

Wir schreiben das Jahr 2022 und sehen den Europaweiten Rechtspopulismus immer weiter aufsteigen. In Deutschland zeigt die AfD öffentlich ihr hässliches Gesicht und sieht sich selbst als die Alternative für Deutschland. Wo blinder Hass hingeführt hat, können wir alle nachlesen.
Ob in den Niederlanden, Frankreich, Polen, Ungarn, Österreich oder auch Italien, sehen wir Rechtspopulistische Parteien und wie ihnen zugejubelt wird.
Wollen diese Menschen wirklich zurück ins Jahr 1938? Die Parolen jener Parteien sind die gleichen wie einst von Hitler, Göbbels oder Mussolini.
In der Diktatur von Mussolini kamen ungefähr ein Million Menschen ums Leben.
Dies ist bis heute noch nicht ins kollektive Bewusstsein der Italiener gelangt.

In den letzten Jahrzehnten hat sich auch in Deutschland der Fremdenhass langsam und stetig ausgebreitet. Häuser wurden angezündet, Menschen auf offener Straße verfolgt, angegriffen und gar ermordet.
Der Hass den die Rechtspopulisten über ihre Propaganda in die Köpfen der Menschen bringt, nimmt seinen Lauf.

KZ Gedenkstätte Dachau

Ich möchte nun eine Begegnung zeigen welche bereits 29 Jahre zurückliegt und mir wohl für immer im Gedächtnis bleiben wird. Der folgende Text wird so in einem Buch erscheinen, welches ich am schreiben bin. Ich schreibe dieses Buch unter dem Pseudonym Hannes.


München 1993

Im Mai 1993 traf ich eine Frau die den Holocaust überlebte und war mit ihr und ihrem Mann im KZ Dachau.

An Dienstagnachmittag waren sie am Viktualienmarkt und kamen spontan auf die Idee ins Kino zu gehen. Am Isartor fanden sie ein Kino welches geöffnet hatte.
Im Aushang sahen sie sich die Plakate für die Filmvorführung an. Das Plakat von Schindler´s Liste fiel ihnen ins Auge. „Willst du in diesen Film?“ Hannes sah zu Nescha und zog die Schultern hoch „Ich weiß nicht. Die anderen Filme interessieren mich nicht besonders.“

Mit Nescha schaute er über drei Stunden die Abgründe der Deutschen Geschichte.
Der Saal im Kino war etwa um die Hälfte besetzt. Diesen Film in einer vollkommenen Ruhe zu sehen, wirkte auf beide. Kein rascheln, kein räuspern – nichts. Nur stille.

Nach dem Film mussten Nescha und Hannes sich erstmal sammeln. Sie standen im Foyer des Kinos und waren Sprachlos – die Bilder wirkten nach. An einem Stehtisch neben ihnen erging es einem älteren Ehepaar genau so. Sie kamen mit dem Ehepaar ins Gespräch. Nach einiger Zeit verließen die vier das Kino und gingen in die Stadt einen Cappuccino trinken. In den Gesprächen kam Nescha auf ihre Berufe und Einsätze in Kambodscha zu sprechen. Die älteren Herrschaften hörten sehr aufmerksam zu und stellten viele Fragen. Rosemarie und Paul Herrmann waren sehr angenehme Menschen. Es wurde immer später und die Gespräche nahmen kein Ende, so ging die kleine Gruppe in ein Restaurant in der Nähe der Heiliggeistkirche.

Beim warten auf das bestellte Essen merkte Hannes, dass Rosemarie seit länger Zeit etwas bedrückte und sie offensichtlich nicht wusste wie sie es sagen sollte. Immer wieder sah sie zu Paul und dann sagte sie unverhohlen in die kleine Runde, dass sie Jüdin sei und ein KZ überlebt habe. Die Worte von Rosemarie traf Nescha und Hannes wie ein Faustschlag ins Gesicht. Da waren sie nun seit fünf Stunden mit diesen beiden Herrschaften unterwegs und dann kam so ein Schlag.
Rosemarie erzählte von ihrer Kindheit, von der Willkür der NSDAP, die Demütigungen und auch von der Deportation.
Hannes hatte das Gefühl, als ob sein Hirn einfror. Einen Film zu schauen war etwas ganz anderes als wenn ein Mensch gegenüber sitzt und das Leben – sein Leben erzählt.
Es wurde ein sehr langer Abend und man verabredete sich für den nächsten Tag. Der Besuch im KZ Dachau.

Hannes lag auf dem Sofa von Nescha und konnte nicht einschlafen. Nescha kam zu ihm ins Wohnzimmer. „Bist du noch wach?“ „Ja. Nescha, wir stehen vor der Ohnmacht der Geschichte und wissen nicht wie wir damit umgehen sollen. Du und ich kennen die Orte der Killing Fields in Kambodscha. Vor drei Jahre sagte ich zu Patricia, ich weiß nicht wie ich reagiere, wenn ich beim graben mit dem Bagger ein Massengrab finde. Dieser Alptraum ließ mich lange nicht los. Zum Glück fahre ich heute kein Bagger mehr, aber was ist, wenn andere aus meinem Team auf ein solches Grab stoßen? Weiter machen? Wir müssen den Zeitplan einhalten. Wie gehe ich damit um?“
Nescha setzte sich zu ihm und umarmte ihn. Sie suchte nach Worten und schüttelte immer wieder stumm den Kopf „Hannes, mir fehlen gerade die Worte. Wir beide haben in Kambodscha wahrlich genug an Armut und Tod gesehen. Ist es eine gute Idee mit den beiden heute nach Dachau zu fahren?“ Hannes zog die Schultern hoch, er wusste es auch nicht.
„Zuviel was wir nicht begreifen können. Zuviel an Demut, Schuld und Scham. Zuviel an Fragen.“ „Nescha, was können wir beide für diese dunkelste Epoche von Deutschland? Du kommst aus der Schweiz und ihr hatten nicht all zu viel mit dem Nationalismus zu tun. Wir sitzen hier mit unserer Jugend und reden über etwas, an dem wir gar nicht Schuld sind und trotzdem haben wir Schuldgefühle. Können wir den Genozid in Kambodscha begreifen? Diese Gräueltaten waren um ein vielfaches mehr, als das was wir von den Nazis kennen. Die Auswirkungen haben wir beide mehr als genug gesehen. Ich bin viel in dem Land unterwegs und sehe fünfzehn Jahre später noch diese grausamste Epoche der Roten Khmer.“ Nescha nickte. Er sah, dass ihr seine Worte oder die Erlebnisse auch zum Denken gaben.
„Darf ich bei dir schlafen?“ „Natürlich. Es wird zwar etwas eng auf deinem Sofa, wird aber schon gehen.“ Nescha lag ihm gegenüber an den Füßen, so war etwas Platz für beide. Bis früh in den Morgen sprachen sie über die Ohnmacht der Geschichte, für die sie beide nichts konnten.

Um 10 Uhr fuhr Hannes mit dem VW Golf von Nescha am Hotel, am Randgebiet von München, vor. Rosemarie und Paul standen bereits am Eingang. Zusammen tranken sie noch einen Kaffee auf der Terrasse. Nescha sprach offen die Gedanken der vergangenen Nacht an
„Rosemarie, willst du wirklich nach Dachau fahren? Wir müssen dort nicht hin. Wir beide hatten diese Nacht noch sehr lange über den Film und die Ohnmacht vor der Geschichte gesprochen. Hannes sieht es auch wie ich, wir müssen nicht nach Dachau.“ Mit fester Stimme sagte Rosemarie „Ich will abschließen. Seit Jahren quäle ich mich und nie hatte ich den Mut der Vergangenheit zu begegnen. Der Film von gestern war ein kleiner Schritt, auch wenn es sehr weh getan hat. Dann haben wir euch getroffen. Ihr seid auf der Welt unterwegs im Einsatz für Menschen und seht auch genügend Leid und Tod. Ihr beide versteht es besser als jeder andere Mensch auf der Welt. Mit euch schaffe ich diesen letzten Schritt.“

Es gibt Momente die prägen ein ganzes Leben. Die Begegnung mit Rosemarie zählt dazu.
Nescha nickte Hannes zu „Okay, wir gehen mit dir diesen letzten Schritt.“

Hannes fuhr aus München die 20 Kilometer nach Dachau. Je näher er diesem Ort kam, umso größer wurde die Angst in ihm. Was, wenn Rosemarie dies nicht schafft? Er dachte an einen Nervenzusammenbruch oder gar an einen Herzinfarkt. Als Medizinstudentin könnte Nescha sofort Erste Hilfe leisten, wenn die Sorgen von Hannes bei Rosemarie eintreten sollten.
Im Rückspiegel sah er Rosemarie und Paul Hand in Hand sitzen. Eine surrealistische Situation. Wie ein junges Liebespaar, dass sich nicht traut sich zu küssen und trotzdem vom Leben gezeichnet und dennoch fest entschlossen war einen unglaublich schweren Weg zu gehen.

Die Wegweiser zum KZ kamen immer häufiger, der Puls von Hannes war an seiner Belastungsgrenze und er hörte sein Herz schlagen.
Auf dem Parkplatz angekommen, sah Nescha zu Rosemarie und Paul „Wir müssen dort nicht hin!“ „Doch! Für euch. Für mich und für die Zukunft.“

Nescha nahm die Hand von Hannes. Auch für sie war es eine Belastung. Jeden Schritt näher zu diesem Ort war ein Schritt in die Ohnmacht der Geschichte.
Auch wenn Dachau kein Vernichtungslager war, die Grausamkeiten, die Entgleisung der Menschlichkeit war spürbar und zu sehen: Die Gebäude, Skulpturen, Erinnerungstafeln, die Krematorien.

Mit einer Gruppe von ungefähr 30 Personen wurden sie durch die Anlage geführt. Sie vier, eine Schulklasse der Oberstufe eines Gymnasium aus Unterfranken und noch drei Ehepaare.
Der Mann der die Führung machte, erklärte sachlich und ruhig. Er beantwortete Fragen aus der Gruppe und tat dies mit dem allergrößten Respekt an die Opfer von dem Nationasoziallismus.
Mit der Zeit merkte die Gruppe, dass Rosemarie mit dem Mann länger sprach und auch sie das ein oder andere beitragen konnte. Irgendwann merkte die Gruppe, dass Rosemarie keine gewöhnliche Touristin war und so bildete sich eine kleine Traube von Menschen um Rosemarie.
Rosemarie kamen bei den Erzählungen aus ihrer Kindheit immer wieder die Tränen und Nescha fragte wie es ihr geht. Von der Gruppe kaum beachtet, hielt Nescha die Hand von Rosemarie und fühlte unauffällig – aber gekonnt ihren Puls. Hannes sah in die Augen von Nescha und diese sagte ihr, dass alles in Ordnung sei.

Nach dieser doch sehr speziellen Führung zeigten die anderen aus der Gruppe ihren sehr großen Respekt und stellten auch Fragen an Rosemarie.
Auf einer der Bänke auf dem Gelände saß Rosemarie, Nescha und Paul.
Rosemarie beantwortete ruhig die Fragen der anderen. Hannes stand hinter der Bank und beobachtet die Regungen der Jugendlichen und Erwachsenen auf die Schilderungen von Rosemarie.
Es tat ihr gut, unter dieser Anteilnahme von Ehrfurcht und Respekt mit ihrer Vergangenheit endlich abschließen zu können.
Trotz der angenehmen Temperatur an diesem Tag, war es Hannes kalt. Was Menschen in ihrem Leben erlebt hatten, war für ihn schwer zubegreifen. Er dachte an die Bilder von Kampang Rou im Januar 90. Er sprach mit Patricia von einem realen Alptraum. Ein Kinderkarussell war dies gegen das Erlebte von Rosemarie.

Auf dem Rückweg zum Hotel bedankte sich Rosemarie und Paul immer wieder bei ihnen und ließ es sich nicht nehmen, beide zum gemeinsam Essen einzuladen.

Ramstein, 34 Jahre danach

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Vanille, Erdbeer und Schokolade,

dies verbinde ich mit der US-Airbase Ramstein. Mein Vater hatte viele Jahre in Kaiserslautern gearbeitet und war beruflich auch oft auf der Airbase – ich auch. In den 70er Jahren war die Angst vor Terror noch nicht so groß wie in den vergangenen 20 Jahren.

Wir waren mit der Familie auch einige Jahre auf den Flugschauen in Ramstein. Viele Erinnerungen habe ich, als ich mit 14 Jahren in einem Cockpit einer F-16 Fighting Falcon saß oder den Laderaum und Cockpit eines CH-47 Chinook  Hubschrauber sah. Natürlich auch an die großen Becher Eis.

Photo: Pinterest

Die Flugschauen auf der Airbase glichen einem Volksfest – nur mit vielen militärischen Flug- und Fahrzeugen. Viele spektakuläre Vorführungen sah ich und war mit auch mit 16 Jahren dieser Gefahr nicht bewusst. Ich denke, niemand der zig tausend Besucher war dies bewusst.

1986 war ich das letzte Mal auf einer Flugschau in Ramstein. 1988 hatte ich bereits einen Führerschein und war mit meiner Freundin auf dem Weg nach Ramstein. Da wir nach Mittag erst vor Ort waren und an dem Gate eine unglaubliche Menschenmenge stand, hatte ich keine Lust mehr – wahrscheinlich war dies mein Glück.

Am Abend und in dem folgenden Tag sah ich in den Nachrichten diese verheerende Katastrophe. Wenig später erfuhr ich, dass eine Person aus unserem Nachbarort unter den Brandopfer sei.
Einige Jahre später traf ich einen Fotografen aus Idar-Oberstein, der an diesem Tag dort war und Fotos machte. Er erzählte mir bereits vor 20 Jahren seine Eindrücke nach dieser Katastrophe.

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Weinachten im Schuhkarton

Nach 7770 Kilometer wieder zu Hause

Alles begann 2002 mit einem Schuhkarton

Von der weltgrößten humanitären Hilfsaktion: „Weihnachten im Schuhkarton“ von Samaritan’s Purse, aus den USA, hörte ich im Herbst 2002 zum ersten Mal. Ich fand die Idee, einen Schuhkarton für Kinder in drei Altersgruppen zu packen, sehr gut. Also kaufte ich Artikel, welche für ein Junge oder Mädchen in jenen drei Altersgruppen gerecht sei. Ich gab meine zwei Pakete an einer Sammelstelle ab und überwies den geforderten Geldbetrag von je 7 € für den Transport. Nun wird sich der ein oder andere fragen, warum noch Geld bezahlen, wenn ich doch ein Päckchen gespendet habe. Ganz einfach: die Pakete fallen in den Zielländer nicht vom Himmel. Der Transport und Logistik kostet schließlich auch Geld.

Im Jahr 2004 setzt ich mich für „Weihnachten im Schuhkarton“ mehr ein und so hatte ich eine Sammelstelle zu Hause eingerichtet. Dort konnten die Leute ihre Päckchen abgeben, welche ich dann zu einer größeren Sammelstelle brachte, wo diese ab Mitte November abgeholt wurden.
Ich kannte die Struktur und Logistik von WiS nun etwas besser und sah hier und da einige Defizite. So rief ich im neuen Jahr nach Berlin, in die Zentrale von WiS, an und sprach mit dem Logistikleiter, Andreas Wilhelms, jene zu verbesserten Punkte an. Wir waren gleich auf einem Nennen und Andreas freute sich über diese Kritik. Im März 2005 fuhr ich nach Berlin und konnte mit ihm die Logistik neu strukturieren.

Zu jener Zeit arbeitete ich bei einer Firma nahe Köln und mein damaliger Chef fand mein Engagement sehr gut. So konnte ich mit einem 40-Tonner Sammelstellen für WiS im nördlichen Rheinland-Pfalz und Saarland anfahren. Von dort brachte ich tausende Päckchen, welche in sogenannten Umkartons verpackt waren, zu einer Spedition nach Wuppertal. Von dort wurden die Kartons anschließend auf Satteltüge mit Zielländer wie zum Beispiel: Polen, Rumänien, Moldawien oder Ukraine geladen.

WiS Sammelstelle in der Gemeindehalle

Mein Engagement für WiS sprach sich in meinem Heimatort und Umgebung  herum, und so verlegte ich aus Platzgründen 2005 die heimische Sammelstelle aus der Wohnung in die Gemeindehalle im Ort. Mit der Waldjugend, ist so etwas ähnliches wie Pfadfinder, und einigen Helfer:innen hatten wir an einem Samstag von 9 Uhr bis spät am Abend sehr viel zu tun.
Im Vorfeld hatte ich mich bereits mit zwei Namhaften Herstellern für Hygieneartikel in Verbindung gesetzt, und bekam von beiden Unternehmen je eine Palette mit Duschseife, Zahnpasta, Hautcreme und Haarshampoo geschenkt.

Ein Schuhkarton für Weihnachten

„Weihnachten im Schuhkarton“ ist in Deutschland recht bekannt, und somit packen auch viele Menschen ein solches Päckchen.
Was man in Sammelstellen alles sieht, macht einen hin und wieder sprachlos. Spielzeugautos aus denen der Sand rieselt, kaputt sind oder gar abgenutzte Teddybären findet man in den Kartons. Manche Kartons sind herzlos mit einem dicken Pack Schokolade, ein paar einzelne Malstifte oder Schreibheft gefüllt.
Es ist lobenswert, wenn Menschen Päckchen für ärmere Kinder packen und von einem Billigladen eine Packung mit 5 Zahnbürsten hinein legen – aber nicht eine Tube Zahnpasta kaufen können.

Andere Kartons sind mit Stoff ausgeschlagen und beinhalten schöne Teddybären, ein T-Shirt oder Pulli, Bunt- oder Wachsmalstifte. Ein kleiner persönlicher Brief kommt auch schon mal vor. Bei solchen Kartons sieht man, mit welcher Liebe diese gepackt wurden.

Die Geschenkkartons sollten auch nicht verschlossen an den Annahmestellen ankommen, denn die Pakete müssen alle kontrolliert werden. Dies hängt auch damit zusammen, dass zum Beispiel keine Schokolade mit Nüssen nach Moldawien eingeführt weden darf. Wenn nun an der Grenze zu Moldawien ein Lkw mit solchen Geschenken kontrolliert werden sollte, kann der Zoll die Einfuhr für den Lkw verweigern oder die Ladung  konfiszieren. Auch sollte bei den Geschenke eine Gleichheit sein. In einem Karton sind  zum Beispiel 5 Tafeln Schokolade und in dem anderen nichts. Daher kontrollierten wir alle Kartons und verteilen oder füllten diese dementsprechend auf. Diese Kontrolle wird übrigens in allen Sammelstelle durchgeführt. Wie schon geschrieben, haben einige Menschen den Sinn von einem Geschenk nicht verstanden. Auch wenn die Kinder in den Zielländer sehr arm sind, braucht man keine gebrauchte, schmutzige oder kaputte Gegenstände verschenken.

Da ich bereits einen recht großen Einblick in die Logistik und  Kontakte zu anderen Sammelstelle hatte, tauschen wir gesponsorte Artikel untereinander aus. Was ich zu viel an Hygieneartikel hatte, tausche ich gegen Schokolade, Stofftiere oder Spielzeug. So entstand ein kleines Netzwerk im Hunsrück und Saarland.

Der Stichtag für WiS an den Sammelstelle liegt immer so um die Mitte November. Ab da an muss alles recht schnell gehen, denn die Lkw sollten vor Weihnachten in den Zielländer und Orten sein.
Mein Chef stellte mir wieder einen 40-Tonner zur Verfügung und so fuhr ich die Sammelstellen im Nördlichen Rheinland-Pfalz und Saarland an. Mein damals 4-jähriger Sohn war bei diesen Fahrten mit dabei. Er sollte schon sehen und begreifen, was ich und auch andere Menschen für Menschen tun.

Promotion Tour für „Weihnachten im Schuhkarton“

Die seit 2005 verbesserte Logistik lief reibungslos und brachte in der Zentrale von „Geschenke der Hoffnung“, große Zustimmung. Der Geschäftsführende Direktor von „Geschenke der Hoffnung“ Deutschland, Christoph v. Mohl, und die Projektleiterin für WiS, Diana Molnar, wollten für die nächste Kampagne von „Weihnachten im Schuhkarton“ eine ordentliche Reportage machen und luden mich im Frühjahr 2007 nach Berlin ein, um diese Idee zu konkretisieren.
Da ich bereits zwei Jahre zuvor den Kontakt zu „AIDS Care Education and Training“ (ACET) einer AIDS Organisation in Thailand hatte und wir seit 2006 in der Planung für eine Anlage mit mehreren Häusern für ein AIDS Waisenhaus waren,
konnte ich mein eigenes Projekt, welches ich mit dem Direktor von ACET, Alan Ellard, umgesetzt hatte, bei „Geschenke der Hoffnung“ sehr gut einbringen und etwas „anschieben“.

In Berlin wurde in einem Team ein Brainstorming für die Reportage zusammengestellt, bei dem auch der Marketingchef, Dr. Ahlers, der Firma Krone dabei war. Krone würde vier Sattelauflieger zur Verfügung stellen. Über Dr. Ahlers kam der Kontakt zu IVECO. Der Lkw Hersteller würde vier Zugmaschine für diese Tour bereitstellen.
Die Regionalleiterin von „Geschenke der Hoffnung“, Evelyne Rheinhardt, schaffte den Kontakt zur Bertelsmann Stiftung in Gütersloh und zu einem Kamerateam von RTL.

Oktober 2007

Im Oktober bekam ich einen Anruf aus Berlin, in dem mir mitgeteilt wurde, dass IVECO vier Zugmaschine stellen würde, welche im Frühjahr zugesagt wurden. Da klar war, dass ich diesen Transport durchführen werde, brauchte es noch mindestens drei weitere Fahrer.
Der knaller bei diesem Telefonat war, als mir der Standort der Zugmaschinen gesagt wurde: Wien.
Wie sollten nun die Zugmaschinen von Wien ins Emsland zu Korne gefahren werden? Die Idee war, dass ich dreimal nach Wien fliegen sollte, um dann je eine Zugmaschine ins Emsland fahren sollte. Eine Zugmaschine konnten mit Holger Micklizer aus Leipzig besetzt werden, der auch schon sehr früh zugesagt hatte, zwei Wochen fahren zu können.
Leider konnte die Idee mit dem Flugzeug nicht umgesetzt werden, denn die Zugmaschinen wären erst Ende November für diesen Transport frei.
In sechs Wochen musste der Transport beginnen und es gab noch einige Probleme zu lösen.
Nun mussten wir schauen, wer wann überhaupt konnte, um die beiden anderen Zugmaschinen von Wien nach Werlte zu Krone zu fahren. Über einen Internet Aufruf von „Geschenke der Hoffnung“ meldete sich ein Student aus Österreich und mehrere Fahrer aus Deutschland. Die erste Etappe war schon mal gesichert.
Am 27. November bekam ich einen Anruf aus Berlin, in dem mir gesagt wurde, dass wohl eine Zugmaschine in Linz stehen würde.
Nach Rücksprache mit der IVECO Niederlassung in Linz wurde dies bestätigt. Karl aus Oberhausen war der Fahrer der vierten Zugmaschine. Ich rief ihn an und gab ihn die Adresse von dem Standort in Linz. Er war froh drüber, denn er konnte bereits am nächsten Tag die Zugmaschine abholen.

Persönlicher Pressetermin im Kindergarten in Fischbach
Mein Sohn an einer Sammelstelle im Saarland

November 2007

Als es wieder mit den Sammelstelle für „Weihnachten im Schuhkarton“ los ging, hatte ich nochmals das Foyer unserer Gemeindehalle für diese Aktion zur Verfügung gestellt bekommen. Mit vielen Helfer:innen konnten wir um die 300 Päckchen für Kinder kontrollieren und sortieren.
Ich war zu jener Zeit in einer christlichen Gemeinde in Idar-Oberstein aktiv und konnte somit die vielen Päckchen dort in den Umkartons lagern.
Durch die örtliche Presse wurde die Aktion „Weihnachten im Schuhkarton“ noch mehr bekannt und so kamen nach dem Stichtag immer noch viele Päckchen an. Diese wurden dann kurzfristig im Gemeindehaus in Idar-Oberstein entgegen genommen.

Wieder stellte mir mein Chef den Lkw zur Verfügung und ich fuhr in der vierten Woche vom November 18 Sammelstelle im Hunsrück und Saarland an. Weit über 7.000 Päckchen brachte ich nach Idar-Oberstein in unser Gemeindehaus.

Am 30.November fuhr ich Freitagabends mit dem Nachtzug von Frankfurt nach Wien, um am Samstagmorgen die IVECO Zugmaschine abzuholen. Michael, der Student aus Österreich, kam mich und Holger an den Bahnhof abholen.
Bei der IVECO Niederlassung in Wien wurden uns die Schlüssel für die Zugmaschinen übergeben und wir machten uns gegen Mittag auf dem Weg um die knapp 1.000 Kilometer nach Werlte zu fahren.

Am Montagmorgen wurden die Zugmaschinen gewaschen und die Fabrikneuen Auflieger wurden aufgesattel.
Die ersten Filmaufnahmen wurden gedreht. Die Filmaufnahmen dauerten gute zweieinhalb Stunden, bis es endlich vom Emsland ins Naheland los gehen konnte. Immerhin standen über tausende Päckchen in Umkartons in Idar-Oberstein, welche noch alle verladen werden mussten.
Da wir mit den Lkw auch auf einer Promotion Tour waren, war für Mittwoch, den 5. Dezember, ein Pressetermin auf dem Schlossplatz in Wiesbaden gebucht.
Nach der Vorstellung von Herrn von Mohl, Dr. Ahlers und anderen Projektleiter:innen, konnte ich Herr v. Mohl überzeugen, dass es völliger Unsinn sei, der eine Lkw der bereits im Großraum Leipzig am laden war, extra für ein paar Fotos nach Wiesbaden kommen zu lassen.

Durch die vorab gemeldeten Informationen über die Anzahl der Umkartons in den Sammelstellen, konnten wir die vier Sattelzüge sehr gut planen. Mein Lkw wurde am Dienstag in Idar-Oberstein fast zu dreiviertel der Ladefläche geladen.
Der Sattelzug von Michael war zu diesem Zeitpunkt noch leer.

Am Mittwoch Früh fuhren Michael und ich mit den beiden Sattelzügen nach Wiesbaden. Bei Wiesbaden hatten wir eine Sammelstelle an einem christlichen Gemeindehaus angefahren. Im Vorfeld teilte ich dem Verantwortlichen jener Gemeinde mit, wann wir zum laden eintreffen würden, Wie immer im Leben, können manchen die Uhrzeit nicht koordinieren. So fingen wir mit drei Mann um 7.30 Uhr an zu laden. Da man in der Gemeinde die Umkartons schön in einer Garage hinter dem Gebäude gelagert hatte und diese mit einem 15 Meter langen Sattelzug unmöglich zu erreichen war, trugen oder fuhren wir auf einem Küchenbeistellwägelchen die Kartons zum Sattelauflieger.
Eine Stunde später kamen dann endlich noch ein paar Helfer. Zwei Männer hatten zum Glück Sackkarren dabei.

Pressetermin und Startschuss auf dem Weihnachtsmarkt in Wiesbaden

Die Pressesprecherin von „Geschenke der Hoffnung“ rief mich an und fragte wo ich sei, man hätte ja gleich einen Termin mit dem Bürgermeister der Stadt und der Presse. Ich erzählte ihr die Komplikationen an jener Ladestelle und das wir uns beeilen würden. „Gib mal bitte die Adresse, wo wir hinkommen sollen.“ Als Brigitte mir die Adresse für den Pressetermin mitteilte, wusste ich, dass sie keine Ahnung hat, was 15 Meter in der Länge, 4 Meter in der Höhe und 2,5 Meter in der Breite sind. Wir sollten auf einen Platz fahren auf dem Weihnachtsmarkt stattfand – dies mit drei Sattelzüge!

Einer der drei Satteltüge, den Karl fuhr, und bereits in Baden-Württemberg geladen wurde, wartete an einem Treffpunkt in Wiesbaden-Norderstadt, dem ich zuvor Karl mitgeteilt hatte.
Michael und ich fuhren mit unseren zwei Sattelzüge zu dem vereinbarten Treffpunkt. Ich rief Brigitte an und fragte, ob sie wirklich die drei Sattelzüge an der gewünschten Adresse haben möchte.
Auf ihren Wunsch fuhren wir auf den Wiesbadener Weihnachtsmarkt – also zumindest in diese Richtung. In der Innenstadt von Wiesbaden mit drei Sattelzüge aufzuschlagen brachte ein mittelgroßes Verkehrschaos mit sich. Busse, Taxen und sonstige Autos und Transporter waren schon ein Problem. Als in der Innenstadt von Wiesbaden der Verkehr gänzlich zum erliegen kam, entschied man sich, den Pressetermin am Rande des Weihnachtsmarktes abzuhalten. Immerhin war dort das Chaos mit einigen Taxen und zwei Busslinien in einem überschaubaren Rahmen.

Auf nach Gütersloh

Michael und ich machten uns mit den Sattelzüge auf dem Weg nach Gütersloh zu Bertelsmann. Bei Gießen und Kassel hatten wir noch zwei Ladestellen. Diese Sammelstellen waren recht gut organisiert und so konnten wir auch zügig weiterkommen.

Am Donnerstagmorgen war der nächste Pressetermin bei Bertelsmann. Diesmal nur mit zwei Lkw, denn der andere war schon auf dem Weg nach Berlin in die Zentrale von „Geschenke der Hoffnung“.

Ich weiß, dass die Bertelsmann Stiftung sich für Humanität einsetzt und so konnte ich nach der offiziellen Pressekonferenz mit Dr. Mohn über das AIDS Waisenhaus in Thailand sprechen. Dr. Mohn hörte mir aufmerksam zu und sicherte einen erheblichen Geldbetrag zu, welche über die Projekte von „Geschenke der Hoffnung“ abgewickelt werden würde.

Nach der Pressekonferenz fuhren Michael und ich nach Leipzig zu der Sammelstelle von Holger, wo die restlichen Umkartons in meinen Auflieger kamen.

Am Freitag Vormittag erreichen wir Berlin. In der Zentrale wurde der bisherige Verlauf der Promotion Tour diskutiert und der Anschließende eigentliche Hilfstransport besprochen. Am Montag war die nächste Pressekonferenz in Poznań, Polen. Dann in Košice, Slowakei. Sibiu, Rumänien und Sofia, Bulgarien.

Ich hätte eigentlich nach Sofia fahren sollen. Da Michael sich zutraute diesen Weg alleine zu fahren, ließ ich ihn gerne den Vortritt. Also war meine Entladestelle Sibiu in Rumänien.
Da ich auf und in meinem Lkw noch etwas Platz hatte, schaute ich mich im Zentrsllager von „Geschenke der Hoffnung“ um und packte alles, was ich irgendwie gebrauchen konnte in den Lkw: Fußbälle, Schulranzen, Stifte, Spielsachen, Stofftiere, Schokolade (welche nicht verschickt werden durfte), stopfte ich in jede noch so kleine Ablage oder Staukiste am Auflieger und Zugmaschine.

Auf nach Osteuropa

Am 9. Dezember um 22 Uhr fuhren wir mit vier Lkw in Berlin los. Das erste Ziel was Poznań. Dort gab es eine Pressekonferenz bei der Krone Niederlassung und anschließend wurden Filmaufnahmen für die Reportage gedreht. Danach ging es am späten Nachmittag weiter in die Slowakei. Einer der vier Lkw, den Lukas Kasprowicz
ein Mitarbeiter von „Geschenke der Hoffnung“ fuhr, wurde in Łòdź abgeladen. Wir drei, Holger, Michael und ich, machten uns auf den Weg in die Slowakei.

Am Dienstag, den 11. Dezember, erreichten wir Košice. Dort war die Abladestelle für den dritten Lkw, den Holger Micklizer fuhr. In und um Košice wurden noch Filmaufnahmen mit den drei Sattelzüge gemacht.

Sibiu, Rumänien

Am 13. Dezember kamen Michael und ich am späten Nachmittag in Sibiu an. Der Parkplatz am Continental Hotel in Sibiu erwies sich für zwei Sattelzüge etwas klein. Naja, es ist auch nicht alltäglich, dass man mit einem Sattelzug in einem 5 Stern Hotel verfährt. Mit etwas rangieren von einigen Pkw der gehobenen Klasse, passten die beiden Sattelzüge vor das Hotel.


Brigitte, die Pressesprecherin von „Geschenke der Hoffnung“, schaffte es nach dem Frühstück, im den deutschstämmigen Bürgermeister von Sibiu, Klaus Johannis, in Kontakt zu kommen. Da auch er für die Reportage ins Bild gesetzt werden sollte, sollten die Sattelzüge vor das Rathaus von Sibiu. Die Adresse jenes Gebäude ist dummerweise auf dem Marktplatz, wo auch ein Weihnachtsmarkt stattfand.

Nach dem Frühstück standen wieder Filmaufnahmen an. Mit unseren zwei Sattelzüge ging es um und durch die sehr schöne Altstadt von Sibiu. Gegen 10 Uhr war der offiziellen Pressetermin mit Herr Johannis. Also mussten nun irgendwie zwischen Straßenbahn, Tannenbäume und Holzbuden die Lkw noch irgendwie auf den Marktplatz. Lediglich zwei größere geschmückte Tannenbäume standen etwas im Weg. Bei einem vorhandenen Platz von wenigen Millimeter fuhr ich die beiden Sattelzüge an den Glaskugeln vorbei. Es musste fürs Fernsehen ja spektakulär aussehen. Spektakulär war definitiv das Wenden der beiden Sattelzüge auf dem Marktplatz. Was tut man aber njcht alles fürs Fernsehen.

Abladen bei AMEC

Gegen Mittag erreicht ich meine Abladestelle bei der AMEC Kirche im Westen von Sibiu. Auch dort wurde wieder gefilmt, als ich einen 2,50 Meter breiten Lkw durch ein 2,60 Meter breites Tor rückwärts fuhr.

Herr Johannis kam im Gefolge von Brigitte an die Abladestelle und bedankte sich bei mir für die Sprichwörtliche Millimeterarbeit auf dem Marktplatz. Mit ihm hatte ich noch ein sehr angenehmes Gespräch.

Da meine Ladung an Weihnachtspäckchen in Sibiu komplett abgeladen wurde und ich durch das selbstständige Laden in Idar-Oberstein und den PLZ Nummern auf den Umkartons wusste, wann meine Umkartons aus der Sammelstelle kamen, suchte ich nach meinen beiden Weihnachtspäckchen. Leider fand ich bei dieser großen Anzahl an Päckchen meins nicht. Das von meiner Mutter fand ich. So konnte ich dieses Weihnachtspäckchen selbst einem Kind überreichen.

Geschichte bei Glühwein

Da nun meine Tour zu Ende war und ich nicht sofort nach Hause fahren wollte, traf ich im Büro der AMEC eine junge Frau, die mich zu ihren Freunden, Olimpia und Lica einlud. Ein Zimmer für die Nacht wurde mir im Haus von AMEC bereitgestellt. Mit Lenush, Lica und Olimpia traf ich mich am Freitagabend in der sehr schöne Altstadt von Sibiu, welche ich mit einem Sattelzug bereits am Vormittag schon erkunden konnte. Die kleine Stadtführung mit ihnen war sehr interessant.
Auf dem sehr schön geschmückten Marktplatz, welcher am Abend erst richtig zur Geltung kam, kaufte ich mir eine Handgefertigte Wollmütze, denn es war doch sehr kalt. Der Standbetreiber erkannte mich, denn ich musste Stunden zuvor bis auf wenige Zentimeter mit der Zugmaschinen an seine Bude heran fahren, um überhaupt auf dem Marktplatz drehen zu können.
Lenush erklärte dem netten Herrn, wofür dieser Aufwand war und warum ich in Rumänien sei. Darauf schenkte er mir ein Paar Handschuhe aus Schurwolle.

Mit Glühwein in der Hand stand ich auf diesem wunderschönen Marktplatz, welcher bereits im 12. Jahrhundert errichtet wurde, und lies die Geschichte vom Mongolensturm, im Jahr 1214, über die Belagerung der Türken, ab 1438, bis zum politischen Ping-Pong zwischen Ungarn, Österreich und auch Deutschland, auf mich wirken.
Sibiu, oder auch als Hermannstadt bekannt, hat eine sehr interessante Geschichte und hat mit seiner Festungsähnlicher Altstadt einen Flair, bei dem man sich in die Zeit zurück versetzt kann
Als es immer kälter wurde, lud ich Lenush, Lica und Olimpia zum Essen ein. In einem wunderschönen Burgkeller nahe des Rathauses genoss ich die bürgerliche Küche aus Siebenbürgen.

Am Samstag Früh holte mich Lenush in meiner Herberge bei AMEC ab und wir fuhren zu einem Haus, wo sich um Kinder gekümmert wurde, welche noch eine Stufe unterhalb der sowieso weitverbreitete Armut lebten. Die Familie lies es sich nicht nehmen, dass ich ein Frühstück bei ihnen ausschlug. So frühstückten wir gemeinsam in einer schäbigen Küche in der ein Holzofen für Wärme sorgte.
Auf der Eckbank stand ein Karton, welcher ein Weihnachtsgeschenk vom vergangenen Jahr für die Tocher war. Da ich das Geschenk von meiner Mutter gefunden hatte, und ihr Geschenk in die Altersgruppen vom dem Jungen der Familie passte, schenkte ich ihm diesen Karton.

Nach dem Frühstück ging Lenush mit mir durch den Ort. Wir informierten die Kinder, dass es heute Nachmittag Weihnachtsgeschenk geben würde. Ich hatte alles, was ich in Berlin gesammelt hatte, aus dem Lkw und Auflieger geholt und in Lenush ihren alten VW Golf eingeladen. Mitunter kann auch aus einem Golf ein Kombi werden.

Um bei der Geschenkeübergabe kein Chaos anzurichten, packen wir den Berg an Schokolade, Fussbälle, Stofftiere und Schulmaterial in Tüten ein. Lenush wusste wieviel Kinder es sein weden und auch deren Alter.

Am Abend fuhren wir zu Claudiu und Elena Macovei zum Essen. Claudiu war junger Pfarrer und war für die Verteilung der Geschenke in seiner Gemeinde verantwortlich. Beide konnten sehr gut deutsch, denn sie waren auf dem Deutschen Gymnasium im Sibiu gewesen.

Die Vermieter von Lenush wollten mich unbedingt kennenlernen und dass ich auch in ihrem Haus schlafen sollte. Also zurück zur AMEC und meine Tasche holen. Die beiden älteren Herrschaften, Johanna und Gustav Radou, erzählen mir von der Flucht im Krieg aus Rumänien nach Deutschland. Sie lebten lange in München und erlebten viele Anfeindungen. Mitte der 70er Jahren zogen sie wieder zurück in ihre Heimat zurück.

Nach einer kurzen Nacht, mit emotionalen Gespräche und Eindrücke, sollte ich an einem Gottesdienst in dem etwa 20 Kilometer entfernten Slimnic teilnehmen.
Der Pfarrer jener Gemeinde war der ältestes Sohn von Johanna und Gustav.

Im Gottesdienst in Slimnic

Erstaunt stelle ich fest, wieviele Leute in Siebenbürgen deutsch sprachen. Da aber nicht alle Gottesdienstbesucher:innen deutsch konnten, wurde ich auf rumänisch vorgestellt.
Nach dem Gottesdienst luden mich die Radou’s zum Mittagessen in ihr kleines Haus ein. Auch wenn die Bewegungen für die Zubereitung und kochen für das Mittagessen Johanna schwerfielen, ließ sie sich nicht davon abhalten. Ich schälte derweil die Kartoffeln.

Am Nachmittag machte ich mich schweren Herzens auf den Heimweg. Ich hatte noch 1.600 Kilometer vor mir. Da der Transport als Hilfstransport deklariert war, konnte ich trotz Sonntagsfahrverbot mit dem Lkw fahren.

Am 18. Dezember fuhr ich um kurz nach 10 Uhr am Ortsschild meines Heimatorts an der Nahe vorbei. Eine Tour von 7770 Kilometer war vorerst zu Ende.
Am 19. Dezember nahm ich meinen Sohn auf den letzen 900 Kilometer mit. Der Auflieger musste zurück ins Krone Werk nach Werlte. Am späten Abend des gleichen Tages kam ich wieder zu Hause an. Nach Weihnachten fuhr ich die IVECO Zugmaschine zurück nach Wien.

Naike Juchem, 4. November 2022

Big, bigger, even bigger

Die Grenze der Giga-Schiffe ist offensichtlich noch nicht erreicht – die Grenze der Logistik schon lange.
Wir alle bekommen mit, dass vielerorts Waren fehlen, Autos und Maschinen nicht fertig gebaut werden können, weil Bauteile fehlen. Man fragt sich woran dies liegt.

Ich stellte die Frage gestern einem Geschäftsführer dessen Firma Ware aus Asien und Südostasien bekommt. Er sagte mir, dass er seit zwei Jahren überhaupt nichts mehr planen kann. Container werden in den Häfen in Asien verschifft und in Europa kommen die Container mit Verspätungen von über einem viertel Jahr an. Vor Helgoland ankern Schiffe, weil sie in Hamburg nicht gelöscht werden können.
Es fehlt an Mitarbeiter in den Häfen und beim Zoll.
Ist der Container endlich gelöscht, gibt es keinen Spediteur der die Kiste bringen kann, weil er keine Fahrer hat.
Durch den Stau der riesigen Containerschiffe verschiebt sich alles weiter nach hinten.

Das Gespräch mit Herrn Elzer war sehr informativ, denn diese Probleme in der Lieferkette kannte ich nicht. Als die „Ever Given“ im März 2021 den Suezkanal blockierte, sah man in allen europäischen Häfen die Auswirkungen dieser Havarie. Wo zuvor noch zig tausende Container standen spielten die Hafenmitarbeiter Fußball.
Die Übersee Containerschiffe sind 400 Meter lang und erreichen mittlerweile Höhen von einem 12-stöckingen Haus. Wenn dann mal etwas Wind kommt, drückt dieser mal eben ein Schiff gegen das Ufer.
Übersee Schiffe fahren in einem exakten Zeittakt. Wenn in Hongkong ein Schiff ablegt, weiß man wann dieses in Rotterdam oder Hamburg ankommt.
Auch nimmt durch solche Giga-Schiffe der Verlust von Container zu. Es wird geschätzt, dass alleine in der Nordsee um die 1000 Container umhertreiben. Diese Container stellen für die Umwelt und für die Schifffahrt sehr viele Risiken dar.

Wer schon einmal Übersee Containerschiffe in Rotterdam, Antwerpen, Hamburg, Valencia, Piräus oder Bremerhaven gesehen hat, kennt die Ausmaße von 15.000 bis 20.000 TEU – also 20“ Seecontainer. Der Wahn nach immer mehr Ware scheint kein Ende zu finden.

Vor 15 Jahren sah ich zum ersten Mal die Emma-Maersk. Diese Schiffsklasse waren die ersten Ultra Large Container Ship’s der Welt. Mit einer Kapazität von 14.770 Container war ein Meilenstein im Bau von Containerschiffen gesetzt – sollte man meinen.

In der Daeiwo Werft in Südkorea wurden kurze Zeit später die ersten Schiffe der sogenannten Opympic-Klasse ausgeliefert. Diese Schiffe, zu der auch die MCS Zoe gehört, können beachtliche 19.224 TEU laden.

Die chinesische Hudong-Zhonghua Werft ließ im Junli diesen Jahres die  „Ever Ace“ vom Stapel. Dieses Schiff hat eine Kapazität von 24.004 TEU.
Nun legte die gleichen Werft noch einen nach und so wurde letzte Woche die erste Giga-Schiffe der Welt vorgestellt. Diese Schiffsklasse stellt den absoluten Rekord im weltweiten Bau von Containerschiffen dar. Mit einer Kapazität von jeweils 24.346 TEU gibt es auf der Welt – zurzeit, nichts vergleichbares.

Diese Giga-Schiffe haben eine Länge von 399,99 Metern (wie fast alle Übersee Containerschiffe) und eine Breite von 61,3 Metern. Und somit 5 Meter breiter als die Emma-Maersk ist und eine Decksfläche von 24.000 Quadratmetern, was einer Fläche von 3,5 Standardfußballfeldern entspricht.
Zwar wurde die Emma-Maersk 2016 umgebaut, womit sie 17.816 TEU transportieren kann.

Die beiden neuen Schiffe, welche für die Schweizer Reederei MSC aus Genf, gechartert werden, sollen im Februar 2023 in Dienst gestellt werden. Im gleichen Jahr sollen noch vier Baugleiche Schiffe ausgeliefert werden.

Chinas Schiffbauindustrie war in den ersten drei Quartalen dieses Jahres weiterhin führend bei den internationalen Marktanteilen, wobei die Containerschiffe mit mehr als 10.000 TEU 51,7 Prozent des Weltmarktes ausmachten.

Naike Juchem, 3. November 2022

Die HMS Victory

Heute stehe ich in Sinsheim. Vor vier Jahren war ich mit einem Übersee Container aus Hamburg bei der Firma Sea-Club. Ich hatte die Schachtel voll mit Kartons aus Südostasien. Die Firma Sea-Club ist ein Großhändler für alles was irgendwie mit Maritim zu tun hat.

In der Zeit, wo die Männer den Container leer geräumt hatten, ging ich mich duschen. Auf dem Weg zur Dusche sah ich im Flur zum Büro einige Segelschiffmodelle in einem recht großen Maßstab stehen. Die Rickmer Rickmers, welche in Hamburg an den Landungsbrücken liegt, fiel mir sofort ins Auge.

Nach dem duschen sprach ich mit dem Inhaber, Herr Elzer, über jenes Schiff. Auch stand ein Modell der Flying-P Liner, die Passat, im Flur auf einem Sidebord. Ich quatschte Herr Elzer über jenes Schiff dermaßen zu, dass er meinte, ich käme aus Hamburg. Ich stellte ihm meine Passion zu Segelschiffen klar und das ich aus dem Hunsrück komme.

Damals schenkte er mir die USS Constitution. Sie ist das älteste noch seetüchtige Kriegsschiff der Welt und nach der HMS Victory das zweitälteste, welches noch in Dienst steht.

Wie schon geschrieben, bin ich heute in Sinsheim und schaute bei der Firma Sea-Club vorbei. Ich sagte Herrn Elzer, dass ich bereits vor 4 Jahren bei ihm abgeladen hatte und wollte mal fragen, ob er mir ein Schiff verkaufen würde.

Die HMS Victory

Gemeinsam gingen wir ins Lager und er schaute, welche Muster er hat. Einsam und verlassen stand der Dreidecker, Dreimast Vollschiff HMS (His Majesty’s Ship) Victory im Regal.
„Dies könnte ich Ihnen anbieten. Das Schiff ist im Einkauf zu teuer und wir haben es daher nicht ins Programm genommen.“ Meine Augen mussten wie bei einem Kind an Weihnachten geleuchter haben. Für 5 € kaufte ich dieses Schiff, welches seinen Stapellauf 1765 hatte.
Die HMS Victory ist circa 70 Meter lang, knapp 16 Meter breit und hat einen Tiefgang von maximal 8,76 Meter. Mit ihren bis zu 31 Segel konnte sie um die 10 Knoten ( circa 19 Km/h) segeln. Zum Vergleich: Das jemals größte gebaute Fünfmast Vollschiff der Welt, die Preußen – eines der legendären Flying-P Liner der Reederei Laeisz aus Hamburg, schaffte eine doppelt so hohe Geschwindigkeit und hält heute noch diesen Segelrekord von Hamburg bis nach Chile. Die Bewaffnung der HMS Victory war und ist mit 104 Kanone beachtlich. Auch die Zahl der bis zu 800 Matrosen spricht für eine Superlative im ausgehenden 17. Jahrhundert.

Dieses über 260 Jahre alte Dreimast Vollschiff, war an vielen und wichtigen Seeschlachten der Royal Navy ab Juli 1778 bis 1903 beteiligt. Durch die Dreidecker Bauweise konnte quasi gleichzeitig aus „allen Rohren“ gefeuert werden.

Die HMS Victory segelte im Kriegseinsatz gegen Frankreich und Spanien im Mittelmeer und war auch an den Koalitionskriegen, bei den Westindischen Inseln (Kuba, Jamaika, Puerto Rico, Bahamas…) beteiligt. Mal als Transportschiff, mal als Geleitschutz im Ärmelkanal und Nordsee und dann wieder
als Flaggschiff für Seeschlachten.

Die wohl wichtigste und entscheidenste Seeschlacht der Royal Navy war die 1805 am Südspanischen Kap Trafalgar geführt Schlacht. Wodurch die britische Vorherrschaft in Lateinamerika, Südlicher Pazifik, Südafrika und Indien begann.
Und indirekt wurde mit jener Schlacht die Niederlage Napoleon auf dem europäischen Festland besiegelt.

Heute kann man das einzige Seetaugliche
Dreidecker Kriegsschiff der Welt in der Südenglichen Hafenstadt Portsmouth, auch im inneren, besichtigen.

Naike Juchem, 2. November 2022

Die Entführung der Landshut

Foto: GSG9 Historie, Einsatz Mogadischu

Im großen World Wide Web fand ich ein Foto und mir fielen sofort die Fahndungsplakate der RAF ein, die damals bei uns in der Post rechts an der Wand vom Schalter hingen.

Ich bin 1970 geboren und kann mich noch sehr genau an jene DIN A0 Plakate erinnern. Auch sah ich damals in der Tagesschau die Beiträge über die Entführung und Ermordung Hanns Martin Schleyers und die Entführung des Lufthansa-Flugzeugs „Landshut“.

Die Selbstmorde der inhaftierten führenden Mitglieder der ersten Generation der RAF stellten den Schlussakt der sogenannten Offensive 77 der RAF dar. Der Deutsche Herbst gilt als eine der schwersten Krisen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

Beginnen möchte ich mit der Erklärungen der RAF vom 5. September bis 18. Oktober 1977 (Memento vom 12. März 2007 im Internet Archive).

Foto: LKA Rheinland-Pfalz

5. September 1977

An die Bundesregierung Sie werden dafür sorgen, daß alle öffentlichen Fahndungsmaßnahmen unterbleiben – oder wir erschießen Schleyer sofort, ohne daß es zu Verhandlungen über seine Freilassung kommt.
 

6. September 1977

Am Montag, den 5. September 77 hat das Kommando Siegfried Hausner den Präsidenten der Arbeitgeberverbands und des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Hanns-Martin Schleyer, gefangengenommen. Zu den Bedingungen seiner Freilassung wiederholen wir nochmal unsere erste Mitteilung an die Bundesregierung, die seit gestern von den Sicherheitsstäben, wie wir das inzwischen kennen, unterschlagen wird. Das ist die sofortige Einstellung aller Fahndungsmaßnahmen – oder Schleyer wird sofort erschossen. Sobald die Fahndung gestoppt ist, läuft Schleyers Freilassung unter folgenden Bedingungen:

Die Gefangenen aus der RAF: Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Jan-Carl Raspe, Verena Becker, Werner Hoppe, Karl-Heinz Dellwo, Hanna Krabbe, Bernd Rössner, Ingrid Schubert, Irmgard Möller werden im Austausch gegen Schleyer freigelassen und reisen in eine Land ihrer Wahl. Günter Sonnenberg, der seit seiner Festnahme wegen einer Schußverletzung haftunfähig ist, wird sofort freigelassen. Sein Haftbefehl wird aufgehoben. Günter wird zusammen mit den 10 Gefangenen, mit denen er sofort zusammengebracht wird und sprechen kann, ausreisen. Die Gefangenen sind bis Mittwoch, 8 Uhr früh, auf dem Flughafen Frankfurt zusammenzubringen. Sie haben bis zu ihrem Abflug um 12 Uhr mittags jederzeit und uneingeschränkt die Möglichkeit, miteinander zu sprechen. Um 10 Uhr vormittags wird einer der Gefangenen das Kommando in Direktübertragung durch das Deutsche Fernsehen über den korrekten Ablauf ihres Abflugs informieren.

In der Funktion öffentlicher Kontrolle und Garantie für das Leben der Gefangenen während des Transports bis zur Landung und Aufnahme sollen die Gefangenen – wie wir vorschlagen würden – von Payot, dem Generalsekretär der Internationalen Föderation für Menschenrechte bei der UNO, und Pfarrer Niemöller begleitet werden. Wir bitten sie, sich in dieser Funktion dafür einzusetzen, daß die Gefangenen dort, wo sie hinwollen, lebend ankommen. Natürlich sind wir auch mit einem Alternativvorschlag der Gefangenen einverstanden.

Jedem der Gefangenen werden 100 000 DM mitgegeben. Die Erklärung, die durch Schleyers Foto und seinen Brief als authentisch identifizierbar ist, wird heute abend um 20.00 Uhr in der Tagesschau veröffent-licht, und zwar ungekürzt und unverfälscht. Den konkreten Ablauf von Schleyers Freilassung legen wir fest, sowie wir die Bestätigung der freigelassenen Gefangenen haben, daß sie nicht ausgeliefert werden, und die Erklärung der Bundesregierung vorliegt, daß sie keine Auslieferung betreiben wird. Wir gehen davon aus, daß Schmidt, nachdem er in Stockholm demonstriert hat, wie schnell er seine Entscheidungen fällt, sich bemühen wird, sein Verhälmis zu diesem fetten Maguaten der nationalen Wirtschaftscreme ebenso schnell zu klären.
RAF – Kommando Siegfried Hausner

Foto:GSG9 Historie

Der Irrflug der „Landshut“

Der Flug LH181 am 13. Oktober 1977 von Palma de Mallorca nach Frankfurt sollte nur etwas über ein Stunde dauern. Er entpuppte sich für die 82 Passagiere und fünf Besatzungsmitglieder an Bord als mehrtägiges Martyrium. Denn ein vierköpfiges Terroristenteam – zwei Frauen und zwei Männer – übernahmen gegen 14.30 Uhr die Gewalt an Bord der Boeing 737-200 „Landshut“. Die Forderungen des Kommandos „Martyr Halimeh“ unter Führung von „Captain Mahmud“: Freilassung elf inhaftierter deutscher linksextremistischer Terroristen, zweier in der Türkei inhaftierter palästinensischer Terroristen sowie 15 Millionen US-Dollar Lösegeld. Andernfalls sollten alle Geiseln und der durch die Rote Armee Fraktion (RAF) am 5. September 1977 entführte Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer getötet werden. Das Ultimatum sollte am 16. Oktober auslaufen.

Anders als die Entführer angenommen hatten, zeigten sich die arabischen Staaten in den nächsten Tagen nicht gewillt, in die Krise hineingezogen zu werden. Sie verweigerten der „Landshut“ die Landung. Der Irrflug der Maschine mit dem Luftfahrzeugkennzeichen D-ABCE führte nach Zwischenlandungen in Rom, Larnaka und Bahrain zunächst am 14. 10. nach Dubai. Dort gab es zähe Verhandlungen jedoch ohne Ergebnis. Am 16. 10. startete die Maschine dann nach Aden. Hier musste die Landshut neben der gesperrten Piste landen. In Aden erschossen die Terroristen auch Flugkapitän Jürgen Schumann. Co-Pilot Jürgen Vietor musste die „Landshut“ schließlich nach Mogadischu steuern, wo sie in den frühen Morgenstunden des 17.10. eintraf.

Die Bundesregierung lässt sich nicht erpressen


Im Bundeskanzleramt in hatte Bundeskanzler Helmut Schmidt nach der Entführung der „Landshut“ einen Krisenstab gebildet. Die klare Linie lautete: Den Forderungen der Terroristen wird nicht nachgegeben. Gleichwohl folgte Staatsminister Hans-Jürgen Wischnewski mit einem Verhandlungsteam in einer Sondermaschine dem entführten Flugzeug. Auch die GSG 9 war unmittelbar nach der Entführung alarmiert worden, um sich für eine Befreiungsoperation bereitzuhalten. Ein Einsatzverband unter Leitung ihres Kommandeurs, Oberstleutnant i. BGS Ulrich K. Wegener, war der „Landshut“ zunächst in einer Sondermaschine der Lufthansa gefolgt und hielt sich in Ankara bereit. Als die „Landshut“ in Dubai gelandet war, flogen Wegener, dessen Adjutant Baum und Unterführer Dieter Fox ebenfalls dorthin. Sie stießen zum Wischnewskis-Team. Zu einer geplanten Befreiungsoperation kam es nicht mehr. Von Dubai aus ging es dann ebenfalls nach Mogadischu, wo sie am 17. Oktober um die Mittagszeit eintrafen.

Am 17. Oktober gegen 17:30 Uhr MEZ landeten die Einsatzkräfte der GSG 9 mit der Lufthansa-Maschine „Stuttgart“ in Mogadischu, ca. 2.000 Meter von der „Landshut“ entfernt. Die Starts und Landungen somalischer Militärflugzeuge lenkten die Terroristen ab. Danach kamen Staatsminister Hans-Jürgen Wischnewski und der GSG 9-Kommandeur Ulrich Wegener zur „Stuttgart“. Wischnewski erklärte, dass Bundeskanzler Helmut Schmidt angesichts der unnachgiebigen Haltung der Terroristen und weil der Staat sich nicht erpressen lässt, entschieden hatte, dass die GSG 9 die „Landshut“ stürmen soll, um die 86 Geiseln zu befreien.
Wischnewski gelang es, bei der somalischen Regierung die Erlaubnis für eine gemeinsame Operation deutscher und somalischer Kräfte zu erwirken. Zum Schein ging die Bundesregierung dann auf die Forderungen der Entführer, welche die Maschine bereits zur Sprengung vorbereitet hatten, ein. Sie bat um eine weitere Verlängerung der Frist, um die Gefangenen zum Austauschort transportieren zu können. Die Entführer setzten ein letztes Ultimatum, welches am 18.10. um 1.30 Uhr auslaufen sollte.

Geiselbefreiung durch die GSG9 in Mogadischu. Foto: GSG9 Historie

Die GSG 9 bekommt das „GO“

Der deutsche GSG 9-Einsatzverband – er war aus Tarnungsgründen von Ankara zurück nach Sankt Augustin und dann nach Kreta geflogen – landete am 17. Oktober gegen 19.30 (MEZ) Uhr in der Dunkelheit und wurde auf den nördlich angrenzenden militärischen Teil des Flughafens Mogadischu gelotst. Somalische Kräfte riegelten den Flughafen ab.

Die Verhandlungsexperten im Wischnewski-Stab lenkten die Entführer durch einen intensiven Funkverkehr über die bevorstehende vermeintliche Gefangenenübergabe ab. Der Einsatzverband machte sich nach der Landung bereit. An ihrer Boeing 707 „Stuttgart“ erfolgte das Rehearsal, die Abschlussübung vor dem Zugriff. Wegener meldete Helmut Schmidt Einsatzbereitschaft und zeigte sich überzeugt vom Einsatzerfolg. Noch am Abend erhielt er telefonisch den Einsatzbefehl durch den Bundeskanzler.

Ablauf der Operation

Die Kräfteeinteilung stellte sich wie folgt dar: Das zehn Mann starke Aufklärungs- und Präzisionsschützenkommando stand unter Führung des stellv. Kommandeurs, Major i. BGS Klaus Blätte. Zur Ausstattung gehörten Scharfschützengewehre Mauser S66 mit Nachtsichtgeräten „Nachteule“ sowie Aufklärungstechnik. Das Zugriffsteam wurde von Wegener geführt. Es bestand aus sechs Sturmtrupps (einer pro Tür) zu je fünf Mann. Dazu kamen noch ein Sanitäts- und ein Reservetrupp mit drei bzw. fünf Mann sowie ein Pioniertrupp mit vier Mann. Die beiden SAS-Männern Major Alistair Morrison und Sergeant Barry Davis waren hier ebenfalls zugeordnet. Sie hatten ihre brandneuen „Stun-Grenades“, Blitzknallgranaten mitgebracht. Zur übrigen Bewaffnung und Ausrüstung gehörten Revolver S&W .38 und Pistolen P9S zum Arbeiten in der Maschine, MP5, neuartige „Bristol“-Schutzwesten aus britischer Produktion, dazu noch spezielle gummibeschichtete Leitern.

Für die zu evakuierenden Geiseln wurde ein Sammelraum abseits der Maschine eingerichtet. Somalische Streitkräfte bildeten einen äußeren Ring und bereiteten zudem ein Feuer einige hundert Meter vor dem Cockpit der „Landshut“ für ein Ablenkungsmanöver vor.

Um etwa 22.00 Uhr gingen die Kräfte in die Ausgangsstellung. Die Aufklärer und Präzisionsschützen arbeiteten sich auf etwa 30 Meter an die Maschine heran und lieferten stetig Aufklärungsergebnisse. Ab etwa 23.00 Uhr begann die Annäherung der Zugriffskräfte. Sie erreichten die Maschine um etwa 23.30 Uhr.

23.50 Uhr: Die somalischen Soldaten entzünden das Ablenkungsfeuer. Die Verhandlungsgruppe im Tower fragt über Funk beim Terroristenführer Captain Mahmud die Übergabebedingungen ab.

23.55 Uhr: Die Sturmtrupps nehmen ihre Sturmausgangsstellungen ein.

00.00 Uhr: Spezielle Leitern werden an die vier Türen und an die beiden Notausgangsbereiche hinter den Tragflächen gelegt, die Trupps gehen in Position.

00.05 Uhr: Auf das Kommando „Feuerzauber“ zünden die beiden SAS-Männer mehrere Blitzknallgranaten, nahezu gleichzeitig öffnen die Sturmtrupps die Türen. Fünf Sturmtrupps dringen in die Maschine ein, der Trupp 2 (vorne rechts) muss aufgrund von Hindernissen ausweichen und hinter Trupp 1 (vorne links) nachrücken.

Im Flugzeuginneren entwickelt sich ein Feuerkampf. Trupp 1 schaltet im Cockpit Mahmud aus. Eine Terroristin wird im Gang der Ersten Klasse getroffen und schwer verletzt – sie überlebt. Der dritte Terrorist kann bevor er ausgeschaltet wird noch zwei Handgranaten werfen, deren Explosion die Stewardess Gabriele Dillmann (heute von Lutzau) am Bein verletzen. Eine vierte Terroristin wird auf der vorderen Bordtoilette neutralisiert. Ein GSG 9-Einsatzbeamter erleidet eine leichte Verwundung durch einen Halsdurchschuss.

Noch während des Feuerkampfes beginnt im hinteren Bereich (Trupp 5 und 6) und über die Notausstiege (Trupp 3 und 4) die Evakuierung.

00.12 Uhr: Wegener meldet „Springtime“ – das Codewort für den erfolgreichen Abschluss der Aktion. 
Bilanz: Alle 86 Geiseln befreit, drei leicht verwundet, ein GSG 9-Mann leicht verwundet, drei von vier Terroristen getötet, eine Terroristin schwer verletzt an die somalischen Behörden übergeben. Die Befreiten wurden noch am 18. Oktober mit einer Sondermaschine nach Frankfurt gebracht. Die GSG 9 landete ebenfalls am 18. Oktober gegen 15.30 Uhr auf dem Flughafen Köln/Bonn.

Ankunft Flughafen Köln/Bonn Foto: dpa

Erklärungen der RAF vom 5. September bis 18. Oktober 1977 

19. Oktober 1977

Wir haben nach 43 Tagen Hanns-Martin Schleyers klägliche und korrupte Existenz

beendet. Herr Schmidt, der in seinem Machtkalkül von Anfang an mit Schleyers Tod spekülierte, kann ihn in der Rue Charles Peguy in Mulhouse in einem grünen Audi 100 mit Bad Homburger Kennzeichen abholen.

Für unseren Schmerz und unsere Wut über die Massaker von Mogadischu und Stammheim ist sein Tod bedeutungslos. Andreas, Gudrun, Jan, Irmgard und uns überrascht die faschistische Dramaturgie der Imperialisten zur Vernichtung der Befreiungsbewegungen nicht. Wir werden Schmidt und der daran beteiligten Allianz diese Blutbäder nie vergessen. Der Kampf hat erst begonnen! Freiheit durch bewaffneten antiimperialistischen Kampf!
Kommando Siegfried Hausner.


Quelle:
– Erklärungen der RAF vom 5. September bis 18. Oktober 1977 (Memento vom 12. März 2007 im Internet Archive).
– GSG9 Historie
– esut.de

Der Baader-Meinhof Prozess in Kaiserslautern

Wie komme ich auf dieses Thema?
Meinen 47. Geburtstag feierte ich in Kaiserslautern in der Kartoffelhalle. Bis zu diesem Zeitpunkt sagte mir dies überhaupt nichts.
An jenem Nachmittag wurde mir die Historie dieses Gebäude sehr genau erklärt.
Ich fingen mit den Ergebnisse der Entführung der Lufthansa Maschine „Landshut“ nach Mogadischu den Terror an zu begreifen.

Nun folgt ein Artikel aus dem Spiegel vom 5. Juni 1977

Mit Augenmaß bewältigte das Schwurgericht in Kaiserslautern einen zweiten Baader-Meinhof-Prozeß — anders als in Stammheim — ohne Einbußen für Justiz und Rechtsstaat.

Besorgt erkundigte sich 1974 Helmut Kohl, damals Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz, nach den Qualitäten eines Richters namens Adolf Stiefenhöfer. Kohl in einer Kabinettssitzung: »Was ist denn das für einer?« Justizminister Otto Theisen beschied ihn knapp: »Ein ganz normaler.«

Zunächst blieb die Skepsis, wenn unter Kollegen sein Name fiel. Stiefenhöfer, 48, früher Amtsrichter in Rockenhausen, dann Richter am Landgericht in Kaiserslautern, las eigens Werke von Theodor Adorno, übte sich in Psycho-Training und paukte linke Termini, um als Landrichter seine größte Aufgabe zu bestehen: parallel zu dem Mammutprozeß in Stuttgart-Stammheim über drei andere Mitglieder der »Roten Armee Fraktion« (RAF) zu Gericht zu sitzen.

Am Donnerstag letzter Woche, es war der 131. Verhandlungstag, schloß Stiefenhöfer im »Kleinen Baader-Meinhof-Prozeß« („Saarbrücker Zeitung“) in Kaiserslautern die Akten. Es war ein Verfahren ohne dramatische Zuspitzungen, ohne interne Justizskandale, ohne Spektakel mit prominenten Zeugen und meist vor mäßig gefüllten Zuhörerbänken.

Doch gerade weil das Verfahren im Pfälzer Hinterland so wenig Brisantes bot für Beobachter wie Beteiligte und immer Gefahr lief, im Schatten von Stammheim zur Nebensache zu geraten, kam der Rechtsstaat — anders als im Stuttgarter Hauptprozeß hier ohne Schrammen davon.

Stiefenhöfer bewies seine richterliche Souveränität auch darin, daß er in heiklen Augenblicken nicht wie sein Kollege Prinzing überflüssige und der Wahrheitsfindung abträgliche Konfrontationen mit den Verfahrensbeteiligten heraufbeschwor, sondern durch geschickte Nachgiebigkeit im Detail für ein moderates Verhandlungsklima sorgte. Er blockte jeden Eklat und jeden Ruch von Manipulation von vornherein ab.

Zu lebenslanger Haft verurteilt wurden die Terroristen Klaus Jünschke, 29, und Manfred Grashof, 30, unter anderem wegen Mordes und schweren Raubs. Der dritte Angeklagte, Wolfgang Grundmann, 29, seit Oktober auf freiem Fuß, kam wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung mit vier Jahren Freiheitsstrafe davon. Er erhält, weil er bis dahin schon viereinhalb Jahre in Untersuchungshaft gesessen hatte, voraussichtlich für ein halbes Jahr sogar Haftentschädigung. Am 22. Dezember 1971 gegen 8.10 Uhr hatten sechs Terroristen — bei letztlich ungeklärter Tatbeteiligung nach Ansicht der Ermittler auch Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe — in der Bayerischen Hypotheken- und Wechsel-Bank zu Kaiserslautern 133 986 Mark erbeutet; im Kugelhagel der Räuber starb der Polizist Herbert Schoner.



Acht Wochen später stürmten sechs maskierte BM-Terroristen in die Bayerische Hypo-Bank in Ludwigshafen, schrien »Ihr Schweine, Säue, Drecksäue« und sackten 285 740,32 Mark ein. Mitte Mai 1972 legte ein RAF-Kommando Bomben im US-Hauptquartier in Frankfurt (ein Toter, elf Verletzte), und in Hamburg war im März der Kriminalhauptkommissar Hans Eckhardt an einer Terroristen-Kugel gestorben. Er hatte den RAF-Mitgliedern Grashof und Grundmann in einer konspirativen Wohnung aufgelauert.

Allein der Mord von Grashof an Eckhardt wurde in Kaiserslautern mit exakten Zeugenaussagen bewiesen. In anderen Punkten war die Beweisführung schwieriger. So wurde Jünschke wegen Mordes, Grashof wegen Beihilfe zum Mord an dem Polizisten Schoner verurteilt. Beide hatten am Tatort Kaiserslautern keine Spuren hinterlassen, und kein Zeuge konnte vor Gericht ihre direkte Tatbeteiligung bestätigen.

Die Tatsache, daß Jünschke nach Zeugenaussagen drei Wochen vor dem Überfall eine Reihe von Straßenzügen rund um die Bank photographiert, am Vortag den späteren Fluchtweg erkundet und seine Fingerabdrücke in einer konspirativen Wohnung hinterlassen hatte, wertete das Schwurgericht als ausreichenden Beweis, daß der frühere Psychologie-Student »auch in der Bank weilte und eine Rolle spielte, die mit dem Fluchtweg zusammenhing«. Grashofs Beihilfe sah das Gericht als erwiesen an, weil er zwei Wochen vor den« Überfall in der Buchhandlung Senftleben einen Stadtplan von Kaiserslautern gekauft hatte und von einer Verkäuferin dabei beobachtet worden war.

Für die These der Ankläger, wonach der dritte Angeklagte, Grundmann, unter den Geldräubern in Ludwigshafen war, fand das Gericht keinen ausreichenden Beweis. So blieb von der Anklage gegen Grundmann nur die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und unerlaubter Waffenbesitz übrig.

Denn »Kronzeuge« Gerhard Müller hatte Grundmann zwar belastet, sich dabei jedoch in Widersprüche verwickelt. Er fand in Kaiserslautern. auch dies durchaus anders als in Stammheim, wenig Glauben. Stiefenhöfer: »Seine Angaben müssen mit größter Vorsicht behandelt werden.«

Eine Behauptung von Müller, der, so Stiefenhöfer, auch in Stammheim gelegentlich die »bewußte Unwahrheit« gesagt hatte, diente dem Gericht andererseits sogar zur Entlastung Jünschkes im Frankfurter Sprengstoff-Fall. Obwohl ein Zeuge den Angeklagten am Tatort gesehen haben will, mochte das Schwurgericht »Müllers Eindruck, Jünschke sei hier in keiner Weise beteiligt gewesen, nicht ausschließen«.

Der Freispruch in diesem Punkt überraschte allerdings ebenso wie die Überzeugung des Gerichts, Jünschke sei als Mittäter in Kaiserslautern überrührt. Prompt kündigten auch die Pflichtverteidiger Revision dagegen an.

Neunzig Polizisten, die zum Schutz der als Verhandlungssaal umgebauten Kartoffelhalle abgeordnet worden waren, begannen nach der dreistündigen Urteilsverkündung, die Gitter, Monitore und den Stacheldraht wieder abzubauen — seit Prozeßbeginn vor 21 Monaten gab es für die Bewacher keinen einzigen Zwischenfall.

War der kleine BM-Prozeß im Schatten des Stuttgarter Monsterverfahrens — wegen des doppelten Aufwands, doppelter Kosten und des von Anfang an einkalkulierten Risikos unterschiedlicher Bewertungen — Beamten der rheinland-pfälzischen Justiz und des Bundeskriminalamtes zunächst noch als »der reinste Quatsch« erschienen, so bewerten sie ihn heute hoch.

Der Kaiserslauterer Prozeß belegt, daß es sich auch gegenüber Staatsfeinden von BM-Zuschnitt noch immer unvoreingenommen, ausgewogen und differenziert judizieren läßt. Nicht nur die Überlegenheit Stiefenhöfers, seine Flexibilität in Verfahrensfragen, nicht nur die Anwälte, die in Kaiserslautern kaum Anlaß zu vordergründigem Wirbel fanden — auch die Mainzer CDU-Landesregierung tat das Ihre zu einem korrekten Verfahren: Ein Abhör-Skandal wie in Stammheim blieb dem Prozeß in der Provinz erspart.

Als sich Justiz- und Innenministerium in Mainz vor die Frage gestellt sahen, ob sie — parallel zu dem Beschluß der Stuttgarter Minister Schiess und Bender — auch bei Grashof und Jünschke in der Vollzugsanstalt Zweibrücken Verteidigergespräche belauschen sollten, fiel die Entscheidung in den beiden Mainzer Chefetagen negativ aus: »aus verfassungsrechtlichen Gründen«.

Quelle: Der Spiegel vom 05.06.1977

Keltischer Ringwall von Otzenhausen

Der Keltische Ringwall von Otzenhausen

Heute mal etwas Frühchristliche Geschichte von mir. Auch wenn der Keltische Ringwall zum größten Teil im Saarland liegt, zählt der Hunsrück, und somit Rheinland-Pfalz, zu einem der größten Keltengebiete in Deutschland.

Autorin Naike Juchem

Ich wohne in einem Gebiet, welches hunderte Jahre vor Christus von den Kelten besiedelt wurde und so gibt es in diesem Gebiet sehr viele Archäologische Funde. Diese zeugen von einer ausgeprägten Kultur und hochentwickelten sozialen Struktur dieser Volksstämme.

Das Gebiet der Kelten umfasst fast das heutige Europa. Von Südostengland, 
Frankreich und Nordspanien im Westen bis nach Westungarn, Slowenien und 
Nordkroatien im Osten; von Oberitalien im Süden bis zum nördlichen Rand der deutschen Mittelgebirge. Daneben existieren einzelne latènezeitliche Funde auf dem gesamten Balkan bis nach Anatolien.
Nun komme ich auf den Keltische Ringwall im Hunsrück.



Der Keltische Ringwall, oder auch volkstümlich auch Hunnenring genannt, liegt in der Gemarkung der Ortschaft Otzenhausen und ist die am besten erhaltene keltische Befestigungsanlage im Südwesten Europas.

Das 18,5 ha große Oppidum auf dem Dollberg liegt im nördlichen Saarland und dem Nationalpark Saar-Hunsrück.

Der Nordwall ist auf einer Länge von 460m heute noch 10m hoch und an der Basis 40m breit. Der Archäologe Michael Koch vermutet, dass die ehemalige Mauer 18m hoch und 18m breit war. Ein beeindruckendes Zeugnis aus alter Zeit!

Wenn man vom Parkplatz, wo auch die Keltensiedlung ist und diese besucht werden kann, durch den Wald geht, sieht man auf der linken Seite immer wieder diesen Wall durch die Bäume.
Man kann auf dem Weg zu dem Wall schon erahnen, wie mächtig groß dieses ist.
Auf dem Wall angekommen, hat man einen unglaublichen Weitblick über das westliche Saarland. Die automatische Zahl an aufeinander liegenden Steinen wird einem erst richtig bewusst, wenn man auf dem Wall steht. Mir stellte sich die Frage: woher und wie kammen all diese Steine zu diesem Ort.
Die Kelten kannten natürlich schon das Rad und hatten demnach auch Karren im Einsatz, welche von Ochsen gezogen wurden. Das bekannte Scheibenrad (ist in den Comics von Asterix und Obelix schön zu sehen) wurde ungefähr 1600 Jahre v. Chr. nach und nach durch das wesentlich leichtere Speichenrad abgelöst. Es wird vermutet, dass dies aus dem ägäischen Kulturkreis der dort lebenden Kelten übernommen wurde und somit sich auch in anderen Teilen des keltische Reich durchsetzte.

Während der Latènezeit ab 450 v. Chr. war der Hunsrück-Nahe-Raum, wie viele Grabfunde zeigen, dicht von keltischen Kleinstämmen besiedelt. Viehzucht, die Verarbeitung von Eisen und ein reger Handel brachten der Bevölkerung Wohlstand.
In der Zeit vor dem Gallischen Krieg waren die Clans in dem Gebiet zwischen Rheintal und Ostbelgien, Pfalz und Hocheifel zu dem Stammesverband der Treverer vereint und erlebten einen wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Höhepunkt.

Als ältester Teil der Festung wurde ein Abschnittswall festgestellt, der unter dem heutigen Nordwall liegt und im 4. Jahrhundert v. Chr. erbaut worden war. Dabei ist nicht auszuschließen, dass es noch eine ältere Bauphase gab. Ein zweiter Mauerbau als Ring im 2. Jahrhundert und der letzte Bau, von dem wir heute die Wälle sehen, fand zwischen 80 und 60 v. Chr. statt. Dies ist durch den Fund einer späten Form der „Nauheimer Fibel“ belegt.

Mira und Mimi auf dem Ringwall

Die ganze Zeit über war der Dollberg von wechselnder Intensität besiedelt. Im der Frühlatènezeit fungierte der Ringwall vielleicht als eine Art sozialer und politischer oder ökonomischer Mittelpunkt. In der Spätlatènezeit war die besiedelte Fläche größer, sodass man von einem Oppidum, also einer stadtartigen Siedlung, sprechen kann.

Naike Juchem, 30. Oktober 2022
Quelle: kelten-ringwall.de